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Kapitel 16

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Die U-Bahnfahrt nach Hause verlief ohne weitere Aufregungen oder Zwischenfälle. Nach etwa 20 Minuten stand Paul wieder vor seiner Haustüre, sperrte auf und trat ein. Auf dem Anrufbeantworter blinkte eine rote 1. Eine neue Nachricht war gespeichert. Er drückte die Abhörtaste und stützte sich mit beiden Händen am Schuhschrank ab. Die Erinnerung an das Geräusch, das ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hatte, war immer noch präsent. Und er wollte darauf gefasst sein, falls er wieder ohnmächtig werden würde. Doch nach dem Piepton war weder der Jäger noch das Trommeln zu hören. Es war Susanne „Hallo Schatz, ich bin es. Ich komm heute etwas früher raus. Dann können wir uns einen gemütlichen Abend machen. Bis später“. Paul schluckte. Sein schlechtes Gewissen machte ihm ordentlich zu schaffen und lange würde er diesen Zustand nicht aushalten können. Er nahm sich fest vor am Abend mit seiner Freundin über den „Ausrutscher“ mit Elli zu reden. Und eigentlich konnte er nicht wirklich etwas dafür – zumindest wollte Paul sich das jetzt am liebsten einreden. Dass Susanne die Situation ganz anders bewerten würde war ihm klar. Doch jetzt musste er sich erst einmal wieder auf das Tagesgeschäft konzentrieren. Also machte Paul sich kurz frisch, warf sich in einen Designeranzug, packte seine Aktentasche und fuhr los Richtung Unterföhring zu seinem Arbeitsplatz. Er war noch keine zwei Straßen gefahren, da fiel ihm im Rückspiegel ein Motorrad auf, das immer im selben Abstand hinter ihm herfuhr. Paul verlangsamte seinen Wagen und sofort wurde auch das Motorrad langsamer. Immer wieder blickte er nervös in den Spiegel, doch es war immer dasselbe Bild. Er versuchte sich zu beruhigen und sagte sich, dass dies alles nur ein Zufall sei, aber nach einem weiteren Manöver mit Gas geben und Abbremsen gab es keinen Zweifel mehr. Er wurde verfolgt. Kurzerhand beschloss er bei der nächsten Möglichkeit in eine Seitenstraße abzubiegen. Er setzte den Blinker und fuhr nach rechts. Das Motorrad folgte ihm. Er blickte wieder in den Spiegel um vielleicht den Fahrer erkennen zu können, doch alles was er sah war ein helles Licht. Kaum war er in die Nebenstraße abgebogen sah er eine große Parklücke. Er stieg auf die Bremse und fuhr ohne zu blinken nach rechts in die Lücke. Sein Verfolger konnte, wie geplant, nicht schnell genug reagieren. Für einen kurzen Moment versuchte er zu bremsen, bemerkte aber schnell, dass er schon zu nahe an Pauls Fahrzeug war. Also gab es nur noch eine Option und das war Gas geben. Zwar beschleunigte das Motorrad mit aufheulendem Motor, trotzdem konnte Paul jetzt sehen, wer die ganze Zeit hinter ihm herfuhr. Es war eine schwarze Honda CBR. Der Fahrer war, passend zum Motorrad, mit einem schwarzen Lederkombi und einem schwarzen Helm mit dunklem Visier bekleidet. Das Gesicht konnte Paul leider nicht erkennen, aber entweder war der Fahrer ein Leichtgewicht, oder, und das erschien Paul wahrscheinlicher, sein Verfolger war eine Frau. Paul war sich nicht ganz sicher, aber glaubte unter dem Helm einen blonden Haarschopf zu erkennen. Es hätte allerdings auch ein helles Halstuch seien können. Kaum war das Motorrad an seinem Auto vorbei, beschleunigte es weiter und war in der nächsten Straße verschwunden. Paul parkte aus, wendete den Wagen und setzte den Weg zum Sender fort.

