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Hundsgemein 1. Teil

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„Ich geh mit Fury noch eine Runde Gassi! Willst du mit?“, rief Frau Obermüller durch die Wohnzimmertür ihrem Mann zu, der sich im Fernsehsessel lümmelte.

„Ne, jetzt nicht mehr! Es kommt Fußball, das siehst du doch!“, brummte er und trank mit großen Schlucken aus einer Flasche Bier. Frau Obermüller verdrehte die Augen. Immer das gleiche mit dem Mann. Das typische Samstag drei F Abendprogramm - Fernsehen, Fußball, Faulenzen. Vermutlich ging es nicht ohne Alkohol, um dem langweiligen Sport seine Würze zu geben, resümierte Frau Obermüller. Aber das behielt sie für sich.

Als kluge Gattin trat sie den Rückzug an und schritt in den Flur.

„Na schön! Komm Fury, lass uns um die Ecken gehen!“ Frau Obermüller lächelte ihren Hund an, der genau wusste um was es ging. Ein alter Rottweiler erhob sich aus seinem XXL-Korb und mit steifen Beinen wackelte er dem Frauchen hinterher in Richtung Haustüre.

Eigentlich hatte sich die Enkelin der Obermüllers sehnlich ein Pferd gewünscht und das sollte genauso eines sein, wie Fury aus den Kinderbüchern. Das lag bereits über ein Jahrzehnt zurück. Es war damals nicht mehr auszuhalten mit ihrem Pferdetick. Doch der Geldbeutel erlaubte nur ein kleineres Tier, welches zumindest ebenso vier Beine und ein schwarzes Fell besaß. Der Welpe erhielt den Namen Fury. Von da an musste der Hund täglich der kleinen Anna die Geschichten vom schwarzen Hengst lauschen.

Frau Obermüller schnappte die lederne Hundeleine. Draußen wartete ein warmer Spätsommerabend auf die Gassi Gesellschaft. Fury trabte sofort an die Hofeinfahrt, hob das Bein und pinkelte an den Jägerzaun. Frau Obermüller steuerte die ruhig gelegene Villengegend an. Nach 23 Uhr war kaum noch ein Mensch unterwegs und der Hund konnte frei herumlaufen. Als sie um die nächste Ecke bog erschrak sie über ein grelles, kreisendes Blaulicht.

„Fury, komm her!“ Augenblicklich legte sie den Hund an die Leine. „Was ist denn da los?“ Wie ein Magnet zogen sie die Lichter an. Mit eiligen Schritten näherte sie sich dem Spektakel. Sie wandte ihren Kopf, um die Situation einschätzen zu können. Es standen mehrere Polizeiautos und ein Rettungswagen vor dem Anwesen der Familie Achentaler. In der Einfahrt entdeckte sie einen weiteren Rettungswagen. Polizisten und Sanitäter liefen eilig durcheinander. Frau Obermüller trat bis an die Absperrung heran. Eine rot weise Plastikbande hatte man provisorisch zwischen Tatort und Außenwelt gespannt, um die sich eine Hand voll Schaulustiger drängte. Frau Obermüller gesellte sich zu ihnen.

„Guten Abend Frau Hölle! Was ist denn da passiert?“ Frau Hölle gehörte zu den Hundebekanntschaften, die man zu allen Tages- oder Nachtzeiten irgendwo traf. Ihr Foxterrier und Fury beschnüffelten sich im Kreisverkehr.

„Servus Frau Obermüller! Keine Ahnung, aber es muss was Schreckliches passiert sein! So viele Polizisten und Rettungswagen!“

Das eisig blaue Licht kreiste über die Anwesenden und tauchte für sekundenschnelle ihre Gesichter in blutleere Wesen. Es stimulierte die eh schon angespannte Stimmung.

„Kann man diese Discobeleuchtung denn nicht abstellen?“, beklagte sich eine andere Dame. Niemand antwortete ihr. Die Aufmerksamkeit aller hing an dem Treiben des Einsatzkommandos, denn hier wurde ein gewöhnlicher TV-Krimi zur Wirklichkeit. Die Zuschauer standen nah genug um zu erkennen, wie in den hell erleuchteten Rettungswagen Menschen herumfuchtelten.

„Mein Gott, da gibt es wohl Schwerverletzte! Hat es die Achentalers erwischt?“ Frau Hölle zuckte die Achseln.

Die Hunde jaulten. Frau Obermüller blickte nach unten und musste Fury aus einem Leinengewirr befreien. Frau Hölle riss ihren Foxterrier zu sich heran, stellte ihn zwischen ihre Beine und hielt ihn fest.

