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Frankreich: Eine Annäherung

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Abb. 0.1 Übersichtskarte Frankreich

Frankreich ist eines der Länder Europas, das mit den vorteilhaftesten Klischees bzw. Images belegt wird. So gilt Frankreich als

▪ das Land der Gourmets und des Baguettes,

▪ das Land des Rotweins und des Käses,

▪ das Land der Haute Couture und des Parfums,

▪ das Land der Kunst und Kultur,

▪ das Land des „savoir vivre“ bzw. „l’art de vivre“ und

▪ das Land der Tour de France und des Fußballweltmeisters von 1998 und 2018

(vgl. Wüpper 2013; Auswärtiges Amt 2018; Pleye 2018). Weniger bekannt und das Image des Landes prägend ist, dass Frankreich auch das Land ist, das in der europäischen Kriminalstatistik im Jahr 2017 den zehnten Rang, jedoch bzgl. des Sicherheitsindex lediglich Platz 30 (von 39 Ländern) belegt (vgl. Adamovic 2018), das traditionell ein Handelsdefizit aufweist (vgl. INSEE 2015), das in der Streikstatistik der Zeitspanne 2010 bis 2014 in Europa auf Platz 1 geführt wird (IW 2015) und dessen Staatsgebiet auch Territorien in der Karibik (Guadeloupe und Martinique), im Indischen Ozean (La Réunion und Mayotte) sowie auf dem südamerikanischen Kontinent (Guyane) umfasst. Schließlich existieren einige Vorurteile über Frankreich, die sich hartnäckig halten: Franzosen sprechen keine Fremdsprache, tragen eine Baskenmütze und sind unpünktlich (Lazarovic 2013).

Doch es sind weder die positiven Klischees und Images, noch die weniger bekannten Sachverhalte und Vorurteile die Frankreich für eine/n Geographen/in besonders interessant machen. Es sind vielmehr die regionalen Besonderheiten und Gegensätze, die von vielen anderen europäischen Ländern oft abweichenden, eigenständigen Entwicklungen in Politik, Wirtschaft oder Stadtentwicklung und Architektur. Und nur wenige Länder in Europa zeichnen sich durch eine Vielfalt aus, wie sie für Frankreich typisch ist. Und dennoch ist Frankreich ein Land, „in dem die räumlichen Strukturen in besonders klarer Weise greifbar werden“ (vgl. Pletsch 2003: XIX). Dies zeigt sich insbesondere für die nachfolgend dargestellten physisch-geographischen Faktoren, die als Voraussetzung für die Nutzung des Raums und seine ökonomische Inwertsetzung (z.B. durch die Landwirtschaft) verstanden werden können. Die natürlichen Rahmenbedingungen werden nicht im geodeterministischen Sinn interpretiert, sondern sie sind eher als „Kulisse“ für den (wirtschaftlich) agierenden Menschen zu verstehen, und können so zum Verständnis der räumlichen Strukturen und der sie verändernden Prozesse (z.B. im Bereich der Wirtschaft) beitragen.

Frankreich, auch als l’Hexagone bezeichnet (vgl. Abb. 0.1), weist eine fast identische maximale Nord-Süd- und West-Ost-Ausdehnung auf (jeweils knapp 1000 km). Das Land erstreckt sich zwischen 42° und 51° nördlicher Breite sowie 5° westlicher und 8° östlicher Länge. Aufgrund dieser Lage liegt Frankreich überwiegend im Bereich des gemäßigten Klimas. Es wird wesentlich durch zwei Faktoren beeinflusst: den Atlantischen Ozean sowie das Relief. So wirkt sich der Einfluss des Atlantischen Ozeans durch relativ milde Wintertemperaturen und eine vergleichsweise geringe Zahl der Frosttage aus. Durch die großen Beckenlandschaften (vgl. Abb. 0.5) im Norden (Pariser Becken) und im Südosten (Aquitanisches Becken) reicht dieser atlantische Einfluss dort weiter ins Landesinnere als in der „Mitte“ Frankreichs (um den 46. Breitengrad), wo das Zentralmassiv als natürliches Hindernis wirkt. Im größten Teil des Landes herrscht das nach der Klimaklassifikation von Köppen-Geiger als Cfb bezeichnete feucht ozeanische Klima vor, in dem die durchschnittliche Monatstemperatur in keinem Monat 22° Celsius übertrifft, aber mindestens in vier Monaten über 10° Celsius liegt.

