Читать книгу La San Felice - Александр Дюма - Страница 6

Die San Felice
Zweites Capitel.
Der Held vom Nil

Оглавление

Das Schiff, welches der königlichen Flottille entgegensteuerte und an dessen Mastspitze wir die rothe Flagge Englands gesehen, hieß der »Vanguard«.

Der Officier, welcher es commandierte, war der Commodor Horaz Nelson, der so eben die französische Flotte bei Abukir vernichtet und Bonaparte und der republikanischen Armee alle Hoffnung auf die Rückkehr nach Frankreich abgeschnitten hatte.

Sagen wir mit wenigen Worten, wer dieser Commodor Horaz Nelson war, einer der größten Seehelden, die es jemals gegeben, der Einzige, welcher dem continentalen Glück Napoleons auf dem Ocean das Gleichgewicht hielt, ja es sogar erschütterte.

Man wird sich vielleicht wundern, uns das Lob Nelson's preisen zu hören, dieses furchtbaren Feindes Frankreichs, der ihm bei Abukir und Trafalgar das beste und reinste Herzblut entrissen.

Männer wie dieser sind aber einmal ein Product der allgemeinen Civilisation, die Nachwelt macht bei ihnen keinen Unterschied der Geburt und des Landes. Sie betrachtet sie vielmehr wie einen Theil der Größe des gesamten Menschengeschlechts, auf welchen dieses mit unendlicher Liebe und unermeßlichem Stolz hinblicken muß.

Einmal in das Grab hinabgestiegen, sind sie nicht mehr Landsleute oder Fremdlinge, nicht mehr Freunde oder Feinde. Sie heißen Hannibal und Scipio, Cäsar und Pompejus, das heißt Werke und Thaten. Die Unsterblichkeit naturalisiert die großen Geister zum Nutzen des Weltalls.

Nelson ward am 29. September 1758 geboren und also zu der Zeit, von welcher wir hier sprechen, ein Mann von neununddreißig bis vierzig Jahren.

Er war geboren in Barnham Thorpes, einem kleinen Dorf der Grafschaft Norfolk. Sein Vater war Pfarrer, seine Mutter starb jung und hinterließ elf Kinder.

Ein Onkel, den er in der Marine hatte und der mit den Walpoles verwandt war, nahm ihn als Aspiranten mit auf den »Redoubtable«, ein Kriegsschiff von vierundsechzig Kanonen. Auf diesem Schiff ging er nach dem Nordpol und brachte sechs Monate im Eismeer zu.

Hier kämpfte er mit einem weißen Bären, der ihn zwischen einen Tatzen erstickt haben würde, wenn nicht einer seiner Cameraden die Mündung seiner Muskete dem Bären ins Ohr gesetzt und denselben durch einen Schuß niedergestreckt hätte.

Dann ging er nach dem Aequator, verirrte sich in einem Walde Perus, schlief am Fuße eines Baumes ein, ward von einer Schlange der schlimmsten Art gestochen, wäre an diesem Stich beinahe gestorben und behielt davon lebenslang schwarzgelbe Flecken gleich denen der Schlange selbst.

In Canada hatte er seine erste Liebschaft und hätte beinahe seine größte Thorheit begangen. Um die Person, welche er liebte, nicht zu verlassen, wollte er seine Entlassung als Fregattencapitän nehmen. Seine Officiere aber bemächtigten sich seiner unvermuthet, banden ihn wie einen Verbrecher oder einen Tollhäusler, trugen ihn auf das »Sea Horse«, welches er damals commandierte, und gaben ihm erst auf offener See die Freiheit wieder.

Nach London zurückgekehrt, verheiratete er sich mit einer jungen Witwe, Namens Mitreß Nisbett. Er liebte sie mit jener Leidenschaft, welche sich in seiner Seele so leicht und so heftig entzündete, und als er wieder zur See ging, nahm er einen Sohn, Namens Josua, mit, den sie von ihrem ersten Manne hatte.

