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Immer unter Strom

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Nicht nur Facebook steht auf Dehayes Liste. Ihn faszinieren alle Technologien, in denen soziale Beziehungen in Daten und damit auch in Geld umgewandelt werden, etwa Dating-Apps oder die Sharing-Economy-Plattformen. Tinder ist eine weitere Blackbox, die er fast knackte.

Dehaye unterstützte die Journalistin Judith Duportail im September 2017 bei der Beschaffung ihrer persönlichsten Daten[20] für eine «Guardian»-Recherche. Dieser Kampf sei hart gewesen, sagte er. An dem Heer von Tinder-Anwälten hat sich das Duo fast die Zähne ausgebissen.

Doch am Ende erhielten Duportail und Dehaye, was sie verlangten. Ein Dokument von 800 Seiten. Darin steht, wo sich Duportail befand, als sie mit ihrem ersten Match flirtete, welche Musik­vorlieben sie hat, welche Ausbildung sie absolvierte. Duportail bekam zwar nicht alle Informationen, die sie verlangte – schuldig blieb ihr Tinder etwa den Attraktivitäts­score, eine Zahl, mit der das System festlegt, wie schön oder hässlich eine Tinder-Nutzerin ist. Aber immerhin, die 800 Seiten waren ein Anfang.

«Tinder zeigte sich völlig verblüfft», sagt Dehaye. «Wir waren die Ersten überhaupt, die das taten. 90 Prozent der Netz­aktivisten und Journalisten hätten wohl bei dem juristischen Widerstand aufgegeben. Wir haben weitergemacht.»

Dehayes Augen leuchten, wenn er von diesen Siegen erzählt. Sie verschaffen ihm Genugtuung: «Es regt die Technologie­konzerne ja so auf, wenn Leute wie ich kommen, ihr Vokabular kennen und sie mit Fragen löchern. Um zu antworten, müssen sie alles mühsam rekonstruieren.»

Ganz uneigennützig ist seine Medienarbeit nicht. Jeder erschienene Artikel, an dem er mitgewirkt hat, ist Werbung für ihn und für seinen Dienst PersonalData.IO. Ein kostenloser Service, mit dem man bequem persönliche Daten­auskünfte bei allen Technologie­konzernen bestellen kann. Nach der Publikation des Tinder-Artikels hatten 300 Personen über PersonalData.IO ihre Tinder-Daten angefordert.

Doch Geld verdienen will Dehaye mit seinem Dienst noch nicht. PersonalData.IO bringt dem bald dreifachen Familienvater keinen Rappen ein. Er finanziert sein Angebot mit Spenden und seinen Honoraren aus Vorträgen.

Kürzlich erhielt er auch finanzielle Unterstützung von der George-Soros-Stiftung Open Society Foundations und dem Data Transparency Lab, einem Forum für Daten­transparenz, hauptsächlich finanziert durch die spanische Kommunikations­anbieterin Telefónica. Damit kann Dehaye seine Mitarbeiter knapp finanzieren. Auch sein neues Amt als Verwaltungs­rat der internationalen Organisation MyData ist ehrenamtlich. Haupt­verdienerin ist derzeit seine Frau.

Das Netz ist politisch – Teil I

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