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2.2.2 Die wissenschaftliche TextkritikTextkritik

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Die wissenschaftliche TEXTKRITIKTextkritik nun hat noch heute ihren festen Platz in diesen Fächern. Dabei geht es, wie gesagt, darum, zu einem möglichst originalgetreuen Text eines antiken Werkes zu gelangen. Der erste Arbeitsschritt, der in diesem Zusammenhang zu leisten ist, besteht darin, alle Handschriften, in denen ein Werk überliefert ist, zusammenzutragen (HEURISTIKHeuristik). Falls es daneben Zitate aus dem betreffenden Werk bei anderen antiken, seltener bei mittelalterlichen Autoren gibt, müssen selbstverständlich auch diese – als sehr alte Textversionen – berücksichtigt werden. Diese werden als TESTIMONIEN bezeichnet. Im Einzelfall mag es ferner notwendig sein, frühe Drucke hinzuzuziehen, wenn diese noch auf mittlerweile verschollene oder nicht mehr gut lesbare Handschriften zugreifen konnten. Bei manchen Werken wiederum, die in einer sehr großen Zahl von MANUSKRIPTEN vorliegen (so gibt es etwa über eintausend Vergilhandschriften), zwingt die Arbeitsökonomie dazu, in einer sehr groben Sichtung die Masse der jüngeren Handschriften auszuscheiden und sich ganz auf die alten Versionen zu konzentrieren. Danach gilt es, aus den auf diese Weise gesicherten Überlieferungsvarianten einen ‚Handschriftenstammbaum‘, ein so genanntes STEMMAStemma, aufzustellen (→ Abb. 5). Dies geschieht dadurch, dass die einzelnen Handschriften in Gruppen eingeteilt werden, die dieselben Fehler enthalten bzw. bei denen man anhand der Fehler erkennen kann, wie sie sich auseinanderentwickelt haben. Das Resultat dieser Rekonstruktion der Überlieferungsgeschichte ist im Idealfall eine – unter Umständen aber immer noch mit Fehlern behaftete – hypothetisch erschlossene älteste Überlieferungsversion, der so genannte ARCHETYPUSArchetypus. Von diesem Ausgangspunkt wird dann, gegebenenfalls mithilfe von Testimonien, der Text hergestellt (RECENSIORecensio). Hierbei kommt es immer wieder vor, dass verschiedene gleichrangige Textvarianten (Lesarten) gegeneinander abgewogen werden müssen. In diesem Zusammenhang ist üblicherweise der Grundsatz leitend, dass die schwierigere Lesart vorzuziehen ist, da es sich bei ihr, angesichts der Vereinfachungstendenzen in der Überlieferung, wahrscheinlich um die ursprünglichere handelt (lectio difficilior potior). Ferner gibt es in beinahe jedem aus dem Altertum stammenden Text Stellen, die aus sprachlichen oder sachlichen Gründen, obwohl sie eindeutig überliefert sind, als Fehler identifiziert und verbessert werden (EMENDATIONEmendation/ KONJEKTURKonjektur).

Abb. 5

Stemma der Handschriften des Lukrez von K. Lachmann (1850)

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