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2. Nachträgliche Leistungsbefreiung nach § 275

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Ein der Erfüllung entgegenstehendes Leistungshindernis i.S.d. § 275 kann auch nach Vertragsschluss eintreten. Hier sind alle Varianten denkbar, die wir bereits bei der anfänglichen Unmöglichkeit vorgestellt haben (s.o. Rn. 56 ff.) mit dem Unterschied, dass die zur Unmöglichkeit führenden Umstände erst nachträglich eingetreten sind – also etwa Untergang oder Verlust der verkauften Sache bzw. der ganzen Gattung nach Vertragsschluss.

Hinweis

Mit gewichtigen Argumenten wird in der Literatur in bestimmten Fällen der Zerstörung/Verlusts des geschuldeten Kaufgegenstandes[26] einer pauschalen Annahme von Unmöglichkeit widersprochen.[27] Es sei nicht einzusehen, warum der Verkäufer im Falle des vollständigen Verlustes der Sache per se nicht mehr erfüllen müsse (bzw. nicht mehr dürfe!), im Fall einer zur Mangelhaftigkeit führenden Beschädigung aber nach erfolgter Übergabe zur Ersatzlieferung verpflichtet sei und sich dadurch auch den Kaufpreis durch Ersatzlieferung[28] noch verdienen könne.[29] Meistens sei es Zufall, ob die Sache „nur“ beschädigt und damit mangelhaft werde oder eine vollständige Zerstörung eintrete. Im Falle der Unmöglichkeit einer Teilleistung trete die Nähe beider Fallgruppen deutlich zutage. Deshalb sei Unmöglichkeit nur dann anzunehmen, wenn das vertragliche Leistungsziel auch durch Ersatzlieferung analog § 439 Abs. 1 nicht zu erreichen sei.

Die überwiegende Auffassung folgt diesem Ansatz nicht[30] – de lege lata wohl auch mit den stärkeren Argumenten: Für den Fall der – vollständigen oder in Bezug auf die geschuldete Menge teilweisen[31] – Nichtleistung wegen Unmöglichkeit bleibt es bei der vertraglichen Vereinbarung und § 275 Abs. 1. Geschuldet ist bei der Stückschuld ein konkretes Stück, bei der Vorrats- bzw. Gattungsschuld eine Lieferung aus dem vereinbarten Vorrat bzw. der vereinbarten Gattung, nach Konkretisierung (§ 243 Abs. 2) nur die konkretisierte Ware. Soweit das Eigentum an der geschuldeten Sache nicht verschafft werden kann, schließt § 275 Abs. 1 die Leistungspflicht aus. Alternativen dazu werden nur geschuldet, wenn dies vereinbart ist. § 437 Nr. 1 i.V.m. § 439 Abs. 1 erweitern die vereinbarten Leistungspflichten kraft Gesetzes nur für den Fall der mangelhaften Leistung. Für eine analoge Anwendung des § 439 Abs. 1 fehlt eine planwidrige Regelungslücke, da der Gesetzgeber diese Vorschrift nicht auch im Unmöglichkeitsrecht des Allgemeinen Schuldrechts eingeführt hat. Der Verkäufer steht im Fall der quantitativen Unmöglichkeit nach dem Gesetz nicht planwidrig schlechter, sondern planmäßig anders als bei der mangelhaften Leistung.[32]

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Hinzu kommen bei der nachträglichen Leistungsbefreiung auch die Fälle des § 275 Abs. 2 und Abs. 3,[33] die erst ab Geltendmachung durch den Verkäufer „durchgreifen“ und erst dann zum Anspruchsausschluss führen können.[34]

Beispiel 1

Der verkaufte Gebrauchtwagen wird nach Vertragsschluss, aber vor Übergabe gestohlen oder vollständig zerstört = § 275 Abs. 1.

Beispiel 2

Der verkaufte Gebrauchtwagen wird vor Übergabe infolge eines vom Verkäufer nicht verschuldeten Brandes derart beschädigt, dass er nur noch mit einem Vielfachen des Verkehrswertes repariert werden könnte („wirtschaftlicher Totalschaden“). V lehnt deshalb eine Lieferung in repariertem Zustand ab = § 275 Abs. 2.

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Der Verkäufer einer Gattungs- oder Vorratsschuld wird von seiner Leistungspflicht nur dann gem. § 275 Abs. 1 frei, wenn die gesamte Gattung bzw. der Vorrat untergegangen ist und er keine Möglichkeit mehr hat, sich den Leistungsgegenstand zu beschaffen.

Der Untergang bzw. die Verschlechterung einer einzelnen Sache kann jedoch auch bei der Gattungs- bzw. Vorratsschuld zur Leistungsbefreiung führen, und zwar dann, wenn sich die Schuld zuvor auf das zerstörte Stück konkretisiert hatte.

Wiederholen Sie bitte an dieser Stelle die Abgrenzung der Hol-, Bring- und Schickschuld.

Eine Konkretisierung tritt nach § 243 Abs. 2 ein, wenn der Schuldner „das seinerseits zur Leistung erforderliche“ hat. Dies bestimmt sich nach der vereinbarten (Hol-, Bring- oder Schick-) Schuld.[35]

Beispiel

K kauft bei V anhand eines Kataloges einen Fernseher, den der V dem K schicken soll. V sondert ein ordnungsgemäß verpacktes Stück aus seinem Lager aus und gibt es beim Frachtführer F zum Versand an K auf. Unterwegs wird das Gerät aufgrund eines Unfalls zerstört. Hier hatte V das bei einer Schickschuld seinerseits zur Leistung Erforderliche getan und seine ursprüngliche Gattungsschuld auf das konkret zum Versand gebrachte Stück beschränkt. Mit Verlust der Sache ist V von seiner Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 frei geworden.

Hinweis

An den allgemeinen Grundsätzen zur Leistungsgefahr ändert sich auch im Verbrauchsgüterkauf nichts, da § 475 Abs. 2 nur die Preisgefahr regelt (siehe dazu Rn. 113 ff.) und für die Leistungsgefahr keine abweichenden Sonderregeln vorsieht.

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