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2. Die letzten Jahre Ferdinands III.: Bündnisse im Westen, Kriege im Norden

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Das Fundament für die Erfolge Leopolds I. legte Ferdinand III., der 1637 zum Kaiser gewählt wurde. Das erste Jahrzehnt seiner Herrschaft war geprägt von einer erbarmungslosen Folge militärischer Niederlagen, die seine politische Autorität untergrub. Ferdinands Gesandter Graf Maximilian von Trauttmannsdorff hatte in den Friedenskonferenzen zu Osnabrück und Münster 1645–1648 das Schlimmste verhindert. Den Fürsten wurden einige Rechte zugestanden, zudem gelang es, eine Auflistung der kaiserlichen Vorrechte zu verhindern, wodurch sie zumindest nicht formal beschnitten oder eingeschränkt wurden. Das war im Wesentlichen der Grund dafür, dass es in den letzten neun Regierungsjahren Ferdinands III. nicht zu ernsthaften Rückschritten kam und einiges an Boden gutgemacht werden konnte.1 Die Maximen der kaiserlichen Politik waren klar: strikte Befolgung der Friedensverträge (insbesondere der Verzicht auf auswärtige Einmischung) und strategische Arbeit mit den hierarchischen Traditionen des Reichs, um die föderalistischen Elemente des Friedens von 1648 wettzumachen.

Die Aussichten waren zu Beginn nicht vielversprechend, das Misstrauen gegenüber den Habsburgern weiterhin stark. Zugleich führte die Sehnsucht nach Sicherheit zu vielen regionalen Allianzen, deren Grundtendenz ebenfalls gegen die kaiserliche Macht gerichtet war. In Niedersachsen, Westfalen, am Oberrhein und in Franken lebten die existierenden Kreisorganisationen neu auf, zumindest in Niedersachsen mit besonders antiimperialem Impetus. Anderswo kam es zu neuen Bündnissen. Im Frühjahr 1651 bildeten die Fürstbischöfe von Mainz, Trier und Köln mit Mitgliedern der Oberrheinischen Kreise das »Kurrheinische Bündnis«2, im Februar 1652 die Braunschweiger Welfen mit Hessen-Kassel, dem schwedischen Bremen-Verden und anderen kleineren nordwestlichen Territorien die »Hildesheimer Allianz«. Köln und Paderborn folgten ebenfalls bald. Im Jahr darauf brachte Graf Georg Friedrich von Waldeck einen Vorschlag für eine große Koalition gegen Habsburg in Umlauf, die vom Kurfürsten von Brandenburg geführt werden und neben der Hildesheimer Allianz eine Reihe katholischer Fürsten umfassen sollte, darunter den Erzbischof von Köln. Machbar schienen auch weitere Bündnisse mit protestantischen Territorien, es erwies sich jedoch als unmöglich, sie mit den Interessen der Katholiken in Einklang zu bringen. Deshalb gründeten die Katholiken des Nordens und des Rheinlands (Köln, Trier, Münster und Pfalz-Neuburg) im Dezember 1654 ihre eigene »Kölner Allianz«, der sich im Jahr darauf der Kurfürst von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, anschloss.

Die diversen Allianzen, an denen sich die rheinländischen Territorien beteiligten, waren kurzlebig, aber in mancher Hinsicht erfolgreicher als die nördlichen, protestantischen Bündnisse. Das hatte drei Gründe. Erstens fühlten sich viele der Gebiete äußerst gefährdet, in den anhaltenden Konflikt zwischen Frankreich und Spanien hineingezogen zu werden. Dass sie überwiegend klein beziehungsweise zerstückelt waren, machte sie abhängiger vom Reich als größere, gefestigtere Territorien. Zweitens amtierte der wichtigste Herrscher eines derart fragmentierten Gebiets, Johann Philipp von Schönborn, der Kurfürst und Erzbischof von Mainz, als Reichserzkanzler. Als Inhaber des Reichsdirektoriums betrachtete sich Schönborn als Repräsentant sämtlicher Reichsstände und Galionsfigur des Reichs in der staatsrechtlichen Herrschaftseinheit von »Kaiser und Reich«. Seine Rolle als offizielle »Nummer zwei« im Staat machte Schönborn automatisch zum Führer aller Zusammenkünfte und Allianzen, an denen der Kaiser nicht beteiligt war.3 Es war insofern logisch, dass er bemüht war, die verschiedenen Bündnisse zu konsolidieren, um ein Wiedererstarken der Habsburger zu verhindern und sicherzustellen, dass das Reich nicht in einen neuen Konflikt um Spanien hineingezogen wurde.

