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Deutsche Wirtschafts- und Kulturpolitik in Polen

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Die deutsche Besatzungspolitik, auch die wirtschaftliche, zeichnete sich durch sehr unterschiedliche Zielsetzungen in den eingegliederten Gebieten einerseits und im GG andererseits aus. Die eingegliederten Gebiete waren die industriell und landwirtschaftlich am weitesten entwickelten Teile Polens, in denen etwa vier Fünftel der Industrie konzentriert waren, insbesondere in Oberschlesien (Steinkohle und Stahl), aber auch in Łódź (Textilindustrie).20 Die Prinzipien der Wirtschaftspolitik in den eingegliederten Gebieten, die bis zum Kriegsende galten, waren schnelle Integration in die Wirtschaft des Reiches, Ausnutzung aller Produktionskapazitäten, Rohstoffe und Arbeitskräfte für die Bedürfnisse der Kriegswirtschaft, Enteignung von Polen und Juden, Steigerung der Produktion in Landwirtschaft und Industrie, unter anderem durch Investitionen.21

Die ersten Wochen der deutschen Besatzung zeichneten sich jedoch durch Plünderungen und Konfiskationen aus.22 Diese Periode ging aber bald zu Ende, und die deutschen Besatzer machten sich daran, alle wirtschaftlichen Ressourcen im besetzten Land systematisch auszubeuten. Sie übernahmen das gesamte Vermögen des polnischen Staates, der Kommunen, politischen und gesellschaftlichen Organisationen sowie den größten Teil des Eigentums der religiösen Gemeinden. Sie beschlagnahmten alle privaten landwirtschaftlichen und industriellen Betriebe sowie Kredit- und Transportunternehmen, die Polen und Juden gehörten. Über 90 % der Wohnhäuser, Handwerks- und Handelsbetriebe sowie 500.000 vollständig ausgestattete Wohnungen wurden auf diese Weise konfisziert. Im annektierten Teil Polens blieben bis zum Kriegsende nur wenige Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe in polnischer Hand, die jüdischen wurden dagegen vollständig enteignet.23 So beschlagnahmte man in den eingegliederten Gebieten beinahe 100 % des festgestellten Vermögens, im GG dagegen ‚nur‘ ein Drittel.24 Nutznießer dieser Kollektiventeignung waren deutsche Zivilbehörden, die NSDAP, die Wehrmacht, die SS sowie verschiedene Verbände und Organisationen. Auch Bombengeschädigte im Reich profitierten davon. Auch deutschen Unternehmen, Siedlern aus dem Reich, einheimischen Volksdeutschen sowie solchen, die aus dem Baltikum oder aus Osteuropa in die eingegliederten Gebiete kamen, wurde enteignetes Vermögen überlassen.25

Die besondere Aufmerksamkeit galt dem Industriegebiet Oberschlesien.26 Insgesamt eignete sich das Dritte Reich dort 1764 Industriebetriebe an, darunter 65 Steinkohlegruben mit einer Vorkriegsproduktion von 79 Millionen Tonnen, 24 Erzgruben mit einer Gesamtförderung von 60.000 Tonnen, 96 Hütten, die 3 Millionen Rohstahl und 1,9 Millionen Stahl produzierten, 67 Chemiewerke, vier Kraftwerke und sieben Zementwerke. Anfang 1940 waren in diesen Betrieben 178449 Arbeiter beschäftigt.27 Die oberschlesischen Werke und Unternehmen spielten eine große Rolle in der Kriegswirtschaft des Dritten Reiches, insbesondere die Steinkohle- und Stahlproduktion. Während die Industrieproduktion in den eingegliederten Gebieten während der Besatzung insgesamt stieg, reduzierten die Deutschen Handwerk und Handel drastisch im Rahmen der Kriegsrationalisierung, was in erster Linie jüdische Betriebe traf. An ihre Stelle traten einige wenige deutsche Fabrikationsstätten. Bis 1942 schlossen die deutschen Behörden ersatzlos beinahe 75 % der Handwerksbetriebe und Einzelhandelsgeschäfte in den annektierten Gebieten.28

Eine wichtige Rolle bei der Ausbeutung der eingegliederten Territorien spielte die Landwirtschaft. Gerade diese Gebiete, insbesondere Großpolen (Wartheland), galten als landwirtschaftliches Überschußgebiet im Vorkriegspolen. 1939/40 wurden aus den eingegliederten Gebieten ins Reich u.a. ausgeführt: 177000 Tonnen Brotgetreide, 330.000 Tonnen Kartoffeln, ein Jahr später 415000 bzw. 540.000 Tonnen und 1941/42 bereits 869000 bzw. 814000 Tonnen.29 Die dortigen landwirtschaftlichen Großbetriebe wurden enteignet und an NS-Prominente und hohe Offiziere vergeben; mittelgroße Betriebe erhielten Volksdeutsche, nachdem die bisherigen Eigentümer vertrieben worden waren. Die enteignete polnische Bevölkerung wurde entweder ins GG deportiert oder in den sogenannten Polenreservaten mit den schlechtesten Böden konzentriert. In Danzig-Westpreußen und Südostpreußen mußten polnische Bauern ihre Erträge an den deutschen Staat abliefern; auf ihren Höfen konnten sie aber in der Regel bleiben.

