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ОглавлениеInzwischen hatte sich Ali wieder von der Materie gelöst und war erneut an die Himmelspforte aufgefahren. Eindringlich erklärte er dem nun regulär diensthabenden Engel, dass er sich im Dschihad für den Islam geopfert habe und er als Märtyrer sofort ins Paradies einzulassen sei, wo seine zweiundsiebzig Jungfrauen schon sehnsüchtig auf ihn warteten.
„Junger Mann“, antwortete der Engel, „für solch eine Spezialfrage sind wir an der Generalpforte nicht zuständig. Da müssen Sie zum Paradieseingang für Moslems. Schweben Sie herein und dann die Treppe nach oben. Die führt Sie direkt dort hin.“
Erwartungsvoll schwebte Ali über die aus lauter Schäfchenwolken bestehende Treppe und erreichte einen großen Vorhof. Neugierig blickte er um sich. Der Boden des Vorhofs bestand aus einem Mosaik von Abertausenden kleiner Federwolken. Ein riesiges schwarzes Loch füllte die Mitte der ihm zugewandten Seite aus. <Zutritt nur für Buddhisten>, entzifferte Ali auf dem astralförmigen Schild, das in dem schwarzen Loch steckte. Buchstaben, die Rauchzeichen ähnelten, umkreisten das Schild. Mühsam buchstabierte er:
N I R W A N A: ´Nie gehört`, dachte er, ´für mich hat das sicher keine Bedeutung.` Dann richtete er seinen Blick auf die Seite des Vorhofes, die sich gegenüber dem schwarzen Loch befand. In gebührendem Abstand erkannte er zwei nebeneinanderliegende Eingänge. Der Linke hatte die Form eines Kreuzes, war demzufolge für Christen reserviert, der Rechte war stilvoll in Form eines Halbmondes geschwungen und im oberen Drittel von einem grünen Kopftuch bedeckt.
´Was soll der Eingang mit dem Kreuz?`, fragte sich Ali. ´Ins Paradies kann dieser nicht führen, denn Christen haben die Botschaft Allahs zwar erhalten, aber verfälscht. Egal, ich weiß ja, wo ich hin muss.` Während er auf den Halbmondeingang zuschwebte, entzifferte er die arabischen Schriftzeichen, die das grüne Kopftuch verzierten. ´Islamisches Paradies` frohlockte er - ´endlich bin ich an den Ort gekommen, wo all die willigen Jungfrauen auf mich warten`.
Voller Vorfreude erreichte Ali den Eingang. Obwohl dieser offen stand, war nicht zu erkennen, was sich dahinter befand. Behutsam schwebte er hindurch und tauchte sofort in ein Licht ein, das so hell war, wie die Sonne zur Mittagszeit auf der Kuppe einer Sanddüne. „Juhu, ich bin drin!“, jubilierte er, um verdutzt zu registrieren, dass er sich erneut in einen Körper aus Fleisch und Blut verwandelt hatte. Wie in dem seltsamen Nomadenzelt trug er eine blaue Hose und ein buntes Hemd. Nur Schuhe hatte er keine an, barfuß standen seine Füße auf einem Marmorboden, der ins Unendliche zu reichen schien.
„Was kann ich für dich tun, mein Sohn?“, vernahm Ali eine verführerische Stimme. Bevor er wusste, was geschah, schwebte eine atemberaubend schöne Engelfrau in einem bis zur Hüfte aufgeschlitzten Kleid so nah an ihn heran, dass ihre kastanienbraunen Haare sein Gesicht streiften. Dabei verströmte sie einen Duft, der ihn an die wunderbarsten Gerüche eines blühenden Oasengartens erinnerte.