Drittens wirkte die Beteiligung von Frankreich in den 1650er Jahren als stabilisierender Faktor. Bis zum Tod Mazarins 1661 war die französische Politik eher auf Einfluss im Reich als auf Expansion gerichtet. Hauptziele waren Sicherheit und Stabilität an Frankreichs Ostgrenze sowie die Verhinderung des Wiedererstarkens der habsburgischen Macht in Deutschland und einer österreichischen oder deutschen Intervention im Konflikt mit Spanien (der 1659 mit dem Pyrenäenfrieden beigelegt wurde).

Die Interessen von Mazarin und Schönborn deckten sich also, was sich in der Gründung des Rheinischen Bundes 1658 niederschlug, der kollektive Sicherheit und Reichsreformen zum Ziel hatte. Unmittelbarer Anlass war das Interregnum nach dem Tod Ferdinands III. im April 1657. Die Wahl von Leopold I. im Juli 1658 sicherte die Kontinuität der Habsburgerherrschaft, der sich indes sofort ein Bündnis von Mainz, Köln, Pfalz-Neuburg, Hessen-Kassel, Braunschweig-Lüneburg und Schweden (wegen Bremen und Verden) entgegenstellte, zu dem als »Schutzmacht« auch Frankreich eingeladen wurde.4 Brandenburg und andere schlossen sich in den folgenden Jahren an; 1665 waren alle wichtigen Fürsten beteiligt, mit Ausnahme der Kurfürsten von Bayern, Sachsen und der Pfalz.

So gelang es Schönborn, Katholiken und Protestanten in einer Union zu vereinigen, um den Westfälischen Frieden aufrechtzuerhalten. Dazu stellten die Mitglieder Geld und Soldaten für ein 10.000 Mann starkes Heer zur Friedenssicherung (darunter 2.400 Franzosen) bereit, das auch die Entsendung kaiserlicher Truppen in die Niederlande verhindern sollte. Dass der Rheinische Bund durch die aggressivere Außenpolitik Ludwigs XIV. nach Mazarins Tod 1661 zusehends untergraben wurde, unterstrich die Bedeutung von dessen Wirken im Westen und Nordwesten des Reichs. Zumindest bis dahin jedoch diente Frankreich als Garant des Friedens von 1648.

Im Norden war die Lage trotz Bündnissen wie der Hildesheimer Allianz und der Beteiligung nördlicher Fürsten am Rheinbund weniger sicher, vor allem aufgrund der Präsenz Schwedens als neuer Territorialmacht im Norden des Reichs.5 Weder Sachsen noch Brandenburg waren von der schwedischen Intervention nach 1630 begeistert, ebenso wenig wie von Schwedens Agieren als Nachbar und potenzieller Rivale nach 1648. Der schwedische Abzug und die Rückgabe eroberter Gebiete verliefen schleppend und unter der Auflage beträchtlicher Entschädigungen, die von den Territorien, die sie schuldeten, zähneknirschend aufgebracht wurden. Die dynastischen Ambitionen der welfischen Herzöge auf das Erzbistum Bremen scheiterten am schwedischen Territorialbesitz. Die Herzöge von Mecklenburg mussten den Verlust Wismars und Warnemündes mit seinen Zolleinnahmen verschmerzen, hinzu kamen schwedische Versuche, sich mehr zu verschaffen, als der Friedensvertrag von Osnabrück zugestand. Der Kurfürst von Brandenburg erlangte die Kontrolle über Hinterpommern, das ihm im Friedensvertrag von 1648 zugeteilt worden war, erst, als er den Kaiser dazu brachte, Königin Christina bis zur Übergabe die ihr als Lehen zugesprochenen Gebiete zu verweigern. Mit dem Ausschluss vom anstehenden Reichstag konfrontiert, fügten sich die Schweden ohne Zögern. In Brandenburg war man dennoch frustriert, weil Schweden durch Westpommern die Odermündung beherrschte, so den Zugang zum Baltikum blockierte und Anspruch auf die gesamten Zolleinnahmen der mecklenburgischen und pommerschen Küste erhob.

