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Gewalt gegen Kriegsgefangene

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Der Mißhandlung von polnischen Zivilisten durch Soldaten der Wehrmacht entsprach die schlechte Behandlung vieler polnischer Soldaten, die in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten waren. Sie ist nicht zuletzt auf gravierende Mängel in der Vorbereitung des Heeres auf eine bewaffnete Auseinandersetzung vom Ausmaß des Septemberfeldzuges zurückzuführen, die sich bereits in den ersten Tagen des Krieges bemerkbar machten und chaotische Zustände begünstigten. Die Wehrmacht war durch die hohe Zahl an polnischen Kriegsgefangenen schlichtweg überfordert. Verheerend wirkte sich dabei die bereits erwähnte Direktive aus, nicht nur die sich ergebenden polnischen Soldaten, sondern die gesamte männliche Zivilbevölkerung zwischen 17 und 45 Jahren festzunehmen. Beim XI. Armeekorps rechnete man bereits am 11. September für den nächsten Tag mit etwa 10.000 Kriegs- und Zivilgefangenen.70 Am 16. September zog man dort in Eigenverantwortung die Konsequenzen und bestimmte, daß nur noch „Soldaten und solche Zivilisten, bei denen begründeter Verdacht besteht, daß es sich um Soldaten in Zivil handelt“, den Gefangenensammelstellen zugeführt werden dürften.71 Im Hinterland dagegen fehlte es überall an Sicherungs- und Polizeikräften, die die Gefangenen hätten übernehmen können.

Das führte häufig zu kritischen Situationen bei den rückwärtig stationierten Einheiten. Am 8. September meldete das VII. Armeekorps: „Die Zustände hinter VII. Armeekorps, das mit Gefangenen überlastet ist, spotten nunmehr jeder Beschreibung. Oberquartiermeister 10. Armee kann nicht helfen. VII. Armeekorps bittet durch Vorführen von Polizeikräften […] die dringend notwendige Abhilfe zu schaffen.“72 Die kämpfenden Truppen wurden durch die ungenügende Regelung des Abschubs von Gefangenen in Mitleidenschaft gezogen.73 Durch die unzureichende Vorbereitung auf ein so hohes Gefangenenaufkommen stieg zudem die Gefahr, daß zurückströmende Gefangenengruppen sich auf ihrem Marsch in die rückwärtigen Gebiete mit dort noch herumliegenden Waffen versorgten und den Kampf wieder aufnahmen.74 Zum Teil war von den Armeen nicht einmal eine ausreichende Versorgung gewährleistet worden.75 Beim Offizierskorps wurde Unkenntnis über die rechtlichen Implikationen des Kriegsgefangenenwesens konstatiert.76

Die Schwierigkeit, die Masse polnischer Gefangener zu bewältigen, wirkte sich offenbar mancherorts in fataler Weise auf das Verhalten deutscher Soldaten aus. Bei der Panzerdivision Kempf vermerkte man am 13. September: „Es sind einzelne Fälle vorgekommen, daß deutsche Soldaten wehrlose Gefangene und Zivilpersonen hingemordet haben. Die Schuldigen werden zur Verantwortung gezogen werden und die ganze Strenge der Kriegsgesetze zu spüren bekommen, denn sie haben die Ehre der deutschen Wehrmacht beschmutzt. Solche Elemente dürfen wir nicht unter uns dulden.“77 Polnische Augenzeugen berichteten nach Kriegsende von zahlreichen Massenerschießungen von Kriegsgefangenen, die sich unmittelbar nach der Gefangennahme ereigneten.78 Am 26. Februar 1949 gab etwa der Bauer Stanisław Gozdur dem Gerichtshof von Lipsko die Ermordung von 13 polnischen Soldaten durch eine Wehrmachtseinheit in Dąbrowa am 7. oder 8. September 1939 zu Protokoll: „I […] saw Polish soldiers kneeling on the highway. In front of them stood armed German soldiers with weapons in their hands directed to those kneeling. The German soldiers however did not shoot – they waited for their commanding officer. When the officer arrived, they asked him what to do. The commanding officer ordered to shoot the Polish soldiers as he did not know what to do with them and he did not wish to take them across the Vistula [Weichsel]. […] He ordered ‚fire‘. There was a series of shots.“79

In einem anonymen Schreiben, das im August 1950 dem polnischen Konsulat in München zuging und bei dem es sich offenbar um einen Auszug aus dem persönlichen Kriegstagebuch eines deutschen Soldaten handelt, findet sich die Schilderung einer Exekution durch die 11. Kompanie des zur 29. motorisierten Infanteriedivision gehörigen 15. Regiments, die am 8. September bei Ciepiełów durchgeführt worden sein soll. Der Exekution ging ein heftiges Waldgefecht voraus, in dessen Verlauf ein Hauptmann namens Lewinsky durch Kopfschuß fiel. „Eine Stunde später sammelt sich alles auf der Straße. 14 Tote zählt die Kompanie, einschließlich Hauptmann von Lewinsky. Der Regimentskommandeur Oberst Wessel (Kassel) tobt, den Monocel [sic] im Auge: ‚Eine Frechheit, uns aufhalten zu wollen, und meinen Lewinsky haben sie mir erschossen.‘ Die Landser zählen nicht bei ihm. Er stellt fest, daß es sich um Partisanen handelt, obwohl jeder der 300 gefangenen Polen eine Uniform trägt. Sie müssen die Röcke ausziehen. So, nun sieht das schon eher nach Partisanen aus. […] Fünf Minuten später höre ich ein Dutzend deutsche Maschinenpistolen bellen. Ich eile in die Richtung, sehe […] die 300 polnischen Gefangenen erschossen im Straßengraben liegen. Ich riskiere zwei Aufnahmen.“80

