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Die San Felice
Zehntes Capitel.
Das Horoskop

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Es war die linke Hand, die, in welcher die Kabbalisten des Alterthums die Geheimnisse des Lebens lesen zu können behaupteten, gerade wie dies auch von Kabbalisten der Neuzeit noch geschieht.

Nanno betrachtete einen Augenblick lang die Rückseite dieser reizenden Hand, ehe sie dieselbe umdrehte, um in dem Innern zu lesen, gerade wie man ein Buch, welches Aufschluß über unbekannte und übernatürliche Dinge geben soll, einen Augenblick in der Hand hält, ohne sich mit dem Oeffnen zu übereilen.

Sie betrachtete die Hand, wie man ein schönes Marmorkunstwerk betrachtet, und murmelte:

»Die Finger sind lang, glatt und ohne Knoten – die Nägel rosenfarben, schmal und spitzig – eine Künstlerhand, eine Hand, welche bestimmt ist, allen Instrumenten, den Saiten der Leier ebenso wie den Fasern des Herzens Töne zu entlocken.«

Endlich drehte sie die schauernde Hand, welche zu ihren gebräunten einen so wundersamen Gegensatz bildete, herum und ein stolzes Lächeln verklärte ihr ganzes Gesicht.

»Hatte ich nicht Alles gut errathen?«, sagte sie.

Die junge Frau betrachtete die Wahrsagerin mit unruhigem Blick.

Michele seinerseits näherte sich, als ob er etwas von der Chiromantie verstünde.

»Beginnen wir mit dem Daumen, hob die Wahrsagerin wieder an. »Er ist es, in welchem sich alle andern Zeichen der Hand wiederholen. Der Daumen ist das Hauptorgan des Willens und der Einsicht. Blödsinnige werden gewöhnlich ohne oder mit mißgestalteten Daumen geboren. Die Epileptischen schließen in ihren Anwandlungen die Daumen eher als die andern Finger. Um den bösen Blick zu beschwören, streckt man den Zeigefinger und Goldfinger aus und verbirgt den Daumen in der flachen Hand.«

»Das ist wahr, Schwesterchen, rief Michele. »So mache ich es allemal, wenn ich das Unglück habe, dem Canonicus Jorio zu begegnen.«

»Das erste Glied des Daumens, das, welches den Nagel trägt, ist das Zeichen der Willenskraft. Bei Ihnen ist das erste Gelenk des Daumens kurz, folglich sind Sie schwach, ohne Willen und leicht zu verleiten.«

»Das könnte man fast übelnehmen, rief lachend die junge Frau, welcher diese mehr wahre als schmeichelhafte Erklärung gegeben ward.

»Sehen wir einmal den Venusberg, sagte die Wahrsagerin, indem sie mit ihrem Nagel, welcher einer in Ebenholz gefaßten Hornkralle glich, auf den fleischigen, erhabebenen Theil drückte, welcher die Basis des Daumens bildete. »Dieser ganze Theil der Hand, in welchem die Zeugung und die sinnlichen Begierden liegen, ist der unwiderstehlichen Göttin gewidmet. Die Lebenslinie umgibt ihn wie ein Bach, der am Fuße eines Hügels rinnt, und sondert ihn ab wie eine Insel. – Venus, welche bei Ihrer Geburt regiert hat, Venus, welche gleich jenen Feen, die als verschwenderische Pathen jungen Prinzessinnen erschienen, Venus, welche Ihnen Anmuth, Schönheit, Melodie, Liebe zu schönen Formen, den Wunsch zu lieben, das Bedürfniß zu gefallen, Wohlwollen, Mitleid und Zärtlichkeit verliehen hat, zeigt sich hier mächtiger als jemals. – Ach, wenn wir auch die andern Linien eben so günstig fänden wie diese, obschon –«

»Obschon?«

»Nichts.«

Die junge Frau betrachtete die Wahrsagerin, deren Augenbrauen sich einen Augenblick lang gerunzelt hatten.

»Dann gibt es wohl noch andere Linien als die des Lebens?« fragte sie.

»Ja, es gibt deren drei. Er sind diese drei Linien, welche in der Hand das M bilden, welches das gemeine Volk als den ersten Buchstaben des Wortes Mors, der Tod, bezeichnet, und von welchem es glaubt, es sei von der Natur selbst bestimmt, den Menschen daran zu erinnern, daß er sterblich ist. Die beiden andern sind die Linie des Herzens. Hier ist sie. Sie erstreckt sich von der Basis des Zeigefingers bis zu der des kleinen Fingers. Jetzt sehen Sie noch die Kopflinie. Es ist die, welche die Mitte der Hand durchschneidet.«

Michel näherte sich abermals und verfolgte die Demonstrationen der Wahrsagerin mit gespannter Aufmerksamkeit.

