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Einleitung

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Um 1800 war der Protestantismus auf allen Kontinenten verbreitet. Eine Weltkirche wie der Katholizismus bildete er gleichwohl weder damals noch später. An seiner Wiege im 16. Jahrhundert stand Vielfalt, und seine Geschichte blieb davon bestimmt. Übergreifende Strukturen wie Allianzen, Bünde, Räte oder councils entstanden erst allmählich. Was wusste ein lutherischer Geistlicher in einem thüringischen Zwergstaat des Jahres 1789 von seinem Amtsbruder in Estland oder in Pennsylvania? Die Lebenswelten blieben noch auf lange Zeit kleinräumig, eingebunden in die lokalen und regionalen, später nationalen Kulturen.

Protestantismus und evangelische Kirche sind Sammelbegriffe. Sie geben den Rahmen, aber noch keine wirklichen Inhalte, und sie sind unscharf den notwendigen Differenzierungen gegenüber. Die Begriffe meinen die gesamte reformatorische Konfessionsfamilie, werden jedoch erst durch Beifügungen wie lutherisch, reformiert, uniert, methodistisch, altlutherisch und was man noch nehmen will konkret. Eine protestantisch-ökumenische Perspektive für die ungefähr 130 Jahre vom Ausbruch der Französischen Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu gewinnen, scheint nahezu unmöglich. Die Kraft und das Gewicht des Partikularen stehen ihr entgegen. Die ökumenische Perspektive unterliegt dem Verdacht, ein bloßes Konstrukt zu sein. Eine global culture des Protestantismus zeigte sich allenfalls in Teilbereichen, beispielsweise in der Länder und Kontinente übergreifenden Erweckungsbewegung. Aber sind globale Teilbereiche nicht ein Widerspruch in sich selbst: wiederum nur Ausdruck des Partikularen, wenn auch auf anderem Niveau?

Der Schwerpunkt der nachfolgenden Darstellung liegt auf den deutschen Territorien, dem nachmaligen Deutschen Reich. Die außerdeutschen Entwicklungen werden kursorisch einbezogen. Sie finden vor allem dort besondere Berücksichtigung, wo Elemente der global culture sichtbar werden, beispielsweise in der Erweckungsbewegung, in der protestantischen Weltmission und im Ersten Weltkrieg. Das Gegeneinandertreten der protestantischen Christen an der Seite der kriegführenden Nationen und Staaten während der Jahre 1914 bis 1918 wird zeigen, dass global culture nicht bloß positive Elemente enthält. Global culture kann auch ein Spannungsbegriff sein.

Am Ende des 19. Jahrhunderts ging die Neuzeit in die Moderne über. Das Substantiv „Moderne“ bildete sich um 1890. Der Sache nach hatte die Moderne, die Zersplitterung der Lebenswelten, schon eher in die Geschichte Einzug gehalten. Die Kirchen erlitten die Fragmentierung der neuzeitlichen Welt als Rückgang der Bindungen an Kirche und Christentum. Sie waren nicht mehr in allen Lebensbereichen willkommen. An diese Erfahrung knüpften sich dramatisch zugespitzte Diagnosen vom Schwund des Glaubens und des Verfalls von Sitte und Moral. Mit Krisenszenarios, welche die Geschichte der protestantischen Kirchen wie auch die Geschichte des Katholizismus seit dem Zeitalter der Französischen Revolution begleiten, muss man vorsichtig, ja in vielen Fällen kritisch umgehen. Sie enthalten wenig Zuversicht in die Macht des Evangeliums und sie fußen auf bestimmten kirchen- und religionssoziologischen Voraussetzungen, die nicht unbestritten sind. Das Schicksal des Protestantismus in der Moderne ist reicher und komplizierter, als dass es mit großräumigen Verfallstheorien gedeutet werden könnte.

In den Partikularisierungsprozessen der Moderne wurde die Partikularität des Protestantismus noch von anderen Partikularitäten eingeholt, oder besser überholt. Was der Protestantismus zur Geburt der Moderne beigetragen hat, ist noch schwieriger zu erfassen als sein Beitrag zur Genealogie der Neuzeit. Deshalb ist der protestantische Beitrag zur Moderne auch umstrittener.

Ökumenische Kirchengeschichte

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