Die relative Ausgeglichenheit des Klimas in Frankreich spiegelt sich in seiner räumlichen Grundstruktur wider. Gleichwohl kann es in einer West-Ost-Abfolge verschiedener Klimatypen (vgl. Abb. 0.2) differenziert werden. Zunächst sind Atlantikküste und Kanalküste sowie ihr jeweiliges Hinterland durch ein ozeanisches Klima (climat océanique) charakterisiert. Dieses unterliegt in östlicher Richtung einem immer deutlicheren kontinentalen Einfluss (climat océanique dégradé) und geht in ein kontinental geprägtes Klima (climat semi-continental) über. Diese drei in Frankreich flächenbezogen am stärksten vertretenen Klimatypen werden zum einen durch den Typus des feuchten Kontinentalklimas in den Bergen (climat montagnard) ergänzt (Köppen Geiger: Dfb), das sowohl in den Pyrenäen und den Alpen als auch in etwas schwächerer Ausprägung im Zentralmassiv, den Vogesen sowie dem Jura vorherrscht. Zum anderen ist die Mittelmeerküste durch ein mediterranes Klima (climat méditerranéen) gekennzeichnet (Köppen-Geiger: Csa), das nach Norden hin schwächer ausgeprägt ist (climat méditerranéen dégradé) (Köppen-Geiger: Csb). Die verschiedenen Klimabereiche (vgl. Abb. 0.2) lassen sich wie folgt charakterisieren:



Abb. 0.2 Klimazonen Frankreichs mit Klimadiagrammen für ausgesuchte Klimastationen

▪ Unter Einfluss des ozeanischen Klimas herrschen zwischen Sommer und Winter relativ geringe Temperaturunterschiede. Das Temperaturmaximum wird im August erreicht (z.B. Brest: 16,3 oder Bordeaux: 20,0° Celsius). Die Temperaturminima fallen in den Monat Januar (z.B. Brest: 6,4 oder Bordeaux: 5,5° Celsius). Insgesamt steigt die Jahresdurchschnittstemperatur im ozeanisch geprägten Klimabereich von Norden (z.B. Brest: 11,1° Celsius) nach Süden (z.B. Bordeaux: 12,7° Celsius) leicht an. Die Niederschläge erreichen ihr Maximum im Winter, die Sommer sind deutlich niederschlagsärmer. Die höchsten Jahresniederschlagssummen werden in der Bretagne (z.B. Brest: 1100 mm) sowie im westlichen Staubereich des Zentralmassivs und am Pyrenäenrand gemessen (vgl. Abb. 0.3). Die jährliche Sonnenscheindauer variiert zwischen 1800 (Bretagne und Aquitaine) und bis zu 2300 Stunden (Vendée) (vgl. Abb. 0.4).


Abb. 0.3 Verteilung der durchschnittlichen Jahresniederschläge (mm pro Jahr) in Frankreich

▪ Im Bereich des Richtung Osten zunehmend kontinental geprägten Klimas nehmen die im Jahresverlauf auftretenden Temperaturunterschiede zwischen Sommer und Winter zu. Die höchsten Temperaturen werden im Juli (z.B. Paris: 19,4 oder Straßburg: 19,2° Celsius), die niedrigsten Temperaturen im Januar (z.B. Paris: 3,3 oder Straßburg: 0,9° Celsius) gemessen. Die Jahresmitteltemperatur fällt im Vergleich zu den westlichen Landesteilen etwa gleich bzw. etwas niedriger aus (z.B. Paris: 11,3 bzw. Straßburg: 10,1° Celsius). Die Jahresniederschlagssummen sind im Vergleich zum ozeanisch geprägten Klimabereich niedriger (z.B. Paris: 637 mm oder Straßburg: 657 mm) (vgl. Abb. 0.3) und verteilen sich im Jahresgang bei einem leichten Sommermaximum ausgeglichener. Hingegen zeigt die jährliche Sonnenscheindauer im östlichen, kontinental geprägten Frankreich geringe Unterschiede zu den ozeanisch geprägten Regionen und nimmt von Norden (1600 Stunden pro Jahr) nach Süden (bis zu 2000 Stunden pro Jahr) zu (vgl. Abb. 0.4).