Wenn sein Verfolger immer noch hinter ihm her wäre, dann jetzt auf jeden Fall etwas vorsichtiger. Zumindest sah er niemanden mehr im Spiegel. Doch Paul wusste es nicht und er hatte auch gar keine Zeit um weiter darüber nachzudenken. Jetzt musste er erst einmal versuchen die Sache mit Elli und der Rolle zu klären.

Paul lief den Gang zu seinem Büro entlang als ihm seine Sekretärin, Frau Fuchs, schon von weitem wild gestikulierend zuwinkte. Paul beschleunigte seinen Schritt. Er war noch gar nicht richtig bei Frau Fuchs angekommen als sie ihm aufgeregt zurief „Da sitzt eine junge Dame in ihrem Büro. Ich konnte sie leider nicht dazu bewegen draußen zu warten oder zu gehen.“ Paul spürte wie ihm das Blut aus dem Kopf entwich und in die Beine sackte. Harsch blaffte er Frau Fuchs an „Warum haben Sie denn nicht den Sicherheitsdienst geholt? Muss ich hier alles selber machen?“ Doch schon während er sprach merkte Paul, dass er sich gerade sehr im Ton vergriffen hatte und sofort tat es ihm auch wieder Leid. Wortlos und offensichtlich enttäuscht und verärgert über das Verhalten ihres Chefs drückte Frau Fuchs eine Taste auf dem Telefon und wollte gerade den Sicherheitsdienst rufen als Paul zu ihr sprach. „Entschuldigen Sie Frau Fuchs, ich bin heute etwas gestresst. Es ist alles in Ordnung, ich mach das schon – danke“. Immer noch leicht pikiert blickte Frau Fuchs ihren Chef mit zusammengekniffenen Lippen und Augen an. Doch sie konnte Paul nie lange böse sein, also nickte sie ihm stumm zu und entspannte auch ihren Gesichtsausdruck wieder. Paul öffnete die Türe zu seinem Büro und sah was er es sich schon gedacht hatte. Elli lümmelte sich frech in die Ecksitzgruppe, die für Besprechungen vorgesehen war. Fröhlich, mit einem breiten Grinsen winkte sie Paul und meinte nur „Hallo schöner Mann. Da bist du ja endlich. Ich habe schon gewartet“. Paul schritt wortlos auf Elli zu, setzte sich auf einen der Ledersessel neben sie, sah ihr in die Augen und meinte nur kühl, „Was zur Hölle soll das?“ Gespielt beleidigt antworte Elli mit Schmollmund und kindlicher Stimme „Warum denn so unfreundlich? Ich dachte du freust dich. Und Herr Simon von der Castingabteilung hat mich doch extra gebeten zu dem Gespräch dazuzukommen. Hat er dir das nicht gesagt?“ Paul stutze „Herr Simon hat dich eingeladen? Das kann ich mir nur schwer vorstellen, dass er das aus freien Stücken gemacht hätte. Was hast du mit ihm gemacht? Hast du ihn genauso manipuliert wie mich?“. Jetzt hatte Paul offensichtlich ins Schwarze getroffen, denn Elli geriet sichtbar aus der Fassung. „Das glaube ich ja nicht“ zürnte sie „Ist es das was du von mir denkst? Dass ich mit jedem ins Bett springe um an einen Job zu kommen?“ „Davon habe ich nicht gesprochen“ erklärte Paul trocken. Elli drehte ihren Kopf zur Seite und fragte verdutzt „Von was redest du dann?“ „Ach komm schon, lassen wir das Versteckspiel. Wir wissen doch beide ganz genau, was du mit mir gemacht hast um mich zu verführen.“ Elli wurde still und sah sich verwirrt und unsicher um. Sie sah Paul nervös an und stotterte „Du, du weißt es? Wie, ich meine woher?“ Doch bevor die beiden sich weiter unterhalten konnten klopfte es an Pauls Bürotür, die im selben Moment aufgerissen wurde. Karl Simon, der Leiter der Castingabteilung, kam mit einem breiten Grinsen im Gesicht durch die Tür und schritt mit ausgestreckter Hand direkt auf Elli zu. Paul und Elli sahen sich nur kurz an und standen dann beide auf um Herrn Simon ihrerseits zu begrüßen. Herr Simon klopfte wohlwollend auf Pauls Schulter und lobte ihn für den tollen Tipp, den er ihm mit Elli gegeben hätte. Paul sah vorwurfsvoll zu Elli, die verlegen ihre Schultern hob und die Augenbrauen nach oben zog. Paul bot Herrn Simon einen Sessel an um so das Gespräch beginnen zu können und eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. „Sie haben Frau Meister auch eingeladen?“ wollte Paul, etwas verwundert, von Herr Simon wissen. „Ja natürlich, immerhin müssen wir ja heute auch über den Ausbau der Rolle sprechen. Haben Sie schon das neue Drehbuch gelesen, das ich Ihnen vorab schon per Email gesendet hatte?“. Paul stutze „Das neue Drehbuch? Nein!“ Herr Simon, der offensichtlich mehr als nur etwas angetan von Elli war, meinte „Das macht nichts. Ich habe noch zwei Kopien dabei.“ Paul sah Herrn Simon verständnislos an. Der öffnete seinen Aktenkoffer und holte zwei geheftete Papierstapel heraus. „Die Rolle der Frau Schmidt wurde nun noch ausgeweitet und sie werden sehen, so ist das Drehbuch noch viel besser. Jetzt erst wird die Geschichte rund.“ Dabei grinste er und zwinkerte Elli verschwörerisch zu, die darauf aber nicht zu reagieren schien. Paul für seinen Teil verstand nun gar nichts mehr. Normal musste so etwas vorher mit ihm durchgesprochen werden. Hier lief, das war nicht schwer zu erkennen, einiges nicht normal. Paul sah wieder zu Elli die augenscheinlich jetzt aber schon zu genau wusste, was hier gespielt wurde. Was Paul allerdings erstaunte war die Reaktion von Elli als er sie direkt angesprochen hatte. Er erwartete, dass sie leugnete, oder sich lächerlich darüber machte. Nichts dergleichen war der Fall. Es war ihr anscheinend sogar peinlich. Sie reagierte wie ein ertapptes Kind, das heimlich Ferngesehen hatte. Nicht so, wie er sich einen Jäger, oder einen Vasall vorgestellt hätte. Das alles verwirrte Paul nun und er brauchte Zeit und mehr Informationen um Alles zu verarbeiten. Deshalb erklärte er Herrn Simon „Das ist ja alles gut und schön, aber ich muss mir das Konzept erst durchlesen, um zu sehen, ob ich es so freigeben kann“. Herr Simon stutzte kurz und wirkte fast schon gekränkt, konnte aber nichts mehr dagegen sagen, da Paul hier eindeutig der Boss im Ring war. Deshalb gab er kleinlaut, ohne weitere Worte, bei. „Lassen Sie mir das Drehbuch da, ich werde es mir bis übermorgen durchlesen, dann treffen wir uns nochmal. Aber ich denke, wenn Sie so begeistert davon sind, dann wird das schon seinen Grund haben“. Dabei grinste Paul und schlagartig erhellte sich auch die Miene von Herrn Simon. Damit war das Gespräch beendet. Herr Simon stand auf und verabschiedete sich mit Handschlag erst von Elli, der er zum wiederholten Mal verschwörerisch zuzwinkerte und dann von Paul. Dann verschwand er aus dem Raum und lies Paul und Elli alleine zurück.

