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16. Kapitel

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Vier Tage vor ihrer Abreise klopfte Juliette an Adams Tür und nach einem unwilligen Knurren wurde sie hereingebeten. Adams hob nicht einmal den Kopf, sondern starrte weiterhin das Manuskript an, das vor ihm auf dem Tisch lag. Er blätterte eine Seite um, dann noch eine und noch eine, blätterte wieder zurück und plötzlich sank sein Kopf mit einem Stöhnen auf die Tischplatte.

„Ich verfluche dieses Haus!“ Seine Faust stieß so kräftig hinab, dass die noch halb volle Kaffeetasse zu Boden fiel und zerbrach. Juliette war so erschrocken, dass sie für eine kurzen Moment einfach nur im Türrahmen stehen blieb und ihren Bruder betrachtete. Er sah alt aus. Natürlich war er alt, aber mit einem Mal wirkte er auch so. Und es wurde von Tag zu Tag schlimmer. Dieser Anblick stimmte sie traurig und sie schämte sich, dass sie sich in den vergangenen Jahren viel zu wenig um ihren Bruder gekümmert hatte.

Kurzentschlossen machte sie auf dem Absatz kehrt und ging raschen Schrittes zu Mrs Smith in die Küche.

„Ich habe einen wundervollen Vorschlag“, fing sie begeistert an und ihre Augen strahlten. „John sieht müde aus. Er braucht etwas Abwechslung. Also werden wir für ihn eine Feier organisieren, ein paar Leute aus dem Dorf einladen und uns einen schönen Abend machen. Sie kochen uns etwas Leckeres. Das wird wunderbar! Ich sehe es schon vor mir. An das Treppengeländer in der Eingangshalle hängen wir ein paar Luftschlangen und…“ Sie stürzte sich voller Begeisterung in ihre Pläne ohne auch die arme Mrs Smith für eine Sekunde zu Wort kommen zu lassen. Mrs Smith legte schließlich den Kochlöffel beiseite und wischte sich die Hände an der Schürze ab.

„Madam, ich weiß nicht ob das so eine gute Idee ist. Sehen sie, Mr Adams ist hierher gekommen, um seine Ruhe zu haben und eine Feier in diesem Haus steht ihm glaube ich nicht im Sinne.“ Die Köchin hatte eine zweifelhafte Miene aufgesetzt.

„Ach, lassen Sie das meine Sorge sein Mrs Smith. Sie zaubern uns am Samstagabend einfach ein paar Delikatessen.“

Und bevor Mrs Smith auch nur ein weiteres Wort sagen konnte, war Juliette auch schon wieder verschwunden, um James von ihren großen Neuigkeiten zu berichten. Da sie ihn allerdings nirgendwo finden konnte, beschloss sie schon einmal die Gästeliste zu erstellen.

Juliettes Ankunft im Black Rose hatte sich schnell herumgesprochen. Zum Einen hatten ein paar Bewohner das schwarze Taxi zum Anwesen hinaus fahren sehen und zum Anderen hatte Mr Smith bei einem seiner abendlichen Kneipenbesuche den Rest erledigt. Juliette selbst hatte sich auch schon des Öfteren blicken lassen und aufgrund ihrer offenen Art war sie auch gleich mit den Leuten ins Gespräch gekommen, die seitdem über die Frau aus der Großstadt nur in den höchsten Tönen sprachen. An einem Abend war sie mit Mr Smith zusammen in die Kneipe Zum Hirsch am Dorfbrunnen gegangen, obwohl Mrs Smith auf sie eingeredete hatte für eine Frau gehöre sich das nicht. Doch Juliette war keineswegs die einzige Frau in dem kleinen Gasthof gewesen. Sie hatte den alten Wirt Marty und dessen Frau Judith kennen gelernt und das alte Ehepaar sofort in ihr Herz geschlossen. Natürlich durften die zwei nicht auf ihrer Gästeliste fehlen. Dann die Skatrunde bestehend aus drei Herren mittleren Alters, zu denen sich Juliette gesellt hatte (das Skatspiel hatte sie trotz großer Bemühungen der Herren allerdings nicht verstanden), zwei Witwen ihres Alters, denen sie die Vorzüge der Großstadt näher gebracht hatte, Dr. Winslow, einen recht seltsamen Zeitgenossen, sowie noch die ein und andere Familie, die ihr einen sympathischen Eindruck machten.

