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«Too big to comply»

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Und Dehaye sah in der Tat weiter. Nämlich, dass Mark Zuckerberg beim Tech-Hearing vom 11. April 2018 in Washington nicht die Wahrheit sagte. Der demokratische Senator Richard Blumenthal fragte den Facebook-Gründer[17] direkt, ob jede Nutzerin alle Daten­spuren inklusive Tracking-Daten über sich erfahren könne.

Zuckerbergs Antwort: «Ja, jeder könnte diese Daten herunterladen.»

Doch das war falsch. «Zuckerberg hat zweimal vor laufender Kamera die Politiker Washingtons und auch die ganze Welt angelogen», behauptet Dehaye.

Dehaye weiss das, weil er via E-Mail dieselbe Frage an Facebook stellte. Und eine ganz andere Antwort bekam. Das war am 7. März 2018, rund einen Monat vor Zuckerbergs Aussage im Senat. Es war das letzte Schreiben in einem zähen einjährigen E-Mail-Verkehr.

«Sie schrieben mir: ‹Wir können Ihnen keine Auskunft geben, Ihre Anfrage ist zu kostspielig. Es ist zu aufwendig, alle diese Tracking-Daten aus den Webseiten herauszuziehen.› Dafür sei ihr System nicht gemacht.»

Mit anderen Worten: Facebook ist too big to comply – zu gross, um das Datenschutz­gesetz einhalten zu können. Dehaye war fassungslos, als er die Zeilen las.

Facebooks Eingeständnis, den gesetzlichen Daten­schutz zu missachten, zitierte Dehaye am 28. März 2018. An dem Tag, als er erstmals als Zeuge vom britischen Parlament eingeladen worden war. Das Team von Senator Blumenthal fand die Mitschrift später im Internet. Und konfrontierte[18] Mark Zuckerberg im Juni 2018 mit seiner Falschaussage.

Dehaye weiss viel über die Praktiken der Tech-Konzerne. Seine Antworten sind wohlüberlegt, berechnend. Kein Wort zu viel, keines zu wenig. Er achtet penibel genau darauf, wem er welche Information aus seinen Recherchen zusteckt.

Während des Gesprächs im Genfer Impact Hub zieht Dehaye mehrfach sein Smartphone hervor. Mit interessierten Augen blickt er drauf. Auf die neugierige Frage der Reporterin, worum es gehe, will er nicht antworten.

Später wird er erzählen, dass er damals schon etwas wusste, was die Öffentlichkeit erst vor einigen Wochen dank dem «Guardian» schwarz auf weiss erfahren hat: dass Facebook einmal mehr gelogen hatte. Der Konzern beteuerte mehrfach, dass es seit 2014 keinen Fall wie Cambridge Analytica gegeben habe. Dass man die Zugänge für unberechtigte Daten­abflüsse gekappt habe.

Doch am 5. Dezember 2018 veröffentlichte das britische Parlament Dokumente[19], die das Gegenteil bestätigen. Topkunden wie Airbnb und Netflix hatten private Deals mit Facebook eingefädelt. Sie standen auf einer weissen Liste und konnten weiterhin ungebremst private Informationen absaugen. Es ist die jüngste PR-Katastrophe des grössten sozialen Netzwerks. Und wieder war Paul-Olivier Dehaye einen Schritt voraus.

Das Netz ist politisch – Teil I

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