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1.3 Intension und Extension – die Semantik möglicher Welten: Rudolf Carnap

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Carnaps Sprachphilosophie ist die erste Theorie, die in formaler Hinsicht Freges Ansatz systematisch weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung besteht darin, dass er die Idee von möglichen Welten als ein Instrument in die Sprachphilosophie einführt und damit die Begriffe von Intension und Extension definiert (Carnap 1947); „Intension“ ist der Nachfolgebegriff für Freges Sinn und „Extension“ für Freges Bedeutung (also den Bezug eines Ausdrucks). Der Vorteil dieser Konzeption besteht darin, dass die Unklarheiten, die bei Freges Konzeption kurz angedeutet wurden, nämlich dass Frege u.a. Begriffe als Bedeutungen von Prädikaten nur schwerlich konsistent zu charakterisieren vermag, in diesem Modell beseitigt werden können.

Mögliche Welten

Zunächst kommen wir zum Kerninstrument, nämlich der Idee von möglichen Welten: Die gegenwärtige Welt, in der wir leben, können wir als eine Menge von bestehenden Sachverhalten betrachten, die ihrerseits jeweils eine Konfiguration von Gegenständen sind. Wenn ein Gegenstand räumlich bewegt würde, so bestünde jetzt ein neuer Sachverhalt und der vorher bestehende Sachverhalt wäre nun nicht mehr bestehend. Wir können das Ergebnis der Veränderung als einen neuen Weltzustand bzw. als eine mögliche Welt auffassen, die wir ebenfalls prinzipiell durch eine Menge von Sachverhalten vollständig bestimmen können. Wenn wir nun davon ausgehen, dass die einfachen Gegenstände in einer Welt festgelegt und unveränderbar sind, dann sind alle möglichen Weltzustände nichts anderes als verschiedene Konfigurationen dieser einfachen Gegenstände, und jede Welt ist als eine Menge von Sachverhalten bestimmbar. Diese Grundidee, die auf Wittgensteins „Tractatus logico-philosophicus“ (1918) zurückgeht, erlaubt es uns, von einer Menge von möglichen Welten zu sprechen, die wir als mögliche Weltzustände betrachten, die sich so zu der gegenwärtigen Welt verhalten, dass sie mindestens einen abweichenden Sachverhalt enthalten.

Extension

Die Frage, was die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks (hier im allgemeinen Sinne gemeint und nicht in Freges spezifischer Auffassung) ist, bekommt bei Carnap – genau wie bei Frege – eine zweiteilige Antwort, nämlich durch die Zuordnung von Extension und Intension zu jedem Ausdruck. Die Extension eines Ausdrucks ist im Fall eines singulären Terms, z.B. eines Eigennamens, genau wie bei Frege der bezeichnete Gegenstand. Im Fall eines Satzes ist die Extension analog der Wahrheitswert des Satzes. Die Extension eines Prädikats (Frege hat von Begriffsworten gesprochen) ist bei Carnap eine Menge, und zwar bei einem einstelligen Prädikat „… ist ein Politiker“ die Menge der Politiker. Bei einem zweistelligen Prädikat wie „… ist Parteigenosse von …“ ist die Extension die Menge alle Paare von Objekten o1 und o2, für die gilt: o1 ist Mitglied derselben Partei wie o2, also {(Merkel, Kohl), (Brandt, Schröder), (Fischer, Habeck) …}. Bei dreistelligen Prädikaten wie „x ist eifersüchtig auf y wegen z“ ist die Extension entsprechend eine Menge von Tripeln, die genau in dieser Relation zueinander stehen (Details: Strobach 2005). Damit sind die Extensionen für die zentralen Grundelemente der Sprache angegeben, und zwar handelt es sich um Einzeldinge, um Mengen oder um Wahrheitswerte. Diese Entitäten betrachtet Carnap in seiner realistischen Sprachphilosophie als unverdächtig bzw. die Annahme ihrer Existenz als harmlos.

Intension

Carnaps Sprachphilosophie benötigt nun im nächsten Schritt eine Bestimmung der Intension, die analog zu Freges Theorie den Informationsgehalt des Satzes bzw. den ausgedrückten Gedanken erfassen soll. Sein Vorschlag basiert auf der Grundidee, dass wir bei Sätzen wie „Merkel ist eine Politikerin“ den Informationsgehalt mit Bezug auf mögliche Welten angemessen charakterisieren können, und zwar, indem wir aus der Gesamtmenge der möglichen Welten alle diejenigen Welten herausgreifen, in denen der Sachverhalt, dass Merkel eine Politikerin ist, besteht. Natürlich sind leicht solche möglichen Welten vorstellbar, in denen Merkel Physikerin geblieben wäre und sich nicht der Politik zugewandt hätte. Solche Welten scheiden aus. Was dann verbleibt, ist die Menge aller möglichen Welten, in denen der Sachverhalt, dass Merkel eine Politikerin ist, besteht. Diese Menge von möglichen Welten kann nun indirekt mit dem mathematischen Konzept der Funktion charakterisiert werden. Es gibt nämlich klarerweise eine Funktion, die jeder Welt, in der Merkel eine Politikerin ist, den Wahrheitswert wahr zuordnet und allen anderen Welten den Wahrheitswert falsch. So eine Funktion lässt sich als eine Art Liste hinschreiben, z.B.:

{(Welt1, wahr), (Welt2, falsch), (Welt3, wahr), (Welt4, wahr), …}

Der Informationsgehalt des Satzes „Merkel ist eine Politikerin“ soll genau durch diese Funktion eingefangen werden. Denn damit wird auch genau diejenige Menge von Welten bestimmt, in denen es wahr ist, dass Merkel eine Politikerin ist (insofern ist gerade in ihnen dasselbe los):

{Welt1, Welt3, Welt4,…}

Die Funktion, die für einen Satz eine Zuordnung von der Menge der möglichen Welten auf die Wahrheitswerte bestimmt, nennen wir auch eine „Proposition“. Wir können uns auf sie auch beziehen durch den dass-Satz, der den relevanten Sachverhalt angibt, in unserem Beispiel durch den Satz, dass Merkel eine Politikerin ist.