▪ Das mediterrane Klima ist gekennzeichnet von hohen Sommertemperaturen und großen Niederschlagsunterschieden zwischen Sommer und Herbst. Entsprechend liegen die höchsten durchschnittlichen Monatstemperaturen im Sommer über 22° Celsius (z.B. Nizza: 22,3 oder Perpignan: 23,8° Celsius im Juli), während die Winter relativ mild sind (z.B. Nizza: 8,0 oder Perpignan: 7,8° Celsius im Januar). Die durchschnittliche Jahresmitteltemperatur fällt folglich vergleichsweise hoch aus (z.B. Nizza: 14,8 oder Perpignan: 15,4° Celsius) und die durchschnittliche Sonnenscheindauer erzielt im mediterranen Klimabereich mit bis zu 2800 Stunden im Jahr ihre Spitzenwerte im europäischen Frankreich (vgl. Abb. 0.4). Die Niederschlagsmengen der niederschlagsreichen Monate im Herbst (Oktober oder November) erreichen ein Mehrfaches der niederschlagsärmsten Monate im Sommer (z.B. Perpignan: 20 mm im Juli gegenüber 86 mm im Oktober oder Nizza: 18 mm im Juli gegenüber 118 mm im November). Die hohen Niederschläge im Herbst und teilweise auch im Frühjahr gehen häufig auf Starkregenereignisse zurück, die große Schäden anrichten. Die Jahresniederschlagssummen (vgl. Abb. 0.3) weisen ähnliche Werte (z.B. Nizza: 811 mm oder Perpignan: 586 mm) wie in den kontinental beeinflussten Regionen auf.

▪ Das Bergklima des Zentralmassivs und der Pyrenäen lässt sich in die durch den Steigungsregen etwas wärmeren, feuchteren und windzugewandten Westseiten (z.B. für Zentralmassiv: Limoges mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 11,3° Celsius und einer Jahresniederschlagsmenge von 1059 mm) sowie in die geringfügig kühleren, aber deutlich trockneren, leeseitigen Gebirgsregionen (z.B. für Zentralmassiv: Clermont-Ferrand mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von 10,6° Celsius und einer Jahresniederschlagsmenge von 628 mm) differenzieren (vgl. Abb. 0.3). Insgesamt sind die Wintermonate in den Bergregionen von höheren Niederschlägen gekennzeichnet als die Sommermonate. Zusätzlich variieren Temperatur und Niederschlag mit der Höhe: So weist z.B. Grenoble (219 m über NN) mit 11,2° Celsius im Jahresmittel und 856 mm Jahresniederschlag deutliche Unterschiede gegenüber Avoriaz (1800 m über NN) mit 2,7° Celsius Jahresmitteltemperatur und 1651 mm Jahresniederschlag auf. Insbesondere in den Alpen herrscht eine sehr komplexe klimatische Struktur, da sich hier der thermische Wandel zwischen Nord- und Südseite zusätzlich bemerkbar macht. Die Nordseite ist niederschlagsreich, winterkalt und sommerkühl, die Südseite ist hingegen niederschlagsärmer, die Winter sind milder und die Sommer deutlich wärmer.


Abb. 0.4 Durchschnittliche Sonnenscheindauer (Stunden pro Jahr) in Frankreich

Neben dieser Grundstruktur des Klimas müssen einige regionalklimatische Besonderheiten beachtet werden. Hierzu gehören insbesondere regionale bzw. lokale Windsysteme, die vor allem im Bereich der mediterranen Küste wirksam werden. Ein Beispiel hierfür ist der Mistral, der als thermische Ausgleichsströmung zwischen dem Hoch über der Biskaya und dem Genua-Tief vor allem im Bereich des Rhônetals bzw. -deltas auftritt. Dieser kalte, trockene Wind erreicht durch die Kanalisierung im Rhône-Tal hohe Geschwindigkeiten (in der Spitze werden bis zu 185 km/h gemessen) und dauert in der Regel mehrere Tage an. Am häufigsten tritt der Mistral im Frühjahr auf und verursacht oft Schäden im Bereich des Sonderkulturanbaus, die durch Windschutzhecken minimiert werden sollen (vgl. Abb. 0.5). Wie der Mistral gehört auch der weiter westlich auftretende kalte Nord-Süd-Wind, der als Tramontane bezeichnet wird, zu den Nordföhn-Windsystemen.

