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2.2.3 Die kritische EditionEdition

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Am Ende der TextkritikTextkritik steht schließlich ein griechischer oder lateinischer Text, der den Kern der ein- oder zweisprachigen modernen EDITIONEN bildet, die heutzutage benutzt werden. Entscheidend ist nun, dass dieser Text – wie aus den obigen Erläuterungen klar hervorgeht – nicht unbedingt mit dem antiken Original identisch sein muss. Es handelt sich vielmehr lediglich um ein Produkt, das nach der mehr oder weniger gut begründeten Meinung des Herausgebenden dem Original so nahe wie möglich kommt. Mit anderen Worten: Der durch die philologisch-kritische MethodeMethode etablierte Text ist eine Interpretation, und er muss daher – auch dies ist ein Gebot der WissenschaftlichkeitWissenschaftlichkeit – als solche gekennzeichnet werden. Es kann nämlich immer der Fall eintreten, dass neue Erkenntnisse oder inhaltliche Erwägungen zum Beispiel eine EmendationEmendation hinfällig machen oder eine vom Herausgebenden nicht berücksichtigte Lesart als sinnvoller erscheinen lassen. Derartige neue Gesichtspunkte können etwa ein neuer Textfund sein, oder ein in der EditionEdition noch abgelehnter Sinnzusammenhang, der aber durch neuere Forschungen plausibler wird. Um hier die philologische Forschung nicht zu behindern, ist es erforderlich, dass der Herausgebende eines Textes seine Optionen und Entscheidungen bei der Textherstellung offenlegt und für jeden nachvollziehbar darstellt. Editionen, die dies gewährleisten, nennt man wissenschaftliche oder kritische Textausgaben. Sie zeichnen sich aus durch eine Einleitung, die die textkritische Arbeit und deren Ergebnisse (vor allem das StemmaStemma) beschreibt, und sie verfügen über einen so genannten textkritischen APPARAT (hinzukommen kann ein Testimonienapparat u.ä.), in dem entweder alle Lesarten zu den verschieden überlieferten Stellen präsentiert werden (positiver Apparat), oder aber nur die von der in der Edition abgedruckten Variante abweichenden Lesarten (negativer Apparat).

Abb. 6

Verzeichnis der benutzten Handschriften aus der kritischen Edition der vier Reden Ciceros gegen Catilina

Abb. 7

Seite aus der kritischen Edition der vier Reden Ciceros gegen Catilina

Der genaue Wortlaut einer QuelleQuelle (in der Originalsprache!) und, damit verbunden, das Wissen um Abweichungen in der Überlieferung sind nun aber auch für die historische Interpretation von zentraler Bedeutung. Gerade Historiker müssen Bedeutungsnuancen erfassen oder Schlüsselbegriffe und deren Kontext erkennen können. Deswegen ist es für sie wichtig zu wissen, was an einer bestimmten Textstelle im Original gestanden hat oder gestanden haben kann. Manchmal, etwa bei geographischen oder politischen Namen, geht es schlicht darum, korrekt informiert zu sein: Ist die Stelle Cassius Dio 77,13,4 zum Jahr 213 n. Chr. tatsächlich, wie man lange gesagt hat, die früheste Erwähnung des Stammes der AlamannenAlamannen? Ein Blick in die EditionEdition von Boissevain (III 388ff.) klärt darüber auf, dass der Alamannenname hier später eingefügt wurde – das allerdings bedeutet, dass es die Alamannen zu Dios Zeiten möglicherweise noch gar nicht gab, oder sie zumindest noch nicht in den Gesichtskreis der Römer getreten waren. Dieses und ähnliche Beispiele zeigen deutlich: Althistoriker müssen vielleicht nicht gleichzeitig klassische Philologen sein; sie müssen aber in der Lage sein, die griechischen und lateinischen Quellen im Original zu verstehen und mit den Ergebnissen der philologischen Forschung zu arbeiten.

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