Mit großen Augen blickte Ali auf den Schlitz in ihrem Kleid und sagte: „Super, so eine Begrüßung habe ich mir gewünscht! Sind alle meine zweiundsiebzig Jungfrauen so reizvoll wie Sie, Frau Engelein?“
„Wer bist du?“, fragte das schöne Wesen. „Wir müssen prüfen, ob du überhaupt in unser Paradies darfst.“
„Aber sicher“, antwortete Ali frohlockend. „Ich, Ali Ben Islami, habe mich im Dschihad für den einzig wahren Glauben in die Luft gesprengt. Führen Sie mich direkt zu meinen zweiundsiebzig Jungfrauen, die schon sehnsüchtig auf mich warten! Wenn ich Sie mit einrechne, können es gerne auch dreiundsiebzig sein.“
„Oh nein, nicht schon wieder“, murmelte die Engelschönheit, drehte ihren Kopf nach hinten und rief: “Immamuel, der nächste Verrückte ist da, der ein Selbstmordattentat begangen hat und meint, er kommt ins Paradies zu zweiundsiebzig Jungfrauen.“
„Schick ihn in den Abschieberaum, Engelein-Käfer!“, hallte eine tiefe Stimme zurück. „Ich komme gleich. Der kriegt noch was zu hören!“
Mit einer kurzen Handbewegung zeigte die Engelfrau Ali an, ihr zu folgen. Begleitet von einem mulmigen Gefühl im Magen, trabte dieser auf dem ins Unendliche reichenden Marmorboden der voranschwebenden Paradiespförtnerin hinterher. Auf einmal befanden sich beide vor einem fensterlosen Gebäude, das wie aus dem Nichts auftauchte.: „Hier eintreten, der Erzengel Immamuel möchte ein Wörtchen mit dir reden“, sagte die Engelfrau und deutete auf die offen stehende Tür des Gebäudes.
Vorsichtig trat Ali durch die Tür und sah sich um. Außer vier kahlen Wänden und der Eingangstür war in der matten Beleuchtung nichts zu sehen. ´So habe ich mir das nicht vorgestellt`, dachte er und begann nervös im Raum auf und ab zu gehen. Plötzlich erschrak er heftig. Ein großer, grauer Engel hatte sich urplötzlich vor ihm aufgebaut. Der Engel sah ihm strengen Blickes in die Augen und brummte mit einer tiefen Bassstimme: „So, so, du meinst also, du bekommst hier zweiundsiebzig Jungfrauen.“
„Stimmt Herr Engel“, antwortete Ali, nichts Gutes ahnend.
„Da bist du aber völlig schief gewickelt, du Todeskämpfer“, gab der Engel missmutig von sich. „Du bekommst keine Jungfrauen, nicht einmal eine Einzige.“
„Aber“, antwortete Ali trotzig, „im Koran steht, jeder Muslim, der im Kampf für den Islam getötet wird, gelangt sofort ins Paradies und bekommt dort viele Jungfrauen. Die Überlieferungen betonen, dass es genau zweiundsiebzig sind. Der Mullah in El Aoutsch hat uns das mehrfach gesagt!“
„Du scheinst ja gut informiert zu sein, trotzdem stehen dir keine Jungfrauen zu. Du hast nämlich keinen Zutritt ins Paradies!“
Entsetzt riss Ali die Augen auf. „Wieso nicht? Jeder, der im Dschihad stirbt, wird mit dem Paradies belohnt. Der Koran verkündet es so!“
„Was im Koran steht, weiß ich besser als du“, brummte der Engel mürrisch. „Aber in deinem Fall kann von Dschihad nicht die Rede sein. Und weißt du auch, weshalb? Weil jemand, der sich selbst tötet und wahllos Menschen in den Tod reißt, keinen Dschihad praktiziert.“
„Wieso, ich habe ...“
„Sei still! Selbst im bewaffneten Dschihad rechtfertigt sich so etwas nicht!“
„Äh, ich habe niemand in den Tod gerissen“, gab Ali zaghaft von sich. “Nur mich selbst.“
„Du wolltest doch, oder täusche ich mich?“ Immamuel sah ihn prüfend an.