Ähnlich klare Strukturen wie beim Klima lassen sich auch hinsichtlich der physischen Raumgliederung erkennen, wenngleich auf Grund der erdgeschichtlichen Entwicklung zahlreiche Oberflächenformen und Relieftypen existieren. Grundsätzlich können drei Großformen unterschieden werden (vgl. Abb. 0.6), die für die naturräumliche Landschaftsgliederung verantwortlich sind:

▪ Alte Massive: Das Armorikanische Massiv im Nordwesten Frankreichs (insbesondere Bretagne und Teile von Normandie, Mayenne und Vendée), das sich vom Zentrum in den Süden Frankreichs ausdehnende Zentralmassiv (u.a. Limousin, Auvergne und Causses) sowie die Vogesen im Osten und ein kleiner, nach Frankreich hineinragender Teil der Ardennen im Nordosten des Landes bilden die „architektonische Grundlage der naturräumlichen Gliederung Frankreichs“ (Gehring/Dizier 1993: 10). Relief und Oberflächenformen der alten Massive, die auf eine variskische Orogenese (zweite Hälfte des Paläozoikums) zurückgehen, unterscheiden sich deutlich. Das Armorikanische Massiv besteht überwiegend aus flachen Plateaus, weist mehrheitlich einen Hügellandcharakter auf und erreicht am Mont des Avaloirs im Nordosten des Départements Mayenne mit 416 m über NN seine höchste Erhebung. Demgegenüber wird das Zentralmassiv aus alten kristallinen Blöcken (z.B. Forez-Gebirge), tektonischen Gräben (z.B. Limagne-Graben) und rund 80 nicht mehr aktiven Vulkanen (z.B. Puy de Dôme) gebildet. Das Zentralmassiv erreicht mit dem Puy de Sancy (1885 m) seine maximale Höhe. Die alten Massive sind die Lagerstätten von Steinkohle und Erzen, deren Abbau mittlerweile vollständig eingestellt worden ist.


Abb. 0.5 Windschutzhecken im Rhône-Tal

▪ Beckenlandschaften: Das von den alten Massiven der Ardennen, der Vogesen, des Zentralmassivs und des Armorikanischen Massivs eingerahmte Pariser Becken dominiert den nördlichen Teil Frankreichs. Die im Grundriss elliptische Beckenlandschaft weist in NO-SW-Richtung eine Länge von rund 600 km auf, in NW-SO-Richtung erstreckt sie sich über ca. 400 km. Das Zentrum des Beckens, das muldenförmig aus ineinander liegenden mesozoischen und tertiären Schichten aufgebaut ist, bilden weite und ebene Landschaften, insbesondere im östlichen Bereich (Champagne und Lothringen) hat sich eine Schichtstufenlandschaft ausgebildet. Im Südwesten des Landes befindet sich, als zweite große Beckenlandschaft, das mit dem Pariser Becken über die Schwelle von Pitou verbundene Aquitanische Becken, das einen trapezförmigen Grundriss hat. Im Norden ist es ca. 100 km breit und durch stark zerschnittene Plateaus charakterisiert (Périgieux und Angoulême), im Süden ist es rund 350 km breit und durch eine Hügellandschaft (Gascogne) geprägt. Die dritte Einheit bilden die im Westen dominierenden sandigen Flächen und Dünenlandschaften am Atlantik (Landes).

▪ Alpine Landschaften: Die tertiären Gebirge Frankreichs wirken als natürliche Grenzen zu den Nachbarländern. Im Südosten ist es die bis zu 3400 m hohe, ca. 400 km lange in West-Ost-Richtung verlaufende Gebirgskette der Pyrenäen. Sie können grob in die westlichen bzw. atlantischen Pyrenäen, die Hoch- oder Zentralpyrenäen sowie die Ostpyrenäen unterteilt werden, die einen Grenzriegel zu Spanien bilden. Im Südosten Frankreichs sind es der bis zu 1700 m hohe Jura und vor allem die Alpen mit dem Mont Blanc (4810 m) als höchstem Berg der Alpen, die die Grenze zur Schweiz und Italien markieren. Unter den alpinen Gebirgstypen weist der Jura den einfachsten Aufbau auf. Dieser rund 250 km lange und 20 bis 70 km breite Gebirgsbogen wird in den Faltenjura und den Tafeljura differenziert. Hingegen sind die rund 400 km langen und zwischen 60 und 160 km breiten französischen Alpen von einer sehr komplexen Struktur gekennzeichnet. Sehr stark generalisierend kann zwischen den nördlichen bzw. südlichen Voralpen sowie den Hochalpen unterschieden werden, die jedoch jeweils in sich eine sehr differenzierte geologische und tektonische Struktur aufweisen.

