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4.10 Laboratoriumsmethoden und kombinierte Verfahren

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Da Vogelzug ein ungemein vielgestaltiges Phänomen ist und eine Fülle von morphologischen, physiologischen und ethologischen Anpassungen hervorgebracht hat, sind auch die methodischen Ansätze, Vogelzugfragen zu untersuchen, sehr breit gestreut und in ständiger Zunahme begriffen. Von den derzeit praktizierten Laboratoriumsmethoden können hier nur die wichtigsten kurz skizziert werden.

Seit den Pionierversuchen Rowans (Kap. 3) besteht der Verdacht, dass ein Hormon oder mehrere Hormone eine Schlüsselrolle bei der Steuerung des Vogelzugs spielen könnten. Bei der Suche nach einem „Zughormon“ (6.10) sind in großer Zahl Kastrationen, Hormoninjektionen und -implantationen vorgenommen worden. Sie sind in letzter Zeit deutlich in den Hintergrund getreten, seit es möglich ist, aus sehr kleinen Blutmengen (etwa 0,2 ml bei Kleinvögeln), die vor allem dem lebenden Vogel, meist aus Flügel- oder Halsvenen, entnommen werden können, etwa 10– 15 Hormone quantitativ zu bestimmen. Diese moderne Vogelzug-Endokrinologie versucht zunächst einmal Beziehungen zwischen Hormonspiegeln und Vogelzugvorgängen aufzudecken (6.10). Da sie sich auch im Freiland anwenden lässt, hat sich eine neuartige ökologische Feldendokrinologie entwickelt, in deren Rahmen schon über 100 Arten untersucht wurden (Wingfield u. Silverin 1998). Außer auf Hormone wird das Blut von Zugvögeln derzeit in verschiedenen Laboratorien eingehend auf Stoffwechselprodukte, Energieträger, Enzyme, Sauerstofftransportkapazität, den Hämatokritgehalt u.a. untersucht, um mehr über die komplizierten Stoffwechselvorgänge in der Zugzeit zu erfahren (Kap. 6).

Viele Zugvögel stellen zur Zugzeit ihre Nahrungsaufnahme in quantitativer und qualitativer Hinsicht um (6.5). Waren früher quantitative Bestimmungen der aufgenommenen Nahrung nur möglich durch äußerst mühsame und recht unbefriedigende Sichtbeobachtungen oder durch Mageninhaltsuntersuchungen getöteter Individuen, besteht seit 1973 die Möglichkeit, für Vögel gefahrlose Magenspülungen mit Wasser durchzuführen, die zu rascher Ausscheidung des Magen-Darm-Inhalts führen und dessen Untersuchung erlauben (Brensing 1977).

Ein Hauptcharakteristikum von Zugvögeln ist der ausgeprägte Fettstoffwechsel zur Zugzeit, der sowohl der Depotfettbildung als auch der direkten Nutzung von Fett dient (6.2–6.7). Dadurch kommt es auch zu starken Veränderungen im Kohlehydrat- und Proteinstoffwechsel sowie in der Zusammensetzung des gesamten Vogelkörpers. Deshalb spielt die Analytik des ganzen Zugvogelkörpers in Bezug auf den Gehalt an Fett, Wasser, fettfreiem Trockengewicht und dessen Zusammensetzung aus Kohlehydraten, Proteinen und weiteren Komponenten eine große Rolle. Für diese Analytik werden sowohl alte bewährte Standardverfahren der Chemie, Biochemie und Lebensmittelanalytik verwendet als auch moderne Verfahren verschiedener Disziplinen (Lundgren u. Kiessling 1988, Berthold 1996). Vielfach werden auch indirekte Stoffwechseluntersuchungen durchgeführt, in denen der Sauerstoffverbrauch und die Kohlendioxidproduktion in Stoffwechselmessgeräten ermittelt werden. Sorgfältige Vergleiche der Nahrungsaufnahme und der Kotabgabe geben Auskunft über die Ausnutzung der Nahrung. Auch mit dem Einsatz von schwerem oder radioaktiv markiertem Wasser und anschließender Bestimmung der Isotope im Blut lassen sich Stoffwechselfragen sehr genau untersuchen (Roberts 1989, Butler u. Woakes 1990). Der Fettstoffwechsel wird heute auch an Gewebekulturen in vitro analysiert (Ramenofsky 1990). Die subkutanen Fettdepots (6.3) können am lebenden Vogel recht verlässlich in (bis zu über 10) Fettklassen geschätzt werden. Messung der Fettmengen nach dem TOBEC-Verfahren, bei dem die „TOtal Body Electrical Conductivity“, also das elektrische Leitvermögen ermittelt wird, sowie weitere neue Verfahren sind noch in Erprobung (Berthold 1996). Vielversprechend ist neuerdings die Fettbestimmung mit Hilfe der Magnet-Resonanz-Tomographie.