Außerdem gab es dort noch einen Herrn etwa in ihrem Alter, der zurzeit ein Zimmer in dem Gasthof gemietet hatte. Meist saß er abends allein vor einem Bier, manchmal auch einem Schnaps und beobachtete die anderen wie sie sich fröhlich unterhielten und lachten. Als Juliette ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte sie Mitleid mit ihm empfunden. Er war ihr so einsam und verlassen vorgekommen, sodass sie sich einfach zu ihm gesetzt und angefangen hatte sich mit ihm zu unterhalten. Schnell hatte sie seinen französischen Akzent bemerkt und auf Nachfrage erfahren, dass er aus Paris stammte.

„Die Stadt der Liebe“, hatte sie träumerisch gesagt und in ihrem Kopf waren alte Erinnerungen aufgeflammt. Schmerzliche Erinnerungen, die sie schnell wieder verdrängt hatte. Sein Name war Henry Fernand und er war Tourist.

„In diesem gottverlassenen Dorf sind Sie ein Tourist?“, hatte Juliette verwundert gefragt, doch statt einer Antwort hatte er nur verschwiegen gelächelt. Er hatte eine geheimnisvolle Art an sich, denn er verstand es zwar sich mit den Menschen zu unterhalten, doch seltsamerweise erfuhr er dabei meist mehr über sie, als dass er selbst etwas über sich preisgab. So kam es, dass Juliette nach drei geselligen Abenden mit ihm beinahe ihr ganzes Leben erzählt hatte (sogar die verflossene Liebe mit einem Bankier, den sie in Paris hatte heiraten wollen, wäre er nicht frühzeitig an einem Herzinfarkt gestorben), während er immer nur stillschweigend zugehört und ab und zu ein aufmunterndes Nicken beigesteuert hatte.

Trotz alledem mochte Juliette ihn, sehr sogar und so beschloss sie, auch ihn zu der Feier einzuladen.

Man war im Dorf zunächst verwundert über diese unerwarteten Einladungen, hatte sich John Adams doch so gut wie nie im Dorf blicken lassen und jeglichen Kontakt vermieden. Daher brauchte Juliette bei einigen ihre ganze Überredungskunst, um den negativen Eindruck, den ihr Bruder hinterlassen hatte, fortzuräumen. Letztendlich siegte aber bei allen die Neugierde, das alte Anwesen der Abberlines zu sehen und so hatte Juliette am Ende des Tages über 20 Zusagen.

In dem kleinen Laden an der Dorfstraße kaufte sie ein paar bunte Girlanden und Masken, die sich die Kinder aufsetzen konnten.

Während der Vorbereitungen für die Feier ließ sich Adams nicht einmal blicken, obwohl Juliette ihn das ein ums andere Mal wenn nötig auch mit Gewalt aus seinem Arbeitszimmer zerren wollte, doch der alte Mann blieb stur.

Das Einzige, was er zu sagen hatte, war: „Soll ich meinen eigenen Tod feiern?“

Juliette wusste darauf keine Antwort, verstand sie schließlich nicht, was er damit meinte.

Am Samstagabend gegen acht Uhr trudelten die ersten Gäste ein. Sie wurden höflich von Mrs Smith und James empfangen, die sich um die Mäntel und Schals kümmerten. Die meisten blieben erst einmal in der Eingangshalle stehen, um über all den Prunk der vergangenen Jahre zu staunen. Ja, das Black Rose war auch nach so vielen Jahrzehnten immer noch eindrucksvoll. Die große mit roten Teppichen ausgelegte Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, die riesigen vergoldeten Vasen, die elegante in dunklen Violetttönen gehaltene Tapete und nicht zu vergessen die enorme Deckenhöhe. Es war schlichtweg ein kleiner Palast zum Träumen. Juliette öffnete schwungvoll die Flügeltüren zum Salon auf der rechten Seite und bat die Gäste einzutreten.