Räumlich lassen sich Oberflächenformen und Relief Frankreichs stark abstrahierend wie folgt gliedern (vgl. Abb. 0.6): Zwischen alten Massiven mit Mittelgebirgscharakter liegen weite, offen Beckenlandschaften. In den südöstlichen und südwestlichen Randlagen befinden sich die Gebirge. Eine Zäsur in diesem Aufbau bildet der Rhône-Saône-Graben, der sich über die Burgundische Pforte nach Nordosten im Oberrheingraben fortsetzt. Innerhalb der einzelnen Oberflächenformen ist der Landschaftsaufbau allerdings sehr komplex. Die Bezeichnungen der Landschaftsräume Frankreichs (vgl. Abb. 0.7) gehen mit einer Ausnahme auf historische oder geographische Landschaftsnamen zurück, denn allein das Pariser Becken trägt eine von einer Stadt abgeleitete Bezeichnung, was wiederum als Hinweis auf den Zentralismus mit der Überbetonung der Hauptstadt interpretiert wird (Pletsch 2003: 2).

Die Böden in den Landschaftsräumen (vgl. Abb. 0.8) sind primär das Ergebnis der natürlichen Prozesse, sind aber auch durch die Eingriffe des Menschen in ihrer natürlichen Entwicklung beeinflusst worden. Die regional variierenden Bodenverhältnisse bilden die Voraussetzung u.a. für Vegetation oder die agrarische Nutzung (vgl. 5.1.). Generell kann festgestellt werden, dass – wie im übrigen Mitteleuropa – auch in Frankreich die Braunerden dominieren. Dem humushaltigen Oberboden folgen der Verbraunungshorizont sowie der nicht mehr in die Bodenbildung einbezogene Horizont des anstehenden Gesteins. Allerdings gibt es – wie nachfolgend beispielhaft gezeigt – zahlreiche Variationen und Abweichungen, je nach Ausgangsgestein, Relief- und Klimabedingungen sowie durch menschliche Eingriffe. So dominieren z.B. im Bereich des Armorikanischen Massivs (chemisch saures Ausgangsgestein, kühles, regenreiches Klima) saure Braunerden. Dagegen finden sich im nördlichen Pariser Becken mäßig saure bis neutrale Braunerden, die sich aus den auf den Kreidekalken aufgelagerten lößartigen Decksedimenten gebildet haben. Weiter östlich, im Bereich der Champagne, haben sich durch Verwitterungsprozesse und nicht zuletzt durch menschliche Eingriffe, die zu Degradation des Bodens beigetragen haben, flachgründige Rendzinen entwickelt. Auch die Versauerung der Böden im Südwesten (Podsol der Landes) sind durch menschliche Aktivitäten unterstützt worden (Aufforstungen Ende des 19. Jahrhunderts). Insgesamt bietet die Vielzahl der auftretenden Böden sehr unterschiedliche Voraussetzungen für die (agrarische) Nutzung durch den Menschen, wobei auch die jeweiligen klimatischen Verhältnisse (vgl. Abb. 0.2) berücksichtigt werden müssen.


Abb. 0.6 Grundstruktur der Relieftypen Frankreichs

Die Vielfalt der verschiedenen Landschaftsräume mit ihren unterschiedlichen physischen Faktoren sind Grundlage ihrer Nutzung durch den Menschen. So können die großen Flüsse Frankreichs (Rhône, Garonne, Loire und Seine) auch als Leitlinien der frühen Besiedlung gesehen werden. Insbesondere in römischer Zeit ist dabei ein Siedlungsnetz entstanden, das noch bis heute „nachwirkt“. Diese ersten Siedlungsachsen werden in der Folgezeit zunächst nachverdichtet, bevor sich in der Zeit der Industrialisierung neue Siedlungskonzentrationen im Norden und Nordosten herausbilden (vgl. auch 3.1).