„Ja, doch, eigentlich schon.“
„Und weshalb hat es nicht funktioniert?“
Ali blickte verschämt zu Boden und sagte kleinlaut: „Nachdem die Glaubensbrüder mich abgesetzt hatten, war ich so aufgeregt, dass ich mich nicht mehr erinnern konnte, wie der Sprengstoffgürtel betätigt wird. Da habe ich in der mitgelieferten Anleitung nachlesen müssen. Ich kann aber nicht richtig lesen. Deshalb habe ich etwas falsch verstanden und den Auslöser zu früh gedrückt. Sie müssen wissen, Herr Engel, in El Aoutsch hatte ich vier Schwestern. Als einziger Sohn meiner Eltern musste ich sie täglich überwachen, damit sie die Familienehre nicht zerstören. Auch verbrachte ich unendlich viele Stunden in der Koranschule, um Suren anzuhören und nachzusprechen. Wie sollte ich da Zeit zum Lesen Lernen finden?“
„Du kannst von Glück reden, dass du niemand außer dir selbst getötet hast“, antwortete Immamuel mit ernster Mine. „Deine Absicht war dennoch niederträchtig.“
„Aber, ich habe in gutem Glauben gehandelt!“ Alis Stimme glitt ins Weinerliche ab. „Die Glaubensbrüder hatten gemeint, es würde dem Koran entsprechen, wenn ich mich auf dem Markt der Provinzstadt in die Luft jage. In jedem Fall würde ich auch Ungläubige mit in den Tod reißen. Ich würde damit unseren Glauben verteidigen und mir sofort das Paradies verdienen. Zum Beweis haben sie mir mehrere Koranverse vorgelesen.“
„So? Welche denn?“
„Ich kann mich noch an einen aus Sure 47 erinnern: <Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt. Diejenigen, die in Allahs Weg getötet werden, nimmer leitet er ihre Werke irre. Er wird sie leiten und ihr Herz in Frieden bringen. Und einführen wird er sie ins Paradies, das er ihnen zu wissen getan.>
„Diese Scheingläubigen!“ Die Stimme des Engels vibrierte vor Wut. „Immer wieder verwenden sie dieselben Verse aus dem heiligen Buch, um ihre Machenschaften zu begründen.“
„Wie sollte ich das wissen, ich bin doch kein Gelehrter!“, rief Ali verzweifelt aus. „Und dann haben die Glaubensbrüder auch noch betont, nicht nur ich käme ins Paradies, sondern auch noch vierzig meiner Angehörigen. Außerdem würde ihre Organisation meiner armen Familie reichlich Geld schenken. Meine Mutter ist schwer krank und benötigt dringend Medikamente, wie hätte ich da widerstehen sollen?“
„Hmmmm“, brummte Immamuel und strich sich bedächtig über seinen Bart. Fast schon sanftmütig sprach er weiter: „Ich verstehe, du hattest kaum eine Chance, deren Falschheit zu durchschauen. Wir registrieren schon seit längerer Zeit, wie Irreführer auf der Erde unsere Anweisungen benutzen, um sinnlos Terror zu verbreiten.“
„Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nie den Sprengstoffgürtel angenommen“, fügte Ali hastig an.
„Wir werden diese Typen hart bestrafen!“
„Jawohl! Die Schuldigen sollen büßen und nicht ich. Da ich im guten Glauben gehandelt habe, müsste ...“
„Moment mal, auch ein Einfaltspinsel wie du trägt eine gewisse Verantwortung!“
„Aber Herr Engel, ich wurde doch in die Irre geführt!“
„Deshalb werden wir dich auch nicht mit der Hölle bestrafen! Da du zudem kein fremdes Leben auf dem Gewissen hast, kommst du recht glimpflich davon!“
„Dann könnte ich doch noch zu meinen zweiundsiebzig Jungfrauen kommen!?“
„Von wegen, die kannst du vergessen!“
„Ich wäre auch schon mit der Hälfte der Jungfrauen zufrieden, also mit zweiundfünfzig.“
Immamuel verzog abschätzig das Gesicht. „Wie bitte, zweiundfünfzig? Die Hälfte sind sechsunddreißig! Rechnen hast du wohl auch nicht gelernt!“
„Nein, leider nicht“, antwortete Ali kleinlaut. „Die Sorge um die Jungfräulichkeit meiner Schwestern war wichtiger. Wenn es sein muss, werde ich auch mit sechsunddreißig Jungfrauen zufrieden sein.“
„Ich habe gesagt: null Jungfrauen.“
„Dreißig?“
„Keine habe ich gesagt, keine Einzige!“
„Fünfundzwanzig?“
„Hast du Bohnen in den Ohren? Null ist null und bleibt null, du bekommst überhaupt keine!“
„Wenigstens zwölf - bitte, bitte.“
„Jetzt reicht es aber!“ Immamuels Stimme klang immer gereizter. „Wir sind doch hier nicht auf einem Basar! Du kannst froh sein, wenn du nicht in die Hölle kommst!“
Ersichtlich eingeschüchtert fragte Ali: „Wie wäre es, wenn ich mir wenigstens drei klitzekleine Jungfrauen aussuchen könnte? So ganz ohne Jungfrauen ist es sicherlich langweilig im Paradies.“
„Diese Sorge ist völlig überflüssig. Du wirst das Paradies für keine Sekunde betreten!“
„Aber, was wird dann mit mir? - In die Hölle muss ich nicht! Das haben Sie mir gerade versprochen, Herr Engel!“
„Komm mal ganz nah zu mir“, sagte Immamuel und setzte einen geheimnisvollen Blick auf. „Wir haben da eine Zwischenlösung, das bleibt aber unter uns.“
Gespannt machte Ali zwei Schritte auf den Engel zu und stand nun direkt vor ihm.