»Warum hast Du nicht auch mir dies Alles erklärt? fragte er sie. »Hieltest Du mich für zu dumm, um es zu begreifen?

Nanno zuckte die Achseln, ohne ihm zu antworten, und fuhr dann fort sich an die junge Frau zu wenden.

»Folgen wir vor allen Dingen der Linie des Herzens,« sagte sie. »Schau, wie sie sich von dem Berg des Jupiter, das heißt von der Basis des Zeigefingers, bis zum Berg des Mercur, das heißt bis zur Basis des kleinen Fingers, erstreckt! Ist sie kurz, so bedeutet die Glück, ist sie allzulang, wie bei Dir, so bedeutet sie furchtbare Leiden. »Unter dem Saturn, das heißt unter dem Mittelfinger, bricht sie sich. Dies bedeutet Verhängniß. Sie hat eine lebhaft rothe Farbe, welche gegen das matte Weiß der Hand absticht. Dies ist Liebe, feurige, bis zur Heftigkeit gesteigerte Liebe!«

»Das ist es eben, was mich abhält, an deine Vorhersagungen zu glauben, Nanno,« sagte die San Felice lächelnd. »Mein Herz ist ruhig.«

»Warte nur! warte nur! hab' ich Dir schon gesagt,« entgegnete die Wahrsagerin heftig werdend. »Warte nur, warte nur, Ungläubige, denn der Augenblick, wo eine große Veränderung in deinem Schicksal eintreten soll, ist nicht mehr fern. Hier bemerke ich noch ein unheilvolles Anzeichen. Schau. Die Linie des Herzens vereinigt sich, wie Du siehst, mit der Kopflinie zwischen Daumen und Zeigefinger. Es ist dies, wie gesagt, ein unheilverkündendes Zeichen, welches aber durch ein entgegengesetztes Zeichen in der andern Hand bekämpft werden kann. Sehen wir einmal die rechte Hand!

Die junge Frau gehorchte und reichte der Sibylle die Hand, welche sie verlangte.

Nanno schüttelte den Kopf.

»Hier sehe ich dasselbe Zeichen,« sagte sie, »dieselbe Vereinigung.«

Gedankenvoll ließ sie die Hand fallen und da sie nicht sogleich wieder fortfuhr zu sprechen, so hob die San Felice an:

»Sprich doch. Ich sage Dir nochmals, daß ich Dir nicht glaube.«

»Um so besser, um so besser,« murmelte Nanno. »Möge die Wissenschaft trügen, möge das Unfehlbare nicht in Erfüllung gehen!«

»Was bedeutet denn die Verschmelzung dieser beiden Linien?«

»Schwere Verwundung, Gefangenschaft, Todesgefahr.«

»Ach, wenn Du mir mit körperlichen Leiden drohst, Nanno, dann wirst Du mich allerdings schwach werden sehen. Hast Du nicht selbst gesagt, daß ich nicht muthig sei? Und wo werde ich verwundet werden? Sprich.«

»Es ist seltsam. – An zwei Stellen – am Hals und in der Seite.«

Dann ließ sie die linke Hand ebenso wieder sinken, wie sie die rechte hatte sinken lassen, und fuhr fort:

»Vielleicht aber entrinnst Du der Gefahr doch – hoffen wir!«

»Nein,« hob die junge Frau wieder an, »vollende, Du durftest mir nichts sagen, oder Du mußt mir Alles sagen.«

»Ich habe Alles gesagt.«

»Dein Ton und deine Augen beweisen, daß dies nicht der Fall ist. Uebrigens hast Du auch gesagt, daß es drei Linien gäbe.«

»Die Lebenslinie, die Linie des Herzens und die Kopflinie.«

»Nun und?«

»Nun, Du hast nur zwei geprüft – die Lebenslinie und die Linie des Herzens. Es bleibt also noch die Kopflinie übrig.«

Und mit gebieterischer Geberde reichte sie der Wahrsagerin nochmals die Hand hin.

