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Zweiter Theil
Sechstes Capitel.
Die Königin

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Marie Caroline, Erzherzogin von Oesterreich, hatte Wien im Monat April 1768 verlassen, um sich mit Ferdinand dem Vierten in Neapel zu vermählen.

Die kaiserliche Blume betrat ihr künftiges Königreich mit dem Frühlingsmonat.

Sie zählte kaum erst sechzehn Jahre, denn sie war 1752 geboren. Ihr Verstand war jedoch bereits viel ausgebildeter, als man nach ihrem Alter hätte voraussetzen sollen.

Sie war übrigens mehr als unterrichtet, sie war gelehrt. Sie war mehr als intelligent, sie war philosophisch gebildet, obschon in einem gegebenen Augenblick diese Liebe zur Philosophie sich in Haß gegen die verwandelte, welche dieselbe übten.

Sie war schön in der vollständigen Bedeutung des Wortes und wenn sie wollte, liebenswürdig. Ihr Haar war von einem Blond, dessen Gold unter dem Puder hervorschimmerte. Ihre Stirn war breit, denn die Sorgen des Thrones, des Hasses und der Rache hatten noch nicht ihre Furchen gezogen.

Ihre Augen konnten an Durchsichtigkeit mit dem Azur des Himmels wetteifern, unter welchem sie zu regieren kam.

Ihre gerade Nase, ihr ein wenig hervorragendes Kinn, das Zeichen eines absoluten Willens, machte Profil zu einem griechischen.

Ihre Gesichtsform war oval, die Lippen waren feurig und purpurroth, die Zähne weiß wie das weiße Elfenbein.

Ein Hals, eine Brust und Schultern, welche zu schönsten Statuen von Pompeji und Herculanum oder des Museums Farnese würdig gewesen wären, vervollständigten diese prachtvolle Gesamterscheinung.

In unserem ersten Capitel haben wir gesehen, wie ihr dreißig Jahre später von dieser Schönheit noch übrig geblieben war.

Sie redete vier Sprachen korrekt und geläufig – erstens die deutsche, ihre Muttersprache, dann die französische, die spanische und die italienische.

Beim Sprechen jedoch, besonders wenn sie von einem heftigen Gefühl aufgeregt war, machte sich ein kleines Gebrechen in der Aussprache bemerklich und es klang dann, als ob sie ein Steinchen im Munde hätte. Ihre glänzend beweglichen Augen aber und der Scharfsinn und die Logik ihrer Gedanken machten diesen unbedeutenden Mangel bald vergessen.

Sie war stolz, wie es der Tochter Marie Theresiens geziemte. Sie liebte den Luxus und die Macht. Was die anderen Eigenschaften betraf, welche sich in ihr entwickeln sollten, waren dieselben noch unter der jungfräulichen Hülle der sechzehnjährigen Braut verborgen.

Mit ihren deutsch-poetischen Träumen kam sie in dieses unbekannte Land, das Land »wo die Citronen blühen«, wie der deutsche Dichter sagt. Sie kam, um die glücklichen Gefilde, die Campania Felice, zu bewohnen, in welcher Tasso geboren ward, wo Virgil starb.

Feurig und poetisch von Gemüth, versprach sie sich, mit der einen Hand am Pausilippo den Lorbeer zu pflücken, welcher am Grabe des Dichters des Augustus wuchs, mit der andern den, welcher in Sorrente die Wiege des Sängers Gottfrieds von Bouillon beschattete.

Der Gemahl, mit welchem sie verlobt war, zählte ebenfalls sechzehn Jahre. Da er jung und von vornehmer Abstammung war, so war er ohne Zweifel auch schön, galant und tapfer. War er ein Euryalus oder Tancred, ein Nisus oder ein Renaud? Sie ihrerseits war vollkommen bereit Camilla oder Herminia, Clorinde oder Dido zu sein.

Anstatt des Gebildes ihrer jugendlichen Phantasie und ihres poetischen Traumes fand sie aber den Mann, den wir bereits kennen, mit einer großen Nase, großen Händen, großen Füßen, und den Dialekt des Hafendammes mit dem Gebärdenspiel eines Lazzarone sprechend.

Die erste Zusammenkunft fand in Portellaunter einem Pavillon von mit Gold gestickter Seide statt.

Die Prinzessin war von ihrem Bruder Leopold begleitet, welcher beauftragt war, sie den Händen ihres Gemahls zu übergeben.

Wie Joseph der Zweite, sein Bruder, war auch Leopold der Zweite von philosophischen Maximen durchdrungen. Er wollte in seinen Staaten eine Menge Reformen einführen und in der That erinnert sich Toscana, daß unter seiner Regierung die Todesstrafe abgeschafft wurde, während gleichzeitig noch mehrere andere Verbesserungen stattfanden.

Ebenso wie Leopold der Pathe seiner Schwester, war Tanucci der Vormund des Königs. Bei dem erst Blick, welchen die junge Königin und der alte Minister wechselten, mißfielen sie einander wechselseitig. Caroline errieth in ihm die ehrgeizige Mittelmäßigkeit, welche ihre Gemahl, indem man ihn in seiner angeborenen Unwissenheit erhalten, alle Mittel geraubt, später einmal ein großer König oder auch nur ganz einfach ein König zu sein.

Ohne Zweifel hätte sie das Genie eines Gatten, welcher ihr überlegen gewesen, anerkannt, und in ihrer Bewunderung für ihn wäre sie wahrscheinlich dann eine unterwürfige Königin und treue Gattin gewesen.