Große Fortschritte für das Verständnis des Vogelzugs bringen auch die immer genaueren Analysen des Vogelfluges. So ist es inzwischen gelungen, respiratorische Quotienten (das Verhältnis des bei der Atmung gebildeten CO2 zum verbrauchten O2) an fliegenden Kolibris in dicht abgeschlossenen Glasglocken zu ermitteln. Das gelang auch bei fliegenden Individuen verschiedener Arten einschließlich speziell gezüchteter „Grippler“-Tauben in geschlossenen Windkanälen und schließlich in offenen Saugkanälen, in denen der Vogel in gleichbleibend guter Atmosphäre fliegt und eine Maske trägt, die über Schläuche an Gasanalysatoren angeschlossen ist (Nachtigall 1987). Allerdings ist dabei sorgsam auf Artefakte zu achten (Rayner 1994). Messungen mit so genannten Ornithodoliten und die Stereo-Photogrammmetrie erlauben subtile Messungen von Fluggeschwindigkeiten sowie Wirbelbildungen und Auftriebsvorgängen am Flügel (Berthold 1996).

Breiten Raum nimmt die Haltung von Zugvögeln in kontrollierten Laboratoriumsbedingungen ein. In Klimakammern z.B. lassen sich Umgebungstemperatur, Luftfeuchte, die photoperiodischen Verhältnisse (Tageslichtdauer, Lichtintensität, spektrale Zusammensetzung des Lichtes), das Nahrungsangebot u.a. entweder konstant halten oder gezielt variieren. In einer riesigen Zahl z.T. komplizierter und über viele Jahre dauernder Versuche ist es durch Vergleiche von Zug- und Standvögeln, von Zugzeiten mit anderen Jahreszeiten usw. gelungen, Faktoren ausfindig zu machen, die bei der Steuerung des Zugs eine wichtige Rolle spielen, und andere auszusondern, die weniger bedeutungsvoll sind (Kap. 6).

Sowohl die Suche nach den Steuerungsgrundlagen des Zugs als auch nach der sensorischen Basis für die Verwendung von Umweltfaktoren wie Sonne, Sterne, Magnetfeld der Erde usw. für die Orientierung (Kap. 7) machen zweierlei mehr und mehr erforderlich: subtile Versuche und histologische, neuroendokrinologische und neurochirurgische Unter su chungen. Derartige Versuche haben z.B. gezeigt, wie empfindlich Vögel auf Luftdruckunterschiede reagieren, dass sie Infraschall wahrnehmen und Polarisationsmuster des Lichtes sowie ultraviolette Strahlung erkennen können (Beason u. Semm 1991). Kombinierte neurohistologische, neuroendokrinologische, neurochirurgische und biochemische Studien haben vor allem die Bedeutung des so genannten hypothalamo-hypophysären Systems für die Steuerung des Vogelzugs aufgezeigt. Es werden aber auch noch viele weitere Untersuchungen nötig sein. Andere Arbeiten konzentrieren sich derzeit auf die Epiphyse, die maßgeblich an der Steuerung der Tagesperiodik von Vögeln beteiligt ist und deren Hormon, das Melatonin, möglicherweise eine Rolle bei der Ausbildung von Zugaktivität spielt (6.10). Gänzlich neu sind Versuche, über die Bestimmung von im Vogelkörper aufgenommenen Isotopen oder mit Hilfe mitochondrialer DNA Brut-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiete zu bestimmen, deren Bedeutung jedoch noch nicht abzusehen ist (Wenink u. Baker 1996, Kelly u. Finch 1998). Beim Schnäpperwaldsänger (Setophaga ruticilla) gelang es, mit Hilfe von Kohlenstoffisotopen nachzuweisen, dass spät heimkehrende Brutvögel in relativ schlechter Verfassung im Winterquartier in minderwertigen Habitaten gelebt hatten (Marra et al. 1998). Gegenwärtig steigt zunehmend der Anteil an vielfältig verknüpften Feld- und Laborstudien sowie an kombinierten Verfahren, z.B. durch die Verbindung von Sichtbeobachtungen, Radar, Flugkörpern und Infrarot-Detektoren (Leshem 1994, Liechti et al. 1995).

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