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Die San Felice
Fünftes Capitel.
Der Palast der Königin Johanna

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Es gibt in Neapel am äußersten Ende von Mergellina, an der Straße nach Pausilippo, welche zu der Zeit, von welcher wir hier sprechen, ein kaum fahrbarer schmaler Weg war, eine seltsame Ruine, die ihrer ganzen Länge nach auf einer Felsenklippe steht, welche unaufhörlich von den Wellen des Meeres bespült wird, so daß zu den Stunden der Flut diese bis in die unteren Gemächer eindringt.

Wir haben gesagt, es sei eine seltsame Ruine, und sie ist es auch in der That, denn es ist die eines Palastes, welcher niemals vollendet worden und der sich im Zustand der Hinfälligkeit befindet, ohne jemals das Leben gesehen zu haben.

Das Volk, in dessen Erinnerung das Verbrechen eine hartnäckigere Lebensdauer hat als die Tugend, das Volk, welches in Rom, die wohlthätigen und fruchtbringenden Regierungen Marc Aurel’s und Trajans vergessend, dem Reisenden nicht eine einzige Ruine zeigt, welche sich auf das Leben dieser beiden Kaiser bezöge, das Volk, welches sich heute noch für den Vergifter des Britannicus und den Mörder Agrippinas enthusiasmiert, das Volk bringt den Namen des Sohnes von Domitius Aenobarbus mit allen Monumenten in Verbindung, selbst mit solchen, die achthundert Jahre nach ihm errichtet worden, und zeigt jedem Vorübergehenden die Bäder des Nero, den Thurm des Nero, das Grabmal des Nero.

Eben so macht es das Volk von Neapel, welches die Ruine von Mergellina den Palast der Königin Johanna nennt, obschon ihre dem siebzehnten Jahrhundert angehörende Architektur dieser Behauptung offenbar widerspricht.

Dieser Palast ist nicht durch die königsmörderische Gattin Andreas oder durch die ehebrecherische Maitresse Sergianis Caracciolo erbaut, sondern durch Anna Caraffa, die Gattin des Herzogs von Medina, Günstlings jenes Herzogs Olivarez, den man den Grafenherzog nannte und welcher selbst der Günstling des Königs Philipp des Vierten war.

Olivarez' Sturz hatte auch den Medinas zur Folge, der nach Madrid zurückgerufen ward und in Neapel seine Gattin als Ziel des doppelten Hasses zurückließ, welchen sie durch ihren Stolz, er durch seine Tyrannei erweckt.

Je demüthiger und stummer die Völker während der Glückstage ihrer Unterdrücker sind, desto unversöhnlicher sind sie am Tage des Sturzes derselben.

Die Neapolitaner, welche, so lange die Macht des nun in Ungnade gefallenen Vicekönigs gedauert, kein Murren hören gelassen, verfolgten ihn nun in seiner Gemahlin, und Anna Caraffa verließ, vernichtet durch die Verachtung der Aristokratie und die Schmähungen und Beleidigungen, welche sie vom Pöbel zu ertragen hatte, Neapel, ebenfalls um in Portici zu sterben, während sie ihren Palast als Symbol ihres so plötzlichen Glückswechsels halb vollendet zurückließ.

Seit dieser Zeit hat das Volk diesen Steinkoloß zum Gegenstand eines unheimlichen Aberglaubens gemacht.

Obschon die Phantasie der Neapolitaner nur einen mittelmäßigen Hang zu der nebelhaften Poesie des Nordens hat und die Gespenster, die gewohnten Gäste dicker Dünste, sich nicht in die durchsichtige Atmosphäre der modernen Parthenope wagen, so haben sie doch, man weiß selbst nicht warum, diese Ruine mit unbekannten böswilligen Geistern bevölkert, welche die Ungläubigen behexen, die keck genug sind, sich in dieses Skelett von einem Palast zu wagen, oder die, welche, noch kecker, versucht haben, ihn zu vollenden – trotz des Fluches, der darauf lastet, und trotz des Meeres, welches bei seinem immer höheren Steigen mehr und mehr eindringt.

Man sollte meinen, daß in dem vorliegenden Falle die unbeweglichen und unempfindlichen Mauern menschliche Leidenschaften geerbt haben, oder daß die rachsüchtigen Seelen Medinas und Anna's nach dem Tode wiederum ihren Wohnsitz in diesen verlassenen Räumen genommen haben, deren Bewohnung ihnen bei ihren Lebzeiten nicht gestattet war.