Dem sollte nicht so sein. Sie erkannte im Gegentheil die tiefe Stufe, auf welcher ihr Gemahl in Bezug auf sein geistige Ausbildung stand, und eben so wie ihre Mutter zu ihren Ungarn gesagt: »Ich bin der König Marie Theresia, so sagte sie zu den Neapolitanern: »Ich bin der Königin Marie Caroline.«

Dies war es aber nicht, was Tanucci wollte. Er wollte weder einen König, noch eine Königin haben, er wollte Premierminister sein.

Unglücklicher Weise enthielt der Ehecontract des königlichen Paares einen kleinen Paragraphen, welcher sich eingeschlichen, ohne daß Tanucci, der die junge Erzherzogin noch nicht kannte, großes Gewicht darauf gelegt hätte. War Caroline hatte nämlich das Recht, den Sitzungen des Staatsraths beizuwohnen, sobald sie ihrem Gemahl einen Thronerben geschenkt haben würde.

Es war dies ein Fenster, welches der Hof von Wien sich in den von Neapel öffnete. Bis jetzt war der Einfluß unter Philipp dem Zweiten und Ferdinand dem Siebenten von Frankreich ausgeübt, nachdem Carl der Dritte den Thron Spaniens bestiegen, ganz natürlich von Madrid gekommen.

Tanucci begriff, daß zu diesem Marie Caroline geöffneten Fenster der österreichische Einfluß eindringen würde.

Freilich erfreute sich Marie Caroline, da sie erst fünf Jahre nach ihrer Vermählung einen Thronerben gebar, des ihr zugestandenen Vorrechtes erst vom Jahre 1774 an.

Mittlerweile hatte sie, verblendet durch Illusionen, an welchen sie hartnäckig festhielt, gehofft, ihrem Gemahl eine vollständig neue Erziehung geben zu können. Es erschien ihr dies um so leichter, als ihre Kenntnisse den jungen König mit Erstaunen erfüllt hatten.

Nachdem er sie mit Tanucci und den wenigen anderen unterrichteten Personen seines Hofes sprechen gehört, schlug er sich verblüfft vor die Stirn und sagte: »Die Königin weiß doch Alles!« Später, als er sah, wohin dieses Wissen ihn führte und wie sehr es ihn von dem Pfad ablenkte, dem er zu folgen gedacht, setzte er den Worten: »Die Königin weiß Alles noch die Bemerkung hinzu: »Und dennoch begeht sie mehr Thorheiten als ich, der ich doch nur ein Esel bin.«

Nichtsdestoweniger aber begann er dem Einflusse dieses überlegenen Geistes zu gehorchen und fügte sich in die Lectionen, welche sie ihm vorschlug. Sie lehrte ihn buchstäblich, wie wir schon gesagt haben, Lesen und Schreiben. Was sie ihn aber nicht lehren konnte, waren jene eleganten Manieren der nordischen Höfe, jene Sorgfalt für ein sauberes Aeußeres, die besonders in den heißen Ländern so selten ist, wo doch das Wasser nicht blos ein Bedürfniß, sondern auch ein Vergnügen sein sollte; jene weibliche Sympathie für die Blumen und für die Wohlgerüche, welche die Toilette von ihnen verlangt, jenes reizende, liebenswürdige Geplauder, welches halb dem Murmeln der Bäche, halb dem Gezwitscher der Heimchen und Nachtigallen entlehnt zu sein schien.

Carolinens Ueberlegenheit demüthigte Ferdinand; Ferdinands Plumpheit stieß Caroline zurück. Allerdings konnte diese in den Augen ihres Gemahls unumstößliche Ueberlegenheit streng genommen durch wirklich unterrichtete Leute streitig gemacht werden, welche in dem Geplauder der Königin weiter nichts sahen als das Ergebniß jenes oberflächlichen Wissens, welches an Ausdehnung gewinnt, was es an Tiefe verliert.

Vielleicht hätte man, wenn man sie so beurtheilte, wie sie beurtheilt werden mußte, bei ihr mehr Geschwätz als Urtheil und ganz besonders jene Pedanterie gefunden, welche den Prinzen des Hauses Lothringen eigen zu sein pflegte und welcher auch ihre Brüder Joseph und Leopold in so hohem Grade huldigten.

Joseph sprach fortwährend, ohne Jemanden Zeit zu lassen, ihm zu antworten, und Leopold besaß alle Eigenschaften eines echten Schulmeisters.

So war auch die Königin. Sie besaß ein sehr fein gechriebenes kleines Manuscript, welches sie selbst gefertigt und welches die Meinungen der Philosophen von Pytagoras an bis auf Jean Jacques Rousseau enthielt. Wenn sie nun Männer zu empfangen hatte, auf welche sie einen gewissen Eindruck zu machen wünschte, so ging sie ihr Manuscript durch und brachte je nach Umständen einige der darin enthaltenen Maximen in der Conversation an.

Seltsamerweise befreundete sie sich, trotzdem sie gern den Freigeist spielte, mit dem Volksaberglauben, welchem die untergeordneten Classen der Bevölkerung von Neapel huldigen.

Wir wollen hier zwei Beispiele von diesem Aberglauben anführen.

Wir haben in dem Buche, welches wir schreiben, nicht blos Könige, Prinzen, Höflinge, Männer, welche ihr Leben einem Princip opfern, und Männer, welche alle Principien dem Gold und königlichen Gunstbezeigungen nachsetzen, sondern auch ein bewegliches, abergläubisches, unwissendes, rohes Volk zu schildern.

Sagen wir daher, mit Hilfe welcher Mittel dieses Volk aufgewiegelt oder beschwichtigt wird.

Der Ocean wird durch den Sturm aufgewühlt, das Volk von Neapel dagegen durch den Aberglauben.

