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A3.4 Anregungen zu den einzelnen Schritten

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Dies war Phänomene einordnen einmal im Schnelldurchgang und anhand des einfachen Beispiels Preisgestaltung dargestellt (Weitere Beispiele: B7, B8 und B9). Damit die einzelnen Schritte aber tatsächlich die gewünschte Funktion übernehmen und als Ganzes ineinandergreifen, sind verschiedene Aspekte zu beachten.

Vieles dazu wurde schon bei Handeln vorbereiten gesagt und kann sinngemäss übertragen werden. Sie finden im Folgenden Querverweise zu den relevanten Punkten bei Handeln vorbereiten sowie spezifische Überlegungen zu Phänomene einordnen.

Zu Schritt 1: Warten, bis die Lernenden schon entsprechende Erfahrungen gemacht haben

Sinngemäss relevant aus Schritt 1 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: Beobachtungsaufträge, Alle Lernende? und Der gute Zeitpunkt.

Zu Schritt 2: Erfahrungen schildern lassen, Erfahrungen machen lassen

Sinngemäss relevant aus Schritt 2 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: Vielfalt zulassen, aber auf Situation fokussieren, Erzählungen ordnen, Beobachtungsaufträge, Materialien aus den Betrieben.

Bezug zum privaten Alltag: Typischerweise umfasst ein Erfahrungsbereich, für den man ein Erklärungsmuster anbietet, nicht nur den beruflichen, sondern auch den privaten Alltag – und manchmal sogar vor allem diesen. Dies gilt beispielsweise für physikalische (Mechanik, Elektrizität etc.) und ökonomische (Warenkreislauf, Buchhaltung etc.) Erklärungsmuster. Im Rahmen der Berufsbildung ist es zwar wichtig, wo immer möglich Verbindungen zu beruflichen Erfahrungen herzustellen. Es gibt aber keinen Grund, Erfahrungen aus dem privaten Alltag auszuschliessen.

Erfahrungen machen lassen: Je nach Bereich ist es möglich, die Lernenden im Unterricht entsprechende Erfahrungen machen zu lassen (physikalische Experimente, Rollenspiele, Simulationen, Beobachtungsaufträge, Projekte etc.). Auf diese Art können sie häufig besser relevante Details wahrnehmen, als wenn sie nur auf ihre Erfahrungen aus dem Alltag zurückgreifen. Wichtig ist dabei allerdings, dass trotzdem auch Alltagserfahrungen einbezogen werden, da sonst die Brücke aus der Schule in den Alltag nicht zustande kommt (Hintergrund: C1 Subjektive Erfahrungsbereiche).

Zu Schritt 3: Erklärungen und Fragen generieren

Sinngemäss relevant aus Schritt 3 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: Schritt 2 als Voraussetzung, keine Anleitung und keine künstliche Erschwerung.

Warum-Fragen und Wie-Fragen: Grob kann man Phänomene in zwei Kategorien einteilen: in natürliche Abläufe und in von Menschen organisierte Prozesse. Im ersten Fall bietet es sich an, als Einstieg eine Warum-Frage zu stellen (z.B. «Warum lässt man beim Verlegen eines Parketts zwischen dem Parkett und der Wand immer einen Spalt offen?»). Im zweiten Fall ist eher eine Wie-Frage angebracht (z.B. «Wie läuft in einem Spital die Aufnahme eines neuen Klienten ab?»). Mit der Wahl der Frage gibt man den Lernenden einen Hinweis, in welcher Richtung sie nach einem Erklärungsmuster suchen sollen. Bei Warum-Fragen geht es eher um ein «Naturgesetzt», bei Wie-Fragen eher um Prozessbeschreibungen.

Packende Frage: Alles steht und fällt damit, eine Frage zu finden, zu der die Lernenden wirklich eine Antwort möchten. Antworten auf Fragen, die man nicht hat, interessieren niemanden und lösen auch keine Lernprozesse aus (Hintergrund: C4 Lernziel richtige Antwort). Eine packende Frage zu finden, ist nicht immer einfach. Am besten geht man von Fragen aus, die man als Lehrperson selbst spannend und interessant findet (Herndon 1971).