Nanno ergriff dieselbe und sagte mit verstellter Gleichgültigkeit:

»Du kannst es eben so gut sehen wie ich. Die Kopflinie durchschneidet die Ebene des Mars und neigt sich unter den Berg des Mondes. Dies bedeutet: Traum, Phantasie, Chimäre – das Leben, wie es im Mond, nicht wie es hiemieden ist.«

Plötzlich stieß Michel, welcher die Hand seiner Schwester aufmerksam betrachtete, einen Schrei aus:

»Schau doch, Nanno!« rief er.

Und er deutete mit dem Ausdruck des gewaltigsten Schreckens auf ein Zeichen in der Hand seiner Milchschwester.

Nanno drehte den Kopf herum.

»Aber so schau doch!« rief er nochmals. »Luisa hat in der hohlen Hand dasselbe Zeichen wie ich.«

»Dummkopf!« rief Nanno.

»Meinetwegen nenne mich einen Dummkopf,« rief Michel. »Ein Kreuz in der Mitte dieser Linie bedeutet Tod auf dem Blutgerüst – hast Du mir das nicht selbst gesagt?«

Die junge Frau stieß einen lauten Schrei aus und betrachtete mit scheuer Miene abwechselnd ihren Milchbruder und die Wahrsagerin.

»So schweig doch!« rief letztere, indem sie ungeduldig mit dem Fuße stampfte.

»Sieh, Schwesterchen, sieh!« sagte Michel, indem er seine linke Hand öffnete. »Schau selbst, ob wir nicht beide dasselbe Zeichen haben – ein Kreuz.«

»Ein Kreuz!« wiederholte Luisa erbleichend. Dann faßte sie die Wahrsagerin beim Arme und rief:

»Weißt Du, daß dies wahr ist, Nanno? Was soll das heißen? Gibt es in der Hand des Menschen wirklich Zeichen je nach seinem Stande, und ist das, was für den einen tödtlich ist, für den andern gleichgültig? Da Du einmal begonnen hast, so vollende auch.«

Nanno machte ihren Arm sanft von der Hand los, welche sich bemühte ihn festzuhalten.

»Peinliche Dinge dürfen wir nicht enthüllen, sagte sie, ›wenn sie, das Siegel des unbedingten Verhängnisses tragend, trotz aller Anstrengungen des Willens und des Verstandes unvermeidlich sind.‹

Nach einer Pause setzte sie hinzu:

»Vorausgesetzt, daß die bedrohte Person, in der Hoffnung, das Verhängniß zu bekämpfen, nicht diese Offenbarung von uns verlangt.«

»Verlange, Schwesterchen, verlange!« rief Michel; »Du bist reich, Du kannst fliehen. Vielleicht existiert die Gefahr, welche Du läuft, blos in Neapel. Vielleicht würde sie Dich in Frankreich, in England, in Deutschland nicht verfolgen.«

»Und warum willst Du nicht auch fliehen?« antwortete Luisa. »Du behauptet ja, daß wir beide ein und dasselbe Zeichen tragen?«

»Ach, mit mir ist es etwas Anderes. Ich kann Neapel nicht verlassen. Ich bin an die Marinella gefesselt wie der Stier an's Joch. Ich bin arm und muß mit der Arbeit meiner Hände nicht blos mich, sondern auch meine Mutter ernähren. Was sollte aus der armen alten Frau werden, wenn ich fortginge?«

»Und wenn Du stirbst, was wird dann aus ihr?«

»Wenn ich sterbe, so hat Nanno die Wahrheit gesprochen, Luisa, und wenn sie die Wahrheit gesprochen hat, so werde ich, ehe ich sterbe, Oberst sein. Wohlan, wenn ich Oberst bin, dann gebe ich ihr mein ganzes Geld und sage zu ihr: Lege dies auf die Seite, Mama, und wenn man mich dann hängt – denn mich hängt man – so ist sie meine Erbin.«

»Oberst! Armer Michele! Du glaubst an diese Prophezeiung?«

»Nun, was ist weiter dabei? Es ist stets gut, das Schlimmste vorauszusetzen. Meine Mutter ist alt, ich bin arm und wenn wir Eines oder das Andere das Leben verlieren, so ist der Verlust für Keines sonderlich groß.«

»Und Affunta?« fragte die junge Frau lächelnd.

