Читать книгу 11 fantastische Horror-Romane zum Fest - A. F. Morland - Страница 20
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Von Sausalito aus fuhr die grazile Motorradfahrerin nach Norden, schlug dann einen Bogen Richtung Berkely und Oakland auf der anderen Bayside.
Sie hatte kein Wort geagt.
Bis jetzt jedenfalls.
Und Murphy hatte nicht gefragt.
Jemand, der ihn aus der Hand von Killern rettete, bei denen es sich eigentlich nur um Altobellis Meute handeln konnte, dem konnte er vertrauen. Jedenfalls für den Augenblick, so fand Murphy. Die Verfolger waren ihm augenscheinlich dicht auf den Fersen. Es gab zwei Möglichkeiten. Die erste war, dass sich Altobellis Leute einfach an Mister Tangs Mann gehängt hatten und ihm gefolgt waren. Das war sehr plausibel. In dem Fall prophezeihte Murphy dem Tang-Syndikat keine große Zukunft. Wer sich so aufs Kreuz legen ließ, er verdiente es nicht, gute Geschäfte zu machen. In der Welt des organisierten Verbrechens galt das Recht des Stärkeren. Der Beste sollte überleben. Mister Tangs Mann hatte nicht dazu gehört, sonst wäre er nicht so dämlich gewesen, sich beschatten zu lassen!, überlegte Murphy kühl.
Die andere Möglichkeit beunruhigte Murphy weitaus mehr.
Was, wenn du es selbst warst, an dessen Fersen Altobellis Leute klebten?, ging es ihm durch den Kopf.
Völlig von der Hand zu weisen war diese Möglichkeit nicht.
Altobelli musste inzwischen wissen, wer hinter ihm her war. Und wenn tatsächlich das der Wahrheit entsprach, was die Dunkeldämonen Murphy über seinen Feind erzählt hatten und es sich bei Altobelli um einen Handlanger der Daran'dreen handelte, dann würden auch bei den außerweltlichen Verbündeten des Mafiosi die Gehirne - oder womit immer sie auch ihre Gedanken formen mochten - heiß laufen.
Sie werden darauf kommen, dass ich ein Diener der Dunkeldämonen bin, wurde es Murphy klar. Ein Träger des Abrash'dala, der im Interesse der Daran'dreen auf jeden Fall so schnell wie möglich ausgeschaltet werden musste.
Die geheimnisvolle Fahrerin lenkte ihr Motorrad auf einen Highwayparkplatz.
Sie stoppte das Gefährt.
Murphy begriff, dass die Fahrt hier zu Ende war.
Fürs Erste jedenfalls.
Er stieg vom Rücksitz hinunter, die Fahrerin ebenfalls. Sie nahm ihren Helm ab. Das Gesicht einer jungen Frau kam zum Vorschein. Schulterlanges Haar fiel herab. Ihre dunklen Augen musterten ihn.
"Wer sind Sie?", fragte Murphy.
"Jemand, der Ihnen helfen wollte."
"Als Name etwas zu lang für eine Anrede: Jemand-der-Ihnen-helfen-wollte!"
Ein Lächeln flog über ihr Gesicht.
"Nennen Sie mich Laura. Laura Wakefield."
Ein ziemlich gewöhnlicher Namem, dachte Murphy. Murphy fragte sich, wie oft er allein in San Francisco vorkam. Und zwar genau in dieser Kombination. Waren es nur einige hundert Trägerinnen oder gar einige Tausend? Der Name könnte also falsch sein, überlegte Murphy.
"Ich nehme an, Sie wissen, wer ich bin", schloss Murphy.
Ihrem Gesicht war auf diese Bemerkung keinerlei Reaktion anzusehen, so sehr Murphy auch danach suchte. Sie hat sich hervorragend unter Kontrolle, dachte er. So sehr er auch suchte, da war keine unkontrollierte Regung in ihrem Gesicht. Durch die man mehr von ihrem Innenleben hätte erfahren können, als es ihr lieb gewesen wäre.
"Sie sind Murphy."
"Eins zu null für Sie."
"Es mag Ihnen alles etwas seltsam erscheinen, aber vielleicht sollen Sie einfach froh sein, dass Sie noch leben, Murphy." Sie lächelte matt. "Dass Sie WIEDER leben..."
"Ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen kann."
"Ach, nein?" Sie lachte auf. "Ich habe Ihnen das Leben gerettet. Das sollte als Vertrauensbeweis doch wohl reichen, meinen Sie nicht?" Sie atmete tief durch. "Wir werden hier eine Weile warten. Man hat hier eine freie Sicht. Sowohl auf den Highway als auch auf die Umgebung."
