Читать книгу Irdische Lust - Jean Verdon - Страница 17

Was sagen die Autoren?

Оглавление

Wenn man Andreas Capellanus Glauben schenkt, fehlt den Bauern das Empfinden für die Kunst der Liebe. Am Hof der Liebe zu dienen, ist ihr Ding nicht: »Sie finden sich zum Venusdienst auf so natürliche Weise wie ein Pferd oder Maulesel, gerade so, wie ihre Gefühle sie treiben. Ihnen genügt der Ackerbau, der ständige Umgang mit Pflugschar und Hacke.«

Wenn die Liebe aber einen Mann von Stand zu einem Bauernweib hinzieht, so soll er nach Capellanus’ Rat nicht zögern, bei guter Gelegenheit sich das Gewünschte zu nehmen. Es wird allerdings nicht gelingen, »ihre raue Art gefälliger zu machen« und die ersehnten Lustbarkeiten zu erlangen, ohne dass ein wenig Druck ausgeübt wird.

Dennoch scheinen Robin und Marian in der Ballade von Eustache Deschamps die amourösen Spiele zu kennen, die bei der Entschlüsselung dieses Gedichts freizügig präsentiert werden.

So lehren Sie mich, mein sanfter Freund,

diese Kunst. Also berührt er sie und ergreift seine Maßnahmen,

die Seiten seines Buches hat er geöffnet;

seine Feder setzte er dort steif und hart auf.

Ein kurzer Aufschrei, aber sie hält es aus.

Und er fängt zu spielen an:

eins, zwei, drei und noch einmal.

Marion, die sich gut darauf verstand

zu solfeggieren, setzte Herz und Sorgfalt ein.

Als sie die Süße der Kunst spürte,

die aus dem Buch eine Ouvertüre machte,

wurde sie ohnmächtig und kam auf ihn zurück,

während Robin sich zurückziehen wollte.

So weit die erotische Fantasie eines Gelehrten, von dem man kein authentisches Zeugnis über die bäuerlichen Amouren erwarten kann.

Kommen wir also zu den höheren sozialen Schichten zurück. In den Regionen der langue d’oil im Norden Frankreichs gehen die Liebenden ohne Zögern zum Akt über. Im Gegensatz zu den Troubadours, die die reine Liebe preisen, demonstrieren die Trouvères des Nordens, dass die höfische Liebe oft nicht platonisch ist. So lernt Lancelot im Chevalier à la charrette (Lancelot oder der Karrenritter) Königin Guenièvre körperlich kennen, nachdem seine Mission beendet ist.

Nachdem er die Gitter am Fenster der Königin herausgelöst hat, tritt er sachte an ihr Bett heran. Sie zieht ihn zu sich und bereitet ihm einen wunderbaren Empfang. »So süß und gut ist ihr Spiel für ihn, voller Küsse und Umarmungen, dass ihnen wahrhaftig eine wunderbare Freude widerfuhr: etwas Ähnliches hatte man noch nie gehört. Ich werde aber immer darüber schweigen, denn in einer Erzählung darf davon nicht gesprochen werden. Die wunderbarste und köstlichste aller Freuden war diejenige, die uns die Erzählung verschweigt und verhehlt.«

Chrétien de Troyes zeigt sich ebenso zurückhaltend in der Beschreibung der Lust, die sich die Eheleute Erec und Enide bereiten:

[…] er wollte in Liebe mit seiner Frau leben

Und machte sie zu seiner Freundin und Geliebten;

Mit ihr allein beschäftigte er sich,

sie zu umarmen und zu küssen.

Sie wünschten sich kein anderes Vergnügen. […]

Oft schon war es nach Mittag,

wenn er sich von ihrer Seite erhob.

Erec ist sogar so mit seiner Liebe beschäftigt, dass er seine Pflichten als Ritter vergisst.

In einem völlig anderen Ton widmen sich die fabliaux érotiques, kurze Schwankerzählungen in Versen, dem sexuellen Aspekt. In Trubert wird der Held von Rosette liebkost und schläft mit ihr:

Sie hält es [das Glied] an der Wurzel,

es hebt den Kopf und sie lacht darüber;

sie hat es an den Eingang der Lustpforte gesetzt,

und richtet es so weit auf, wie sie kann,

und Trubert spielt nicht den Graziösen:

er steckt es ihr ganz hinein […].

Jeder hatte in Hülle und Fülle seinen Anteil an der Lust;

sie schliefen in der Nacht überhaupt nicht.

In Celle qui fut foutue et défoutue pour une grue, was wörtlich übersetzt bedeutet: Diejenige, die von einem Glied gefickt und verärgert wurde, klingt das so:

Der junge Mann zögert nicht mehr länger,

er küsst das Fräulein,

das nicht traurig schien.

Er legt sie ins Bett

und er hebt ihr Hemd an.

Er hebt ihre Beine an,

verfehlt nicht, ihre Lustpforte zu finden,

und schiebt roh sein Glied hinein.