Dieser Aberglaube ward in der Mitte des Jahres 1798 durch die Gerüchte bestätigt, welche sich ganz besonders unter den Bewohnern von Mergellina, das heißt eines Ortes verbreiteten, welcher dem Schauplatz dieser düsteren Traditionen am nächsten liegt.

Man erzählte, man habe seit einiger Zeit in dem Palast der Königin Johanna – denn wir haben es bereits gesagt, das Volk gab ihm beharrlich diesen Namen und wir behalten als Romanschreiber denselben bei, obschon wir als Archäolog dagegen protestieren – man erzählte, man habe Kettengeklirr und Seufzer gehört und durch die gähnenden Fenster unter den düsteren Arcaden blaßblaue Lichterchen gesehen, welche in den feuchten unbewohnten Sälen umherirrten.

Man behauptete endlich – und es war ein alter Fischer Namens Basso Tomeo, welchem man das unbedingteste Vertrauen schenkte, der es erzählte – man behauptete, daß diese Ruinen ein Schlupfwinkel von Uebelthätern geworden seien.

Die Grundlage, worauf Basso Tomeo diese letzte Versicherung stützte, war folgende:

Während einer stürmischen Nacht, wo trotz der Furcht, welche das verwünschte Schloß ihm einflößte, er sich genöthigt gesehen, Zuflucht in einem kleinen Henkel zu suchen, den die Klippe, auf der es erbaut ist, von Natur bildet, hatte er in dem Dunkel der langen Corridors Schatten hinschweben sehen, welche mit dem langen Gewand der Bianchi bekleidet waren, das heißt mit dem Costüm der Büßer, welche den zum Galgen oder zum Schaffot verurtheilten Delinquenten in ihren letzten Augenblicken zur Seite stehen.

Er sagte auch noch mehr. Er sagte, gegen Mitternacht – er konnte genau die Stunde angeben, denn er hatte sie auf der Kirche der Madonna de Piedi Grotta schlagen gehört – habe er einen jener Männer oder jener Dämonen gesehen.

Derselbe war auf dem Felsen, an dessen Fuße das Boot des Fischers lag, einen Augenblick stehen geblieben, und dann an der steilen Böschung, die nach dem Meere hinabführt, herabgleitend, gerade auf ihn zugekommen.

Erschrocken über diese Erscheinung hatte der alte Fischer die Augen geschlossen und sich gestellt, als schliefe er. Einen Augenblick später hatte er gefühlt, wie ein Boot sich unter der Last eines Körpers neigte. Von immer höher steigender Angst gefoltert, hatte er ein wenig die Augen geöffnet, um zu erspähen, was über ihm vorginge, und wie eine Wolke hindurch hatte er jene gespenstische Gestalt gesehen, die sich mit einem Dolche in der Hand über ihn neigte.

Die Spitze dieses Dolches hatte er einen Augenblick später an seiner Brust gefühlt. Ueberzeugt jedoch, daß das menschliche oder übermenschliche Wesen, mit welchem er zu thun hatte, sich blos Gewißheit verschaffen wolle, ob er wirklich schlief, hatte er sich unbeweglich verhalten und seinen Athemzug so gut als möglich dem eines Menschen nachgeahmt, der in den tiefsten Schlaf versenkt ist.

In der That hatte die furchtbare Erscheinung, nachdem sie sich einen Augenblick lang über ihn geneigt, sich plötzlich auf dem Felsen vollständig wieder aufgerichtet und mit demselben Schritt und mit derselben Leichtigkeit, wie sie herabgekommen, den Felsen wieder zu ersteigen begonnen.

Ebenso wie vor dem Herunterkommen war sie dann auch einen Augenblick lang oben stehen geblieben, um sich zu überzeugen, daß Basso Tomeo immer noch schliefe, und dann in die Ruinen hinein verschwunden, aus welchen sie hervorgekommen.

Die erste Bewegung, welche Basso Tomeo gemacht, war die gewesen, daß er nach seinen Rudern griff, um schnell zu entfliehen. Er hatte jedoch bedacht, daß er, wenn er fliehe, gesehen werden, daß man dann merken würde, er habe nicht geschlafen, sondern sich blos so gestellt – eine Entdeckung, welche ihm, sei es nun sofort, sei es später, sehr nachtheilig werden konnte.

