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Zweiter Theil
Elftes Capitel.
Der General Baron Carl Mack

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Der, welcher dieses allgemeine Erstaunen hervorrief, war ein Mann von fünf- bis sechsundvierzig Jahren, groß, blond, bleich, in österreichischer Uniform, mit den Abzeichen der Generalswürde und unter andern Decorationen auch mit dem Marie Theresienorden und dem des heil. Januarius geschmückt.

»Sire,« sagte die Königin, »ich habe die Ehre, Ihnen, den Baron Carl Mack vorzustellen, welchen Sie soeben zum Obergeneral Ihrer Armee ernannt haben.«

»Ah, mein lieber General, sagte der König, indem er mit einem gewissen Erstaunen den St. Januariusorden betrachtete, womit der General geschmückt war und welchen der König sich nicht erinnern konnte, ihm verliehen zu haben: »ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen.«

Dann wechselte er mit Ruffo einen Blick, welcher zu sagen schien: »Aufgepaßt!«

Mack verneigte sich tief, und stand ohne Zweifel im Begriffe, dieses Compliment des Königs zu beantworten, als die Königin wieder das Wort ergriff und sagte:

»Sire, ich glaubte, wir dürften die Ankunft des Barons in Neapel nicht abwarten, um ihm einen Beweis der Achtung zu geben, welche Sie ihm zollen, und habe ihm daher, ehe er Wien verließ, durch Ihren Gesandten die Insignien Ihres Ordens vom heil. Januarius zustellen lassen.«

»Und ich, Sire,« sagte der Baron mit einem Enthusiasmus, der vielleicht ein wenig zu theatralisch war, um aufrichtig zu sein, »ich bin, getrieben von Dankbarkeit für die Güte Ew. Majestät, mit der Schnelligkeit des Blitzes herbeigeeilt, um Ihnen zu sagen: Sire, mein Degen gehört Ihnen.«

Mit diesen Worten zog Mack die Klinge aus der Scheide. Der König schob seinen Sessel einen Schritt zurück. Ebenso wie Jacob der Erste liebte er nicht den Anblick des blanken Eisens.

Mack fuhr fort:

»Dieser Degen gehört Ihnen und Ihrer Majestät der Königin, und wird nicht eher ruhig in seiner Scheide schlafen, als bis er diese verruchte französische Republik gestürzt hat, welche die Verläugnung der Menschenwürde und die Schmach Europas ist. Nehmen Sie meinen Schwur an, Sire?« fuhr Mack fort, indem er in furchtbarer Weise seinen Degen schwang.

Ferdinand, der für seine Person kein Freund theatralischer Geberden war, konnte mit seinem bewundernswürdigem gesunden Menschenverstande nicht umhin zu sehen, welche lächerliche Prahlerei in dem Auftreten des Generals Mack lag, und mit seinem spöttischen Lächeln murmelte er in seinem neapolitanischen Patois, welches, wie er wußte, für Jeden, der nicht am Fuße des Vesuv geboren worden, unverständlich war, das einzige Wort:

»Ceuza!«

Gerne würden wir diese Art Ausruf, welcher den Lippen des Königs Ferdinand entschlüpfte, übersetzen, unglücklicher Weise aber gibt es in keiner Sprache ein Wort, welches ganz genau dasselbe bedeutete. Begnügen wir uns daher zu sagen, daß es so ziemlich die Mitte zwischen Geck und Dummkopf bezeichnet.

Mack, der in der That nicht verstanden hatte und mit dem Degen in der Hand wartete, daß der König seinen Schwur annehme, drehte sich ziemlich verlegen nach der Königin herum.

»Ich glaube,« sagte Mack zur Königin, »Seine Majestät hat mir die Ehre erzeigt, mir etwas zu sagen.«

»Seine Majestät,« antwortete die Königin, ohne aus der Fassung zu kommen, »hat Ihnen durch ein einziges, ausdrucksvolles Wort seine Dankbarkeit zu erkennen gegeben.«

Mack verneigte sich und steckte, während das Gesicht des Königs seinen Ausdruck von gutmüthigem Spott beibehielt, seinen Degen wieder in die Scheide.

»Und nun,« sagte der König, der nun einmal die Bahn des Spottes betreten, welcher er gar so gern folgte, » hoffe, ich, daß mein lieber Neffe, indem er mir einen seiner besten Generale schickt, diese nichtswürdige französische Republik zu stürzen, mir gleichzeitig einen von dem Hofkriegsrath ausgearbeiteten Feldzugsplan übermittelt.«

Diese mit vollkommen gutgespielter Naivetät gestellte Frage war ein neuer Spott von Seiten des Königs, denn der Hofkriegsrath hatte die Pläne zu dem Feldzug von 96 und 97 ausgearbeitet, Pläne, nach welchen die österreichischen Generale und der Erzherzog Carl selbst geschlagen worden.

»Nein, Sire,« antwortete Mack, »ich habe Seine Majestät den Kaiser, meinen erhabenen Herrn, gebeten, mir in dieser Beziehung freie Hand zu lassen.«

»Und er hat Ihnen hoffentlich diese Bitte bewilligt, nicht wahr?« fragte der König.

