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2. Kapitel

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Am nächsten Morgen stand Isa wie gerädert im Bad. Eine kalte Dusche und eine sojaaktive Hautcreme verpassten ihr ein besseres Aussehen. Bei der zweiten Tasse Kaffee entschied sie sich bei klarem Bewusstsein, das Antwortschreiben auszudrucken und abzusenden. Dreimal überprüfte sie die Richtigkeit der Chiffrenummer.

„Hoffentlich leiten die verantwortlichen Personen das auch korrekt weiter!“, bangte Isa ein wenig, denn mit einem einsamen Rentner oder Lesbe, wollte sie keinen Kontakt aufnehmen.

Der Vormittag bot sich als Kurz- und Kontrollbesuch bei ihrer Mutter an. Die 72 jährige Frau entwickelte zunehmend seltsame Denkmuster. Obwohl der Aldi nur zwei Gehminuten von der komfortablen Einliegerwohnung entfernt lag, weigerte sich ihre Mutter dort weiterhin einzukaufen. Denn sie war fest davon überzeugt, dass demnächst vor oder im Aldi eine Bombe hochgehen würde.

„Ich sag dir Kind, der Aldi ist das nächste Ziel von Terroranschlägen! Die ganzen Islammisten kaufen dort ein!“

Diese Wahnidee schien sich zu intensivieren. Überall erkannte sie Selbstmordattentäter, und jede Alditüte verkörperte eine Sprengstofftüte. Vielleicht sollten wir zum Arzt, dachte Isa auf der Fahrt zu ihr.

Die beiden begrüßten sich herzlich. Frau Willibald legte sehr viel Wert auf gepflegtes Äußeres und ließ sich immer Samstagmorgens um 8 Uhr beim Friseur die Haare machen.

„Ah, meine liebe Isabella! Schön, dass du mich besuchen kommst! Geht’s dir nicht gut? Du bist blass!“

„Nur schlecht geschlafen!“, Isa winkte ab.

„Aber du schaust gut aus, Mutti! Bist du immer noch bei deinem alten Friseur?“

„Nein, du weißt doch, dass ich das Einkaufszentrum mit samt dem Aldi meide. Ich will noch ein paar Jahre leben!“ Isa seufzte. Es hatte keinen Sinn mit ihr über Aldi-Bomben zu reden.

„Tja, mein Kind, da kommen noch ganz andere Probleme auf euch zu. Ich werde es nicht mehr erleben! Aber eines Tages haben wir mit unserer Liberalität eine islamische Protestpartei mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten im eigenen Land sitzen. Du hälst mich jetzt für verrückt, aber du wirst noch an mich denken! Dann darfst du auch im Sommer eine Mütze tragen, oder irgendwas über den Kopf ziehen. Die Kruzifixe in den Schulen sind bereits fort. Unglaublich welch eine dumme Generation das Land regiert! Es ist wahrlich die Zeit der Deppen!“ Frau Willbald holte Luft um fortzufahren. Isa nutzte ihre Chance.

„Ich fahr ins Kaufland! Soll ich dir was mitbringen?“ Demonstrativ wechselte sie das Thema.

„Oh ja, mein Liebes!“ Für Frau Willibald waren Gedankensprünge sowieso ein Leichtes. Mit zittriger Hand reichte sie ihrer Tochter ein Stück Papier.

„Hier ist meine Einkaufsliste!“ Isa überflog die sauber geschriebenen Wörter und erkannte nichts Unsinniges. Vorsichtshalber suchte sie das Bad auf, um zu sehen, ob hier noch etwas fehlte. Im Spiegelschrank fand sie zehn Packungen Zahnseide. Was soll denn das!

„Mutti! Du hast einen halben Kilometer Zahnseide im Badezimmerschrank! Wozu?“, fragte Isa fast mütterlich.

„Ach ja? Ist das wirklich so viel? Die waren im Angebot, da musste ich zugreifen! Kannst gerne welche mitnehmen!“ Zufrieden widmete sich Frau Willibald wieder mit dem Bewässern ihrer Pflanzen.

„Ist gut. Bis später!“

„Ach Isabella! Bitte kaufe mir nicht so einen Salat aus dem Zuchthaus! Ich will einen vom freien Feld. Weißt du, so wie wir ihn früher aus unserem Garten geerntet haben!“

Isa schmunzelte: „Natürlich, kaufe ich dir keinen Salat, der was ausgefressen hat!“, und zog die Tür hinter sich zu. Ihre Mutter rief noch hinterher: „Nein, auch keinen angefressenen!“

Auf dem Beifahrersitz lag der Brief an den Unbekannten. „Jetzt aber schnell weg damit, bevor ihn Mutter in die Hände kriegt, und sich irgendwelche Katastrophen ausdenkt.“

Neben dem Eingang zum Supermarkt hing ein Briefkasten. Sie klappte den Schlitz auf und stutzte noch mal. Tun oder nicht tun? Eine innere Stimme tadelte sie: „Du warst schon immer zu verhalten im Leben!“ Energisch warf Isa den Brief ein. Mit Erleichterung löste sie einen Einkaufswagen aus der Kette. „Ich habe es getan!“, lobte sie sich heimlich.

In Gedanken versunken schob sie den Metallwagen in die Gemüse und Obstabteilung. Wann würde er ihr frühestens antworten? Das müsste Dienstag oder Mittwoch geschehen.

„Grüß Gott, Frau Achentaler! Gut dass ich sie treffe. Ist denn die Praxis ihres Mannes über die Herbstferien geschlossen?“ Eine unbekannte Frau fragte sie über Bananen und Kiwihaufen hinweg. Isa überkam sofort das Gefühl, dass alle anderen Damen in der Nähe die Ohren spitzten und mit Interesse die Öffnungszeiten des Lieblings-Gynäkologen verfolgten.

„Nein, nicht dass ich wüsste! Erst Weihnachten machen wir zu!“ Freudig nickte die korpulente Lockenkopfdame und verschwand bei den Fertiggerichten.

„Das war ja noch harmlos!“, dachte Isa und hoffte, dass sonst niemand auf die Idee käme sie nach dem Befund der Mammographie zu fragen, oder wohin es heuer in den Urlaub ginge. Manche Leute sind einfach unverschämt neugierig oder geschwätzig. Trotz ihrer beklagten Einsamkeit, mochte sie das Geplauder auf den Straßen oder in Geschäften nicht leiden. Isa fand es schrecklich, wenn die Damen beim Metzger, oder sonst wo sich laut unterhielten, den Weg versperrten und man sein eigenes Wort nicht mehr verstand.

Als sie damals die Prachtvilla bauten, haben sie das Gebäude bewusst in die Mitte des großen Anwesens platziert, umgeben von haushohen Tannen, Eichen und dichtem Buschwerk. Wenigstens die Privatsphäre sollte geschützt bleiben. Nach außen hin zeigte sich die Familie Achentaler mit tadellosen Manieren und klatschfrei. Selbst die Kinder bekamen von dem schiefen Haussegen nichts mit.

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