Auf alle Fälle war der Eindruck auf den alten Basso Tomeo ein so tiefer gewesen, daß er mit seinen drei Söhnen Gennaro, Luigi und Gaetano, seiner Frau und seiner Tochter Assunta von Mergellina hinweg und nach Marinella, das heißt ans andere Ende von Neapel und auf die entgegengesetzte Seite des Hafens gezogen war.

Alle diese Gerüchte hatten unter der neapolitanischen Bevölkerung, der abergläubischsten, die es gibt, begreiflicherweise eine immer größere Consistenz gewonnen.

Jeden Tag oder vielmehr jeden Abend wurden von dem äußersten Ende von Pausilippo an bis zur Kirche der Madonna de Pie di Grotta an Bord der Barken, auf welchen die Fischer die Stunde erwarten, wo sie ihre Netze auswerfen, oder in dem Wohnzimmer, wo die ganze Familie beisammen saß, neue Geschichten erzählt, von welchen die eine immer schrecklicher war als die andere.

Was die intelligenten Personen betraf, welche nicht so leicht an Geistererscheinungen und verwünschte Ruinen glauben, so waren sie gleichwohl die Ersten, welche diese Gerüchte weiter verbreiteten, oder wenigstens sie ohne Widerspruch weiter erzählen ließen.

Sie maßen nämlich die Ereignisse, welche zu allen diesen Volkssagen Anlaß gaben, weit ernsteren und besonders weit drohenderen Ursachen bei, als Erscheinungen von Gespenstern und Seufzern gemarterter Seelen.

Das, was man sich leise, nachdem man sich vorher mit unruhiger Miene umgeschaut, von Vater zu Sohn, von Bruder zu Bruder, von Freund zu Freund erzählte, war nämlich Folgendes:

Man sagte, die Königin Marie Caroline habe durch die in Frankreich von der Revolution hervorgerufenen Ereignisse, welche den Tod ihres Schwagers Ludwigs des Sechzehnten und ihrer Schwester Marie Antoinettens herbei geführt, bis zum Wahnsinn aufgestachelt, zur Verfolgung der Jacobiner eine Staatsjunta eingesetzt, welche, wie man wußte, drei unglückliche junge Leute, Emanuele de Deo, Vitaliano und Galiani, die alle drei zusammen noch nicht das Alter eines Greises hatten, zum Tode verurtheilt.

In Anbetracht des Murrens aber, welches diese dreifache Hinrichtung hervorgerufen, und da Neapel geneigt war, aus den angeblichen drei Verbrechern drei Märtyrer zu machen, so sagte man, habe die Königin, ihre Rache im Dunklen, aber nicht minder sicher verfolgend, in einem Zimmer des Palastes, welches man wegen der Finsterniß, in welcher die Richter und die Ankläger weilten, das finstere Zimmer nannte, eine Art geheimes, unsichtbares Tribunal errichtet, welches man das Tribunal des heiligen Glaubens nannte.

In diesem Zimmer und vor diesem Tribunal empfange man die Aussagen nicht blos unbekannter, sondern auch maskierter Ankläger; man spreche hier Urtheile, welchen nur die Angeklagten beiwohnten, und die denselben erst bekannt gemacht würden, wenn sie schon dem Vollstrecker dieser Urtheile, Pasquale de Simone, gegenüberstünden, welcher mochte nun die gegen Caroline erhobene Anklage wahr oder falsch sein, in Neapel nur unter dem Namen des Sbirren der Königin bekannt war.

Dieser Pasquale von Simone sagte, wie man versicherte, dem Verurtheilten nur ein einziges leises Wort und sein Stoß war so sicher, daß derselbe allemal tödtlich war.

Uebrigens, erzählte man ferner, ließe der Mörder allemal in der Wunde den Dolch zurück, auf dessen Griff die beiden Buchstaben S. F. – Santa Fede – durch ein Kreuz getrennt eingraviert seien.

Es fehlte nicht an Leuten, welche wirklich derartige Leichen aufgehoben und den rächenden Dolch in der Wunde vorgefunden zu haben erklärten.