Als Toulon durch den Admiral Trogof und den General Mandet den Engländern überlassen ward, war Horaz Nelson Capitän an Bord des »Agamemnon« und ward mit seinem Schiffe nach Neapel geschickt, um dem Könige Ferdinand und der Königin Carolina die Einnahme des wichtigsten französischen Kriegshafens zu melden.

Sir William Hamilton, der englische Gesandte, traf ihn beim Könige, nahm ihn mit nach Hause, ließ ihn in dem Salon, ging in das Zimmer seiner Gattin und sagte zu ihr:

»Ich bringe Ihnen einen kleinen Mann, der sich nicht rühmen kann, schön zu sein; ich müßte mich aber sehr irren, wenn er nicht später einmal der Stolz Englands und der Schrecken unserer Feinde würde.«

»Und woraus schließen Sie das?« fragte Lady Hamilton.

»Aus den wenigen Worten, die wir gewechselt haben. Er ist im Salon. Kommen Sie, um ihm die Honneurs unseres Hauses zu machen. Ich habe noch niemals einen englischen Officier bei mir empfangen, aber ich will nicht, daß dieser anderswo, als in meinem Hotel wohne.«

Und Nelson wohnte in der englischen Gesandtschaft, deren Hotel an der Ecke des Flusses und der Straße von Chiaja stand.

Nelson war damals, im Jahre 1793, ein Mann von vierunddreißig Jahren, klein von Wuchs, wie Sir William gesagt, bleich von Gesicht, mit blauen Augen und jener Adlernase, welche das Profil der Kriegsmänner auszeichnet und Cäsar und Condé Aehnlichkeit mit Raubvögeln gibt; mit jenem hervorragenden Kinne, welches die bis zur Hartnäckigkeit getriebene Zähigkeit verräth.

Was Haar und Bart betraf, so waren dieselben hellblond und dünn.

Nichts verräth, daß zu jener Zeit Emma Lyonna in Bezug auf Nelsons äußere Erscheinung einer anderen Meinung gewesen sei, als ihr Gatte. Die so zu sagen niederschmetternde Schönheit der Gesandtin aber äußerte ihre Wirkung. Nelson verließ Neapel, nahm die Verstärkungen mit, welche er von dem neapolitanischen Hofe verlangt, und hatte sich in Lady Hamilton verliebt bis zum Wahnsinn.

Geschah es aus reinem Ehrgeiz, oder geschah es, um sich von jener Liebe zu heilen, die, wie er fühlte, unheilbar war, daß er bei der Einnahme von Calvi, wo er ein Auge, oder bei der Expedition nach Tenneriffa, wo er ein Bein verlor, den Tod suchte? Man weiß dies nicht, aber bei diesen beiden Gelegenheiten setzte er sein Leben mit einer solchen Tollkühnheit aufs Spiel, daß man glauben mußte, es läge ihm äußerst wenig daran.

Lady Hamilton sah ihn sonach als Einäugigen und Einbeinigen wieder, und nichts verräth, daß ihr Herz für den verstümmelten Helden ein anderes Gefühl gehegt habe, als jenes zärtliche, theilnehmende Mitleid, welches die Schönheit den Märtirern des Ruhmes schuldig ist.

Am 16. Juni 1798 kam er zum zweiten Male nach Neapel und zum zweiten Male sah er sich der Lady Hamilton gegenüber.

Die Lage war für Nelson eine sehr kritische.

Beauftragt, die französische Flotte in dem Hafen von Toulon zu blockieren und sie, wenn sie denselben verließe, anzugreifen, hatte er gleichwohl diese Flotte sich zwischen den Fingern hindurchschlüpfen gesehen und dieselbe hatte im Vorüberfahren Malta genommen und dreißigtausend Mann in Alexandrien ans Land gesetzt.

