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4. Kapitel

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Dr. Josef Achentaler saß an einem freien Mittwoch Nachmittag zuhause in seinem sonnendurchfluteten Arbeitszimmer. Auf dem antiken Schreibtisch sprossen Prospekte von Luxussportwagen in die Höhe. Heute wollte er sich endlich für einen neuen Flitzer entscheiden und blätterte in den Hochglanzbroschüren. Keine Frage, der Porsche besaß einfach die schönsten Formen. Der Motor sollte natürlich PS-Zahlen von mindestens zwei Gestüten unter der Haube beherbergen. Der Preis eher nebensächlich, denn sein Verdienst stieg seit Jahren zu einer dauerhaften Erfolgswoge an.

In kurzer Zeit hatte sich Josef einen exzellenten Ruf in der Diagnostik der Mammographie verschafft, die bis über die Grenzen hinweg reichte. Aus halb Europa reisten die Damen an. Er selbst behandelte nur noch die Privatpatientinnen. Das allgemeine Volk erledigten seine drei Assistenzärzte. Er ahnte in Nullkommanichts, ob in der Brust bösartige Knoten heranwuchsen. Sein Blick auf einen blanken Busen, glich denen von Röntgenstrahlen. Eine gesicherte Diagnose stellte er mit 100%iger Trefferquote mittels der Mammographie fest. Er war ein Naturtalent. In besonders schwierigen Fällen führte er auch das Skalpell.

Das Telefon klingelte und riss ihn aus der Welt der Luxuskarossen.

„Achentaler!“ Seine tiefe, maskuline Stimme vermittelte sofort den Eindruck, dass man es hier mit einem Menschen zu tun hatte, der es gewohnt war zu delegieren.

„Grüß dich Sepp! Wie geht`s dir?“ Josef zuckte zusammen.

„Zefix, muss ausgerechnet jetzt diese Edeltraud anrufen!“, dachte er. Alle, aber wirklich alle Frauen himmelten ihn an, oder zeigten zumindest Respekt. Nur diese Edeltraud nicht! Ausgerechnet Isas beste Freundin bot ihm die Stirn. Auch diesmal klang es wieder so, als würde sie ganz sachte ihn mit Depp, statt Sepp ansprechen. Die beiden führten eine offene Antipathiebeziehung.

„Grüß Gott, liebe Edeltaube! Mir geht es hervorragend. Was machen denn die röhrenden Hirsche in dem abgelegenen Tal aus dem du stammst?“

„Wie gut, dass du mich fragst, Depp! Die rufen nach dir. Wo ist der größte Platzhirsch aus dem Isar-Winkel? Den machen wir hin!“

„Na wunderbar! Ich habe schon lange keinen kapitalen Hirsch mehr geschossen. Ich denke das wird eine Mords Gaudi. Danke für den Hinweis!“

„Untersteh dich du Bazi!“, schimpfte Traudl: „Bleib am besten da wo du bist und fummel die Weiber ab! Kann ich Isar sprechen, bitte!“

„Wenn sie da ist! Moment!“ Traudl hörte wie er die Türe zum Flur öffnete und Richtung Eingangsbereich schlenderte. Isa streifte gerade die Lederjacke ab, als ihr Mann um die Ecke bog. Erstaunt blickte sie ihn an.

„Du? Zuhause?“

„Zufällig wohne ich hier!“, entgegnete er knapp und drückte ihr das Mobilteil in die Hand. „Für dich! Den Namen möchte ich lieber nicht aussprechen!“ Sofort verschwand er.

„Ja, hallo?“

„Servus, ich bin´s Traudl, wer sonst! Oder steht dein Mann noch mit anderen Frauen auf Kriegsfuß?“

„Ah, ihr benehmt euch wie Kinder! Langsam könntest du ihm auch verzeihen!“, forderte Isa im leicht gereizten Ton.

„Na, ni und nimmer! Da gibt´s nix zu verzeihen. Er mag mich einfach nicht!“, verteidigte sich Traudl.

„So ein Blödsinn! Nur weil er dir vor Jahren empfohlen hatte, du könntest dein Hochzeitskleid auch gut als Tischdecke weiter verwenden, bist du beleidigt. Du weißt, wenn ich mein Hochzeitskleid nicht an meine Schwester verschenkt hätte, so würden sicherlich Teile davon als Ziergardinen hier herum hängen. Josef ist ein praktisch veranlagter Mensch. Männer machen sich nichts aus Hochzeitskleidern! Er kann es nicht leiden, wenn teures Zeugs einfach nutzlos vergammelt und hat sich aufrichtig Gedanken gemacht. Jetzt sei nicht so empfindlich! Er hat es mit Sicherheit nicht böse gemeint!“ Isa versuchte diesen Dauerkleinkrieg zu schlichten.

„Warum verteidigst du deinen unverschämten Mann? Er ist einfach taktlos, überheblich – und das kann ich nicht leiden!“ Isa wollte nicht streiten und erwiderte nichts.