Alle waren begeistert, nur selten wurde eine kurze Bemerkung hinter vorgehaltener Hand über den Verfall des Black Rose oder über die Abberlines gemacht. Man freute sich einfach viel zu sehr, endlich wieder Leben in dem alten Haus zu sehen, das schon seit langer Zeit genauso zum Dorf dazugehörte wie der Gasthof oder der kleine Gemischtwarenladen von Mrs Templeton. Auch Henry war gekommen mit einem kleinen Blumenstrauß in der Hand, der Juliette erröten ließ.

„Mercy beaucoup!“, flüsterte sie, woraufhin er mit den Augen zwinkerte. Henry war ein Charmeur, auch in seinem Alter noch und verstand es die Frauen um den Finger zu wickeln.

Dann mischte er sich unter die Menge.

James lief mit einem blank polierten Silbertablett hin und her und versorgte die Gäste mit Getränken und kleinen Snacks. Er verstand es sich möglichst unauffällig zu bewegen wie es sich nun einmal für einen guten Butler gehörte und hätte man später einen der Gäste gefragt, wer genau sie mit Sekt und Orangensaft, kleinen Törtchen und Lachsröllchen versorgt hatte, so ließe sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass niemand von ihnen James auch nur annähernd gut hätte beschreiben können. Verlangte man einmal nicht seiner Dienste, verschwand er unauffällig, tauchte aber immer zur rechten Zeit wieder auf, wenn jemand nicht wusste, wo er sein leeres Glas abstellen sollte. Mr Smith hatte sich wieder in ein Baumwollhemd gezwängt und trug dazu eine etwas seltsame orangene Fliege. Er machte sich an dem Plattenspieler in der Ecke des Salons zu schaffen und wippte schmunzelnd mit den Fußballen im Takt der Musik auf und ab.

Im Laufe des Abends verschwanden auch die letzten Hemmungen, man wurde immer ausgelassener und es zeigte sich, dass Henry hervorragend mit Kindern umgehen konnte. Er hatte den ein oder anderen Taschenspielertrick auf Lager, mit dem er alle zum Lachen brachte und er ließ es sich auch nicht nehmen eine der Masken aufzusetzen, die Juliette gekauft hatte. So spazierte er also als Clown getarnt durch das Black Rose und erschreckte die Kinder.

Der Einzige, der sich die ganze Zeit über nicht einmal blicken ließ, war John Adams. Er hatte sich in sein Arbeitszimmer verkrochen und blätterte sein letztes Werk über Constable Crane fieberhaft durch, als suche er etwas ganz bestimmtes. Vielleicht das Mittel gegen seine immer schlechter werdende Laune, gegen die gähnende Leere, die sich in seinem Inneren breit machte oder gegen die Angst, die ihn manchmal schlagartig überfiel. Dann drehte er sich immer erschrocken um, als erwartete er den alten und treuen Gärtner mit der Harke hinter sich stehen zu sehen.

Crane wandte sich um zum Gehen. Ein wahnsinniger Aufschrei, eine blitzschnelle Bewegung seitens des Gärtners und ehe Constable Crane auch nur mit der Wimper zucken konnte, war er einem verrückten alten Mann zum Opfer gefallen.

Es war schätzungsweise kurz vor Mitternacht, als Sam, ein zehnjähriger Junge mit einem Indianerschmuck auf dem Kopf, in Adams Arbeitszimmer stieß, auf der Suche nach einem guten Versteck.

„Hoppla!“, war das Erste, was der kleine Indianerhäuptling ausrief, als er Adams am Schreibtisch zusammengesunken vorfand. Adams hob müde den Kopf und schielte Sam mit blutunterlaufenen Augen an. Doch er schien ihn gar nicht richtig wahrzunehmen, vielmehr schaute er durch ihn hindurch auf die offene Tür.

„Ich weiß wer du bist“, krächzte Adams, „du willst mich vertreiben, weil ich dich durchschaut habe.“ Zitternd hob Adams seine rechte Hand und deutete auf Sam. Der Junge wich merklich zurück.

„Äh, tut mir leid. Ich dachte, dass Zimmer wäre leer“, sagte Sam schnell und rannte auch schon hinaus. Er war der Letzte, der John Adams lebend sah.

Black Rose

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