»O, Affunta macht mir weniger Unruhe als meine Mutter. Affunta liebt mich, wie eine Geliebte ihren Anbeter liebt, aber nicht wie eine Mutter ihren Sohn liebt. Eine Witwe tröstet sich mit einem anderen Mann, eine Mutter aber tröstet sich nicht mit einem andern Kind. Doch lassen wir die alte Mechelemma und kommen wir wieder auf Dich zurück, Schwesterchen, auf Dich, die Du jung, reich, schön und glücklich bist. O Nanno, Nanno! Höre, was ich sage: Du mußt Luisa augenblicklich mittheilen, woher die Gefahr kommen wird, oder wehe Dir!«

Die Wahrsagerin hatte ihren Mantel wieder aufgerafft und war eben beschäftigt, ihn sich wieder um die Schultern zu werfen.

»Nein, so darfst Du nicht fort, Nanno!« rief der Lazzarone, indem er auf die Albaneserin zusprang und sie beim Handgelenke packte. »Mir kannst Du sagen, was Du willst, meiner Schwester aber – Luisa – o nein, nein, das ist etwas Anderes! Du hast es selbst gesagt. Wir haben an einer und derselben Brust gesogen. Gern will ich wenn es sein muß, zweimal sterben, einmal für mich, einmal für sie, aber ich will nicht, daß man auch nur ein Haar auf ihrem Haupte krümme. Hörst Du wohl?«

Und er zeigte auf die junge Frau, welche bleich, unbeweglich und keuchend in ihren Lehnsessel zurückgesunken war und nicht wußte, welchen Grad von Glauben sie der Albaneserin schenken sollte. Jedenfalls aber war sie heftig aufgeregt.

»Nun, da Ihr es alle Beide wollt,« sagte die Wahrsagerin, indem sie sich Luisa näherte, »so wollen wir es versuchen. Wenn das Schicksal beschworen werden kann, wohlan, dann wollen wir es beschwören, obschon es,« setzte sie hinzu, »ein Verbrechen gegen den Himmel ist, gegen das zu kämpfen, was einmal geschrieben steht. Gib mir noch einmal deine Hand, Luisa.«

Luisa reichte ihr die zitternde, geballte Hand und die Albaneserin sah sich genöthigt, ihr halb mit Gewalt die Finger aufzubrechen.

»Dies hier ist die Linie des Herzens, welche unter dem Berge des Saturn sich in zwei Stümpfe bricht. Hier ist auch das Kreuz in der Mitte der Kopflinie und hier ist endlich die zwischen dem zwanzigsten und dem dreißigsten Jahre plötzlich unterbrochene Lebenslinie.«

»Und Du siehst nicht, woher die Gefahr kommt? Du kennt nicht die Ursachen, welche bekämpft werden müßten?« rief die junge Frau, aufgestachelt von der Angst, welche ihr Milchbruder für sie an den Tag gelegt und welche sie durch ihre Augen, durch das Zittern ihrer Stimme und die Aufregung ihres ganzen Wesens ebenfalls zu erkennen gab.

»Die Liebe, immer die Liebe!« rief die Zauberin; »eine unheilvolle, unwiderstehliche, tödtliche Liebe!«

»Aber kennst Du wenigstens den, welcher der Gegenstand derselben sein wird?« fragte Luisa, indem sie aufhörte sich zu wehren und zu läugnen, denn der Ton der Ueberzeugung, in welchem die Wahrsagerin sprach, verfehlte nicht, allmälig seine Wirkung zu äußern.

»Dein Loos ist ein düster umwölktes, armes Geschöpf!« antwortete die Sibylle. »Ich sehe ihn, aber ich kenne ihn nicht. Er erscheint mir wie ein Wesen, welches nicht dieser Welt angehört. Er ist das Kind des Eisens und nicht des Lebens. Er ist – unmöglich! und dennoch ist es so – er ist von einer Todten geboren!«

Die Wahrsagerin stand mit starrem Blicke da, als ob sie unbedingt in dem Dunkel der Zukunft lesen wollte. Ihr Auge erweiterte sich und nahm die runde Form des Auges der Katze oder der Eule an, während sie mit der Hand eine Geberde machte, als ob sie einen Schleier zu entfernen suchte.

Michel und Luisa sahen einander an. Der kalte Schweiß perlte auf der Stirn des Lazzarone. Luisa war weißer als der battistene Pudermantel, in welchen sie sich gehüllt.