"Was haben Sie vor?"
"Abwarten, ob uns jemand verfolgt."
"Ich denke, Sie haben mit ihrem gelinde gesagt sportlichen Fahrstil jeden Verfolger hinter sich gelassen."
"Ich nehme an, dass das ein Kompliment sein sollte."
"Nehmen Sie es, wie immer Sie wollen."
Murphy vergrub die Hände in den Taschen.
In seinem Hirn rasten die Gedanken nur so. Murphy war ein nüchterner Mann. Schon sein Job als Hitman brachte das mit sich. Er glaubte nicht an Zufälle. Er war zutiefst davon überzeugt, dass jede Wirkung ihre ganz bestimmte, genau definierbare Ursache hatte. Das, was dem Menschen als Schicksal erschien, war in Wahrheit nur etwas, dessen Ursache er nicht durchschaute.
Ein Wagen kam vorbei, raste den Highway hinunter, drosselte etwas die Geschwindigkeit. Es wirkte fast so, als würde der Fahrer einen Augenblick lang erwägen, von der Fahrbahn abzubiegen und auf dem Parkplatz anzuhalten.
Aber das war ein Trugschluss. Der Wagen beschleunigte wieder.
Ein dunkelroter Ford, in dessen Autonummer eine 333 enthalten war, wie Murphy feststellte.
MISSTRAUEN IST DIE MUTTER DES ÜBERLEBENS!, kommentierte Yyndron für Laura Wakefield unhörbar in Murphys Hirn.
Du musst es ja wissen!, durchzuckte es Murphy sarkastisch.
Laura wandte sich ihm zu und sah ihn an.
"Wir sollten jetzt weiter fahren", entschied sie.
"Ich schlage vor, dass unsere Wege sich jetzt trennen."
"Sie wollen zu Fuß laufen? In Frisco ist ein Fußgänger nicht ganz etwas so exotisches wie drüben in L.A., aber empfehlen würde ich das trotzdem nicht!"
"Ich nehme einfach mein Handy und rufe mir ein Taxi."
"Sie trauen mir nicht."
"Ich traue niemandem, über den ich nichts weiß."
"Dann hören Sie mir gut zu!"
"Ich bin gespannt!"
"Ich weiß, dass Sie versucht haben, Altobelli zu killen."
"Das wissen viele. Wird wahrscheinlich überall schon herumerzählt."
"Ich wünschte, Sie hätten es geschafft, Murphy!"
"Sie wollen seinen Tod?"
"Ja. Und das ist auch der Grund, weshalb ich Ihnen geholfen habe!"
"Woher wussten Sie, dass ich mich in Carlo's Coffee Shop mit einem Tang-Abgesandten treffen wollte."
"Das wusste ich gar nicht. Es geht mich auch nichts an. Ich wusste nur, dass Altobellis Leute sie eingekreist hatten. Alles andere war Glück und..."
Sie zögerte, sprach nicht weiter. Sie war ihm jetzt sehr nahe gekommen. Murphy sah das Spiegelbild seines Gesichts in ihren Augen.
"Und was?", hakte Murphy nach.
"Mit Ihnen ist etwas sehr seltsames geschehen, Murphy..."
"Ach, ja?"
"Sie schienen auf einmal kaum mehr als ein Schatten zu sein und dann... Ich dachte im ersten Moment, dass Sie verschwunden wären."
"So kann man sich täuschen."
"Sie sagen es."
Sie wandte sich herum, ging zu ihrem Motorrad. Sie schwang eines ihrer schlanken Beine über die Maschine, startete sie. "Wir unterhalten uns ein anderes Mal weiter!", erklärte sie. "Denn ich bin überzeugt davon, dass wir uns wiedersehen!"
"Ich hoffe unter angenehmeren Umständen!"
"Ein Rat noch, Murphy!"
"Immer gerne!"
"Gehen Sie nicht zurück in ihr Hotelzimmer auf dem Russian Hill! Und den Mitsubishi in Sausalito sollten Sie auch am besten vergessen. Ach ja, und den Namen Jack Seldur würde ich an Ihrer Stelle auch nicht mehr verwenden."
"Na, reizend!"
Sie brauste davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Murphy merkte sich die Zulassungsnummer ihrer Maschine. Eine Angewohnheit von ihm. Mochte der Teufel wissen, wozu das mal gut sein würde. Jedenfalls bot es ihm vielleicht die Chanche, mehr über seine Retterin herauszufinden.
Murphy griff zum Handy in seiner Jackentasche.
Er rief sich ein Taxi.