Dem GG maßen die deutschen Besatzer in wirtschaftlicher Hinsicht keine größere Bedeutung bei. Dessen einzige Funktion sah Hitler darin, dem Reich als Sklavenreservoir zu dienen: „Wir wollen dort nur Arbeitskräfte schöpfen.“ Daher sollte im GG ein niederer Lebensstandard herrschen. „Alle Ansätze einer Konsolidierung der Verhältnisse in Polen müssen beseitigt werden. Die ‚polnische Wirtschaft‘ muß zur Blüte kommen.“30 Frank erhielt Anfang Oktober 1939 von Hitler Richtlinien, nach denen er die Wirtschaftspolitik im späteren GG zu führen hatte: „Danach kam nur eine Ausnutzung des Landes durch rücksichtslose Ausschlachtung, Abtransport aller für die deutsche Kriegswirtschaft wichtigen Vorräte, Rohstoffe, Maschinen, Fabrikationseinrichtungen usw., Heranziehung der Arbeitskräfte zum Einsatz im Reich, Drosselung der gesamten Wirtschaft Polens auf das für die notdürftigste Lebenshaltung der Bevölkerung unbedingt notwendige Minimum […] in Frage. ‚Polen soll wie eine Kolonie behandelt werden, die Polen werden die Sklaven des Großdeutschen Weltreichs werden.‘“31 Diese Politik hatte zum Ziel, das industriell ohnehin unterentwickelte Land noch weiter zu entindustrialisieren und es zu einem Agrarland zu reduzieren, das nur Arbeitskräfte für die Wirtschaft des Reiches zu liefern hatte.

Die Umsetzung dieser Richtlinien begann unmittelbar nach der Besetzung. Die Folgen waren katastrophal und von Anfang an sichtbar: Massenarbeitslosigkeit, Inflation und Güterknappheit. Die deutsche Rüstungswirtschaft und Franks Apparat stellten schnell fest, daß diese Verhältnisse negative Folgen auch für das Reich selbst haben würden. Ab Ende 1939 zeichnete sich deshalb eine neue Entwicklung ab, die den ursprünglichen Plänen Hitlers zuwiderlief. In der Zivilverwaltung setzte sich nämlich die Ansicht durch, daß die örtlichen Industriebetriebe viel effektiver zur Stärkung der deutschen Rüstungswirtschaft beitragen konnten, wenn sie im GG verblieben und weiter produzierten. Folglich ging man seit Dezember dazu über, die Rüstungsbetriebe – ab Januar 1940 auch die übrige Industrie – wieder in Gang zu setzen. Zugleich stoppte man den wilden Abtransport von Maschinen, schränkte die Ausfuhr von Rohstoffen ein und erstellte Pläne für den Wiederaufbau der Wirtschaft im GG, die darauf abzielten, die deutsche Kriegswirtschaft zu stärken.32 Im Gegensatz zu den eingegliederten Gebieten wurde im GG keine allgemeine Enteignungspolitik durchgeführt. Die deutschen Behörden beschlagnahmten und enteigneten zwar als „herrenlos“ das gesamte Eigentum des polnischen Staates, der politischen und gesellschaftlichen Organisationen, soweit sie polnisch oder jüdisch waren, sowie das gesamte Vermögen der jüdischen Bevölkerung, nicht jedoch das private polnische Vermögen. Eine Ausnahme stellte das Eigentum der ins Ausland geflüchteten polnischen Bürger dar. Das gesamte jüdische Vermögen ließen sie treuhänderisch verwalten; die Einkünfte daraus – z.B. Mieten – flossen der deutschen Zivilverwaltung zu.33 Bis 1942 wurden 2600 landwirtschaftliche Betriebe mit insgesamt 700.000 ha Fläche enteignet. Summa summarum übernahmen die deutschen Behörden im GG etwa ein Drittel des Gesamtvermögens.34

Ab 1940/41 wurde das GG immer stärker in die Kriegswirtschaft des Reiches einbezogen. Die Zahl der Betriebe, die direkt dafür produzierten, wuchs von 186 im September 1940 auf 299 im Oktober 1941, 358 im September 1942 und 404 im Juni 1944. Der Wert der Lieferungen für die deutsche Kriegswirtschaft stieg von 12550.000 RM im Oktober 1940 auf 26860.000 RM im Oktober 1941, 42686000 RM im Oktober 1942, 58950.000 RM im Oktober 1943 und 86084000 RM im Mai 1944.35 Die wirtschaftliche Ausbeutung des GG erfolgte auch durch finanzpolitische Manipulationen. Beispielsweise mußten von der Notenbank enorme Mittel für die Bedürfnisse der Deutschen bereitgestellt werden. Ferner wurden der Bevölkerung hohe Steuern und Kriegsabgaben auferlegt. Damit finanzierte man 1940/41 nicht nur Straßen- und Bauprogramme für den Aufmarsch gegen die UdSSR, sondern auch die Besoldung sowie Sachausgaben der im GG stationierten Wehrmacht, SS und Polizei sowie der Angehörigen der Verwaltung.36