Paul sah Elli durchdringend und fragend an. Er wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau. Er wollte jetzt endlich wissen woran er ist. Was konnte er auch noch verlieren? „Was hast du mit ihm gemacht? Wer bist du wirklich?“. Elli antwortete „Wer ich bin? Was ist das denn für eine Frage? Du weißt doch wer ich bin. Und ja, ich gebe es ja zu, ich habe ein wenig nachgeholfen bei meiner Karriere. Aber ich hatte auch schon so lange auf so eine Möglichkeit gewartet und dann kamst du und auf einmal schien alles ganz einfach zu sein.“ Dass Elli, ohne groß zu leugnen und sehr kleinlaut alles zugab, passte jetzt so gar nicht mehr in Pauls Bild einer Bedrohung. Doch bevor er noch etwas sagen konnte packte Elli hektisch ihre Tasche, die sie neben den Sessel gelegt hatte und lief schluchzend aus dem Büro. Paul stand wie vom Blitz getroffen da und als er ihr hinterher laufen wollte war es schon zu spät. Elli war, wie vom Erdboden verschluckt, verschwunden. Frau Fuchs, die die Flucht von Elli mitbekommen hatte meinte nur „Oh je, haben Sie schon wieder einen großen Stern vom Himmel geholt?“ Dabei zwinkerte sie Paul zu, der mehr zu sich selbst, als zu Frau Fuchs sprach „Wer weiß, ob dieser Stern nicht noch zu einem Kometen wird der uns alle auslöscht“. Mit diesen Worten marschierte er in sein Büro, schloss die Tür hinter sich und setzte sich an seinen Schreibtisch. Dann zog er zischend Luft in seine Lungen und atmete mit einem tiefen Seufzer wieder aus. Was war das jetzt eben gerade gewesen?

