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4.5 Telemetrie und Satelliten-Telemetrie

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Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Entwicklung kleiner Sender, so genannter Transmitter, die mit elektromagnetischen Impulsen arbeiten, großen Aufschwung. Sie wurden damit auch zur Übertragung und Registrierung vieler biologischer Daten von Lebewesen, die sich frei bewegen können, verwendbar. Solche Sender wurden bis zu Kleinstsendern minimiert, die mit Batterie z.T. weniger als ein Gramm wiegen, selbst bei Kleinvögeln auf dem Rücken angebracht werden können und Reichweiten von mehreren Kilometern besitzen. Brieftauben (Columba livia forma domestica) konnten in größerer Zahl bis etwa 20 km weit telemetriert werden (Rüttiger u. Schmidt-Koenig 1994). Derartige Sender werden auch immer wieder für Vogelzugstudien eingesetzt. In Amerika hat man versucht, mit Minisendern ausgestatteten Drosseln auf einem Teil ihrer Wanderung mit dem Flugzeug oder per Auto zu folgen (was mit großem Aufwand über einige hundert Kilometer gelingen kann, Cochran et al. 1967, Cochran 1987). In Griechenland wurde die Abflugrichtung über das Mittelmeer ziehender Neuntöter (Lanius collurio) verfolgt (Biebach et al. 1983), und an einer Reihe von Arten wurde das Teilzieherverhalten, das Verhalten von Rastplatzgesellschaften, das Abwandern von Jungvögeln aus der Brutpopulation u.v.a.m. untersucht (z.B. Kenward 1987).

Die Telemetrie (Funkpeilung) ist bisher jedoch nur in beschränktem Umfang, meist für die gezielte Untersuchung weniger Fragen, in der Vogelzugforschung eingesetzt worden. Die Gründe dafür sind klar: Die Sender sind relativ teuer, die apparative Ausstattung ist aufwendig, Sende- und Empfangstechnik verlangen erhebliche Einarbeitung, die zu untersuchenden Individuen müssen zunächst gefangen und mit Sendern bestückt werden, was ihr Verhalten verändern kann, die untersuchbare Individuenzahl ist meist eng begrenzt und Reichweite sowie Lebensdauer der Sender sind gering. Eine Reihe von Mini-Speichergeräten, z.T. mit Mikroprozessoren ausgerüstet, die als Flugwegrekorder z.B. Kurswinkel, Bewegungsabläufe und -geschwindigkeiten oder auch die Lichtintensität gegen die Zeit speichern, erlauben auf indirekte Weise die Einschätzung der Position von Vögeln und die Rekonstruktion kürzerer Zugstrecken (Ioalè et al. 1994, Pütz 1996). Sie spielen jedoch in der Zugforschung bisher nur eine geringe Rolle (Berthold 1996).

Eine Methode hat der Vogelzugforschung in letzter Zeit geradezu eine neue Dimension eröffnet: die Satelliten-Telemetrie. Sie beruht darauf, dass Minisender, die Zugvögel in der Regel wie einen Minirucksack tragen, mit Satelliten in Verbindung stehen, über die fortlaufende Ortung wandernder Individuen möglich ist. In den 70er Jahren ist das internationale ARGOS-System eingerichtet worden, das zunächst zwei Satelliten in einer Erdumlaufbahn von etwa 850 km besaß und vor allem der Ermittlung geophysikalischer Daten diente. Die von der Erde aus mit den Satelliten in Verbindung stehenden Sender wogen damals um ein Kilogramm. Derartige Sender wurden in den 80er Jahren erstmals großen wandernden Tieren wie z.B. Eisbären und Karibus angeschnallt, deren Wanderungen man damit verfolgen konnte. Mit der zunehmend weiteren Verwendung der Sender, z.B. zur Überwachung vieler beweglicher Objekte wie Schiffe, Boote oder Lastzüge wurden sie immer mehr verkleinert. Als sie nur noch knapp 200 g wogen, kamen sie auch für die Vogelforschung in Betracht. Ab 1984 konnten amerikanische Wissenschaftler erste Versuche an vier Großvogelarten durchführen (Weißkopfseeadler Haliaeetus leucocephalus, Trompeter- und Pfeifschwan Cygnus buccinator und C. columbianus sowie Riesensturmvogel Macronectes giganteus), die sich z.T. über mehrere Monate verfolgen ließen (Strikwerda et al. 1986). 1990, als die japanische Firma Toyocom Minisender mit einem Gesamtgewicht von nur noch 185 g einschließlich Batterie zur Verfügung stellte, konnte die Vogelwarte Radolfzell in Zusammenarbeit mit der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz in Bonn (E. Nowak) und dem Bundes umweltministerium die Satelliten-Telemetrie in Europa einführen. Wir wählten zunächst für einen Pionierversuch Zwergschwäne (Cygnus bewickii), die von Holland kontinuierlich bis nach Sibirien geortet werden konnten, dann einen Gänsegeier (Gyps fulvus), dessen Wanderung sich in Spanien verfolgen ließ, und seit 1991 konzentrieren wir uns auf den Weißstorch, von dem inzwischen über 80 Vögel telemetriert werden konnten (Abb. 4, Berthold et al. 1997).