Es gab in Neapel eine Frau, welche man die Steinheilige nannte. Sie behauptete nämlich, ohne irgendwie krank zu sein, alle Tage eine gewisse Quantität kleine Steine von sich zu geben, welche sie als Reliquien an Die vertheilte, welche ihr Glauben schenkten.

Diese Steine besaßen trotz des Weges, auf welchem sie ans Licht gelangten, die Kraft, Wunder zu thun und machten nach kurzer Zeit schon den Reliquien der angesehensten Heiligen von Neapel eine bedenkliche Concurrenz

Diese angebliche Heilige war, obschon nicht krank auf Verlangen ihres Beichtvaters und ihres Arztes in große Hospital der Pellegrini zu Neapel gebracht worden wo sie dieselbe Kost bekam wie die Directoren und schönste Zimmer des Hauses bewohnte.

Nachdem sie hier einmal festen Fuß gefaßt, spielt mit stillschweigender Begünstigung der Aerzte, die dabei ihre Rechnung fanden, die Komödie mit dem Verkauf wunderthätigen Steine in großem Maßstabe weiter.

Wir haben jedoch Unrecht, wenn wir von Verkauf sprechen. Nein, verkauft wurden die Steine nicht, sondern verschenkt. Die Heilige, welche ein Gelübde gethan, niemals gemünztes Geld anzurühren, nahm Kleidungsstücke Schmucksachen, mit einem Worte Geschenke aller Art, tiefster Demuth an.

Dieser kleine Handel, welcher in jedem anderen Lande als Neapel die angebliche Heilige vor das Zuchtpolizeigericht geführt hätte, war in Neapel blos ein Wunder mehr, weiter nichts.

Die Königin ward eine der eifrigsten Anhängerin der Steinheiligen. Sie schickte ihr Geschenke und schrieb sogar an sie – die Königin war überhaupt sehr sehr selig – um sie ihren Gebeten zu empfehlen, von welcher die Erfüllung ihrer Wünsche hoffte.

Man begreift, daß von dem Augenblick an, wo man die Königin in eigener Person, und zwar eine philosophie Königin, zu der Heiligen ihre Zuflucht nehmen sah, Zweifel, wenn es deren noch gab, schwanden oder wenigstens zu schwinden schienen.

Nur die Wissenschaft blieb ungläubig.

Nun ward die Wissenschaft, wir meinen die Wissenschaft der Medicin, zu jener Zeit durch jenen Dominico Cirillo repräsentiert, welchen wir im Palast der Königin Johanna während jener stürmischen Nacht gesehen, wo der Abgesandte Championnets mit so großer Mühe den Felsen erstieg, auf welchem jener Palast steht.

Dominico Cirillo, ein Mann des Fortschritts, welcher wünschte, daß sein Vaterland der Bewegung der Erde folge, woran es nicht theilzunehmen schien, erklärte, es sei eine Schmach für Neapel, daß es in dem Augenblick, wo so viele große Geister für die Aufklärung der Menschheit thätig waren, sich diese Komödie vorspielen lasse, die kaum würdig wäre, in der Nacht des zwölften oder dreizehnten Jahrhunderts aufgeführt zu werden.

Er suchte deshalb vor allen Dingen den Arzt auf, welcher mit der Heiligen im Einverständniß war, und versuchte ihm das Geständniß abzupressen, daß dem wirklich so sei.

Der Arzt versicherte, es handle sich hier in der That um ein Wunder.

Dominico Cirillo erbot sich, wenn er die Wahrheit sagen wollte, ihn persönlich für den Verlust zu entschädigen, welcher das Bekanntwerden der Wahrheit für ihn zur Folge haben würde.

Der Arzt beharrte bei seiner Behauptung.

Cirillo sah, daß er, anstatt eines Betrügers, deren zwei zu entlarven haben würde.

Er verschaffte sich mehrere der von der Heiligen ausgeworfenen Steine, untersuchte sie und überzeugte sich, daß sie aus einfachen am Meeresstrande aufgelesenen Kieseln, aus verhärteter Kalkerde oder aus Bimssteinen befand Keiner gehörte zur Gattung derjenigen, welche sich in so der Stein- oder Grieskrankheit in dem menschlichen Körper bilden können.

Der Gelehrte machte mit seinen Steinen in der Hand bei dem betreffenden Arzte einen abermaligen Versuch, Arzt blieb aber auch jetzt noch bei seiner Behauptung, das hier ein Wunder zu Grunde liege.

Cirillo sah ein, daß der Sache durch ein eclatantes öffentliches Verfahren ein Ende gemacht werden müsse.

Da sein Talent und seine Autorität in Sachen Medicin sämmtliche Hospitäler gewissermaßen seiner Jurisdiction unterstellten, so erschien er eines schönen Morgens in Begleitung mehrerer anderer Aerzte und Chirurgen, er zu diesem Zwecke aufgefordert, plötzlich in dem großen Hospital, trat in das Zimmer der Heiligen und untersuchte ihr Product von der vergangenen Nacht.

Sie hatte vierzehn Steine zur Verfügung der Gläubigen zu stellen.

Cirillo ließ sie einschließen und zwei oder drei Tage lang bewachen. Sie fuhr fort ihrer Gewohnheit gemäß Steine zu Tage zu fördern.

Nur die Zahl der Steine variierte; alle aber waren von derselben Beschaffenheit wie die vorhin erwähnten.

Cirillo schärfte seinem Famulus, den er als Wächter bestellt, ein, die angebliche Heilige auf das Genaueste überwachen. Der Famulus bemerkte, daß die Heilige fortwährend die Hände in den Taschen hatte und damit Zeit zu Zeit nach dem Munde fuhr, als ob die Bonbons zu sich nähme.