„Also, das ist so“, flüsterte dieser Ali ins Ohr. Anstatt weiter zu reden, schnupperte er interessiert an dessen Mund und brummelte: „Hmmm, du riechst so komisch?!“ Dann sah er Ali mit ernster Mine an und befahl: „Hauch mich mal an!“
„Haaaaaaa“, machte er.
„Igitt, pfui Teufel!“ Angewidert trat Immamuel einen Schritt zurück. Mit Wut verzerrtem Gesicht brüllte er:
„Wie oft hat man euch schon gesagt, ihr sollt dort unten nicht saufen?!!!“
„Äh, ich weiß, ich wollte auch nicht“, erklärte Ali verlegen. „Aber, das kam so: Bevor ich hierher kam, wurde ich von der Himmelspforte zurück in ein riesiges Gebetszelt zu lauter seltsamen Nomaden geschickt. Die Nomaden beteten aber in dem Gebetszelt nicht, sondern benahmen sich äußerst sündhaft. Männer und unverschleierte Frauen saßen wild grölend beieinander. Als ich mich ein wenig umsah, kam eine schöne Scheinjungfrau auf mich zu und schlug mich auf die Wange, nur weil ich mit den Händen prüfen wollte, ob sie wirklich echt ist. Dann steckte eine beschmutzte Frau ihre Zunge in meinen Mund und ich fiel vorübergehend in Ohnmacht.“
„Und deswegen fängst du das Saufen an?“
„Aber nein! Als ich ohnmächtig am Boden lag, hat ein mit einer seltsamen Kamelhose bekleideter Obernomade eine hellbraune Brühe in mich hineingeschüttet. Fast alle in dem Nomadenzelt tranken diese Brühe. Und wissen Sie was, Herr Engel? Als das Zeug durch meine Kehle rann, hörte ich, dass es sich um Alkohol handelte. Da gab mein Geist sein Dasein auf der Erde auf und entschwand in den Himmel."
Immamuel sah Ali abschätzig an und meinte: „Du meinst wohl, für deine Stümperhaftigkeit wirst du auch noch belohnt? Weißt du was? Du gehst zurück in dieses Deutschland! Mit deiner Alkoholfahne passt du gut dort hin. Da kannst du dich um Jungfrauen bemühen!“
„Gibt es in Deutschland überhaupt noch welche?“, fragte Ali zögernd. „Die beschmutzte Frau hat gemeint, die wären schon alle ausgegangen!“
„Natürlich gibt es auch in Deutschland Jungfrauen! Obwohl die meisten Frauen dieses Landes nicht nach unseren Gesetzen leben.“
„Kann ich dort auch zweiundsiebzig bekommen, wie im Paradies?“
„Von uns aus hundertzweiundsiebzig! Aber einfach wird´s nicht!“
„Hm, wenn das die einzige Möglichkeit ist, probier ich´s halt. Aber eines interessiert mich noch. Wieso waren die Frauen in dem Gebetszelt alle unverschleiert? Sind die Deutschen keine richtigen Muslime?“
„Die meisten Deutschen sind überhaupt keine Muslime.“
„Ach so“, sagte Ali enttäuscht.