Noch weit mehr aber gab es deren, welche gestanden, daß sie bei dem Anblick eines auf der Erde liegenden Cadavers die Flucht ergriffen, und zwar ohne sich erst die Mühe genommen zu haben, nachzusehen, ob der Dolch in der Wunde stecken geblieben sei oder nicht, und noch weit weniger, ob dieser Dolch, wie jener der heiligen Vehme in Deutschland, auf einer Klinge irgend ein Zeichen trug, welches die Hand verrieth, die sich dieser Waffe bedient hatte.

Es war auch noch eine dritte Version in Umlauf, die vielleicht nicht die wahrste, obschon die wahrscheinlichste war.

Dieselbe lautete dahin, daß eine Bande von Missethätern, die in Neapel, wo die Galeeren blos die Landhäuser des Verbrechens sind, so häufig angetroffen werden, für eigene Rechnung arbeite und sich dadurch Straflosigkeit zu sichern wisse, daß sie glauben mache, sie arbeite für Rechnung der königlichen Rache.

Welche von diesen Versionen nun die gegründete sein oder der Wahrheit am nächsten kommen mochte, so öffnete während des Abends jenes selben 22. September, während die Feuerwerke auf dem Schloßplatze, auf dem Mercatello und dem Platze delle Pigue abgebrannt wurden, während die Menge gleich einem zwischen zwei steilen Ufern dahinrauschenden Strom sich unter der Flammenarcade der Illumination in die einzige Arterie, welche das Leben von einem Ende Neapels zum andern trägt, das heißt in die Toledostraße ergoß, während man sich in dem Palast der englischen Gesandtschaft von dem durch die Erscheinung des französischen Gesandten und das von ihm geschleuderte Anathema verursachten Schrecken zu erholen begann – während Alles dies geschah, sagen wir, öffnete sich eine kleine hölzerne Thür, die auf die einsamste Stelle des Weges nach Pausilippo zwischen der Klippe von Frisa und dem Restauranten de la Schiava herausführte, von außen nach innen, um einen Mann heraustreten zu lassen, der sich in einen großen Mantel gehüllt, mit welchem er den unterm Theil seines Gesichtes verdeckte, während der obere Theil sich in dem Schatten verlor, den ein bis auf die Augen hereingezogener breitkrämpiger Hut darüberwarf.

Nachdem dieser Mann die Thür wieder sorgfältig hinter sich verschlossen, schlug er einen schmalen Fußsteig ein, der am Rande der steilen Böschung hin nach dem Meer hinab und unmittelbar nach dem Palaste der Königin Johanna führte.

Anstatt jedoch bis ganz an den Palast zu reichen, endete dieser Fußweg an einem steilen Felsen, welcher den Abgrund um zehn bis zwölf Fuß überragte.

Auf diesem Felsen lag für den Augenblick jedoch ein Brett, dessen anderes Ende auf dem Sims eines Fensters der ersten Etage des Schlosses ruhte und eine bewegliche Brücke bildete, die fast ebenso schmal war als jene Rasirmesserschneide, welche man passieren muß, um die Schwelle von Mahomeds Paradies zu erreichen.

Wie schmal und unsicher diese Brücke aber auch war, so betrat der Mann im Mantel dieselbe doch mit einer Sorglosigkeit, welche verrieth, daß er diesen Weg schon oft gewandelt.

In dem Augenblick jedoch, wo er im Begriff stand das Fenster zu erreichen, kam ein im Innern verborgen gewesener Mann zum Vorschein und vertrat dem Ankommenden den Weg, indem er ihm eine Pistole auf die Brust setzte.

Der Mann im Mantel hatte dieses Hinderniß ohne Zweifel erwartet, denn er schien dadurch nicht im Mindesten erschreckt oder auch nur beunruhigt zu werden.

Er machte vielmehr ein freimaurerisches Zeichen, murmelte dem, der ihm den Weg versperrte, die Hälfte eines Wortes zu, welches letzterer vollendete, indem er zugleich, den Eintritt in die Ruine frei ließ, was dem Manne im Mantel gestattete, von dem Fenstersims in das Zimmer hinabzusteigen.

Nachdem dies geschehen, wollte der Letztgekommene seinen Genossen auf dem Posten am Fenster, wie dies ohne Zweifel Gebrauch war, ablösen, um einen neuen Ankömmling zu erwarten, gerade so, wie auf der obersten Stufe der Treppe der königlichen Gruft von Saint-Denis der letztverstorbene König von Frankreich seinen Nachfolger erwartet.