Mit der Satelliten-Telemetrie begann eines der faszinierendsten Kapitel der Vogelzugforschung. Da die Satelliten (von denen ARGOS inzwischen vier betreibt) die Erde rund 14mal pro Tag umrunden, lassen sich Zugvögel häufig mehrfach am Tag orten, und da die Sender bis auf etwa 150 m genau lokalisiert werden können, sind auch die tatsächlich geflogenen Zugrouten genau erfassbar. Im Rahmen unserer Weißstorchstudien ließen sich bisher folgende Rekorddaten ermitteln: Die längste telemetrierte Zugstrecke (von Ostdeutschland bis nach Südafrika und zurück) betrug über 24.000 km, die größten Tagesetappen lagen bei 550 km, die Höchstzahl an Ortungen pro Zugperiode betrug 1890 und pro Tag 23, und von demselben Vogel konnten bislang maximal 3 Zugperioden erfasst werden. Die mit der Satelliten-Telemetrie erzielten Ergebnisse sind vielfach bahnbrechend. Erstmals lässt sich, weit über das durch Beringung (4.6) ermittelte Bild vom Zuggeschehen hinausgehend, das gesamte Raum-Zeit-Muster des Zugablaufs erfolgreich wandernder Individuen erfassen, einschließlich der Tagesetappen und ihrer Flughöhenprofile (Abb. 5), der Rastdauer und der gewählten Rastgebiete, die zudem in begleitenden Studien auf ihre Bedeutung für Rastvögel und ihre Schutzwürdigkeit hin untersucht werden können. Mit der Satelliten-Telemetrie ist somit praktisch ein uralter Traum der Menschheit wahr geworden: zumindest indirekt über die Technik von Minisendern auf dem Rücken von Zugvögeln mitzuwandern, wie dies die schwedische Dichterin Selma Lagerlöf für den kleinen Nils Holgersson und seine Gans beschrieb.


Abb. 4: Die Karte zeigt Zugrouten von vier Weißstörchen (Ciconia ciconia), die mit Hilfe der Satelliten-Telemetrie ermittelt wurden. Links oben: fünf Typen von Mini-Sendern für die Satelliten-Telemetrie von Vögeln, der mittlere mit Solaranlage, links unten: zwei Weißstörche mit vor kurzem mit Hilfe eines Minirucksacks angebrachten Sendern, die später bis auf die Antenne im Rückengefieder verschwinden (nach Berthold et al. 1997).


Abb. 5: Höhenprofil der Tageswanderung eines Weißstorchs (Ciconia ciconia) auf dem Wegzug in Ungarn (aus Kaatz 1995).

Wie kaum eine andere Methode hat die Satelliten-Telemetrie in kurzer Zeit weltweit Fuß gefasst, und inzwischen sind über 50 verschiedene Vogelarten telemetriert worden – von Albatrossen, Pinguinen, Kranichen, Greifvögeln, Trappen, Gänsen bis zu Enten und Brachvögeln als derzeit kleinsten Arten (Berthold et al. 1997). Neben den Weißstörchen werden v.a. auch Kraniche und Greifvögel, insbesondere Falken und Adler, systematisch untersucht (Meyburg u. Meyburg 1997) sowie Albatrosse. Den bislang telemetrierten Streckenrekord hält wohl ein Wanderalbatros (Diomedea exulans) mit etwa 50.000 km in 200 Tagen. Zweifellos hat die Satelliten-Telemetrie ihre große Zeit noch vor sich. Minisender, die inzwischen bis auf 20 g verkleinert werden konnten und mit Solarenergie betrieben werden können, werden für immer mehr Arten verwendbar und dürften in Zukunft auch die Ermittlung von Lebenswanderstrecken erlauben. Sie werden in Verbindung mit in Erprobung befindlichen Minikameras und -mikrophonen sowie Chemo- und anderen Sensoren und durch neue Systeme von Satelliten und Bodenstationen eine Vielzahl an Daten von den untersuchten Vögeln als auch aus deren Umwelt in Realzeit liefern, die sowohl der Grundlagenforschung, z.B. der Orientierungsforschung, als auch dem Artenschutz dienen. In einem besonders eindrucksvollen Fall gelang es ab 1994, mit Hilfe der Satelliten-Telemetrie die Ursachen für große Verluste des Präriebussards (Buteo swainsoni) in Südamerika aufzuklären (Übersicht: Berthold et al. 1997). Aber auch bei weiterer schneller Entwicklung wird die Satelliten-Telemetrie – zumindest bei Kleinvögeln – eine andere, seit langem bewährte Methode nicht oder wenigstens nicht in naher Zukunft ersetzen können: die Beringung von Vögeln (nächstes Kapitel).

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