Der Wächter zwang sie, die Hände außerhalb der Taschen zu halten, und hinderte sie, damit nach dem Munde zu fahren.

Die Heilige, welche sich nicht durch offenen Widerstand gegen ihren Wächter verrathen wollte, verlangte eine Prise Tabak und brachte, indem sie die Finger an die Nase hielt, gleichzeitig die hohle Hand an den Mund, bei welcher Gelegenheit es ihr gelang, drei oder vier Steine zu verschlucken.

Es waren dies freilich ihre letzten. Der junge Mann hatte den Kunstgriff bemerkt. Er hielt der Heiligen die Hände fest und ließ Frauen hereinkommen, welche auf seinen oder vielmehr auf Girillos Befehl die Heilige entkleideten.

Man fand an der inneren Seite ihres Hemdes einen Beutel angenäht, welcher fünfhundertundsechzehn kleine Steine enthielt.

Ueberdies trug sie um den Hals ein Amulet, welches man bis jetzt für ein Reliquienbehältniß gehalten, das aber, wie man nun fand, ebenfalls gegen sechshundert Steine enthielt.

Es ward über Alles dies ein Protokoll aufgenommen, und Cirillo brachte die Heilige unter der Anklage der Gaunerei vor das Tribunal der Zuchtpolizei. Das Tribunal verurtheilte sie zu drei Monaten Gefängniß.

In dem Zimmer der Heiligen fand man einen Koffer, welcher mit Silbergeschirr, Schmucksachen, Spitzen und anderen werthvollen Dingen angefüllt war. Mehrere dieser Gegenstände, und zwar die kostbarsten, hatte sie von der Königin erhalten, deren Briefe sie ebenfalls dem Gericht vorlegte.

Die Königin war wüthend, und dennoch hatte Prozeß solches Aufsehen gemacht, daß sie dieses Weib in den Händen der Justiz zu entziehen wagte. Ihre Rache verfolgte nun Cirillo und dieser hatte diesem Vorfalle Behelligungen zu verdanken, welche aus ihm, dem Mann der Wissenschaft, einen Mann der Revolution machten.

Was die Heilige betraf, so mangelte es, trotz von Cirillo aufgenommenen Protokolls, trotz des gerichtlichen Urtheilsspruches, welcher sie für schuldig erklärte, Neapel nicht an gläubigen Herzen, welche fortfuhren Geschenke zu schicken und sich ihrem Gebete zu empfehlen.

Das zweite Beispiel von Aberglauben, welches in Bezug auf die Königin erzählen wollen, ist folgendes:

Gegen das Jahr 1777, das heißt zur Zeit der Geburt desselben Prinzen Francesco, welchen wir zuerst der Galeere Capitane gesehen, als er schon zum Manne herangereift war, und von welchem später als dem Gönner des Chevalier San Felice die Rede gewesen ist, gab in Neapel einen Franciscanermönch, der achtzig Jahre und dem es gelungen war, in den Ruf der Heiligkeit kommen – einen Ruf, der von seinem Kloster, welches davon großen Nutzen hatte, immer weiter verbreitet ward.

Die Mönche, eine Collegen, erzählten überall, das Käppchen, welches der alte Mann gewöhnlich trüge vom Himmel die Kraft verliehen erhalten hätte, die Wehen der Gebärenden zu erleichtern, so daß man sich förmlich dieses Käppchen riß, welches die Mönche, wie man denken kann, nur gegen ein Geschenk hergaben.

Die Frauen, welche in Folge der Anwendung des Käppchens eine leichte Niederkunft gehabt, schrieen das Wunder laut aus und befestigten auf diese Weise den Ruf des wunderthätigen Käppchens.

Die, welche eine schwere Niederkunft hatten oder sogar daran starben, wurden beschuldigt, keinen Glauben gehabt zu haben, und das Käppchen erhielt sich deswegen in unvermindertem Ansehen.

Caroline bewies in den letzten Tagen ihrer Schwangerschaft, daß sie zunächst Weib und dann erst Königin und Philosophin war. Sie ließ sich das wunderthätige Käppchen holen und versprach, für jeden Tag, den sie es behalten würde, dem Kloster hundert Ducaten zu schicken.

Sie behielt es fünf Tage, zur großen Freude der Mönche, aber zur großen Verzweiflung anderer im Gebären begriffener Frauen, welche allen Gefahren eines solchen Zustandes ausgesetzt waren, ohne sich des Beistandes des wunderthätigen Käppchens theilhaftig machen zu können.

Wir können nicht sagen, ob das Käppchen des Franciscaners der Königin Glück brachte, ganz gewiß aber brachte es Neapel kein Glück, denn falsch und feig als Prinz war Franz auch falsch und feig als König.

Die Manie, die Gelehrte zu spielen, welche Carolinen eben so eigen war wie ihren Brüdern Joseph und Leopold, war so stark, daß als der junge Prinz Carl, der Thronerbe, welcher im Jahre 1775 geboren war und dessen Geburt seiner Mutter die Thür des Cabinetsraths geöffnet, im Jahre 1778 erkrankte und die berühmtesten Aerzte zu einem Beistand herbeigerufen wurden, Caroline nicht mit der Angst und Unruhe einer Mutter, sondern mit der Dreistigkeit eines Professors sich in alle Consultationen mischte, ihn Rathschläge ertheilte und auf die Behandlung der Krankheit Einfluß zu äußern suchte.