Auch die Landwirtschaft wurde ausgebeutet und geplündert. Das Territorium des GG war ein agrarisches Zuschußgebiet. Die Überschußgebiete waren entweder ins Reich eingegliedert oder von der Sowjetunion annektiert worden. Zudem hatte die Landwirtschaft durch Kriegsereignisse und Beschlagnahmungen stark gelitten. Eines der wichtigsten Ziele der deutschen Besatzung im GG war es daher, zunächst die Eigenversorgung mit Lebensmitteln zu erreichen. In den ersten Monaten der Besatzung mußte noch Getreide eingeführt werden.37 Ab 1940/41 konnte man aber bereits Lebensmittel ins Reich ausführen. Diese Exporte hielten sich bis 1941/42 in Grenzen, um ab 1942/43 enorm zu steigen. So führten die deutschen Behörden 1940/41 unter anderem 55000 Tonnen Getreide und 122000 Tonnen Kartoffeln aus dem GG ins Reich aus, ein Jahr später 51000 bzw. 139000 Tonnen, 1942/43 633000 bzw. 434400 Tonnen und 1943/44 571700 bzw. 387000 Tonnen.38 Hinzu kamen noch Lieferungen an die dort stationierten Wehrmachtseinheiten (durchschnittlich etwa 500.000 Soldaten), an SS- und Polizeieinheiten (ca. 50.000 Mann) sowie an sowjetische Kriegsgefangene (etwa 400.000 Personen).39 Wie hoch diese Leistungen waren, ist beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht zu ermitteln.

Die Umwandlung vom Einfuhr- zum Ausfuhrgebiet für Lebensmittel erreichten die deutschen Besatzer auf Kosten der einheimischen Bevölkerung, in dem zum einen Polen und Juden ausgehungert wurden, zum anderen durch den systematischen Massenmord an den Juden ab 1942. Bis 1942 versuchten die deutschen Stellen noch, eine Ertragssteigerung durch rationelle Bewirtschaftung zu erreichen, dies blieb aber ohne Erfolg. Die Erträge waren in den Jahren 1940 bis 1944 sogar niedriger als vor 1939/40, unter anderem wegen ungünstiger Witterungsbedingungen. Ab 1942 kann im GG auf dem Agrarsektor von bloßer Raubwirtschaft und Plünderung gesprochen werden.40 Die Eintreibung der enormen Abgaben war nur dadurch möglich, daß die Deutschen die polnischen Bauern durch individuellen und Massenterror – also Kollektivbestrafungen – einschüchterten, so durch Einweisungen in Zwangsarbeits- oder Konzentrationslager, Prügelstrafen, Enteignungen und Niederbrennen einzelner Bauernhöfe und ganzer Dörfer, Strafexpeditionen und Erschießungen.41

Himmler faßte die Grundsätze der deutschen ‚Kulturpolitik‘ in Polen wie folgt zusammen: „Für nichtdeutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volkschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, […] Lesen halte ich nicht für erforderlich.“42 Die Deutschen schlossen alle Universitäten, Hoch- und Oberschulen. Den Polen genauso wie den Juden war es ohnehin verboten zu studieren. Das Schulwesen blieb auf die Grundschulen beschränkt. Eine Ausnahme stellten im GG Berufsschulen dar, vor allem technische und landwirtschaftliche, in denen Arbeiter für die deutsche Wirtschaft herangebildet werden sollten. Alle wissenschaftlichen und kulturellen Institute, Vereinigungen und Gesellschaften, Bibliotheken und Museen wurden aufgelöst und ihre Bestände ‚erfaßt‘ und ‚sichergestellt‘. Theater und Opern wurden im GG zwar nicht geschlossen, sie durften aber keine gehobene Unterhaltung bieten. In den annektierten Gebieten gab es nicht einmal dies. Kurzum: die deutschen Besatzer zerstörten das gesamte öffentliche kulturelle und wissenschaftliche Leben Polens.43 Ähnlich gingen sie mit der Presse um. Sie legten das Zeitungs- und Zeitschriftenwesen still und bauten eine auf NS-Propaganda abgestellte Einheitspresse mit lokalen Varianten auf. Diese Blätter hatten die Aufgabe, die Anordnungen der deutschen Behörden bekannt zu machen und die polnische Bevölkerung im Sinne der Besatzer zu indoktrinieren. Die Maßnahmen im Kultur- und Schulbereich zielten darauf ab, die Heranbildung einer einheimischen Intelligenz zu verhindern und das polnische Volk auf die Stufe einer kulturlosen Nation herabzudrücken.

Genesis des Genozids:Polen 1939-41

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