Kennzeichnug und Individualbegriff

Diese Idee hat Carnap ganz systematisch verallgemeinert, indem er für alle Ausdrücke festlegt, dass die Intension jeweils die Funktion von der Menge der möglichen Welten in die jeweils möglichen Extensionen ist. Das können wir uns kurz noch für Eigennamen und Prädikate genauer anschauen: Die Extension einer Kennzeichnung wie „der Erstbesteiger des Mount Everest“ ist der bezeichnete Gegenstand in unserer Welt. Die Intension ist dann eine Funktion von der Menge der möglichen Welten in den in der jeweiligen Welt bezeichneten Gegenstand. In unserer Welt ist der Erstbesteiger des Mount Everest Sir Hilary, in einer anderen möglichen Welt mag es Reinhold Messner sein, usw. (insofern macht jeder von ihnen dort dasselbe). Die Zuordnungen für alle möglichen Welten machen die Intension, den Informationsgehalt der Kennzeichnung aus:

{(Welt1, Sir Hilary), (Welt2, Tensing Norgay), (Welt3, Reinhold Messner),…}

Die Intension einer Kennzeichnung nennt Carnap auch einen „Individualbegriff“, denn für die Gegenstandsbezeichnung wird für jede mögliche Welt der bezeichnete Gegenstand festgelegt. Ganz analog werden auch Prädikate behandelt: Die Extension von Prädikaten sind Mengen, bei einstelligen Prädikaten sind es Mengen von Objekten. Die Extension des Prädikats „… ist ein Präsident“ ist demgemäß die Menge der Präsidenten. In der gegenwärtigen Welt gehören dazu D. Trump, E. Macron usw., in einer möglichen Welt gehören dazu Hillary Clinton, Arnold Schwarzenegger, usw. Die Intension des Prädikats „… ist ein Präsident“ ist eine Funktion, die für jede mögliche Welt festlegt, welche Objekte darin Präsidenten sind:

{(Welt1, {Trump, Macron, …}), (Welt2, {Schwarzenegger, Clinton…}),…}

Deshalb wird mit der Intension auch nichts Anderes charakterisiert als die Eigenschaft, ein Präsident zu sein. Es ergibt sich die folgende Übersicht über Carnaps Semantik der möglichen Welten.


Carnaps Semantik ist logisch-realistisch, da sie außer den realen Gegenständen und Ereignissen sowie den daraus konstruierbaren möglichen Welten nur noch logisch-mathematische Entitäten wie Mengen und Wahrheitswerte voraussetzt, die gemäß Carnap sowieso für jede vollständige Theorie des menschlichen Wissens unverzichtbar sind. Anders als Frege nimmt er für den Informationsgehalt von Sätzen nicht ein eigenes platonisches Reich von Gedanken bzw. allgemeiner Freges Sinn von Ausdrücken an, sondern die Intension, die den gedanklichen Gehalt eines Satzes angibt, wird ja gerade als Funktion von möglichen Welten in mögliche Extensionen bestimmt.

Probleme für Carnaps Semantik

Carnap hat mit seinem Modell den klassischen Rahmen für die moderne formale Semantik abgesteckt. Doch ergeben sich für diese logisch-realistische Semantik der möglichen Welten zwei Grundprobleme, die auch bis in die Gegenwart für diese Ansätze als ungelöst betrachtet werden müssen. Das erste Problem ist das Problem der leeren Namen wie z.B. „Pegasus“ ein Name für ein rein fiktionales gefügeltes Pferd ist: Wie kann man der Tatsache Rechnung tragen, dass ein Name keine Extension hat und trotzdem sinnvoll in einem Satz verwendet werden kann? Wie lassen sich dabei verschiedene leere Namen unterscheiden? Da die Antworten auf diese Fragen jedoch für alle sprachphilosophischen Ansätze eine besondere Schwierigkeit darstellen, ist es nicht für Carnap spezifisch und soll im Vergleich als nicht so schwerwiegend bewertet werden. Gravierender ist das Problem der Hyperintensionalität, welches für die Semantik der möglichen Welten charakteristisch ist. Damit ist folgendes gemeint: Wenn man verschiedene Sätze betrachtet, die in allen möglichen Welten wahr sind, so kann die Semantik der möglichen Welten bezüglich dieser Sätze keinen Unterschied in der Intension feststellen. Sätze der Mathematik wie „Die Winkelsumme im (euklidischen) Dreieck beträgt 180 Grad“ und analytische Sätze wie „Junggesellen sind unverheiratet“ sind in allen möglichen Welten wahr. Da sie jedoch einen völlig verschiedenen Inhalt haben, kann dieser unterschiedliche Gehalt prinzipiell nicht durch die Intension erfasst werden. Es bedarf eines Bedeutungsmerkmals, das über die Intension hinausgeht, weshalb man auch von dem Problem der Hyperintensionalität spricht. Dieses Problem tritt für alle Sätze auf, die eine notwendige Wahrheit (bzw. Falschheit) ausdrücken. Dazu gehören mathematische Sätze, Aussagen über begriffliche Zusammenhänge, aber auch Identitätsbehauptungen mit Namen (siehe Kapitel 7). Für diese Schwierigkeit hat die Semantik der möglichen Welten bisher keinen tragfähigen Lösungsansatz entwickelt.

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