Er arbeitete seine Unterschriftenmappe durch und diktierte noch ein paar Briefe,

dann beschloss er sich auf den Weg nach Hause zu machen. Dort, in seiner vertrauten Umgebung, konnte er besser nachdenken. Im Büro wurde er nur ständig gestört. Bei sich, in den eignen vier Wänden, konnte er sich seine Lieblingsmusik anhören, entspannen und einfach fallen lassen.

Zu Hause angekommen führte sein erster Weg ins Badezimmer. Er zog sich aus und stellte sich unter die Dusche. Dann kuschelte er sich in seinen Frottee-Bademantel, warf ein paar Scheite Buchenholzscheite in den offenen Kamin im Wohnzimmer und genoss den entspannenden Anblick der züngelnden Flammen und der sich ausbreitenden Wärme. Dann fläzte er sich auf das breite Sofa, als sein Smartphone klingelte. „Hat man denn niemals seine Ruhe?“ murmelte er vor sich hin. Er stand auf und holte sein Handy aus der Jackentasche in der Garderobe. Er meldete sich mit seinem Namen und Rowena antworte „Hallo Paul, ich wollte nur wissen, wie es gelaufen ist. Wie geht es nun mit dieser Elli weiter?“ Paul war etwas erstaunt, wie wichtig diese Elli für Rowena zu seien schien. Paul schilderte in wenigen Worten was in seinem Büro vorgefallen war. Nur dass Elli sich offensichtlich schämte und ertappt reagiert hatte erzählte er Rowena nicht. „Du hast dich also tapfer geschlagen. Das ist gut“ meinte Rowena. Und dann sprach sie weiter „Zeige ihr nicht, dass du Angst hast. Sie kann nur vermuten, dass du ein Pirat bist. Erst wenn sie ganz sicher ist und dich „auf frischer Tat ertappt“ dann kann sie etwas gegen dich unternehmen. Das verlangt der Codex so.“ „Du meinst also, sie will mich dahin treiben, dass ich in ihrem Beisein umlogge?“ wollte Paul wissen. „Genau so ist es“ antwortete Rowena. „Deshalb sage ich dir ja ständig, dass du vorsichtig sein sollst“.

Rowena beendete das Gespräch und Paul lies sich, nachdem er aufgelegt hatte, rückwärts auf das Sofa fallen. Irgendwie schien jetzt auf einmal alles nicht mehr so schlimm. Elli schien gar nicht so gefährlich zu sein. Und mit Rowena an seiner Seite hatte er eine Verbündete, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stand. Was sollte da also noch schief gehen? Die Antwort kam schneller, als es ihm lieb gewesen wäre.

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