Читать книгу Der Preis der Wahrheit - Stefanie Hauck - Страница 10

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Nach gut einer Woche war Thomas fieberfrei und wieder einigermaßen fit. Deshalb schaute Miguel jetzt bei ihm vorbei in Begleitung des Kameramanns.

“Mein Arzt hat mich informiert, dass Sie wieder gut bei Kräften sind”, befand der Drogenbaron und setzte sich auf Thomas’ Bettkante.

“Es geht so”, entgegnete der Bundesrichter.

“Nun, ich habe auch nicht vor, Sie unnötig zu belasten, ehe Sie nicht komplett wiederhergestellt sind”, fuhr Miguel fort, “aber ich möchte schon mal unmissverständlich einige Regeln erklären. Als Caín Sie bei mir ablieferte, sagte er, dass Sie jetzt mir gehören. Somit ist Ihr Leben mehr als nur in meiner Hand. Sie sind mein Eigentum. Rechtlich gesehen sind Sie daher eine Sache, genau wie ein Sklave. Und deshalb möchte ich, dass es dafür ein sichtbares Kennzeichen an Ihrem und an meinem Körper gibt. Einem Sklaven hat man im Altertum einen Ohrring verpasst. Das werden wir jetzt bei Ihnen auch machen. Sie erinnern sich ja bestimmt noch daran, dass Ihre Manschettenknöpfe noch gebraucht wurden. Ich habe nämlich meinen Juwelier gebeten, sie umzuarbeiten. Für Sie hat er mir den Ohrring gemacht und für mich einen Siegelring. Praktischerweise hatten die Manschettenknöpfe die 585er Legierung, so dass man daraus den Ohrring in der wesentlich härteren 375er Legierung herstellen konnte, die aber weniger wertvoll ist wegen des geringeren Goldanteils. Aufgrund dessen konnte ich meinen Siegelring in der weicheren 750er Legierung arbeiten lassen, die natürlich auch wertvoller ist.”

Miguel machte eine Pause und musterte sein Gegenüber unmerklich. Keiner der beiden Männer sagte ein Wort, aber man konnte sich ganz klar vorstellen, was die beiden jetzt dachten.

“Allerdings hätte ich es schade gefunden, zwei Schmuckstücke ohne jegliche Verzierungen arbeiten zu lassen. Deshalb habe ich mir gedacht, es wäre doch äußerst passend, wenn man daran sehr klar erkennen kann, welchen Status jeder von uns beiden hat. Zu diesem Zweck habe ich auf meinem Siegelring eine Waage prägen lassen, so wie man sie symbolisch in Zusammenhang mit der Justiz darstellt. Ich hoffe, mein Juwelier hat sie auch korrekt gearbeitet. Von daher wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sozusagen als Fachmann auf dem Gebiet das bestätigen könnten.”

Ramírez hielt seinem Gefangenen den Ring mit spielerischer Leichtigkeit unter die Nase, damit der ihn begutachten konnte.

“Sie haben einen sehr fähigen Juwelier”, entgegnete Thomas freundlich, “doch, er hat alles exzellent gearbeitet.”

Und im Stillen dachte er: Vielleicht solltest du Namensänderung beantragen, Miguel Ramírez. Das erinnert mich hier ziemlich an den französischen Absolutismus. Von daher wäre Louis der passendere Vorname. Ebenfalls nicht schlecht wäre als Spitz­name “Sonnenkönig”. Klingt auch hübscher als Drogenbaron. Und in gewisser Weise kann ich dich sogar ein bisschen verstehen, dass dich das unheimlich ärgert, dass meine Berufsbezeichnung “Justice” ist. Das hört sich für dich an wie “das Recht in Person”. Und ehrlich gesagt habe ich das früher ja selbst so gesehen.

“Da bin ich aber beruhigt”, riss Miguel ihn aus seinen Gedanken, “und nun zu Ihnen. Auf Ihrem Ohrring habe ich eine Gravur anbringen lassen, genau wie die eines Eherings. Nun, den brauchen Sie jetzt nicht mehr, allerdings bekommen Sie einen gleichwertigen Ersatz. Bei einer Hoch­zeit verbinden sich ja zwei Menschen lebenslang miteinander, und in deren Ringen sind das Datum der Eheschließung und der Name des Partners eingraviert. Ich dachte mir, dass das doch auch gut zu diesem Ohrring passen würde. Deshalb lese ich Ihnen mal vor, was hier steht.”