Dies war noch nicht Alles. Von einem Sturm umhergetrieben, der seinen Schiffen schwere Beschädigungen zugefügt, an Wasser und Lebensmitteln Mangel leidend, konnte er seine Verfolgung nicht fortsetzen, sondern mußte nach Gibraltar steuern, um sich zu verproviantiren.

Er war verloren. Man konnte des Hochverraths einen Mann anklagen, welcher einen Monat lang in dem mittelländischen Meere, das heißt in einem großen See, eine Flotte von dreizehn Linienschiffen und dreihundert siebenundachtzig Transportschiffen gesucht hatte, nicht blos ohne sie einholen zu können, sondern auch ohne ihren Curs ermittelt zu haben.

Jetzt handelte es sich darum, unter den Augen des französischen Gesandten von dem Hofe der beiden Sicilien die Erlaubniß zu erhalten, daß Nelson in den Häfen von Messina und Syracus Wasser und Lebensmittel und in Calabrien Schiffsbauholz einnehmen dürfte, um seine zerbrochenen Masten und Raaen zu ersetzen.

Nun aber hatte der Hof beider Sicilien einen Friedensvertrag mit Frankreich geschlossen. Dieser Vertrag machte ihm die strengste Neutralität zu Pflicht und wenn man Nelson das, was er verlangte, gewährte, so war dies eine offenbare Verletzung dieses Tractats und ein Bruch dieser Neutralität.

Ferdinand und Caroline verabscheuten aber die Franzosen so sehr und hatten Frankreich einen solchen Haß geschworen, daß Alles, was Nelson begehrte, ihm ohne Bedenken gewährt ward, und Nelson, welcher wußte, daß nur ein großer Sieg ihn retten konnte, verließ Neapel verliebter und wahnsinniger als je, mit dem Schwur, zu siegen oder sich bei der ersten Gelegenheit tödten zu lassen.

Er siegte und wäre beinahe getödtet worden. Niemals seit Erfindung des Pulvers und Anwendung des Geschützes war eine entsetzlichere Seeschlacht geschlagen worden. Von den dreizehn Linienschiffen, aus welchen, wie wir bereits bemerkt, die französische Flotte bestand, konnten nur zwei den Flammen und der gänzlichen Zerstörung durch den Feind entrinnen.

Ein Schiff, der »Orient«, war in die Luft geflogen. Ein anderes Linienschiff und eine Fregatte waren in den Grund gebohrt worden, neun waren in die Hände der Sieger gefallen.

Nelson hatte sich während der ganzen Zeit, welche der Kampf gedauert, als vollkommener Held gezeigt. Er hatte sich dem Tode dargeboten und der Tod hatte ihn nicht gewollt, wohl aber hatte er eine grausame Verwundung davongetragen.

Eine Kugel vom »Wilhelm Tell« hatte eine Raa des »Vanguard« getroffen und die zerschossene Raa war Nelson in demselben Augenblick, wo er den Kopf emporrichtete, um die Ursache des furchtbaren Krachens, welches er hörte, zu erspähen, auf die Stirn gefallen, hatte ihm die Haut des Hirnschädels über das einzige Auge, welches er noch besaß, herabgeschlagen und ihn wie einen von einem Keulenschlage getroffenen Stier von seinem Blut überströmt aufs Deck hingestreckt.

Nelson glaubte, die Wunde sei tödtlich, ließ den Caplan rufen, um sich von diesem den letzten Segen ertheilen zu lassen, und beauftragte ihn mit den letzten Grüßen an seine Familie.

Nach dem Priester aber kam der Chirurg, dieser untersuchte die Hirnschale. Dieselbe war unversehrt. Nur die Stirnhaut war losgerissen und fiel bis über den Mund herab.

Die Haut ward wieder in ihre naturgemäße Lage zurückgebracht, an der Stirn angeheftet und durch eine schwarze Binde festgehalten.

Nelson raffte das seiner Hand entfallene Sprachrohr auf und machte sich wieder an das Werk der Zerstörung, indem er »Feuer!« commandierte.

