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Einführung in die sozialistische Produktion

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Alle vier Wochen verbringen die Schüler der siebten und achten Klasse einen Tag in einem sozialistischen Großbetrieb. Sie sollen die Arbeitswelt kennenlernen und Einblick in Produktionsabläufe bekommen. ESP – Einführung in die sozialistische Produktion – nennt sich das.

Werners Klasse geht in die Matthias-Thesen-Werft von Wismar. In riesigen Werkhallen stehen sie an langen Werkbänken und bekommen gezeigt, wie man mit Feile, Schieblehre, Hammer und Bohrmaschine umgeht. Die Arbeiten sind meist stupide und wenig motivierend. Selten geht es darum, echte Werkstücke herzustellen, die in der Werft wirklich gebraucht werden. Dennoch interessiert sich Werner für diese praktische Arbeit, zumal sein Vater ihn an solche handwerklichen Fähigkeiten nicht herangeführt hat. Gleichzeitig lernt er aber auch die sozialistische Arbeitsmoral kennen. Ist kein Material vorhanden, wird eben nicht gearbeitet und auch keine Anstalten gemacht, das Fehlende zu besorgen. Man spielt Karten oder macht eigene Besorgungen. Für die Bereitstellung der nötigen Schrauben und Bauteile ist schließlich ein anderer verantwortlich. Warten auf Material gehört zur sozialistischen Produktion. Man erzählt sich einen treffenden Witz: Kommt ein Lehrling auf die Baustelle und sagt zum Meister: „Entschuldigung, ich habe meine Schaufel vergessen.“ Der Meister: „Macht nix, stütz dich halt auf meine.“

Was noch viel schlimmer, aber in allen Großbetrieben üblich ist, sind die privaten Werkeleien und die Selbstbedienung der Arbeiter. Wenn keine Arbeit vorhanden ist, bauen die Werktätigen Dinge, die sie zu Hause gut gebrauchen können. Antennen, Gartenbänke, ganze Hebebühnen für die private Trabbi-Reparatur und Grillroste werden geschweißt, geschraubt und auf dubiosen Wegen aus dem Werk geschmuggelt – trotz Werkschutz an den Toren und hohem Sicherheitszaun mit Stacheldraht. Unter den Arbeitern hat sich die Meinung breitgemacht: Das Material gehört doch niemandem persönlich, es ist Volkseigentum – und das Volk sind ja wir. Außerdem gibt es in der DDR keine Baumärkte. Werkzeug und Gebrauchsgegenstände fürs Hobby zu Hause kann man nicht kaufen, also versorgt man sich selbst. Viele denken: Ich kann das privat viel besser gebrauchen, als dass es hier im Betrieb vielleicht vergammelt.

Hinzu kommt der florierende Handel mit den in Schwarzarbeit hergestellten Dingen. Wer sich einmal auf Grillroste spezialisiert hat, der hat etwas Lukratives zum Tauschen. Mit der Zeit wird das fast so etwas wie die zweite Währung. Ab und zu lässt die Betriebsleitung mal jemanden hochgehen, der dann als abschreckendes Beispiel hart bestraft wird: Sabotage am Volkseigentum! Aber im Grunde hat sich jeder an die Situation gewöhnt.

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