„Na gut, lassen wir das! Ich wollte dich einladen! Freitagabend koche ich Muscheln. Kommst Du?“ Isa sagte spontan zu und freute sich drauf.

Nach dem Gespräch zog sich Isa in ihr Zimmer zurück. Jedes Familienmitglied besaß seine eigenen vier Wände, in dem kein anderer was zu suchen hatte, oder über den Saustall zu meckern hatte. Besonders die Kinder fanden dies großartig.

Isa nahm Rudolfs Brief noch Mal unter die Lupe und machte es sich von nun an zur Gewohnheit, mit einem Leuchtstift Fragen oder Stichwörter zu markieren, auf die sie näher eingehen wollte. Anschließend begann sie mit großem Eifer zu schreiben. Ihre Finger flogen über die Tastatur, soviel Frust musste sie los werden.

Völlig unbedarft erzählte sie von Josefs Karriere und dem enormen finanziellen Erfolg. Aber je reicher sie wurden, desto mehr verlor die Ehe an Intensität. Isa zählte auf, mit welchen Frauen er sie betrogen hatte. Eine ganze Zeit lang befriedigte er sich mit Assistentinnen und Pharmareferentinnen. Dann änderte er seine Vorlieben. Seit gut einem Jahr hielt er sich am liebsten in Swingerclubs auf. Gesprochen hatten sie nie darüber, denn wo anfangen, und wer war der Schuldige? Wie schon gesagt, sie habe sich damit abgefunden und wolle nun neue Menschen kennen lernen. Das Antragsformular habe sie ausgefüllt und wolle ihn Ende des Monats besuchen kommen!

Um das freundliche Antwortschreiben zu vervollständigen, legte sie noch zehn Briefmarken bei. Als Isa mit dem Brief fertig war stellte sie überrascht fest, dass das Schreiben über ihren Kummer sehr gut tat. Dass es einen Empfänger gab, an dem sie ihr schwer beladenes Herz endlich ausschütten konnte - alles ganz vertraulich. Davon ging sie felsenfest aus.

Isa fuhr jetzt täglich zum Postamt, um das Brieffach zu checken. Und immer wartete ein Kuvert auf sie. Isa hatte sich schon so sehr daran gewöhnt, dass ihr der Sonntag und Montag langweilig erschienen, weil dann keine lieben Zeilen von Rudi eintrafen.

Seine verständnisvollen Worte hoben sie jedes Mal aus dem Alltagstief. Er schien ein Mann mit viel Einfühlungsvermögen zu sein. Seine von Toleranz geprägte Weltanschauung imponierte ihr und gewann mit großen Schritten ihr Vertrauen.

Isa fiel auf, dass seine Briefe plötzlich anzüglich wurden. Dennoch fand sie Gefallen über ihre Reizwäsche zu erzählen, die vermutlich in der hintersten Ecke im Kleiderschrank lagen. Rudi verdeutlichte ihr, dass sie das Gefühl für Erotik verloren habe. Er wolle ihr mit Fragen helfen, die Lust am Sex wieder zu finden und vor allem, welche Art sie bevorzuge. Und das alles unter der Prämisse, die Ehe wieder in Fahrt zu bringen. Hierfür wäre auch nötig zu wissen, auf welchen Frauentyp ihr Josef stünde. Rudi zeigte viel Verständnis für Josefs Situation. Sie solle sich das mal vorstellen, wenn sie jeden Tag die Geschlechtsteile von männlichen Patienten, aller Alters- und Gewichtsklassen untersuchen müsste, ob sie dann überhaupt noch Lust aufbauen könnte – zuhause für den eigenen Partner! Das war in der Tat eine gute Frage!

„Vielleicht sollte ich mich mit Frauen anderer Gynäkologen austauschen!“, kam es ihr in den Sinn. Aber den Gedanken verwarf sie sogleich.

Isa ahnte in etwa, auf welchen Frauentyp Josef zurzeit stand. Jedenfalls müsste sie ästhetisch sein und in den Proportionen harmonieren. Er hatte schon immer eine Vorliebe für Rothaarige gezeigt. Ihr Wesen dürfe eine Prise ordinär, auch vulgär sein, aber immer noch auf gehobenem Niveau. Ist sie zu billig und primitiv, verliert er rasch das Interesse. Dies mache wohl die Suche nach der geeigneten Partnerin schwierig, vermute sie. Aber mit diesem Thema wolle sie sich nicht lange aufhalten, schrieb sie ihrem Brieffreund, denn es versetze ihr Stiche im Herzen.

Isas und Rudis Korrespondenz florierte.

Ihr Bedarf an Briefmarken nahm enorm zu. Zusätzlich musste sie den armen Häftling ordentlich mit den kostbaren Papierschnitzeln füttern. Des Öfteren steckte sie sogar 30 oder 50 Euro zwischen das Briefpapier, wenn er mal wieder seine Wochenration frühzeitig verbraucht hatte, oder Schulden an Mitgefangene abzahlen musste. Sie machte diese kleinen Geschenke gerne und glaubte echte Hilfe zu leisten.

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