Überhaupt verlieh Schwedens Territorialbesitz in den nördlichen (nieder- und obersächsischen sowie westfälischen) Kreisen zusammen mit einem Anteil an der niedersächsischen Kreisexekutive dem Land einen Einfluss, den es rücksichtslos ausnutzte, dabei jedoch die offene Konfrontation mit einem der größeren Territorien mied. 1653 indes griffen die Schweden die Reichsstadt Bremen an, um ihre alten Rechte auf den erzbischöflichen Sitz der Stadt wiederzuerlangen.6 Die unverzügliche Unterstützung der Welfenherzöge und des Kaisers zeitigte einen Kompromiss: Die Stadt blieb reichsunmittelbar, erklärte sich jedoch zu einem vage formulierten Akt der Huldigung an die schwedische Krone bereit. Im Dezember 1654 war die Krise beigelegt, aber Schwedens Ansehen im Reich litt schweren Schaden und das Land verlor jegliches Interesse an Reichsangelegenheiten außerhalb seiner eigenen Territorien.

Eine gefährlichere Situation ergab sich bald darauf aus der aggressiven Politik von Karl X. Gustav, dem ehemaligen Pfalzgrafen von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg, der seinem Cousin nach dessen Abdankung im Juli 1654 auf den schwedischen Thron folgte.7 Der neue König übernahm das Land in einer finanziellen Notlage, die sich durch die »Reduktion«, bei der er einiges von dem Kronland zurücknahm, was zur Erzielung kurzfristiger Einnahmen nach 1634 von der Regentschaft und nach 1650 von Königin Christina an den Adel verkauft worden war, nur geringfügig besserte. Zudem war ihm bewusst, dass die Armee, die er brauchte, um die schwedischen Territorien im Baltikum zusammenzuhalten, nur zu finanzieren war, wenn sie Krieg führte und von erobertem Gebiet leben konnte. Gleichzeitig rechnete er sich aus, dass ein neuer Feldzug die durch die Vielzahl entlassener Soldaten aufgeworfenen inneren Probleme des Landes und die schwelenden Spannungen zwischen Adel und Bürgertum entschärfen werde, indem sich ihre Unzufriedenheit in Patriotismus entlud.

Willkommener Anlass des Angriffs auf Polen 1655 war die Krise infolge des Moskauer Einmarschs in Litauen 1654.8 Der Beginn des Dreizehnjährigen Krieges zwischen Russland und Polen (1654–1667) führte direkt zum Ausbruch des Zweiten Nordischen Krieges zwischen Schweden und Polen (1655–1660). Karl X. Gustav suchte seine südbaltischen Besitzungen zwischen Westpommern und Livland zu sichern und wenn möglich zu erweitern, vor allem durch die Annexion des königlichen Westpreußen. Vor allem aber musste er allen Versuchen Russlands zuvorkommen, sich im Südbaltikum festzusetzen. Darüber hinaus wollte er ein für allemal die Ansprüche der polnischen Wasa-Dynastie auf den schwedischen Thron abschmettern, die anlässlich seiner eigenen Thronfolge erneuert worden waren.

Diese Pläne waren eine Bedrohung für das brandenburgische Herzogtum Ostpreußen, das der Große Kurfürst als Lehensgut der polnischen Krone hielt. Um es zu verteidigen, musste er Truppen mobilisieren. Sein Versuch, Westpreußen an sich zu reißen, scheiterte daran, dass ihm Schweden zuvorkam und die wichtigen polnischen Städte Thorn und Elbing eroberte, wodurch der Kurfürst und seine Männer in Königsberg eingekesselt waren und ihnen nichts übrig blieb, als sich der schwedischen Sache anzuschließen. Durch den Vertrag von Königsberg von Januar 1656 wurde Ostpreußen, erweitert um die Enklave Ermeland, schwedisches Lehen, während Friedrich Wilhelm die Hälfte der ostpreußischen Zolleinnahmen abtrat und Hilfstruppen von 1.500 Mann für das schwedische Heer abstellte. Als es den Schweden nicht gelang, einen polnischen Aufstand niederzuschlagen, und Russland seine Offensive gegen Polen unterbrach, um schwedische Stellungen anzugreifen, suchte Karl Unterstützung beim Großen Kurfürsten und Georg II. Rákóczi von Siebenbürgen. Als Gegenleistung für weitere territoriale Konzessionen (Vertrag von Marienburg, Juni 1656) stellte der Große Kurfürst Schweden 4.000 Mann zur Verfügung, verstärkte seine eigene Armee und war umgehend an der Eroberung Warschaus Ende Juli beteiligt.