Ebenfalls berichtet wurde von der Verbrennung ganzer Gruppen von Kriegsgefangenen in Scheunen oder anderen Gebäuden während des Septemberfeldzuges, beispielsweise in Urycz, wo Angehörige einer nicht identifizierten Wehrmachtseinheit auf diese Weise etwa 100 polnische Soldaten töteten.81 Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich am 12. September in Szczucin. Ein polnischer Oberleutnant hatte während seiner Vernehmung einen Deutschen erschossen. Das VIII. Armeekorps vermerkte lapidar: „Wie der Pole an die Waffe gekommen ist, ist z.Zt. ungeklärt. Sämtliche Gefangenen, auch der Oberleutnant, sind erschossen; das Gefangenenlager in Brand gesteckt.“82 Polnische Augenzeugen schilderten den Vorfall nach dem Krieg etwas ausführlicher: „The German reaction was as instantaneous as it was ruthless. Hand grenades were thrown into the building and heavy fire opened through the windows and doors. The building started to burn. The Polish soldiers trapped in it were being burnt alive. […] Some soldiers tried to jump from the upper story and the roof of the building, but the Germans shot at them and killed them on the spot. The groaning of dying people could be heard until late at night.“83

Einen schweren Verstoß gegen das Kriegsrecht bedeutete auch die rassistisch motivierte ungleiche Behandlung von gefangenen polnischen Soldaten. Zahlreiche ehemalige jüdische Kriegsgefangene berichteten von Vorfällen, bei denen direkt nach der Gefangennahme diejenigen, die jüdischen Bekenntnisses waren, ausgesondert und auf der Stelle erschossen wurden.84 Die Quellen geben keinen Hinweis darauf, wie viele der etwa 60.000 bis 65000 polnischen Kriegsgefangenen jüdischen Glaubens85 derartigen Übergriffen zum Opfer fielen. Unzweifelhaft ist jedoch, daß jüdische Gefangene spätestens in den Lagern von ihren Mithäftlingen getrennt wurden.86 Die Methoden, mit denen die Konfessionszugehörigkeit ermittelt wurde, reichten dabei von der einfachen Befragung über die Verwendung von Namenslisten bis hin zu jener demütigenden Prozedur, mittels derer in Zweifelsfällen überprüft wurde, ob eine Beschneidung vorlag.87 Der Isolierung der jüdischen Kriegsgefangenen folgte in der Regel eine diskriminierende Behandlung. Den sofort nach ihrer Gefangennahme an der Bzura am 19. September von ihren Kameraden getrennten 1500 jüdischen Soldaten wurde etwa von einem deutschen Offizier unterstellt, sie hätten Berlin erobern wollen. Im Gefangenenlager von Z˙yrardów wurden sie zehn Tage lang nicht mit Nahrungsmitteln versorgt und waren auf die Unterstützung seitens der örtlichen Bevölkerung angewiesen.88 Etliche weitere Berichte zeugen davon, daß jüdische Gefangene in Lagern und auf Transporten mißhandelt und zu demütigenden oder unmenschlich anstrengenden Arbeiten gezwungen wurden89, so daß man zu Recht feststellen muß, daß „ihre Verpflegung, ihre Unterbringung und ihre allgemeine Behandlung eher dem Standard für KZ-Häftlinge“ entsprach, und ihre „Sterblichkeitsrate […] erheblich höher lag als die der übrigen polnischen Gefangenen“.90

In den oberen Wehrmachtskreisen war man frühzeitig von Übergriffen gegen polnische Kriegsgefangene informiert. In einem vom Ic-Offizier Major Langhäuser verfaßten Entwurf für einen Befehl des Heeresgruppenkommandos Süd zum Thema „Aufrechterhaltung der Manneszucht“ wurde festgestellt, daß an den vorausgegangen Tagen „teilweise die Gefangenen unmenschlich verprügelt“ worden seien.91 Generalleutnant Erich von Manstein verweigerte in seiner Eigenschaft als Chef des Generalstabs der Heeresgruppe Süd die Vorlage des Entwurfs beim Oberbefehlshaber, Generaloberst Gerd von Rundstedt. Der Befehl, der die angeprangerten Zustände abstellen sollte, konnte daher nicht in Kraft treten.

Genesis des Genozids:Polen 1939-41

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