Dabei wird das Städtenetz wie Frankreich insgesamt von der Hauptstadt Paris dominiert (das Thema Stadt ist Gegenstand des dritten Kapitels), die eine herausragende Rolle spielt, was wesentlich der Tatsache geschuldet ist, dass Frankreich ein zentralstaatlich organisiertes Land ist. Dieser persistente Zentralismus (dem sich das erste Kapitel widmet) wirkt sich – auch raumprägend – auf viele Lebensbereiche aus: In Politik, Wirtschaft oder Kultur hat Paris eine nahezu unantastbare Sonderrolle, allen Dezentralisierungsversuchen zum Trotz. In kaum einen anderen Land Europas kann der Landeshauptstadt eine so herausragende Stellung attestiert werden.

Diese Andersartigkeit gilt auch für die Bevölkerungsentwicklung und -verteilung (die Demographie ist Inhalt des zweiten Kapitels). Einerseits verharrt die französische Bevölkerung bis weit ins 20. Jahrhundert mehrheitlich im ländlichen Raum, d.h. die Land-Stadt-Wanderung als Komponente der räumlichen Bevölkerungsentwicklung findet in Frankreich vergleichsweise spät statt. Andererseits zeigt die natürliche Bevölkerungsentwicklung erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine starke Dynamik, was der Jahrzehnte zuvor eingeleiteten pronatalistischen Bevölkerungspolitik zuzuschreiben ist. In der Konsequenz weist Frankreich heute eine der höchsten Geburtenraten in Europa auf und ist entsprechend im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern nur in wesentlich schwächerem Maße vom demographischen Wandel betroffen.


Abb. 0.7 Landschaftsräumliche Gliederung Frankreichs

Diese Bevölkerungsentwicklung muss in engem Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung und -struktur gesehen werden (im Überblick wird diese im vierten Kapitel thematisiert). Nicht zuletzt die späte Industrialisierung ist ein Grund für die angedeuteten demographischen Prozesse und die lange Zeit noch vergleichsweise hohe Bedeutung der Landwirtschaft. Zwar hat diese insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sukzessive an Bedeutung für die Wirtschaft Frankreichs verloren, dennoch zählt Frankreich bis heute noch zu den Ländern Europas mit einer überdurchschnittlich hohen Agrarproduktion. Einen ebenfalls bedeutungsmäßig abnehmenden und vergleichsweise geringen Beitrag zur Wirtschaft des Landes leistet der Industriesektor (Landwirtschaft und Industrie sind Gegenstand des fünften Kapitels). Zwar nimmt Frankreich für einzelne industrielle Technologien und Produkte Spitzenplätze auf dem Weltmarkt ein (in der Regel durch einige wenige Großunternehmen), in der Breite ist die Industrie aber mehrheitlich lokal bis national ausgerichtet, was nicht zuletzt ihrer Kleinbetrieblichkeit geschuldet ist, ein industrieller Mittelstand fehlt weitgehend. Demgegenüber bildet der tertiäre Sektor (mit dem sich das sechste Kapitel auseinandersetzt) das Rückgrat der französischen Wirtschaft, sowohl nach Zahl der Arbeitsplätze als auch bezüglich seines Beitrags zum Bruttoinlandsprodukt. Im sehr heterogenen Dienstleistungssektor nimmt die Tourismuswirtschaft eine wichtige Rolle ein, wofür Binnentourismus (rund 80 % der Franzosen verbringen ihren Haupturlaub im eigenen Land) und internationaler Einreiseverkehr (Frankreich empfängt weltweit die meisten Touristen) gleichermaßen verantwortlich sind.

Und schließlich hat Frankreich mit seinen fünf Überseedépartements (die sog. DOM [= département d’outre-mer] werden im siebten Kapitel analysiert), die integraler Bestandteil des französischen Staates sind, eine weitere Besonderheit vorzuweisen. Diese sind nicht nur aus geostrategischer Perspektive von Interesse, sondern erweitern die Vielfalt Frankreichs nochmals, was sie nicht zuletzt wieder für die heimische Tourismuswirtschaft bzw. die französische Bevölkerung als Urlaubsdestination interessant macht.


Abb. 0.8 Bodentypengruppen Frankreichs

Nach diesem Versuch einer ersten Annäherung mag es offensichtlich sein, dass es sich bei Frankreich um ein schon auf den ersten Blick sehr facettenreiches, in vielerlei Hinsicht „anderes“ und bei näherer Betrachtung faszinierendes Land handelt, was in den folgenden Kapiteln über die angeführten Themenkreise im Detail noch deutlicher herausgearbeitet wird.

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