Читать книгу Fern von hier - Adelheid Duvanel - Страница 52

Heilig

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Es ist kalt und neblig. Kleine Dachfenster mit rostigen Fens­terrahmen und magere Kamine beleben die Kulisse, die Vero­nika vom Gartenrestaurant aus betrachtet. Aus einem runden Betonbecken wächst Efeu, das ein fremder, roter Hund beschnuppert; er träumt davon, eine Herrin, die kleine Heilig mit den zu großen Augen, durch die Stadt zu ziehen. Außer Veronika und Heilig sitzt kein Gast unter den Bäumen. Das Restaurant befindet sich in einem Stadtteil, den Veronikas Mann nie aufsucht; als er dies erwähnte (ohne zu wissen, dass sie sich tagtäglich dort aufhält), klopfte ihr Herz glücklich und aufgeregt, was sie nicht verstand.

Jeden Tag wäscht Veronikas Mann sein erdnussfarbenes, schütteres Haar und pudert sein Gesicht. Er sammelt getrock­nete Patisserien, farbige Pillen und Kapseln in Gläsern, die Veronika abstaubt und hasst. Eine Tochter hat sie sich selber geschenkt; sie nahm das Kind in Pflege, dessen Name man ihr am Telefon mitteilte. «Heilig?», hatte Veronika verblüfft gefragt, «ist denn das ein Name?» – «Nein, Heil-wig», hatte man ihr lachend geantwortet. Während ihr Mann mit dem Staubsauger von Wohnung zu Wohnung zog, Teppiche reinigte, den entsetzten Hausfrauen ein Mittel gegen Teppichflöhe, die er in ihren gepflegten Räumen angeblich entdeckt hatte, anpries und den Staubsauger dazu, erwartete Veronika ihre Pflegetochter, die von der Schule kam, jeden Abend in diesem Gartenrestaurant. Sie tut dies heute zum letzten Mal; sie muss Heilig (wie sie das Kind nach jenem Missverständnis nennt) zurückbringen in eine dunkle Welt, wo Heilig von niemandem erwartet wird. Veronikas Mann erträgt Heilig nicht.

Die Statue im Hintergrund des Gartens ist unter einer goldenen Farbschicht erstickt; ihre toten Augen glänzen. Die Blätter am Boden ähneln den Händen von Greisen, und der Baumstamm, an dem Heilig lehnt, gleicht einem von harter Arbeit gestrafften Männerkörper. Eine hässliche Zahnpro­these, die Heilig auf dem Jahrmarkt gekauft hat, entstellt ihr spitzes Gesicht. «Es soll ein Witz sein», sagt sie und lächelt.

Veronika schlägt ihren Mantelkragen hoch und nippt am vierten Kaffee, den sie am Selbstbedienungsbuffet geholt hat. Früher bewegten sich Kellner wie große, vom Wind gefaltete Servietten zwischen den Bäumen; man gab Zeichen, die sie offenbar verstanden, denn sie trugen Flaschen und Gläser herbei. In Spanien klatscht der Gast in die Hände, was als Befehl gedacht ist, doch nie schlägt jemand auf eine Trommel, um sich den Kellnern mitzuteilen; Veronika möchte trommelnd durch die vom Nebel verdunkelten Straßen der Stadt ziehen und ausrufen: «Mein Mann hasst Heilig; er schickt sie fort; er nimmt sie mir weg!»

Der fremde, rote Hund balanciert seine Nase wie einen frischen Pilz, den er Heilig anbietet; sie kauert sich nieder und krault mit der behandschuhten Rechten seinen vom Nebel feuchten Nacken; ihre Draculazähne wackeln. Eifersucht schüttelt Veronikas Herz, macht es vor Angst schwach und schlaff; zitternd streichelt sie Heiligs Schulmappe, die vor ihr auf dem Tisch liegt.

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