Polen war indes längst noch nicht geschlagen. Russland übte weiterhin Druck auf die schwedischen Provinzen im Baltikum aus. Nun drohte zudem noch eine zum Schutz des halbautonomen Hafens Danzig entsandte niederländische Flotte Schwedens maritime Verkehrsverbindungen zu durchtrennen, während Dänemark ebenfalls zum Angriff auf schwedisches Gebiet rüstete. Um seine Verbündeten zum Handeln zu treiben, bot Karl Brandenburg die Hoheitsgewalt über Ostpreußen (Vertrag von Labiau, November 1656) und Rákóczi das Königreich Polen sowie das Großfürstentum Litauen (Vertrag von Radnot, Dezember 1656) an.9 Die Stellung der Polen wurde jedoch gestärkt, als Österreich seine Neutralität ablegte und im Dezember 1656 das erste einer Reihe von Abkommen mit Polen schloss, was nach dem Tod Ferdinands III. zur Zusage eines aktiven Eingreifens führte. Im Juni 1657 marschierten kaiserliche Truppen in Polen ein, gerade als Karl gezwungen war, seine Verbündeten im Stich zu lassen, um dänische Attacken auf Bremen, Jämtland und Västergötland abzuwehren.

Im Februar 1658 gelang es Karl, die Dänen zu besiegen, die ihre Teilnahme am Krieg beenden sowie einige Gebiete in Schleswig in die Unabhängigkeit entlassen und der Herrschaft der Herzöge von Holstein-Gottorp unterstellen mussten. Nun war es jedoch zu spät, um in Polen rettend einzugreifen. Rákóczi kapitulierte, seine Armee wurde von den Tartaren vernichtet.10 Derweil wechselte der Große Kurfürst in der Überzeugung, Polen werde einem »ewigen Bund« anstelle seiner Vorherrschaft über Ostpreußen zustimmen, die Seiten und änderte seine Stimme bei der Kaiserwahl zugunsten von Leopold I., der ihm die militärische Unterstützung Österreichs zusagte. Für den Umschwung hatte Karl X. selbst gesorgt. Im Juni 1658 weigerte er sich, eine brandenburgische Gesandtschaft in Flensburg zu empfangen, äußerte öffentlich seinen Missmut über Friedrich Wilhelms wankelmütige Unterstützung und schien sogar mit einer Invasion in Brandenburg drohen zu wollen. Ohne Absprache mit seinem Bündnispartner griff er dann im Juli erneut Dänemark an und hoffte auf einen endgültigen Sieg. Während eine niederländische Flotte seinen Vorstoß auf Kopenhagen vereitelte, sah sich Karl mit einer heranrückenden Armee von 30.000 Mann aus Brandenburg, Österreich und Polen konfrontiert, die der Große Kurfürst selbst anführte.

Diese erneute Wende der brandenburgischen Politik begleiteten Propagandaschriften, in denen der Widerstand gegen den schwedischen König gerechtfertigt und Brandenburg als treibende Kraft der entschlossenen Verteidigung des Reichs und seiner Gesetze dargestellt wurden. Die wichtigste Schrift mit dem Titel Gedencke, daß du ein Teutscher bist! berichtete von der Abweisung der Flensburger Gesandtschaft und beschrieb Karl und die Schweden als zwanghafte Aggressoren.11 Nach dem Angriff auf Bremen und Polen (das als Verteidiger des Christentums gegen die Türken bezeichnet wurde) und den Drohungen gegen Brandenburg sei es nun die patriotische Pflicht aller Deutschen, sich der »fremden Krone« zu widersetzen. Die deutsche Nation und Freiheit, das Gesetz des Reichs und die Deutschen als Inhaber des Reichs und somit führendes Volk in Europa dienten als Argumente für eine aufrüttelnde Rechtfertigung der deutschen Sache. Die neue Krise wurde mit der »nationalen Not« des Dreißigjährigen Krieges verglichen, als Deutschland von fremden Armeen überrollt worden war.

Die brandenburgische und österreichische Propaganda richtete sich in erster Linie an die Höfe und Kanzleien der deutschen Fürsten sowie an gebildete und kundige Kreise auf deutschem Gebiet und in Nachbarländern, insbesondere der Republik der Vereinigten Niederlande. Sie mag Sympathien für die deutsche Sache geweckt haben, konnte Karl jedoch nicht beirren und auch keine internationale Unterstützung herbeiführen. Das Vordringen des Großen Kurfürsten von Holstein aus nach Norden, dem sich dänische Truppen anschlossen, kam zum Erliegen, als ihnen die Niederlande den Übertritt von Jütland auf die schwedisch eroberten Inseln verwehrten.

