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Wahrnehmung

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Bei der Betrachtung der Gehirnfunktion mag manches kompliziert und umständlich aussehen. Aber wir wollen hier von der Grundannahme ausgehen, dass diese Funktionsweise die beste aller Möglichkeiten darstellt und immer einen Sinn macht, auch wenn er uns mitunter noch verborgen ist.

Losgelöst von allen moralischen Vorschriften ist das oberste Ziel die Lebenserhaltung. Diesem Ziel werden alle anderen Ziele untergeordnet. Wenn also etwas von unserem Gehirn als wichtig erachtet wird, dann können wir davon ausgehen, dass es einen Überlebensvorteil bietet.6

Dabei müssen wir allerdings berücksichtigen, dass Veränderungen in der Evolution eine lange Zeit benötigen. Eine Zeitspanne von vielen tausend Jahren ist erforderlich, um Anpassungen an veränderte Lebensbedingungen genetisch zu verankern.

Wie jeder beobachten kann, hat sich das Leben des Menschen in den vergangenen 20.000 Jahren rasant verändert. Viele Verhaltensstrategien, die bei unseren Vorfahren beim Zusammentreffen mit einem Säbelzahntiger sehr viel Sinn machten, sind in heutigen Zusammenhängen ziemlich kontraproduktiv. Welche Folgen das hat, werden wir gleich sehen. Zuvor wollen wir aber noch einmal genauer betrachten, was im Einzelnen geschieht, wenn wir etwas wahrnehmen?

Zuerst erreicht ein Sinneseindruck in Form eines elektrischen Impulses durch das Rückenmark unseren Hirnstamm. Hier liegt, wie oben erwähnt, die Schaltzentrale für Reflexe. Wenn wir also beispielsweise stolpern, melden verschiedene Sinnesorgane den Reiz. So meldet unser Gleichgewichtsorgan im Ohr die plötzliche Verlagerung des Gleichgewichtes, unser Fuß meldet den Kontakt mit einem Stein, unser Auge meldet den auf uns zurasenden Erdboden und vieles mehr. Aber bevor wir dies alles bewusst wahrgenommen haben, hat unser Körper schon reagiert und durch entsprechende Muskelimpulse an die Beine oder Arme den Fall gestoppt. Reflexartig haben wir unseren Körper wieder ins Gleichgewicht gebracht und einen Sturz und damit mögliche Verletzungen verhindert. Ein eindeutiger Überlebensvorteil.

Möglich wurde dies, weil unser Stammhirn die typische Kombination der ankommenden Reize auswerten und so entsprechend reagieren konnte.7

Ergibt die Reizauswertung im Hirnstamm keinen Handlungsbedarf an Reflexbewegungen oder instinktgesteuerten Handlungen, werden die Reize ans Zwischenhirn weitergeleitet.

Hier werden die Impulse sortiert und ggf. an die entsprechenden Regionen im Kleinhirn und Großhirn weitergeleitet. Dabei wird gleichzeitig entschieden, welche Information unbewusst verarbeitet wird und welche so wichtig ist, dass sie in unser Bewusstsein dringen soll.

Auch dies ist eine sehr sinnvolle Vorgehensweise. Erinnern wir uns, wie viele Informationen jede Sekunde unser Gehirn erreichen. Ohne einen solchen Filter würden wir in der Informationsflut untergehen. Stellen Sie sich beispielsweise vor, sie sitzen in einem Sessel und lesen gerade dieses Buch. Von ihrem Rücken aus melden die Tastsensoren den Druck der Rückenlehne und von Ihrem Gesäß die Berührung mit der Sitzfläche. Das sind Informationen, die sie, wenn alles in Ordnung ist, eigentlich jetzt nicht weiter interessieren. Ebenso ihr gleichmäßiger Herzschlag oder die angenehme Raumtemperatur. All diese Meldungen erregen erst unsere Aufmerksamkeit (im wahrsten Sinne des Wortes), wenn etwas ungewohnt ist.

Das ist die erste Möglichkeit, unsere Aufmerksamkeit zu wecken. Unsere Wahrnehmung reagiert auf Veränderung. Das ist - so ganz nebenbei bemerkt - auch der Grund, warum Werbestrategen bewegte Gegenstände oder blinkende Lichter in Schaufenstern platzieren. Sie nutzen so unseren angeborenen Instinkt, auf Veränderungen zu reagieren.

Dass wir dies tun, hat natürlich auch einen guten Grund: Für unsere Vorfahren war es überlebensnotwendig, einen heranspringenden Säbelzahntiger möglichst schnell zu bemerken und sich in Sicherheit zu bringen. Wer den Tiger übersehen hat, gehört höchstwahrscheinlich nicht zu unseren Vorfahren.

Eine zweite Möglichkeit unsere Aufmerksamkeit zu wecken ist die sog. Konditionierung.

Nur etwa 10% der Informationen, die in unserem Gehirn ankommen, erreichen unser Bewusstsein. Welche 10% dies sind, können wir mit unserem Willen beeinflussen.

Vom Großhirn ergeht quasi ein Auftrag, auf diese Reize besonders zu achten.

Auch hierfür ein Beispiel. Sie interessieren sich für einen bestimmten Autotyp. Sie informieren sich, schauen sich Prospekte an, beschäftigen sich mit diesem Auto. Was geschieht? Plötzlich sehen sie diesen Wagen an fast jeder Straßenecke. Sicher war er in den vergangenen Wochen genauso häufig zu sehen, aber sie hatten ihn nicht wahrgenommen.

Durch die intensive Beschäftigung damit haben Sie ihrem Zwischenhirn den Auftrag erteilt: „Das ist jetzt wichtig. Wenn dieser Gegenstand auftaucht, bitte sofort an das Bewusstsein melden.“ Ihr Zwischenhirn hat also gelernt, was wichtig ist.

Auch diese Fähigkeit bot unschätzbare Überlebensvorteile, wenn es darum ging, sich an neue Lebensräume anzupassen, Nahrung zu finden oder neue Gefahren zu erkennen.

Unser Gehirn arbeitet also in drei Stufen:

Wahrnehmung – über die Sinnesorgane

Interpretation – durch Vergleich der aktuellen Wahrnehmung mit früheren Wahrnehmungen

Bewertung – ist etwas „bedrohlich“ oder ist es „vorteilhaft“?

Ab heute ist mein Glückstag

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