Ferdinand, welcher sich damit begnügte, Vater zu sei und – diese Gerechtigkeit müssen wir ihm widerfahre lassen – außer sich vor Schmerz war, den präsumtive Thronerben einem sichern Tod entgegengehen zu sehen konnte eines Tages eine kalte Dissertation der Königin übe die Ursachen der Gicht, während ihr Kind an den Blatter darniederlag, nicht länger mit anhören. Als er sah, daß trotz seiner wiederholten Winke, die ihr Schweigen geboten immer noch fortfuhr zu sprechen, stand er auf, faßte sie bei der Hand und sagte:

»Aber begreifst Du denn nicht, daß es nicht genügt König zu sein, um die Heilkunde zu verstehen, sondern da diese auch erst gelernt werden muß? Ich bin ein Esel, da weiß ich recht wohl, aber ich begnüge mich auch, zu schweigen und zu weinen. Mache es wie ich oder geh' deine Wege.«

Da sie trotzdem ihre Theorie immer noch weiter auseinandersetzen wollte, schob er sie auf etwas heftigere Weise, als woran sie gewöhnt war, nach der Thür und beschleunigte ihr Hinausgehen durch eine Bewegung mit dem Fuß die man eher von einem Lazzarone erwartet, als von einem König.

Der junge Prinz starb zur großen Verzweiflung seines Vaters. Was Caroline betraf, so benügte sie sich, um ihn zu trösten, die Worte der Spartanerin zu citieren, welche den armen König noch niemals gehört und deren erhabenen Stoicismus er nicht zu würdigen wußte:

»Als ich ihn zur Welt gebar, wußte ich, daß er bestimmt sei, einmal zu sterben.«

Man begreift, daß zwei Individuen von so entgegengesetzten Charakteren nicht in gutem Einvernehmen miteinander bleiben konnten. Obschon daher zwischen Ferdinand und Caroline nicht dieselben Ursachen in Bezug auf Unfruchtbarkeit vorhanden waren, wie zwischen Ludwig dem Sechzehnten und Marie Antoinette, so glänzte doch der Anfang ihrer später an Kindern so gesegneten Ehe nicht durch Fruchtbarkeit.

Ein Blick auf die von Pozzo verfaßte Genealogie dieses Regentenhauses zeigt uns, daß das erstgeborne Kind Ferdinands und Carolinens die junge Prinzessin Marie Theresia war, welche im Jahre 1772 geboren, 1790 Erzherzogin, 1792 Kaiserin ward und 1803 starb.

Es waren sonach vier Jahre vergangen, ohne daß die Verbindung Früchte getragen hätte. Allerdings holte von diesem Augenblick an die Zukunft das, was die Vergangenheit versäumt, wieder ein.

Dreizehn Prinzen und Prinzessinnen bezeugten, daß die Annäherungen der beiden Gatten beinahe ebenso häufig waren, als ihre Zwistigkeiten.

Es ist daher wahrscheinlich, daß, wenn auch ein instinctartiges Gefühl von Widerwillen die Königin anfangs von ihrem Gemahl entfernte, doch politische Berechnung sie ihm bald wieder näherte. Eine junge, schöne, feurige Frau, wie die Königin war, besaß von dem Augenblick an, wo sie das Temperament ihres Gatten studiert, stets ein Mittel, um ihn zu bewegen, das zu thun, was sie wollte.

Ferdinand konnte selbst einer Maitresse nie etwas abschlagen, wie viel weniger seiner Frau, und was für einer Frau – das heißt einer der verführerischsten, die es jemals gegeben.

Das, was anfangs ganz besonders beigetragen hatte, diese feine, gefühlvolle Natur von jener grobsinnlichen und gemeinen zu entfernen, war Ferdinands Vorliebe für die Manieren eines Lazzarone.

So ließ er sich zum Beispiel jedesmal, wo er im Theater San Carlo die Oper anhörte, in seiner Loge ein Souper auftragen. Dieses mehr nahrhafte als delicat Souper wäre ohne Schüssel nationale Maccaroni unvollständig gewesen. Dennoch aber waren es weniger die Maccaroni an und für sich, was der König schätzte, als vielmehr der volksthümliche Triumph, den eine Art, sie zu speisen, ihm bereitete.

Die Lazzaroni entwickeln nämlich beim Verschlucken dieses Gerichts eine ganz besondere Handfertigkeit, welche sie der Verachtung verdanken, welche sie gegen den Gebrauch der Gabel hegen. Nun aber ermangelte Ferdinand, der in jeder Beziehung etwas darin suchte, der König der Lazzaroni zu sein, niemals, seine Schüssel vom Tische zu nehmen, damit an die Brüstung der Loge zu treten, und unter dem lauten Beifallruf des Parterre seine Maccaroni nach Art Polichinell's, des Schutzpatrons der Maccaroniesser, zu verzehren.

Eines Tages, als er dieses Kunststück in Gegenwart der Königin ausgeführt und mit Beifall überschüttet worden, konnte die Königin sich nicht mehr beherrschen. Sie erhob sich und verließ die Loge, indem sie zugleich ihre bei den Damen, die San Marco und die San Clemente, durch einen Wink aufforderte, ihr zu folgen.

Als der König sich umdrehte, fand er die Loge leer.

Dennoch aber erzählt die Geschichte von einem Vergnügen dieser Art, welches Caroline theilte. Damals aber liebte sie noch mit ihrer ersten Liebe und war eben so schüchtern, wie sie später keck ward. Sie hatte in der Maskerade mit entblößtem Gesichte, welche wir sogleich erzählen werden, ein Mittel gefunden, sich dem schönen Fürsten Caramanico zu nähern, welchen wir so frühzeitig in Palermo sterben sahen.