Die körperliche Lust führt, über konkrete Überlegungen hinaus, auch zu Reflexionen. Der zweite Teil des Rosenromans liefert Elemente einer Antwort. Guillaume de Lorris, der erste beteiligte Autor, hat einen Traum erzählt. Ein junger Mann von zwanzig Jahren, zugleich Erzähler und Traumfigur, erlebt ihn: Er macht sich auf den Weg, eine Rose in einem paradiesischen Garten zu pflücken. Eine Einladung also zum Begehren und zur Liebe. Guillaume de Lorris erzählt diese Suche in einem höfischen Kontext. Sein Werk endet brüsk an dem Punkt, wo ein Zusatz von anonymer Hand angefügt wurde, der das Pflücken der Rose erzählt: »Wir haben dort große Freuden erlebt; unser Bett bestand aus frischem Gras, und wir waren von herrlichen Rosen von Rosenstöcken und von Küssen bedeckt. Wir haben die ganze Nacht inmitten großer Freude und großer Lust verbracht. Die Nacht erschien mir sehr kurz.«

Eine Philosophie mit einer ganz anderen Reichweite skizziert Jean de Meun in seinem zweiten Teil des Rosenromans, der zwischen 1275 und 1280 geschrieben wurde, zu jener Zeit also, als an der Pariser Fakultät der Künste große Diskussionen stattfinden, die sich nicht nur auf einzelne intellektuelle Fragen beziehen, sondern das Dogma selbst in Frage stellen. Einige denken, dass das Glück nur in dieser Welt existiert, dass der Tod das Ende und die Unzucht keine Sünde ist. Das Recht auf Lust wird umso mehr gepriesen, als diese Atmosphäre das Schuldgefühl auf null reduziert. Daher ist es nach dem Urteil von Martin le Franc nicht erstaunlich, dass Jean de Meun sich mit der Rosenknospe so verhält »wie ein bierschwangerer Trunkenbold«.

Die Aufgabe des Mannes ist es, eine Frau zu finden, ihr die Liebesfreuden zu zeigen und sie zur Sinnlichkeit zu erwecken. Denn die Natur will, so Jean de Meun, dass auf eine Generation die nächste folge. Seine Allegorie der Vernunft formuliert es so:

Deshalb hat NATUR hier das Vergnügen beigegeben,

deshalb will sie, dass man sich dabei ergötze,

dass jene Arbeiter sich nicht entziehen

und diese Arbeit nicht verabscheuen,

denn viele würden hier keinen Schuss tun,

wenn das Vergnügen nicht wäre, das sie anzieht.

Derjenige, der nichts weiter als das Vergnügen begehre, fügt die Vernunft allerdings hinzu, verhalte sich wie ein Narr, denn die Wollust rufe alle Übel hervor. Und besonders die Jugend treibe die Menschen zu allerlei Ausschweifungen und Maßlosigkeiten. Diese Ansichten stellen einen Gemeinplatz bei den antiken Autoren dar; die vorgeschlagene Lösung, der Verzicht, ist freilich eine christliche. Das Denken ist jedoch subtiler: Die Lust macht nur diejenigen zu Sklaven, die sie als Selbstzweck betrachten. Die Wollust spielt in der Weltordnung aber nun mal eine notwendige Rolle. Darum muss, auch wer die Liebe auf unbedenkliche Art genießen will, ob Mann oder Frau, deren Früchte suchen; was die Lust angeht, braucht niemand auf seinen Anteil zu verzichten.

Ein Freund mit großer Erfahrung gibt dem Verliebten gute Ratschläge zur Liebeskunst:

Gefährte, verliert nicht den Mut;

bleibt nur dabei, gut zu lieben;

Gott AMOR dient Tag und Nacht

treulich ohne Verweilen […]

Später empfiehlt eine Alte der Dame, die Liebeslust in ihrer Jugend zu suchen, bevor es zu spät ist. Mit praktischen Ratschlägen wird nicht gespart:

Und wenn sie sich ans Werk gemacht haben,

dann handele ein jeder von ihnen so klug

und so genau, dass es nicht fehlen kann,

dass der Genuss der einen und der anderen

Seite sich gemeinsam einstellt,

bevor sie von dem Werk gelassen haben,

und sie müssen gegenseitig auf den andern warten,

um gemeinsam ihrer Grenze zuzustreben.

Der eine darf den anderen nicht verlassen,

und sie dürfen nicht aufhören zu schwimmen,

bis sie gemeinsam zum Hafen gelangen:

Dann werden sie vollständige Lust haben.

Wenn sie aber kein Vergnügen dabei hat,

muss sie vortäuschen, dass sie sich dabei sehr ergötzt,

und alle Zeichen muss sie vortäuschen und von sich geben,

die ihres Wissens dem Vergnügen anstehen,

so dass jener glaubt, sie empfange gern,

was sie keine Kastanie wert achtet.

Für die meisten Autoren neigen die Frauen zur Wollust, angezogen durch das sexuelle Vergnügen. In den Cent Nouvelles nouvelles (Hundert neue Novellen) – eine in Brabant anlässlich der fröhlichen Zusammenkünfte, an denen der mit seinem Vater Karl VII. verfeindete Thronfolger Ludwig teilnimmt, entstandene Sammlung von Erzählungen – provozieren sie die Männer. Die Liebe führt sie, aber es ist allein ein körperliches Bedürfnis, das ihnen so sehr gefällt.

Dennoch gibt es nicht wenige Begnadigungsbriefe, die von Vergewaltigungen berichten. Das ist der Beweis, dass Männer auch mit Gewalt ihre Begierde zu befriedigen suchen. Literatur und Realität stimmen nicht immer überein.

Irdische Lust

Подняться наверх