»Es ist nicht nöthig, sagte der, welcher bis jetzt Wache gestanden. »Wir sind schon Alle eingetroffen, mit Ausnahme Velascos, der erst um Mitternacht kommen kann.«

Beide zogen nun mit vereinten Kräften das Brett an sich, welches die von dem Felsen in die Ruine führende fliegende Brücke bildete, lehnten es an die Wand und verloren, nachdem sie auf diese Weise es jedem Uneingeweihten unmöglich gemacht, ihnen zu folgen, sich in den Schatten, der im Innern der Ruinen noch viel dichter war als außerhalb derselben.

Wie schwarz, diese Finsterniß aber auch war, so schien sie doch für die beiden Genossen kein Geheimniß zu haben.

Beide folgten ohne Zögern einer Art Corridor, in welchen durch die Ritzen der Decke ein Schimmer von Sternenlicht drang, und gelangten so bis an die ersten Stufen einer Treppe, die kein Geländer hatte, aber breit genug war, um ohne Gefahr begangen werden zu können.

An einem der Fenster des Zimmers, nach welchem diese Treppe führte und welches die Aussicht auf das Meer hatte, erkannte man eine menschliche Gestalt, welche durch ihre Schwärze wohl von innen sichtbar war, von außen aber unmöglich zu erkennen gewesen wäre.

Beim Geräusche der Tritte drehte dieser Art Schatten sich herum.

»Sind wir Alle beisammen?«, fragte er.

»Ja, Alle,« antworteten die beiden Stimmen.

»Dann,« sagte der Schatten, »bleibt uns Niemand weiter zu erwarten, als der Abgesandte von Rom.«

»Wenn er nicht bald kommt, so zweifle ich, daß er wenigstens diese Nacht das gegebene Wort wird halten können,« sagte der Mann im Mantel, indem er einen Blick auf die Wogen warf, welche unter dem ersten Hauche des Sirocco zu schäumen begannen.

»Ja, das Meer fängt an zu zürnen,« antwortete der Schatten; »wenn er aber wirklich der Mann ist, den Hector uns versprochen, so wird er sich durch eine solche Kleinigkeit nicht abhalten lassen.«

»Durch eine solche Kleinigkeit! Wie Du doch sprichst, Gabriel! Der Südwind ist losgelassen und in einer Stunde wird das Meer nicht mehr zu halten sein. Es ist der Neffe eines Admirals, der Dir dies sagt.«

»Wenn er nicht zur See kommt, so kommt er zu Lande. Wenn er nicht in einem Boot kommt, so kommt er geschwommen, und wenn er nicht geschwommen kommt, so kommt er in einem Luftballon,« sagte eine junge, frische, kräftige Stimme. »Ich kenne meinen Mann, denn ich habe ihn bei der Arbeit gesehen. Sobald er zu dem General Championnet gesagt hat: »Ich werde gehen,« so wird er auch gehen, müßte er auch das Feuer der Hölle passieren.«

»Uebrigens ist es auch noch Zeit, hob der Mann im Mantel wieder an. »Die Versammlung sollte zwischen elf und zwölf Uhr stattfinden, und – hier ließ er seine Repetiruhr schlagen, »Ihr sehet, es ist noch nicht elf.«

»Dann,« sagte der, welcher sich für den Neffen eines Admirals ausgegeben und der aus diesem Grunde sich auf die Zeit verstehen mußte, »dann bin ich als der Jüngste an der Reihe, an diesem Fenster Wache zu halten und an Euch, die Ihr die reifen Männer und klugen Köpfe seid, ist es, zu berathschlagen. Geht daher hinunter in das Berathungszimmer. Ich bleibe hier und sobald ich ein Boot mit einer Laterne am Bug erblicke, melde ich es Euch sofort.

