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1. Teil „Ein Rundflug“ › A. Sinn und Zweck eines juristischen Gutachtens

A. Sinn und Zweck eines juristischen Gutachtens

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Lesen Sie die nachfolgend genannten Vorschriften parallel im Gesetzestext mit.

Ein Rechtsanwalt oder Richter verdient sein Geld mit juristischen Bewertungen. Er muss einen Sachverhalt anhand unserer Rechtsordnung bewerten, um eine ihm gestellte Frage nach der bestehenden Rechtslage zu beantworten. Diese Frage hat in der Praxis einen handfesten Hintergrund: Eine Person will etwas von einer anderen haben. Auch bei der Erstellung von Verträgen für einen Mandanten geht es vornehmlich darum, durchsetzbare Ansprüche zu begründen oder – umgekehrt – auszuschließen. Der Jurist muss sich stets mit der Frage nach dem Bestehen und der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen befassen.


Ein Anspruch ist das Recht einer Person, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (§ 194 Abs. 1[1]). Man spricht auch von „Forderung“ (§ 241 Abs. 1) oder „Schuldverhältnis im engeren Sinne“, vgl. § 362 Abs. 1.[2]

Den Anspruchsinhaber nennen wir Gläubiger, den Anspruchsgegner Schuldner, vgl. § 241 Abs. 1.

Vom Anspruch sind die sog. Obliegenheiten zu unterscheiden. Diese begründen anders als der Anspruch kein Recht auf ein Tun oder Unterlassen, lösen bei ihrer Verletzung auch keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 aus, sondern führen „nur“ zu einem Rechtsverlust oder sonstigen Rechtsnachteil der mit der Obliegenheit belasteten Person[3] (z.B. Rügeobliegenheit gem. § 377 HGB).

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Der Mandant eines Rechtsanwalts bzw. die Parteien in einem Zivilprozess interessieren sich regelmäßig nicht für abstrakte Rechtsfragen. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Anspruch im Ergebnis tatsächlich besteht und ob dieser notfalls mit Hilfe der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden kann. Um einen Anspruch zwangsweise durchsetzen zu können, muss er offiziell „tituliert“, d.h. als Grundlage und Rechtfertigung für eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme festgestellt werden. Diese Feststellung wird nach § 704 Abs. 1 ZPO grundsätzlich in Form einer gerichtlichen Verurteilung getroffen.[4] Jede juristische Aufgabe ist deshalb immer auch mit Blick auf eine (vorgestellte) gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Ziel der „Titulierung“ eines Anspruchs zu bearbeiten.

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In der Klausur wird diese Aufgabenstellung geübt. Dabei ist nicht immer nach bestimmten Ansprüchen gefragt. Die Frage ist häufig allgemeiner formuliert, etwa: „Was kann A von B verlangen?“ oder „Wie ist die Rechtslage?“. Dies entspricht dem Beginn von Mandantengesprächen in der täglichen Anwaltspraxis. Da hat es der Zivilrichter übrigens einfacher. Er bekommt stets nur ein ganz bestimmtes Begehren zur Entscheidung gestellt (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und ist an diese Aufgabenstellung gebunden (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO). Der Anwalt muss hingegen herausfinden, ob und unter welchen Umständen der Mandant etwas von einer Person fordern und gerichtlich durchsetzen kann oder ob der Mandant umgekehrt einer anderen Person etwas zu leisten hat.

Das in der Klausur anzufertigende Gutachten bereitet den Rat des Rechtsanwalts bzw. das Urteil des Richters vor. Um Fehlentscheidungen zu vermeiden, muss das Gutachten die Sach- und Rechtslage vollständig würdigen. Auf der anderen Seite muss es sich auf das Wesentliche beschränken, um den Leser (den Korrektor Ihrer Klausur!) nicht zu ermüden und seine Aufmerksamkeit für die gesamte Darstellung zu erhalten. Die Laune des Korrektors soll schließlich nicht von positiver Neugier in überdrüssige Gereiztheit umschlagen.

BGB Allgemeiner Teil I

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