Der König hatte ein Regiment errichtet, welches er oft zu seinem Vergnügen manövrieren ließ und seine Liparoti nannte, weil die Soldaten, aus welchen es zusammengesetzt war, fast sämmtlich von den liparischen Inseln stammten.

Wir haben bereits früher erwähnt, daß Caramanico als Capitän in diesem Regiment diente, dessen Oberst der König selbst war.

Eines Tages befahl der König eine große Revue seines privilegierten Regimentes in der Ebene von Portici, am Fuße des Vesuves, dieser ewigen Vernichtung und Todesdrohung.

Man schlug prachtvolle Zelte auf, unter welche man aus dem königlichen Schloß Weine aller Länder und Eßwaaren aller Gattungen transportierte.

Eines dieser Zelte ward von dem König eingenommen, der das Costüm eines Schenkwirthes, das heißt eine kurze Jacke und Beinkleider von weißer Leinwand, trug. Auf dem Kopf trug er die traditionelle baumwollene Mütze und um die Lenden einen Gürtel von rother Seide, worin anstatt des Degens, womit Vatel sich die Kehle abschnitt, ein ungeheures Küchenmesser stak.

Nie hatte der König sich behaglicher gefühlt als in diesem Costüm, und er hätte es gern sein ganzes Leben lang beibehalten.

Zehn bis zwölf Kellner, die eben so gekleidet waren wie er, hielten sich bereit, den Befehlen ihres Herrn zu gehorchen und Officiere zu bedienen. Es waren dies die ersten Cavaliere des Hofes, die Aristokratie des goldenen Buchs von Neapel.

Das andere Zelt war für die Königin bestimmt. Diese trug wie eine Gastwirthin in der komischen Oper einen Rock von himmelblauer Seide, ein schwarzes, mit Gold gesticktes Mieder und eine rothe silbergestickte Schürze. Halsband, Ohrringe, Armbänder, Alles bestand gleichförmig aus rosenfarbenen Korallen. Busen und Arme waren halb entblößt, und ihr Haar ohne Puder, das heißt in einer ganzen üppigen Fülle und mit dem Glanz einer goldenen Garbe, ward wie eine ihren Damm durchbrechen wollende Cascade durch ein himmelblaues Netz zurückgehalten.

Ein Dutzend junger Hofdamen, die ihrerseits mit aller Eleganz und dem Raffinement gekleidet waren, welches ihre angeborenen Reize hervorzuheben geeignet war, bildeten eine fliegende Escadron, welche die der Königin Katharina von Medicis um nichts zu beneiden hatte.

Mitten unter dieser Maskerade mit entblößtem Gesicht trug aber, wie wir schon angedeutet, nur die Liebe eine Maske. Indem Caroline zwischen den Tischen hin und herging, welche sie mit ihrem Kleide streifte, wodurch sie ihren bewunderungswürdig geformten Fuß sichtbar machte, hatte ein junger Capitän nur Blicke für sie und hob das Bouquet, welches sie, indem sie ihm zu trinken einschenkte, von ihrer Brust verlor, auf, um es an sein Herz zu drücken.

Ach, eines dieser beiden Herzen, welche so feurig bei dem Hauche einer und derselben Liebe schlugen, war schon erloschen. Das andere schlug noch, aber erfüllt von Gefühlen des Hasses und der Rache.

Etwas Aehnliches geschah zehn Jahre später in Petit-Trianon und eine ähnliche Komödie, bei welcher allerdings der plumpen rohen Soldateska keine Betheiligung gestattet war, ward von dem König und der Königin von Frankreich aufgeführt.

Der König war der Müller, die Königin die Müllerin und der Mühlknappe, welcher Dillon oder Coigny hieß, gab an Eleganz, an Schönheit und selbst an Adel dem Fürsten Caramanico nichts nach.

Wie dem auch sein mochte, so wußte das lebhafte Temperament des Königs sich nur schwer in die ehelichen Launen Carolinens zu fügen und er bot die Liebe, welche seine Gattin verschmähte, andern Frauen an.

Dabei aber besaß er eine solche Schwäche für die Königin, daß er zu gewissen Stunden nicht einmal das Geheimniß der Treulosigkeiten bewahren konnte, deren er sich gegen sie schuldig machte.

Dann heuchelte, nicht aus Eifersucht, sondern damit nicht eine Nebenbuhlerin ihr den Einfluß rauben möchte, nach welchem sie trachtete, die Königin ein Gefühl, welches sie nicht empfand, und ließ zuletzt die Dame, deren Name ihr Gemahl ihr mitgetheilt, in die Verbannung schicken.

Es begegnete dies beispielsweise der Herzogin von Luciano, welche der König seiner Gemahlin selbst denuncirt hatte und welche diese auf ihre Güter verweisen ließ. Entrüstet über die Schwäche ihres königlichen Liebhabers, verkleidete die Herzogin sich als Mann, lauerte dem König auf einem seiner Gänge auf und überhäufte ihn mit Vorwürfen.

Der König sah ein Unrecht an, fiel vor der Herzogin auf die Knie nieder und bat sie tausendmal um Verzeihung. Deshalb war sie aber dennoch genöthigt, Neapel zu verlassen und sich auf ihre Güter zurückzuziehen, von welchen der König sie erst nach Verlauf von sieben Jahren zurückrufen ließ.

Ein entgegengesetztes Verhalten hatte für die Herzogin von Cassano Serra eine ähnliche Strafe zur Folge.

Vergebens hatte der König ihr den Hof gemacht. Sie hatte ihm hartnäckigen Widerstand entgegengesetzt.

Der König, der in Bezug auf seine Niederlagen eben so indiscret war als hinsichtlich seiner Triumphe, gestand der Königin, was der Grund seiner üblen Laune sei.