Weitere Fragen: Wie vorgeschlagen, kann es sinnvoll sein, den Prozess durch eine geeignete Frage anzustossen. Damit aber die vorhandenen Erfahrungen der Lernenden breit mit einbezogen werden, ist es wichtig, dass es möglichst nicht bei dieser einen Frage bleibt. Wenn den Lernenden weitere Fragen einfallen – die sie vielleicht sogar mehr beschäftigen als die Einstiegfrage – sollten sie auch (oder vor allem) diesen anderen Fragen nachgehen.

Vielfalt fördern: Normalerweise können die Lernenden die behandelten Fragen nicht einfach beantworten, denn sonst wäre es nicht nötig, ein (neues) Erklärungsmuster zu vermitteln. Das bedeutet aber auch, dass die Lernenden nicht wirklich einschätzen können, wie gut ihre Erklärungsversuche sind. Es ist daher wichtig, sie zu ermuntern, nicht nur eine, sondern möglichst viele Erklärungen zu diskutieren. Dies kann man fördern, indem man beispielsweise die Brainstorming-Regel einführt, dass jede Idee zumindest notiert wird.

Zu Schritt 4: Erklärungsversuche zusammenstellen

Sinngemäss relevant aus Schritt 4 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: Präsentation der Lösungsversuche, positive Aspekte würdigen, Gegenbeispiele einsetzen, offene Fragen sammeln und wenn es keine Fragen gibt.

Alternative Erklärungsmuster bewerten: Erklärungsmuster gleich welcher Art sind nie einfach wahr, sondern spiegeln höchstens den aktuellen Wissensstand. Wichtig ist deshalb, dass alternative Erklärungsmuster, die die Lernenden im Laufe der Diskussion interessant finden, nicht einfach als falsch bezeichnet werden. Sie entsprechen zwar nicht dem aktuellen Wissensstand, aber es besteht die Möglichkeit, dass sich das in Zukunft ändern wird.

Die Diskussion um alternative Erklärungsmuster kann man nutzen, um mit den Lernenden daran zu arbeiten, wie man Informationsquellen und Informationen auf ihre Verlässlichkeit hin beurteilt.

BEISPIEL: DIE DISKUSSION ALTERNATIVER ERKLÄRUNGSMUSTER

In einer Berufsmaturitätsklasse geht es um die Frage, warum der Arbeitgeber (ein Heim) von den Mitarbeitenden verlangen kann, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Eine Lernende wehr sich vehement dagegen und behauptet, es sei doch längstens bekannt, dass diese Impfung nichts nütze und dass im Gegenteil Impfen gefährlich sei. Sie bringt sogar Fachartikel mit, die dies belegen sollen. Da nicht kategorisch ausgeschlossen werden kann, dass sich in Zukunft herausstellen wird, dass die Wissenschaft bei der Grippeimpfung die Sachlage falsch eingeschätzt hat, lässt sich die Meinung der Lernenden nicht einfach als falsch widerlegen. Man kann aber aufzeigen, auf welche Basis sich die offizielle Meinung stützt und wie die mitgebrachten Fachartikel relativ dazu einzuordnen sind.

Zu Schritt 5: Erklärung modellhaft vormachen

Sinngemäss relevant aus Schritt 5 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: Antwort auf Fragen, keine Show und Hintergrundtheorie.

Gebrauch zeigen: Die Theorie, das Erklärungsmuster, ist nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, Phänomene aus dem behandelten Erfahrungsbereich einzuordnen, das heisst mithilfe des Musters zu beschreiben (Hintergrund: C2 Erfahrungen und Ressourcen). Wichtig ist daher, dass in diesem Schritt nicht einfach die Theorie vermittelt wird, sondern dass sie eingesetzt wird, um zumindest ein konkretes Phänomen zu erklären.

Angepasster Detaillierungsgrad: Gut ausgebaute Erklärungsmuster erlauben manchmal detaillierte Erklärungen. Es ist aber nicht immer zielführend, jedes Detail zu beleuchten.

BEISPIEL: ANGEPASSTER DETAILLIERUNGSGRAD

Die Formel U = R × I beschreibt den Zusammenhang zwischen der Spannung (U), dem Widerstand (R) und der Stromstärke (I). Aus ihr lässt sich ableiten, dass sich I erhöhen muss, wenn man U erhöht und R gleich lässt. Anstatt dieser eher grob auflösenden Aussage kann man aber auch berechnen, um wie viel genau sich I erhöhen wird, wenn man U um einen ganz bestimmten Betrag vergrössert.