Zur gleichen Zeit schmiedete Mazarin eine Allianz zur Unterstützung Schwedens. Im Mai 1659 sicherte er sich die Hilfe Englands und der Niederlande für die »Haager Konzerte« zur Friedensvermittlung, für die er auch den Rheinbund gewann, woraufhin Schönborn anbot, zwischen dem Kaiser und seinem widerspenstigen schwedischen Vasallen zu vermitteln. Aber Karl blieb trotz erneuter brandenburgisch-österreichischer Feldzüge gegen Fünen und einer entscheidenden Niederlage bei Nyborg am 24. November ungebrochen. Nach dem Pyrenäenfrieden zwischen Frankreich und Spanien im November 1659 drohte Ludwig XIV., 30.000 Mann zu entsenden, um im Norden des Reichs Frieden herbeizuführen.

Die Österreicher wollten keine Konfrontation mit Frankreich auf deutschem Boden riskieren und scheuten sich, Brandenburgs Pläne einer Invasion und Besetzung schwedischer Territorien im Reich zu unterstützen, weil das dem Frieden von 1648 zuwiderlief. Zudem hätte es die Stellung des Kaisers geschwächt, freiwillig oder unter Zwang das Vermittlungsangebot des Kurfürsten von Mainz anzunehmen. Da nun auch Polen und Dänemark Frieden schließen wollten, sah sich Österreich verpflichtet, den von Frankreich im Kloster Oliva bei Danzig vermittelten Vereinbarungen zuzustimmen.

Der Tod Karls X. am 23. Februar 1660 räumte das letzte Hindernis einer Einigung aus dem Weg, die am 3. Mai beschlossen wurde. Der territoriale Status quo im Reich blieb unverändert, allerdings erhielt Brandenburg die Hoheitsgewalt über Preußen. Der am 6. Juli vereinbarte Friede von Kopenhagen beließ Schwedens Stellung weitgehend unangetastet; lediglich Bornholm und Trondheim gingen zurück an Dänemark. Schwedens Rolle als Schützling Frankreichs hatte sein Ansehen beschädigt; indes versprach der Verzicht des polnischen Königs auf den schwedischen Thron und die Anerkennung der Ansprüche Schwedens auf Livland für die Zukunft mehr Sicherheit.12 Dänemark hingegen musste Schonland und weitere Territorien östlich der Meerenge an Schweden abtreten und zudem die Unabhängigkeit der Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorp als Reichsfürsten und ihre Hoheit über bestimmte schleswigische Gebiete außerhalb der Reichsgrenzen anerkennen. Dass diese Situation nun nicht mehr nur von Schweden, sondern auch von einer Reihe deutscher Fürsten und den Vermittlungsmächten Frankreich, Niederlande und England garantiert wurde, machte es wahrscheinlich, dass alle zukünftigen dänischen Versuche, verlorene Vorrechte und Terrain wiederzuerlangen, in einen internationalen Konflikt münden würden. Auf kurze Sicht jedoch kam das dänisch-schwedische Machtgleichgewicht im Baltikum niederländischen und englischen Interessen entgegen.13

Was Brandenburg und das Reich betrifft, stand der Große Kurfürst auf der siegreichen Seite, aber er hatte Glück gehabt. Trotz der Bestätigung seiner Hoheitsrechte war seine Herrschaft über Preußen alles andere als gefestigt. Er hatte sich den Schweden aus purer Notwendigkeit angeschlossen und davon profitiert, seine Stellung geriet jedoch sofort ins Wanken, als Karl X. strauchelte. Seine Sicherheit und sein Erfolg in Preußen hingen vom Beistand des Kaisers ab; durchsetzen konnte sich seine Politik nur, wenn sie von kaiserlicher Autorität gedeckt war, im gesetzlichen Rahmen blieb und der Verteidigung des Reichs diente. Der »Aufstieg« Brandenburgs geschah somit als tragende Säule des Reichs und weniger als unabhängige Macht im Norden. Schwedens Reputation war infolge seiner Bündnispolitik angeschlagen, die Friedensregelung machte alle Hoffnungen auf eine Hegemonie der Schweden im Baltikum zunichte. Aber ihre Stellung im Reich blieb dieselbe.14 Sie bestanden auf allen Rechten in Bezug auf ihre deutschen Besitzungen und profitierten weitere fünfzig Jahre von den Zolleinkünften. 1666 versuchten sie erneut, Bremen einzunehmen.