Es lag der Hauch eines Titans in dem Haß dieses Mannes gegen Frankreich.

Am 2. August, acht Uhr Abends, war, wie wir schon vorhin bemerkten, von der ganzen französischen Flotte nichts weiter übrig als zwei Schiffe, die sich nach Malta flüchteten .

Ein leichtes Fahrzeug trug die Nachricht von Nelsons Siege und der Zerstörung der französischen Flotte an den Hof von Neapel und zur Admiralität von England.

Ganz Europa hallte bis nach Asien wieder von einem unermeßlichen Freudenschrei, so sehr fürchtete man die Franzosen, so sehr verwünschte und verabscheute man die französische Revolution.

Ganz besonders der Hof von Neapel ward, nachdem er vor Wuth geschnaubt, nun vor Freude fast wahnsinnig.

Natürlich war es Lady Hamilton, welche Nelson's Brief empfing, der ihr diesen Sieg meldete, welcher dreißigtausend Mann Franzosen und Bonaparte mit ihnen in Egypten gefangen hielt.

Bonaparte, der Mann von Toulon, des 13. Vendemiaire, von Montenotte, von Dego, von Arcole und von Rivoli, der Ueberwinder Beaulieus, Wurmser's, Alvinzi‘s und des Prinzen Karl, der Schlachtenheld, welcher binnen weniger als zwei Jahren hundert und fünfzigtausend Gefangene gemacht, hundert und siebzig Fahnen erobert, fünfhundert und fünfzig Geschütze von schwerem Caliber, sechshundert Feldkanonen und fünf Brückenequipagen genommen, der Ehrgeizige, welcher gesagt hatte, Europa sei ein Maulwurfshaufen und nur im Orient habe es jemals große Staaten und große Revolutionen gegeben, der abenteuerlustige Feldherr, der, mit neunundzwanzig Jahren schon größer als Hannibal und Scipio, Egypten erobern wollte, um ebenso groß zu sein als Alexander und Cäsar, war nun mit einem Male beseitigt, unterdrückt, aus der Liste der Kämpfenden gestrichen.

Er hatte bei dem großartigen Kriegsspiel endlich einen Gegner gefunden, der glücklicher oder geschickter war als er. Auf dem riesigen Schachbrett des Nil, wo Obelisken die Bauern, Sphinxe die Springer, Pyramiden die Thürme sind, wo die Läufer Kambytes, die Könige Sesostris und die Königinnen Kleopatra heißen, war er auf einmal mattgesetzt.

Die Furcht, welche die vereinten Namen Frankreich und Bonaparte den Souveränen Europas eingejagt, läßt sich am besten nach den Geschenken beurtheilen, welche Nelson von diesen Souveränen empfing, die außer sich vor Freude waren, als die Frankreich gedemüthigt sahen und Bonaparte verloren glaubten.

Die Aufzählung dieser Geschenke ist leicht. Wir brauchen zu diesem Zwecke blos eine von Nelsons eigener Hand geschriebene Notiz zu copiren.

Von Georg dem Dritten empfing er die Würde eines Pairs von Großbritanien und eine goldene Medaille.

Von dem Unterhaus für sich und seine zwei nächsten Erben den Titel eines Baronets vom Nil und von Barnham-Thorpes nebst einer Rente von zweitausend Pfund Sterling, deren Auszahlung vom 1. August 1798, dem Tage der Schlacht, beginnen sollte.

Von dem Oberhause eine gleiche Rente unter denselben Bedingungen und von demselben Tage an beginnend.

Von dem Parlament von Irland eine Pension von tausend Pfund Sterling.

Von der ostindischen Compagnie ein einmaliges Geschenk von zehntausend Pfund.

Von dem Sultan eine Diamantenagraffe, welche auf zweitausend, und einen kostbaren Pelz, der auf eintausend Pfund Sterling geschätzt ward.