Nur weil das möglich ist, bedeutet das aber nicht, dass man das auch tun muss. Vielleicht rückt die gröber auflösende Betrachtung das, was für den behandelten Erfahrungsbereich wichtig ist, viel besser ins Licht, als wenn man sich auf die feiner auflösende Ebene begibt (Hintergrund: C3 Situierte Abstraktion).

Zu Schritt 6: Weitere Erfahrungen mit vergleichbaren Phänomenen einordnen

Sinngemäss relevant aus Schritt 6 von Handeln vorbereiten sind alle dort erwähnten Punkte, also: Anleiten, wörtliche Umsetzung, Anzahl, Lösungen und Reflexion.

«Reflexion»: Wie bei jeder praktischen Vorgehensweise, die nur unter gewissen Bedingungen sinnvoll eingesetzt werden kann, kann auch ein bestimmtes Erklärungsmuster nicht auf beliebige Phänomene angewendet werden. Im Vergleich zu Handeln vorbereiten und dem Einhalten der für ein Verfahren notwendigen Voraussetzungen dürfte es den Lernenden hier im Allgemeinen schwerer fallen, einzuschätzen, ob ein Erklärungsmuster anwendbar ist. Es werden daher hier häufiger als bei Handeln vorbereiten Aufgaben entstehen, die mit dem behandelten Erklärungsmuster gar nicht oder nur bedingt bearbeitbar sind (z.B. «Warum ist Kaviar im Einkauf so teuer?» im Zusammenhang mit «Preisgestaltung»). Die Reflexion darüber, wo das Erklärungsmuster einsetzbar ist und wo seine Grenzen sind, ist daher besonders wichtig.

Zu Schritt 7: Liste möglicher Gebrauchssituationen erstellen

Im Gegensatz zu Handeln vorbereiten stellt dieser Schritt hier nicht die Frage ins Zentrum, woran man alles denken sollte, wenn man versucht, das erlernte Vorgehen im Betrieb anzuwenden, sondern wo es Gelegenheiten geben könnte, das neue Erklärungsmuster zu erproben. Die hier vorgeschlagene Form des Spickzettels ergänzt den Spickzettel aus Handeln vorbereiten. Denn auch dort könnte man eine ähnliche Liste mit Gelegenheit erstellen, wo überall man das erlernte Vorgehen versuchsweise einsetzen könnte. Und umgekehrt könnte man hier beim Phänomene einordnen einen Spickzettel erarbeiten, auf dem man sich die wichtigsten Eckdaten des Erklärungsmusters und die notwendigen Überlegungsschritte bei seinem Gebrauch notiert.

Allgemeine und individuelle Einträge: Die Liste möglicher Gebrauchssituationen wird Situationen enthalten, die viele Lernende antreffen werden. Bei «Preisgestaltung» sind das etwa die Preise aller Gerichte auf den Speisekarten in den Betrieben aller Lernenden. Die meisten Lernenden werden auch beobachten können, wie ihr Betrieb die Preise bei Aktionen anpasst.

Bestimmte Situationen treten hingegen nur in einzelnen Betrieben auf und sind damit nur für einzelne Lernende relevant. Dazu gehören beispielsweise die Preise in einem hochdekorierten Gourmetrestaurant. Diese Situationen sind für Schritt 8 besonders interessant, da die Betreffenden etwas erzählen können, das den anderen Lernenden nicht direkt zugänglich ist.

Zu Schritt 8: Phänomene im Alltag beobachten und erklären

Sinngemäss relevant aus Schritt 8 von Handeln vorbereiten sind die Punkte: nachbereiten, kritische Reflexion.

Dieser Schritt unterscheidet sich nicht wesentlich vom entsprechenden Schritt bei Handeln vorbereiten. Während die Lernenden dort versuchen, das neue Vorgehen im Betrieb einzusetzen, geht es hier darum, das neue Erklärungsmuster einzusetzen. Die Lernenden erzählen von ihren Erfahrungen und individuellen Schwierigkeiten bei diesen Versuchen. Die Lehrperson moderiert und gibt Input, um gezielt Schwierigkeiten oder Verständnislücken zu beheben.

Situationsdidaktik konkret (E-Book)

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