„Wenn wir lauter Stümper wie dich nach Deutschland schicken, wird das auch so bleiben.“
„Oh, äh, da fällt mir noch eine Frage ein“, lenkte Ali ab. „Wie soll ich mich in diesem fremden Land verständigen?“
„Wir sorgen dafür, dass du dort unten Deutsch, die Sprache der Deutschen, sprichst. Das war doch in dem Nomadenzelt schon so.“
„Stimmt! Das ist mir gar nicht aufgefallen.“
„Dafür verstehst du die Sprache deiner Heimat nicht mehr.“
„Das ist aber schade!“ Ali warf Immamuel einen bittenden Blick zu.
„Da ist nichts zu machen,“ meinte der Engel streng. „Du hast vor deinem missglückten Attentat nur eine Sprache gesprochen und wirst jetzt auch nur eine Sprache sprechen. Immerhin haben wir deine Lesefähigkeit verbessert! Dies ist für Deutschland ausgesprochen wichtig!“
Ali nickte betreten. „Ehm, welchen Körper werde ich denn in Deutschland haben?“
„Den, in dem du vor mir stehst und mit dem du in dem Zelt bei den Deutschen warst!“
„Wie bin ich überhaupt zu diesem Körper gekommen, die Bombe hat mich doch komplett zerrissen?!“
„So gut es ging hat dich die Erdrückführung wieder zusammengebaut. Allerdings geht in solchen Fällen immer etwas verloren. Deshalb bist du jetzt kleiner und schwächlicher, als du es in El Auotsch warst.“
Interessiert blickte Ali an sich herab. „Stimmt, früher hatte ich längere Beine und kräftiger waren sie auch.“
„Dass du einen runderneuerten Körper hast, musst dir doch schon in dem Nomadenzelt aufgefallen sein!“
„Ich war halt so aufgeregt wegen all der Jungfrauen, die ich bekommen wollte.“
Immamuel warf Ali erneut einen abschätzigen Blick zu: „Aber auch deine Arme und Hände waren vorher bestimmt kräftiger. Hast du das nicht gemerkt?“
„Nein“, sagte Ali und ließ den Blick an seinem rechten Arm entlang gleiten. „Das ist aber ungut“, murmelte er geknickt. „Darf ich mich mal im Spiegel sehen?“
„Hier in diesem Raum gibt´s keinen Spiegel! Und woanders kommst du bei uns nicht mehr hin!“
„Ich würde aber gerne wissen, wie ich aussehe. Allein um festzustellen, was noch verbessert werden kann!“
„Dein Körper bleibt jetzt so, wie er ist!“
„Aber, es muss doch ...“
„Keine Widerrede! Hättest du dich nicht in die Luft gesprengt, wärest du noch im Originalkörper.“
„Können Sie mir wenigstens sagen, Herr Engel, wie ich in diesem Zustand auf Frauen wirke?“
„Da bist du bei mir an der falschen Adresse. Aber wenn du willst, lass ich Engelein Käfer kommen, die kann dir bestimmt Rückmeldung geben.“
„Gerne“, antwortete Ali und freute sich darauf, das bezaubernde Wesen noch einmal zu sehen.
Schon stand die schöne Engelfrau neben Immamuel und musterte Ali von oben bis unten. Distanziert lächelnd sagte sie: „Der junge Mann schaut in seinem irdischen Körper nur mäßig attraktiv aus. Er hat eine wenig muskulöse Figur von etwa einem Meter siebzig Größe. Damit ist er eher klein. Seine Hüften gehen, aber seine Schultern sind zu schmal. Sein Kinn könnte kantiger sein und die Männlichkeit mehr betonen. Die Nase ist leicht gebogen und etwas zu groß, aber das ist bei vielen aus seiner Heimat so. Immerhin, seine Haut ist makellos und glänzt wie eine Dattel, seine schwarzbraunen Wuschelhaare anzusehen ist ein Genuss, die kastanienbraunen Augen könnten manche Frau zum Schmelzen bringen. Wenn er lächelt, kommt er richtig sympathisch rüber.“
Nach diesen Worten schwebte sie um Ali herum und betrachtete ihn interessiert von hinten. „Oh lala“, meinte sie mit großen Augen, „die Pobacken sind aber knackig, die finde ich ganz schön ...“
„Stopp, das genügt!“, unterbrach Imammuel die lobende Beschreibung. „Du weißt doch Engelein, flirten mit den Irdischen ist streng verboten. Noch einmal und du trägst einen Tschador.“
„Verzeihung Chef, ich weiß“, antwortete die Getadelte und schwebte zu Alis Enttäuschung aus dem Abschieberaum.