Caroline, für welche eine zu strenge Tugend ein lebendiger Vorwurf war, ließ die Herzogin von Cassano Serra wegen ihres Widerstandes eben so verbannen, wie sie die Herzogin von Luciano um ihrer Schwäche hatte verbannen lassen.

Auch diesmals ließ der König die gewähren.

Allerdings riß ihm zuweilen die Geduld.

Eines Tages hielt sich die Königin, da sie sich zufällig nicht an eine Favoritin hatte halten können, an einen Favoriten. Es war dies der Herzog von Altavilla, gegen welchen sie Grund zur Klage zu haben glaubte. Da die Königin in ihren Anwandlungen von Zorn leicht die Herrschaft über sich selbst verlor, und sich dann in den beleidigendsten Ausdrücken erging, so vergaß sie sich so weit, dem Herzog zu sagen, er erkaufe sich die Gunst des Königs durch Gefälligkeiten, die eines Mannes von Ehre nicht würdig wären.

Der in seiner Würde sich verletzt fühlende Herzog von Altavilla begab sich sofort zu dem König, erzählte ihm, was geschehen, und bat ihn um die Erlaubniß, sich auf seine Güter zurückzuziehen. Der König ging, im höchsten Grade aufgebracht, sofort selbst zur Königin, und da sie, anstatt ihn zu beschwichtigen, ihn durch herbe Antworten noch mehr reizte, so verabreichte er ihr, obschon die Marie Theresiens Tochter und obschon er König war, eine Ohrfeige, welche, wenn sie von der Hand eines Fuhrmanns gekommen wäre, auf der Wange der Tochter eines Lastträgers nicht besser schallen gekonnt hätte.

Die Königin entfernte sich sofort, riegelte sich in ihre Gemächer ein und schmollte, schrie und weinte.

Diesmal blieb aber Ferdinand fest. Die Königin war es, welche zuerst wiederkommen und sogar den Herzog von Altavilla selbst bitten mußte, sie mit ihrem königlichen Gemahl wieder auszusöhnen.

Wir haben bereits erwähnt, welche Wirkung die französische Revolution auf Ferdinand geäußert hatte; man begreift, daß diese Wirkung bei Caroline eine noch weit schrecklichere sein mußte.

Bei Ferdinand war es ein vollkommen egoistisches Gefühl, ein Zurückkommen auf seine eigene Lage und ziemlich große Gleichgültigkeit in Bezug auf das Schicksal Ludwigs des Sechzehnten und Marie Antoinettens, die er nicht kannte, und die Furcht, daß ihm ein ähnliches Schicksal ereilen könne.

Bei Caroline war es vor allen Dingen der Schmerz einer ins Herz getroffenen Familie. Sie, die mit trockenem Auge ihr Kind sterben sah, betete ihre Mutter, ihre Brüder ihre Schwester an. Es war der tödtlich verwundete königliche Stolz, der aber weniger durch den Tod selbst durch die Schmach dieses Todes verletzt worden.

Es war der glühendste Haß gegen dieses verhaßte französische Volk, welches nicht blos die Könige, sondern auch das Königthum so zu behandeln wagte, und sie that einen Racheschwur gegen Frankreich, der nicht minder unversöhnlich war, als der des jungen Hannibal gegen Rom.

Als sie innerhalb eines Zeitraumes von acht Monaten die Nachrichten von dem Tode Ludwigs des Sechzehnten und seiner Gemahlin Maria Antoinette erhielt, verlor sie vor Wuth fast den Verstand.

Sie sah überall Mirabeau's, Dantons und Robespierres. Man konnte in ihrer Gegenwart nicht von Liebe und Treue ihrer Unterthanen sprechen, ohne Gefahr zu laufen, bei ihr in Ungnade zu fallen.

Ihr Haß gegen Frankreich ließ sie in ihren eigen Staaten eine republikanische Partei sehen, welche weit entfernt war darin zu existieren, die sie aber endlich durch ihre unablässigen Verfolgungen selbst hervorrief.

Ein Jacobiner war in ihren Augen Jeder, dessen persönlicher Werth das gewöhnliche Maß überstieg, jeder Unvorsichtige, der eine Pariser Zeitung las, jeder Stutzer, welcher die französische Mode nachahmte, und besonders Jeder, der kurzes Haar trug.

Die reinsten und edelsten Bestrebungen für den socialen Fortschritt wurden als Verbrechen betrachtet, die nur durch den Tod oder lebenslängliche Gefangenschaft gesühnt werden könnten.

Nachdem Emanuele de Deo, Vitagliano und Cagliani, drei Knaben, welche zusammen kaum fünfundsechzig Jahre zählten, grausam auf dem Schloßplatz hingerichtet worden, wurden Männer wie Pagano, Conforti und Cirillo eingekerkert.

Der Argwohn der Königin verstieg sich bis unter die höchste Aristokratie; der Fürst Colonna, ein Caracciolo, ein Riario und endlich jener Graf von Ruvo, den wir mit Cirillo unter der Zahl der Verschwörer im Palaste der Königin Johanna figurieren gesehen, wurden ohne irgend welchen Beweggrund festgenommen, nach dem Castell San Elmo geführt und dem Kerkermeister zur schärfsten Bewachung übergeben.

Der König und die Königin, die sonst in allen Dingen so wenig harmonierten, stimmten dennoch von diesem Augenblicke an in einem Punkte, ihrem Hasse gegen die Franzosen, vollkommen überein.

Nur war der Haß des Königs träger Art und würde sich damit begnügt haben, die ferne von sich zu halten, während Carolinens Haß thätig war, und nicht blos das Fernhalten der Franzosen, sondern auch ihre Vernichtung verlangte.