Der Zweite Nordische Krieg unterstrich die Brüchigkeit des Westfälischen Friedens, aber auch das Ausmaß des französischen Einflusses im Reich. Es läge nahe, daraus zu schließen, dass der Kaiser unbedeutend geworden war und der Kontrolle der ihm entgegenstehenden Reichsstände unterlag. Diese Sicht blendet jedoch den wichtigen Beitrag Österreichs zum Sieg über Schweden aus. Ferdinand III. hatte sich nur zögernd an den Auseinandersetzungen beteiligt, vor allem, da sie zu seinen Lebzeiten das Reich nicht betrafen. Er teilte die Abneigung vieler deutscher Fürsten gegen bewaffnete Konflikte. Das ursprüngliche Abkommen, das er am 1. Dezember 1656 mit Polen schloss, hatte keine praktischen Folgen. Erst als der Krieg das Territorium des Reichs erfasste, nahm die formelle Allianz mit Polen Form an, da Wiener Funktionäre einen Aktionsplan entwarfen, der weit fortgeschritten war, als Leopold I. am 1. August 1658 gewählt wurde. Leopold schlug keinen materiellen Gewinn aus einer kaiserlichen Intervention, die seine Ressourcen stark belastete. Aber sein Eingreifen zur Verteidigung der Gesetze und Bräuche des Reichs gegen schwedische Aggression und seine Teilnahme an den Friedensgesprächen in Oliva setzten ein wichtiges Zeichen.

Somit begann die Herrschaft Leopolds I. mit einer Demonstration der Kontinuität. Ferdinand III. war vor einem internationalen Konflikt zurückgeschreckt, hatte aber hart daran gearbeitet, seine Stellung im Reich neu zu stärken.15 Die Aussichten waren 1648 düster. Die Reichsstände hatten ihm ein Ultimatum gestellt, dem Friedensvertrag zuzustimmen. Auf dem Nürnberger Kongress zur Umsetzung des Osnabrücker Abkommens 1649 standen die kaiserlichen Repräsentanten unter dem Diktat des schwedischen Generals und Thronfolgers Karl Gustav von Pfalz-Zweibrücken-Kleeburg. Die Bildung regionaler Ligen und Unionen, die deutlich antihabsburgische Haltung vieler deutscher Fürsten und der tiefgreifende Einfluss Frankreichs schienen die kaiserliche Position dauerhaft zu schwächen. All das hielt den Kaiser nicht ab, die Initiative zu ergreifen. 1651 vermittelte eine kaiserliche Kommission erfolgreich im Konflikt zwischen Brandenburg und Pfalz-Neuburg um die pfalz-neuburgische Bevorzugung von Katholiken bei der Zuteilung von Kirchenbesitz und Konfessionsrechten in Jülich und Berg, dem Pfalz-Neuburg-Anteil am Jülich-Kleve-Erbe.16

Letztlich musste Friedrich Wilhelm zurückstecken, weil Pfalz-Neuburg über mehr Truppen verfügte und den Herzog von Lothringen auf seiner Seite hatte, während die Niederlande ihr Versprechen, Brandenburg beizustehen, nicht einhielten. Es kam lediglich zu einem langwierigen Patt, treffend als »Kuhkrieg« bezeichnet, da die aufmarschierten Soldaten mehr damit zu tun hatten, entlaufenen Rindern hinterherzujagen als gegeneinander zu kämpfen. Die dennoch angespannte und potenziell gefährliche Lage wurde schließlich durch eine kaiserliche Kommission entschärft, die die dauerhafte Einigung in sämtlichen territorialen und religiösen Streitpunkten hinsichtlich Jülich-Kleve 1666 und 1672 auf den Weg brachte.17 1653 zwang eine kaiserliche Intervention die Schweden, Westpommern an Brandenburg zu übergeben, und mobilisierte gleichzeitig Widerstand gegen Schwedens Versuche, Bremen zu unterjochen. Ferdinand nutzte seinen Einfluss, um den Herzog von Lothringen, der mit dem Prinzen von Condé das Erzbistum Lüttich besetzt hatte, durch seinen Bruder, Erzherzog Leopold Wilhelm, den Statthalter von Brüssel, festsetzen zu lassen.18 Das schnelle kaiserliche Einschreiten verhinderte ein militärisches Eingreifen der Kurfürsten von Brandenburg, Mainz und Trier zugunsten des Regenten des Erzbistums, des Kurfürsten von Köln. So stärkte der Kaiser seine Stellung als feudaler Oberherr und friedensstiftender Vermittler zwischen seinen Vasallen.

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