Читать книгу Baphomet - Akron Frey - Страница 16

Das zweite Siegel

Оглавление

Die Suche nach dem Paradies funktioniert – überspitzt formuliert – nicht nur dadurch, dass wir es nie finden können, sondern auch, indem wir diese Tatsache verdrängen, um weiter nach dem perfekten System suchen zu können. Es ist falsch zu glauben, dass sich unsere Entwicklung in einem Umfeld des Gleichgewichts vollziehen kann; sie mag es zwar ständig suchen, aber sie darf es nicht erreichen, damit Entwicklung überhaupt möglich ist.

Akron

Fast scheint es so, als erlebten wir heute die Geburt eines neuen Weltbildes – oder wenigstens die Erweiterung des weltanschaulichen Rahmens für unsere Bilder. Diesen gilt es jetzt auszufüllen, damit wir ein größeres Stück der Wirklichkeit in unser Bewusstsein integrieren können. Das erste, was uns ins Auge sticht, ist der Umstand, dass die großen religiösen Institutionen in unseren Breitengraden an charismatischem Glanz verloren haben. Ihr vormaliges Erlösungsmonopol müssen sie jetzt mit Heilslehren aus anderen Kulturen und mit den üppig ins Kraut schießenden esoterischen Selbsterfahrungsgruppen teilen. Durch bewusstes und intensives Wahrnehmen und Fühlen versuchen die Menschen, sich ihrem eigentlichen Wesen zu nähern. Bisweilen wirkt es schon kurios, wenn zeitgenössische Erleuchtete im Selbsterfahrungs-Workshop genau denselben göttlichen Plan in atemberaubendem Tempo zu durchschauen meinen, den sie im Religionsunterricht noch als höchst lächerlich empfanden. Wir können von unseren selbst geschaffenen Bildern des Göttlichen nämlich nicht so einfach lassen! Die gegenwärtige Epidemie von Selbsterkenntniskursen verwandelt die alten patriarchalischen Gottesbilder in „Große-Mutter-Gottheiten“ oder ähnliche zeitgemäße Varianten. Alter Wein in neuen Schläuchen! In der Spätantike gab es auch keine größere Stadt, in der nicht ein Mithräum oder ein Isis-Tempel stand, wo man sich in die Geheimnisse der Mysterien einweihen lassen konnte. Die Sehnsüchte haben lediglich ihre rituellen Vehikel gewechselt. So fliegen sie denn jetzt auf den Selbsterfahrungs-Besen des neuen Göttinnen-Kults oder anderer esoterisch verbrämter Zeiterscheinungen in die tiefen Brunnenstuben der Ur-Mütter hinab, um die inneren Geheimnisse zu entdecken, die Schleier von den verborgenen Mysterien zu reißen und die wahre Selbsterkenntnis zu finden.

Eines aber bleibt sich immer gleich: Böses wird verdrängt und auf andere projiziert, und die negativen Prägungen des eigenen Selbst werden vor sich selbst und anderen versteckt. Ihren Ursachen wird nicht begegnet, und da wir in einer Zeit psychologischer Erkenntnisse nicht mehr dumm genug sein dürfen, das Dunkle, Schattenhafte in uns vollkommen zu leugnen, dürfen wir ihm wenigstens falsche Namen geben. Wir nennen es Blindheit oder Unbewusstheit und bringen es mit der negativen Seite eines Geisteszustandes in Verbindung, dessen Gegenstück die Vollständigkeit oder Ganzheit wäre. Das heißt, wir gehen davon aus, dass das Böse die Abweichung vom Guten ist und dass es durch Erkenntnis und Bewusstseinserweiterung zu überwinden sei. Dabei merken wir nicht, dass gerade in diesen esoterischen Modellen der eigentliche, wahre Teufel sitzt, weil durch sie suggeriert wird, dass Bewusstwerdung und Erkenntnis der Tod des Teufels wären.

Baphomet

Подняться наверх