»Ha!« rief Michel nach einem Augenblick des Schweigens, indem er sich mit Gewalt aus der abergläubischen Angst aufrüttelte, welche ihn zu Boden drückte; »wie albern sind wir, daß wir auf diese alte Närrin hören! Daß ich gehängt werde, ist allerdings wohl möglich. Ich bin ein unruhiger Kopf und in unserer Lage, mit meinem Charakter, sagt man oft ein Wort, man wird handgemein, man fährt mit der Hand in die Tasche, man zieht ein Messer heraus, man öffnet es, man läßt sich vom Teufel blenden, man sticht seinen Gegner nieder; er fällt, er ist todt, man wird von einem Sbirren festgenommen, man wird von dem Polizeicommissär verhört, dann von dem Richter verurtheilt, Meister Donato, der Henker, packt einen an der Schulter, wirft einem den Strick um den Hals und patsch! da hängt man. Aber Du, Schwesterchen, was kannst Du mit dem Blutgerüst gemein haben? Welches Verbrechen könntest Du mit deinem Taubenherzen auch nur träumen? Wen könntest Du mit deinen kleinen Händen umbringen? Denn man bestraft die Leute doch nur dann mit dem Tode, wenn sie Jemanden umgebracht haben, und übrigens werden hier zu Lande die Reichen wegen so etwas gar nicht hingerichtet. Willst Du etwas Neues wissen, Nanno? Von heute an wird man nicht mehr sagen: »Michele, der Narr, sondern man wird sagen: »Nanno, die Närrin.«

In diesem Augenblick faßte Luisa ihren Milchbruder am Arme und zeigte mit dem Finger auf die Wahrsagerin.

Diese stand immer noch stumm und unbeweglich auf derselben Stelle. Nur hatte sie sich ein wenig vorwärts geneigt und schien durch Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft allmälig etwas in jener Nacht zu erkennen, welche sie einen Augenblick vorher sich beklagt hatte immer dichter werden zu sehen.

Ihr magerer Hals streckte sich aus ihrem schwarzen Mantel hervor und ihr Kopf bewegte sich von rechts nach links wie der einer Schlange, die sich zum Sprunge anschickt.

»Ha, jetzt sehe ich ihn!« rief sie plötzlich. »Es ist ein schöner junger Mann von fünfundzwanzig Jahren mit schwarzen Augen und schwarzem Haar. Er kommt, er nähert sich. Auch er ist von einer großen Gefahr bedroht – von Todesgefahr. Zwei, drei, vier Männer folgen ihm. Sie tragen Dolche unter ihren Kleidern –«

Dann, wie von einer plötzlichen Offenbarung betroffen, setzte sie beinahe freudig hinzu:

»Ach, wenn man ihn doch umbrächte!«

»Nun?« fragte Luisa erstaunt und mit zitternder Begier an den Lippen der Wahrsagerin hängend, »wenn man ihn umbrächte, was würde dann geschehen?«

»Wenn man ihn umbrächte, so wärest Du gerettet, denn er ist es, der deinen Tod herbeiführen wird.«

»O mein Gott!« rief die junge Frau ebenso fest überzeugt, als ob sie selbst sähe, was Nanno zu sehen glaubte, »o mein Gott! Wer er auch sein mag, schütze ihn!«

In demselben Augenblick hörte man unter den Fenstern des Hauses den Doppelknall zweier Pistolenschüsse, dann lautes Schreien und Fluchen, dann nichts weiter als das Klirren von Eisen gegen Eisen.

»Signora! Signora!«, rief die Zofe, welche mit verstörtem Gesicht hereingestürzt kam, »man ermordet einen Menschen unter den Mauern des Gartens.«

»Michele!« rief Luisa, die Hände faltend und die Arme ausstreckend, »Du bist ein Mann und Du hast ein Messer. Willst Du einen Nebenmenschen ermorden lassen, ohne ihm Hilfe zu leisten?«

»Nein, bei der Madonna, das werde ich nicht thun!« rief Michele.

Mit diesen Worten eilte er ans Fenster und öffnete es, um auf die Straße hinabzuspringen. Plötzlich aber stieß er einen lauten Schrei aus, warf sich zurück und duckte sich nieder bis unter das Fenster.

»Pasquale de Simone, der Sbirre der Königin!« murmelte er mit vor Furcht halb erstickter Stimme.

»Wohlan,« rief die San Felice, »dann ist es an mir, den Unglücklichen zu retten!«

Und sie eilte nach der Rampe.

Nanno machte eine Bewegung, um sie zurückzuhalten, schüttelte aber den Kopf und ließ die Arme sinken.

»Geh nur, arme Verurtheilte,« sagte sie; »möge der Schicksalsspruch der Gestirne in Erfüllung gehen.«

La San Felice

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