Ihr stolzer Charakter hatte die sorglose Gemüthsart Ferdinands schon längst unter ihren Willen gebeugt. Zuweilen empörte er sich allerdings dagegen, wenn ein gesunder Menschenverstand ihm zeigte, daß man ihn verleite, von dem geraden Wege abzuweichen. Mit der Zeit, Geduld und Beharrlichkeit aber erreichte die Königin das Ziel, welches sie sich einmal gesteckt.

So hatte sie in der Hoffnung, an irgend einer Coialition gegen Frankreich Theil zu nehmen, oder diesem auf eigene Faust den Krieg erklären zu können, durch Acton‘s Vermittlung, beinahe ohne Vorwissen ihres Gemahls, Armee von siebzigtausend Mann ausgehoben und organisiert, eine Flotte von hundert größeren und kleineren Schiffen gerüstet, ein bedeutendes Material zusammengebracht und mit Einem Worte alle Dispositionen getroffen, damit Befehl des Königs der Krieg jeden beliebigen Tag beginnen könne.

Sie war noch weiter gegangen. Da sie die Unfähigkeit der neapolitanischen Generale, welche noch niemals Armee im offenen Felde commandiert, recht wohl kannte und wußte, daß die Soldaten nur geringes Vertrauen zu ihnen haben würden, so hatte sie ihren Neffen, den Kaiser Oesterreich, um einen seiner Generale, den Baron Mack ersucht, welcher für den ersten Strategen seiner Zeit galt.

Der Kaiser hatte ihre Bitte gewährt und man erwartete nun mit jedem Augenblicke die Ankunft dieser wicht Persönlichkeit, eine Ankunft, von welcher nur die Königin und Acton unterrichtet waren, während der König nicht Mindeste davon wußte.

Während dieser Zeit geschah es, daß Acton, welcher sich Meister der Situation fühlte, und in der ganzen Welt nur einen einzigen Mann kannte, der ihn stürzen und an seine Stelle setzen konnte, den Entschluß faßte, sich des Mannes, dessen Entfernung ihm nicht mehr genügte, vollständig zu entledigen.

Eines Tages erfuhr man in Neapel, daß der Fürst Caramanico, Vicekönig von Sicilien, krank, den nächstfolgenden, daß er dem Tode nahe, den dritten, daß er gestorben sei.

Keinem Herzen vielleicht bereitete dieser Tod eine so furchtbare Erschütterung, wie dem Carolinens. Jene Liebe, die erste von allen, war durch die Trennung nur um so größer geworden und konnte nur durch den Tod ausgerottet werden. Keine der Fibern, deren sie sich bemächtigt, ward bei diesem schmerzlichen Kampfe verschont und die Qual war um so größer, als sie dieselbe den neugierigen Blicken, welche sie umgaben, verbergen mußte.

Sie schützte Unwohlsein vor, schloß sich in das entlegenste ihrer Gemächer ein, wälzte sich auf dem Fußboden, zerraufte sich das Haar, stöhnte wie ein verwundeter Panther, lästerte den Himmel, verwünschte den König, ihre Krone, den Anbeter, den sie nicht geliebt und der ihr den einzigen Mann tödtete, den sie je liebte. Sie fluchte sich selbst und mehr als Allem, dem Volke, welches diesen Tod auf den Gassen ausschreiend, sie anklagte, ihrem Mitschuldigen, Acton, dieses Menschenopfer gebracht zu haben.

Endlich nahm sie sich vor, alle diese in ihr Herz und Blut getretene Galle gegen Frankreich und die Franzosen zu kehren.

Während dieser qualvollen Stunden durfte nur eine einzige Person, die Vertraute aller ihrer Geheimnisse und welche sie zur Verbündeten ihres Hasses zu machen gedachte, bis zu ihr gelangen.

Es war dies ihre Favoritin, Emma Lyonna.

Die zwei Jahre, welche seit jenem Todesfalle, dem größten Schmerze vielleicht in Carolinens ganzem Leben, verflossen waren, hatten vielleicht die Maske von Gleichgültigkeit, welche sie auf ihrem Gesichte trug, undurchdringlicher gemacht, aber die Wunden, welche im Inneren bluteten, keineswegs vernarben lassen.

Allerdings hatte die Entfernung Bonapartes, der jetzt abgeschnitten in Egypten stand, die Ankunft des Siegers von Abukir mit seiner ganzen Flotte in Neapel, die Gewißheit, daß sie durch jene Circe, Lyonna, Nelson zum Verbündeten ihres Hasses und Mitschuldigen ihrer Rache machen würde, ihr eine jener bitteren Freuden bereitet, welche die einzigen sind, welche es den traurigen Herzen, den verzweifelten Seelen vergönnt ist zu fühlen.

In dieser Stimmung hatte der Auftritt, welcher am Abend vorher im Palast der englischen Gesandtschaft stattgefunden, das heißt die Drohung des französischen Gesandten und seine Kriegserklärung, weit entfernt die unversöhnliche Feindin der Franzosen geschreckt zu haben, im Gegentheil ihr Ohr wie der so lange und so ungeduldig erwartete Schlag der ersehnten Stunde berührt.

Anders war es mit dem König, auf welchen jener Auftritt einen sehr unangenehmen Eindruck gemacht, in Folge dessen er eine sehr schlechte Nacht zugebracht.

Als er in sein Zimmer zurückkam, hatte er daher auch befohlen, daß für ihn den nächstfolgenden Tag zu seiner Zerstreuung eine Schweinsjagd in dem Forste von Asproni veranstaltet werde.

La San Felice

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