Von der Mutter des Sultans eine mit Diamanten besetzte Schatulle, zwölfhundert Pfund im Werthe.

Von dem Könige von Sardinien eine mit Diamanten besetze Tabatière, an Werth zwölfhundert Pfund.

Von der Insel Zante einen Degen mit goldenem Griff und einen Stock mit goldenem Knopf

Von der Stadt Palermo eine Tabatière und eine goldene Kette auf einem silbernen Teller.

Endlich von seinem Freunde Benjamin Hallowell, Capitän des »Swiftsure«, ein echt englisches Geschenk, welches wir durchaus nicht mit Stillschweigen übergehen dürfen.

Wir haben gesagt, daß das französische Schiff, der »Orient«, in die Luft geflogen war. Hallowell ließ den großen Mast aus dem Wasser fischen und an Bord eines Schiffes bringen. Dann ließ er durch einen Schiffszimmermann und Schiffsschlosser aus diesem Mast und dessen Eisenbeschlägen einen Sarg fertigen, mit einer Platte verziert, auf welcher folgendes Ursprungszeugniß eingraviert war:

»Ich bezeuge hiermit, daß dieser Sarg ausschließlich aus dem Holze und Eisen des Schiffes der »Orient« gefertigt ist, von welchem das unter meinem Befehle stehende Schiff Sr. Majestät einen großen Theil in der Bai von Abukir rettete.

»Benj. Hallowell.«

Diesen auf diese Weise hinsichtlich seines Ursprunges legitimierten Sarg machte er Nelson zum Geschenk und fügte folgenden Brief bei:

»An den ehrenwerthen Nelson C. B.

»Geehrter Herr!

»Ich schicke Ihnen beifolgend einen aus dem Maste des französischen Schiffes der »Orient« gefertigten Sarg, damit Sie, wenn Sie einmal aus diesem Leben scheiden, vor allen Dingen in Ihren eigenen Trophäen ruhen können. Die Hoffnung, daß dieser Tag noch fern sei, ist der aufrichtige Wunsch Ihres ergebenen Dieners

»Benj. Hallowell.«

Von allen Geschenken, welche dem glücklichen Sieger dargebracht wurden, schien dieses letztere das zu sein, welches ihn am meisten rührte. Er empfing es mit unverhohlener Freude, ließ es in seine Cajüte bringen und dicht hinter dem Sessel, in welchem er bei Tische saß, an die Wand lehnen.

Ein alter Diener, den der Anblick dieses ominösen Möbels allemal traurig stimmte, brachte den Admiral endlich dahin, daß er es in das Zwischendeck bringen ließ.

Als Nelson den furchtbar zerschossenen »Vanguard« mit dem »Fulminant« vertauschte, blieb der Sarg, der auf dem neuen Schiffe noch keinen geeigneten Platz gefunden, einige Monate auf dem Vorderdeck stehen.

Eines Tages, als die Officiere des »Fulminant« das Geschenk des Capitäns Hallowell bewunderten, rief Nelson ihnen von seiner Cajüte aus zu:

»Bewundern Sie so viel Sie wollen, meine Herren. Für Sie ist er doch nicht gemacht.«

Endlich schickte Nelson ihn, sobald sich Gelegenheit darbot, nach England an seinen Tapezierer mit dem Auftrage, ihn sofort mit Sammet auszuschlagen, weil er ihn bei dem Handwerke, welches er triebe, jeden Augenblick nöthig haben könne und ihn daher unverweilt in vollständige Bereitschaft gesetzt zu sehen wünschte.

Wir brauchen nicht erst zu erwähnen, daß Nelson, nachdem er sieben Jahre später bei Trafalgar gefallen, wirklich in diesem Sarge zur Gruft bestattet ward.

Kommen wir jetzt auf unsere Erzählung zurück.

Wir haben gesagt, daß Nelson mit einem leichten Fahrzeuge die Nachricht von dem Siege bei Abukir nach Neapel und London entsendet hatte.