Immamuel warf einen Blick auf Alis Kinn. „Übrigens, du bist ohne Bärtchen hierher gekommen. Wir empfehlen dir auch, in diesem Deutschland erst mal bartlos zu bleiben. Die meisten Frauen dort mögen´s lieber ohne.“
„Wenn Sie meinen“, entgegnete Ali und strich mit der Hand über das Kinn. „Was ist eigentlich mit meinem besten Stück, na Sie wissen schon. Reicht die Manneskraft für zweiundsiebzig Jungfrauen auf der Erde? Die Glaubensbrüder haben gemeint, im Paradies wäre das kein Problem.“
„Also, darüber geben wir hier keine Auskunft!“
„Oh, verstehe! Eine Frage habe ich noch, Herr Engel. Den Weg zu Ihrer Pforte bin ich wie ein Geist geschwebt. Aber dahinter bekam ich wieder einen richtigen Körper. Ist das immer so?“
Immamuel nickte. „Das haben wir so eingerichtet, wegen der Jungfrauen, die die Gläubigen bei uns im Paradies bekommen.“
Immamuel sah, wie Alis Augen lüstern aufblitzten, und fügte sogleich hinzu: „Du kannst dich in Deutschland um irdische Jungfrauen bemühen!“
„In diesem schwächlichen Körper? Lässt sich denn nichts nachbessern?“
„Nein, das habe ich doch schon gesagt!“
„Wie soll ich da zu meinen Jungfrauen kommen?“, rief Ali verzweifelt aus. „Als Schwächling kann ich sie nicht einmal richtig beschützen! Wie ich sie versorgen soll, ist auch noch unklar! Und dann kenne ich mich in diesem Deutschland überhaupt nicht aus!“
„Beruhige dich wieder“, beschwichtigte Immamuel. „Du besitzt einen Vorteil, den kaum ein deutscher Mann hat: Du bist Muslim, du gehörst zur besten Gemeinschaft auf der ganzen Erde. Dies ist wertvoller als Körperkraft und Geld.“
Alis Gesichtszüge entspannten sich. „Ja, das ist wirklich ein großer Vorteil!“
Der Engel sah ihn mit ernster Mine an. „So, jetzt ist dein Aufenthalt bei uns beendet, du wirst nun direkt zur Erde nach München abgeschoben! Rein in den Fahrstuhl hinter dir!“
Ali drehte sich um und blickte erstaunt auf eine beleuchtete Kabine, die wenige Meter von ihm entfernt im Raum stand. „Wo kommt denn dieses Teil her? Das war doch vorhin gar nicht da?“
„Für dich sind hier nur die vorhandenen Gegenstände sichtbar, die wir benötigen“, erklärte Immamuel, während sich die Glastür der Kabine öffnete. „Du stellst dich einfach rein, alles andere läuft von selbst ab!“
Ali hob bittend die Hände. „Darf ich mir ein anderes Land aussuchen? Zu diesen seltsamen Deutschen möchte ich eigentlich nicht mehr!“
„Wohin du kommst, bestimmen wir! Los rein in den Fahrstuhl! Oder willst du in die Hölle?“
„Bin schon fast drin, Herr Engel“, sagte Ali und trat an die Kabine heran. Dann drehte er sich noch einmal um und meinte: „Auf Wiedersehen!“
„Von Wegen auf Wiedersehen! Lass´ dich nicht mehr bei uns blicken! Und noch was: Nimm dir in diesem Deutschland auch etwas Anderes vor, als nur Jungfrauen hinterher zu jagen. Das befriedigt auf Dauer nicht!“
„Etwas anderes als Jungfrauen? Was wollen Sie mir damit sagen, Herr Engel?“
„Wenn es so weit ist, wirst du es von selbst merken! Jetzt aber rein mit dir!“
Zögerlich betrat Ali die Kabine. ´Was der Engel wohl gemeint hat?`, überlegte er, als sich die Tür hinter ihm schloss. Plötzlich wurde es stockdunkel. Ali spürte noch, dass er sich ausgesprochen schnell nach unten bewegte, dann verlor er das Bewusstsein.