Miguel hob den Ring ein wenig ins Licht und las: “Propiedad de Miguel Ramírez. Enero mil novecientos noventa y siete. Na, wie finden Sie das?!”

Thomas runzelte die Stirn, weil er so gut wie nichts verstanden hatte bis auf den Namen.

“Oh Verzeihung”, bemerkte Miguel, “Sie sagten ja bereits, dass Sie kaum Spanisch beherrschen. Dann werde ich Ihnen das mal übersetzen. Nun, es bedeutet ‘Eigentum von Miguel Ramírez. Januar 1997’. Ist das nicht entzückend? Darauf können Sie sich verlassen, Dr. McNamara, wir werden uns erst trennen, wenn der Tod uns scheidet. Und dieser Ohrring wird Sie immer wieder daran erinnern.”

Thomas blieb die Spucke weg. Dass dieser Mann ihn als Sache bezeichnete, das empfand er ja schon als unglaublich empörend, aber dass der auf dem Ohrring diese Gravur hatte anbringen lassen, das überstieg alles, was Thomas je erlebt hatte. Am liebsten hätte er seinen Gegner angeschrien, wäre ihm an die Gurgel gegangen und hätte sich vergessen vor Wut, aber ihm war klar, dass er sich damit nur ins eigene Fleisch schnitt.

“Wie mir scheint”, befand Miguel, “war das alles klar und eindeutig für Sie. Nun, dann kann es jetzt losgehen.”

Miguel winkte Diego herbei. Der hatte eine Pistole zum Ohrlochstechen in der Hand. Thomas schluckte, weil ihm das schon bei Frauen zuwider war, auch wenn es ihm gefiel, dass Martha Ohrlöcher hatte und somit wunderschönen Schmuck tragen konnte. Aber bei dem Gedanken, sich sowas machen zu lassen, wurde ihm ganz anders. Und nun wollten die ihm einen Ohrring verpassen.

“Mir scheint, Sie sind da etwas ängstlich”, bemerkte Miguel mit einem leicht triumphierenden Grinsen, “aber Sie werden sehen, es ist alles halb so schlimm. Tut kaum weh.”

Diego schoss Thomas also den Ring durch das Ohrläppchen. Der Bun­desrichter zuckte zusammen, einmal vor Schreck, aber auch ein wenig vor Schmerz. In einem Punkt hatte Miguel aber wirklich Recht gehabt, es war nicht so schlimm, wie Thomas befürchtete. Allerdings hatte der Amerikaner recht schnell das Gefühl, als wenn sein Ohr brannte, ja, als wenn er ein Ohr wie ein Elefant hätte. Instinktiv fasste er an das Ohrläppchen.

“Sie sollten es im Moment nicht anfassen”, warnte ihn Diego, “und wenn, dann nur, um Eiter abzuwischen und die Wunde zu desinfizieren. Morgen geht es schon viel besser, dann lassen auch die Beschwerden nach. Sie werden sich bald an den Ohrring gewöhnen und spüren ihn nachher noch nicht einmal mehr.”

Thomas nickte etwas verstört.

“Ach ja”, meldete sich Miguel noch mal zu Wort, “beinahe hätte ich vergessen, Ihnen zu sagen, Dr. McNamara, dass Sie Ihr hübsches Kleinod auf keinen Fall ablegen dürfen. Wenn Sie es doch wagen sollten, werde ich Ihnen die Finger der rechten Hand komplett abschneiden lassen, um zu unterbinden, dass das in Zukunft noch mal passiert. Sie sind doch Rechtshänder, nicht wahr?”

Thomas nickte nur. Er konnte es immer noch nicht fassen, war von all dem, was gerade geschehen war, richtig wie benommen.

“Ich sehe, wir verstehen uns”, fand Miguel und erhob sich, “dann wünsche ich Ihnen, dass Sie bald wieder ganz fit sind. Hasta luego, Dr. McNamara.”

Nachdem die drei Männer den Raum verlassen hatten, ließ sich Thomas mit einem schweren Seufzer in die Kissen zurückfallen.

Das ist in doppelter Hinsicht schockierend, dachte er, einmal wegen der Dreistigkeit und zum anderen, weil dieser Kerl sich so selbstsicher fühlt, dass er mal wieder alles auf Video hat aufnehmen lassen!

Der Preis der Wahrheit

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