»Wir haben nicht zu berathen, aber wir haben jedenfalls eine gewisse Anzahl Neuigkeiten auszutauschen. Der Rath, welchen Nicolino uns gibt, ist daher gut, obschon er uns von einem Narren gegeben wird.«

»Wenn man mich wirklich für einen Narren hält, sagte Nicolino, »so gibt es hier vier Männer, die noch unsinniger sind als ich. Es sind dies die, welche, obschon die wissen, daß ich ein Narr bin, mich in ihre Complotte eingeweiht haben, denn, meine guten Freunde, wenn Ihr Euch auch Philomati nennt und euren Sitzungen einen wissenschaftlichen Vorwand gebt, so seid Ihr doch ganz einfach weiter nichts als Freimaurer, eine in dem Königreiche beider Sicilien geächtete Secte, und Ihr habt Euch verschworen, Seine Majestät den König Ferdinand zu stürzen und die parthenopeiche Republik zu errichten, was das Verbrechen des Hochverraths, das heißt die Todesstrafe in sich begreift. Aus der Todesstrafe machen wir, mein Freund Hector Caraffa und ich, uns gar nicht viel, weil wir ja in unserer Eigenschaft als Patrizier enthauptet werden, wodurch unserem Wappen kein Makel zugefügt wird. Du aber, Manthonnet, Du Schipani, und Cirillo, welcher unten ist, Ihr, die Ihr weiter nichts seid als Männer von Herz, von Muth, von Gelehrsamkeit, von Verdienst, Ihr, die Ihr hundertmal mehr werth seid als wir, aber das Unglück habt, bürgerliche Canaillen zu sein, Ihr werdet einfach kurz und hoch gehängt. Ha, ich will nicht lachen, liebe Freunde, wenn ich aus dem Fenster der Mannaja1 Euch am Ende eurer Stricke baumeln sehe, dafern nämlich der illustrissimo Signore Don Pasquale de Simone mich nicht auf Befehl Ihrer Majestät der Königin dieses Vergnügens beraubt. – So geht denn an euere Berathung, geht, und wenn es etwas Unmögliches zu thun gibt, das heißt etwas, was nur ein Narr verrichten kann, so denkt an mich.«

Diejenigen, an welche dieser Rath gerichtet war, schienen derselben Meinung zu sein wie der, welcher ihn gab, denn halb lachend, halb die Achseln zuckend, ließen sie Nicolino als Schildwache am Fenster zurück, gingen eine Wendeltreppe hinunter, auf deren Stufen der Schimmer einer Lampe fiel, die ein Gemach erleuchtete, welches unterhalb des Meeresspiegels in den Felsen gehauen und aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Architekten des Herzogs von Medina zu dem edlen Zwecke bestimmt gewesen, unter dem prosaischen Namen eines Kellers zum Aufbewahrungsort der besten spanischen und portugiesischen Weine zu dienen.

In diesem Keller – denn trotz der Poesie und des Ernstes unseres Gegenstandes müssen wir die Dinge bei ihrem richtigen Namen nennen – in diesem Keller saß ein Mann gedankenvoll und in Betrachtungen versunken, mit dem Ellbogen auf einen steinernen Tisch gestützt.

Sein zurückgeschlagener Mantel ließ den Schein der Lampe auf ein bleiches und durch Nachtwachen abgemagertes Gesicht fallen.

Vor ihm auf dem Tische sah man einige Papiere, Schreibfedern, ein Tintenfaß und so, daß er sie mit der Hand erreichen konnte, ein Paar Pistolen und einen Dolch.

Dieser Mann war der berühmte Arzt Domenico Cirillo.

Die drei andern Verschworenen, welche Nicolino zur Berathung geschickt und mit den Namen Schipani, Manthonnet und Hector Caraffa bezeichnet, traten einer nach dem andern in den Ring des bleichen, zitternden Lichtes, welches die Lampe verbreitete, entledigten sich ihrer Mäntel und Hüte, legten Jeder ein paar Pistolen vor sich hin und begannen nicht zu berathen, sondern die Neuigkeiten auszutauschen, welche in der Stadt die Runde machten und welche jeder Einzelne zu sammeln im Stande gewesen war.

Da wir eben so gut oder vielmehr noch besser als sie von Allem unterrichtet sind, was an jenem so ereignißvollen Tage geschehen war, so wollen wir, in der Voraussetzung, daß unsere Leser damit einverstanden sind, die Verschworenen über diesen Gegenstand, der für uns kein Interesse mehr haben könnte, sprechen lassen und dagegen die kurze Lebensgeschichte dieser fünf Männer mittheilen, welche berufen sind, bei den Vorgängen, welche wir zu erzählen beabsichtigen, eine wichtige Rolle zu spielen.

1

Italienischer Name der Guillotine.

La San Felice

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