„Jetzt ist aber Schluss!“, befahl Frau Obermüller ärgerlich und drohte dem massigen Rottweiler mit dem Zeigefinger. Ha, von wegen! Furys Aufmerksamkeit fokussierte bereits einen altbekannten Feind. Sein böses Knurren steigerte sich in lautes, tiefes Bellen.

„Schauen sie, da ist auch der Tierarzt! Was macht der denn hier?“ Frau Obermüller hatte nun große Mühe Fury zu halten. Der Hund war außer sich und stemmte sich mit allen Kräften gegen die Leine. Vermutlich steckten die wöchentlichen Aufbauspritzen dahinter, die der Arzt dem Hund ins Hinterteil jagte. Eine wahrhaft erfolgreiche Therapie – vielleicht sollten wir die Dosis reduzieren, schoss es ihr in den Sinn.

Der Tierarzt verließ gerade die Villa und trug ein graues Bündel in seinen Armen. Damit marschierte er zu seinem Jeep und legte den Haufen in den Kofferraum hinein.

„Herr Doktor, der Kommissar will sie sprechen!“, rief ein Beamter ihm nach.

Fury bellte immer noch mit voller Lungenkraft und strapazierte seine Stimmbänder aufs äußerste. Da näherte sich ein anderer Feind. Einem Polizisten ging dieses vorlaute Gebelle auf die Nerven. Streng befahl der uniformierte Mann Frau Obermüller diesen zu Ort verlassen, denn hier gäbe es nichts zu sehen! Vermutlich hätte Fury aus diesem blassen Spargeltyp Hackfleisch gemacht. Dem Beamten war überhaupt nicht bewusst, dass diese Frau sein Leben in den Händen hielt.

„Still jetzt!“, fauchte sie Fury an. Widerwillig beruhigte sich der Hund. Die umstehenden Personen fanden diesen Zwischenfall recht erheiternd und grinsten ungeniert. Frau Obermüller nutzte die Gelegenheit und fragte ganz direkt: „Ach Herr Schutzmann, sagen sie uns bitte, wer ist denn verletzt?“

„Aber Herrschaften, das geht jetzt wirklich zu weit! Die Presse ist auch schon da. Lesen sie morgen in der Zeitung nach. Und bitte, gehen sie endlich!“ Ein Brummen ging durch die Menge.

So ein Blödmann, dachte jeder. Plötzlich startete ein Rettungswagen, schoss rückwärts aus der Einfahrt, drehte kurz und setzte die Sirenen ein. Alles was im Weg stand sprang zur Seite.

Frau Obermüller entschied sich für den Rückzug, denn Furys Nerven lagen blank. Aber das plötzliche Auftauchen von Frau Achentaler ermunterte sie einen Moment länger zu bleiben. Frau Achentaler verließ die Villa in Begleitung einer Ärztin und Beamtin, die sie von beiden Seiten stützten. Als die Ärztin mit ihr gerade in den Notarztwagen steigen wollte, rief die Frau Doktor einem nahe stehenden Mann zu: „Nein, Frau Achentaler ist jetzt nicht vernehmungsfähig! Sie steht unter Schock und bleibt die Nacht in der Klink! Sie können morgen nachfragen, ob sie stabil ist!“ Der Herr war offensichtlich verärgert darüber, drehte ab und nahm mit dem Tierarzt vorlieb.

„Komm Fury, wir gehen jetzt! Gute Nacht Frau Hölle!“ Diese winkte kurz zurück und ratschte mit einer anderen Dame weiter. Folgsam trabte Fury an der Seite seines Frauchens nachhause. Mit ein paar Wuffs, so als wollte er sich räuspern, schien er in einem inneren Monolog die Erlebnisse nach seinem Rechtsempfinden gerade zu rücken. Frau Obermüller verstand seine Aufregung und tätschelte ihn ein paar Mal auf den flachen Schädel. „Ist jetzt alles gut, mein Hundi!“

Die Uhr zeigte bereits 0.10 Uhr als Frau Obermüller das Wohnzimmer betrat. Ihr Mann schnarchte friedlich im Sessel, während der Fernseher vor sich hin plapperte. Er bemerkte ihr Kommen nicht und sie ließ ihn dort ruhen.

Diese Nacht fand sie keinen richtigen Schlaf. Zu sehr erregte sie die Frage, wer in den beiden Rettungswagen um sein Leben gekämpft hatte. Am nächsten Tag stand nicht viel im Münchner Merkur. Nur dass in einem Privathaushalt eingebrochen wurde und dies zwei Schwerverletzte und einen toten Hund zur Folge hatte. Schnell wurde bekannt, dass Herr Dr. Achentaler eines der Opfer war.

Hundsgemein

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