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Kapitel 11

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Paul erwachte. Ganz vorsichtig ließ ihn sein Bewusstsein wieder in die Realität eindringen. So als ob es ihn vor der Wahrheit schonen wollte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er sich in dem Wirrwarr an Gefühlen, aus dem er sich erst langsam herausmanövrieren konnte, wieder zurechtfand. War er nun gestorben und dies war der Himmel? Sicher nicht! Denn, wenn es so etwas wie ein Paradies wirklich geben sollte, dann sah es bestimmt nicht aus wie ein Krankenbett. Und in genau einem solchen lag er jetzt.

Zwar konnte er seine Umwelt langsam wieder wahrnehmen und es schien, dass ihn dieser Albtraum wieder in die Wirklichkeit ausgespuckt hatte, trotzdem fiel es ihm immer noch schwer dem leichten Gefühl des Sterbens zu entrinnen. Pauls Gedanken begann sich zu drehen. Was war nur mit ihm geschehen?

Nie, auch nicht im Entferntesten hatte er damit gerechnet, dass er wieder unkontrolliert in fremde Körper katapultiert werden könnte. Und anscheinend konnte er diesen Körper auch nicht wieder so einfach verlassen. Zumindest wurde er, oder vielmehr sein Wirtskörper, anscheinend von den Ärzten gerettet, denn tot war er nicht. Darüber war er sich jetzt absolut sicher.

Sein Blickfeld war immer noch unscharf, aber zumindest konnte er inzwischen seine Umgebung verschwommen, wie durch einen Schleier, wahrnehmen. Er lag also in einem Krankenbett. Und so wie es aussah, stand dieses Bett in einer Art Kabine auf einer Intensivstation. Rund um ihn herum waren lauter hochmoderne Gerätschaften und Monitore die blinkten und piepten. Aus seinem Körper hingen Drähte und Schläuche an die er angeschlossen war und die ihn, ganz offensichtlich, am Leben erhielten. Das Licht in dem Zimmer war angenehm gedimmt, aber nicht so dunkel dass man nichts erkennen könnte. Paul versuchte sich zu konzentrieren.

Was war, wenn dieser Körper in der nächsten Zeit doch noch sterben würde? Wer weiß, ob und wie lange diese Geräte ihn noch am Leben erhalten könnten. Er musste so schnell wie möglich diesen Körper wieder verlassen. Er schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. So wie er es immer machte, wenn er das Umloggen, wie er es inzwischen nannte, einleiten wollte. Aber so sehr er sich auch darauf konzentrierte, er konnte nicht mehr in seinen eigenen Körper zurück. Irgendetwas schien ihn dabei auszubremsen. Was war mit ihm nur los? War dies sein Schicksal, dass er in einem fremden Menschen sterben würde? Was war inzwischen aus dem Geist dieses Körpers geworden? Was war mit seinem eigenen Körper? Paul wurde schwindelig bei den ganzen Fragen. Panik stieg wie eine langsam, aber mit Gewissheit nahende Flut in ihm auf. Er spürte, wie sein Puls zu rasen und sein ganzer Körper zu schwitzen begann.

Plötzlich schlug eines der Überwachungsgeräte hinter ihm mit einem lauten Piepton Alarm. Paul konzentrierte sich noch einmal mit seiner ganzen Kraft darauf diesen Körper zu verlassen und wieder in den eigenen heimzukehren. Doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Bis jetzt war das Zurückkehren noch nie ein Problem gewesen. Er schloss die Augen und blendete alles Störende aus seinem Bewusstsein, rund um ihn herum, aus. Seine ganze Energie fokussierte er nur noch darauf in seinen eigenen Körper heimzufinden. Ihm wurde schwindelig.

Wie ein dünnes Rinnsal, das langsam anwächst und zu einem reißenden Fluss wird, hörte er den bekannten Klang einer Stimme anschwellen. „Paul, was ist los? Paul, kannst du mich hören?“ Er blinzelte vorsichtig, aus Angst vor dem was ihn jetzt wieder erwarten würde, dann öffnete er die Augen und sah Susanne vor sich, die ihn mit weit aufgerissenen, ängstlichen Augen anstierte. Er hatte es also doch noch geschafft und war wieder zu Hause. Paul stöhnte und versuchte aufzustehen. Doch seine Beine wollten ihm noch nicht gehorchen und er sackte rücklings zusammen. Er sah Susanne an und keuchte „Es geht gleich wieder, gib mir nur eine Sekunde“. „Ich hab echt einen riesen Schreck bekommen, Du warst völlig weg und hast auf nichts mehr reagiert. War das wieder einer dieser Anfälle?“ Paul starrte zu Boden und nickte. Susanne kniete vor Paul und lächelte ihn liebevoll an. Dann nahm sie ihn in den Arm und strich ihm zärtlich durch das Haar. Paul zitterte. Die gerade erlebte Todesangst steckte noch tief in ihm und eine eisige Kälte durchweichte wie zäher Honig seinen Körper.