Gleich nach dem Empfang von Nelsons Briefe eilte Emma Lyonna zu der Königin Caroline und überreichte ihr denselben geöffnet.

Die Königin warf einen Blick darauf und stieß einen lauten Freudenschrei aus. Sie rief ihre Söhne, sie rief den König, sie lief wie eine Wahnsinnige in den Gemächern umher, küßte jeden, der ihr in den Weg kam, schloß die Ueberbringerin der frohen Neuigkeit in die Arme und ward nicht müde zu rufen:

»Nelson! tapferer Nelson! O Retter und Befreier Italiens! Gott schütze Dich! Der Himmel behüte Dich!«

Ohne sich dann weiter um den französischen Gesandten Garat zu kümmern, denselben, welcher Ludwig dem Sechzehnten das Todesurtheil vorgelesen und welchen das Directorium ohne Zweifel als eine Warnung für die neapolitanische Monarchie an diesen Hof gesendet, befahl sie, in der Meinung daß nun nichts mehr von Frankreich zu fürchten stehe, offen, unverhohlen und am hellen lichten Tage alle nothwendigen Anstalten zu treffen, um Nelson in Neapel zu empfangen, wie man einen Sieger empfängt.

Um nicht hinter den andern Souveränen zurückzubleiben, ließ sie, welche ihm mehr schuldig zu sein glaubte, als die andern, weil sie doppelt bedroht war, nämlich durch die Anwesenheit der französischen Truppen in Rom und durch die Proclamation der römischen Republik, durch ihren Premierminister Acton ein Patent ausfertigen, durch welches Nelson mit dreitausend Pfund Sterling jährlicher Rente zum Herzog von Bronte ernannt ward, während der König, als man ihm dieses Patent zur Unterschrift vorlegte, sich vorbehielt, ihm selbst den Degen zu verehren, welchen Ludwig der Vierzehnte seinem Sohn Philipp dem Fünften, als derselbe abreiste, um über Spanien zu regieren, und Philipp der Fünfte seinem Sohn Don Carlos geschenkt, als dieser auf brach, um Neapel zu erobern.

Abgesehen von seinem historischen Werth, welcher unschätzbar war, ward dieser Degen, der den Instructionen des Königs Carl des Dritten gemäß nur dem Vertheidiger und dem Retter der Monarchie der beiden Sicilien gehören sollte, wegen der Diamanten, womit er besetzt war, auf fünftausend Pfund Sterling oder hundert und fünfundzwanzigtausend Francs geschätzt.

Was die Königin betraf, so hatte sie sich vorbehalten, Nelson ein Geschenk zu machen, welches in seinen Augen durch alle Gunstbezeigungen, durch alle Schätze sämmtlicher Könige der Erde nicht aufgewogen werden konnte. Sie hatte sich nämlich vorbehalten, ihm jene Emma Lyonna zu geben, die seit fünf Jahren der Gegenstand seiner glühendsten Träume war.

Demzufolge hatte sie am Morgen jenes 22. September 1798 zu Emma Lyonna, indem sie das kastanienbraune Haar auf die Seite strich, um diese falsche Stirn zu küssen, die anscheinend so rein war, daß man sie für die eines Engels hätte halten können, gesagt:

»Meine vielgeliebte Emma, damit ich König bleibe und damit Du folglich Königin bleibst, muß dieser Mann uns gehören, und damit dieser Mann uns gehöre, mußt Du ihm gehören.«

Emma hatte die Augen niedergeschlagen und ohne zu antworten die beiden Hände der Königin ergriffen und leidenschaftlich geküßt.

Wir wollen nun sagen, wie Marie Caroline eine solche Bitte aussprechen oder vielmehr der Lady Hamilton, der Gemahlin des Gesandten Englands, einen solchen Befehl ertheilen konnte.

La San Felice

Подняться наверх