Als Paul am nächsten Morgen aufwachte war das Bett neben ihm bereits leer. Er streichelte sanft das Laken, als ob Susanne immer noch dort liegen würde. Das weiche Licht der Morgensonne durchströmte die großen Fenster des Schlafzimmers und tauchte es in ein warmes Gelb. Die letzte Nacht war den wärmenden Sonnenstrahlen gewichen und hatte den Großteil ihres Schreckens verloren. Der Wecker zeigte kurz nach 8 Uhr an. Um diese Zeit war Susanne, wie an jedem normalen Arbeitstag, schon in der Praxis. Langsam drehte Paul sich aus dem Bett und griff zu seinem Smartphone, das auf dem Nachtkästchen lag. Dann wählte er die Nummer seiner Sekretärin. Frau Fuchs würde um diese Zeit sicher schon im Büro sein. Schon beim zweiten Klingeln meldete sich, wie erwartet, die immer freundliche Stimme. Paul klärte mit wenigen Sätzen, dass er heute von zu Hause aus arbeiten würde und sie bitte keine Anrufe zu ihm weiterleiten sollte. Wenn etwas Wichtiges zu besprechen wäre, dann sollte sie ihm nur kurz eine Mail senden.

Frischgeduscht und mit einer dampfenden Tasse Ristretto in der Hand, marschierte Paul in sein Arbeitszimmer und setzte sich an den antiken Holzschreibtisch. Auch die anderen Möbel in dem Zimmer waren alte Sammlerstücke, die Paul sich im Laufe der Jahre zusammengekauft hatte. Drei der vier Wände waren mit Bücherregalen vollgestellt in denen alle Genres an Literatur vertreten waren. Paul liebte seine Bücher und eines davon nahm er immer wieder in die Hände und blätterte darin. Paul konnte sich auch nicht daran erinnern, wie er an das Buch gekommen war. Irgendwann hatte er es einfach im Bücherregal entdeckt. Der Titel des Buches war „Gedankenpiraten“. In dem Buch ging es um Menschen, die eine besondere Gabe hatten – nämlich seine. Es war eine Art Fachbuch über das Besetzen von anderen Körpern. Das Buch war handgeschrieben und für Paul nur schwer zu lesen, da der Text in altdeutscher Sprache verfasst war. Jetzt stand das Buch nicht mehr in einem seiner zahlreichen Bücherregalen. Dieses besondere Werk bewahrte Paul in seinem Safe auf. Zum einen, da es für ihn der einzige Anhaltspunkt war, dass er mit seiner Fähigkeit nicht ganz alleine auf der Welt war – zum anderen wollte er nicht, dass Susanne oder jemand anderes darüber las.

Er vermied es schon lange mit anderen Menschen über dieses Thema zu sprechen. Zu oft war er auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Susanne hatte zwar versucht es zu begreifen, und Paul hatte den Eindruck, dass sie ihm sogar glauben würde, doch wenn sie wüsste, welche Art von „Zweiteinkommen“ Paul besaß, sie würde ihn sofort verlassen. Susanne war ein durch und durch guter Mensch. Wenn Paul sie necken wollte sagte er immer „Mutter Theresa“ zu ihr. Susanne hasste diesen Vergleich zwar, aber so weit hergeholt war er sicher nicht. Wenn sie auf der Straße einen Bettler sah, konnte sie nicht vorbei gehen, ohne ihm etwas gegeben zu haben. Susanne würde ihr ganzes Geld für Hilfebedürftige spenden, wenn Paul sie nicht immer wieder bremsen würde.

Paul holte das Buch aus dem Safe, setzte sich an den Schreibtisch und las. Er las immer wieder über dieselben Textstellen, doch vieles wollte sich ihm einfach nicht erschließen. Die altdeutsche Schrift hatte er im Laufe der Jahre relativ gut lesen gelernt. Doch der Text ergab oft wenig Sinn. Viele Worte kannte er einfach nicht. Paul suchte nach einer bestimmten Stelle. Nach seinem letzten Erlebnis begann er zu verstehen, was hier gemeint sein konnte. Er blätterte in dem Buch und las darin etwas über Piraten, damit waren offensichtlich Menschen wie er gemeint, die aus ihrem tiefen Schlaf nicht mehr erwacht seien und dann, nach kurzer Zeit, verstarben. Paul versteinerte. Plötzlich wurde alles ganz klar, jetzt verstand er die Worte aus dem Buch: „Sei auf der Hut Pirat – Wenn du den Herzschlag hörst, hat dich der Vasall der Piratenjäger entdeckt und die Jagd wird beginnen.“

Gedankenpiraten

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