»Ja, Sire, er hat mir diese Gnade erzeigt.«

»Und Sie werden sich dann wohl unverweilt mit dieser Aufgabe beschäftigen, mein lieber General? Denn ich gestehe, daß ich der Mittheilung dieses Planes mit großer Ungeduld entgegensehe.«

»Die Sache ist bereits gemacht, antwortete Mack im Tone eines Menschen, der mit sich selbst vollkommen zufrieden ist.

»Ah!« sagte Ferdinand, der seiner Gewohnheit gemäß sofort wieder gutgelaunt war, wenn er Jemanden fand, den er verspotten konnte, »Sie hören es, meine Herren. Ehe noch der böse Garat uns im Namen der nichtswürdigen französischen Republik den Krieg erklärt hatte, war die nichtswürdige französische Republik, Dank dem Genie unseres Obergenerals, schon geschlagen. Wir stehen sichtlich unter den Schutze Gottes und des heiligen Januarius Dank, mein lieber General, Dank!«

Mack, der dieses Compliment buchstäblich nahm, verneigte sich tief vor dem König.

»Welch ein Unglück,« rief dieser, »daß wir nicht eine Karte unserer Staaten und der römischen Staaten hier haben, um den Operationen des Generals auf dieser Karte zu folgen. Man sagt, der Bürger Buonaparte habe in seinem Cabinet in der Rue Chantereine zu Paris eine große Karte, auf welcher er seinen Secretären und Adjutanten im voraus die Punkte bezeichnet, wo er die feindlichen Generale schlagen wird. Der Baron würde uns im voraus diejenigen bezeichnet haben, auf welchen er die französischen Generale schlagen wird. Du wirst eine ähnliche Karte wie die des Bürgers Buonaparte für das Kriegsministerium anfertigen lassen und dem Baron Mack zur Verfügung stellen, hörst Du, Ariola?«

»Es wäre dies überflüssige Mühe, Sire. Ich besitze bereits eine ganz vortreffliche Karte.«

»Die eben so gut ist wie die des Bürgers Buonaparte?« fragte der König.

»Ich glaube es,« antwortete Mack mit selbstzufriedener Miene.

»Wo ist sie, General?« fragte der König wieder; »wo ist sie? Ich sterbe vor Ungeduld, eine Karte zu sehen, auf welcher man den Feind im Voraus schlägt.«

Mack gab einem Thürsteher Befehl, ihm das Portefeuille zu bringen, welches er in dem Nebenzimmer gelassen.

Die Königin, welche ihren Gemahl kannte, sich durch die erheuchelten Complimente, welche er ihrem Schützling machte, nicht täuschen ließ und fürchtete, dieser werde endlich bemerken, daß er der Spottsucht des Königs zur Zielscheibe diente, wendete ein, daß jetzt vielleicht nicht der geeignete Augenblick sei, sich mit diesem Detail zu beschäftigen. Mack aber, welcher diese Gelegenheit, seine strategische Wissenschaft durch drei oder vier anwesende Generale bewundern zu lassen, nicht versäumen wollte, verbeugte sich mit ehrerbietiger Beharrlichkeit und die Königin gab nach.

Der Thürsteher brachte eine große Mappe, auf deren einer Seite das österreichische Wappen, auf der andern der Name und die Titel des Generals Mack in Golddruck zu sehen waren.

Der General zog eine große Karte der römischen Staaten mit ihren Grenzen heraus und breitete sie auf die Tafel.

»Achtung, mein lieber Kriegsminister! Achtung, meine Herren Generale!« sagte der König. »Verlieren wir kein Wort von dem, was der Baron uns sagen wird. Sprechen Sie, Baron, man hört Sie.«

Der Officier näherte sich dem Tische mit lebhafter Neugier. Der Baron Mack stand – man wußte damals nicht warum, und hat es auch später niemals erfahren – in dem Rufe, einer der ersten Strategen der Welt zu sein.

Die Königin, welche sich an etwas, was sie als eine Mystification von Seite des Königs betrachtete, nicht betheiligen wollte, trat ein wenig auf die Seite.

»Wie, Madame,« rief der König, »in dem Augenblicke, wo der Baron einwilligt uns zu sagen, wo er diese Republikaner, die Ihnen so sehr verhaßt sind, schlagen wird, entfernen Sie sich?«

»Ich verstehe nichts von der Strategie,« entgegnete die Königin ärgerlich. »Vielleicht,« fuhr sie fort, indem sie mit der Hand auf den Cardinal Ruffo zeigte, »würde ich Jemanden, der sich darauf versteht, blos den Platz wegnehmen.«

Und sich einem Fenster nähernd, trommelte sie an dem Glase.

In demselben Augenblicke und als ob sie damit ein verabredetes Signal gegeben, schmetterte eine zweite Jagdfanfare.

Der König blieb stehen, als ob ihm die Füße plötzlich in dem Mosaik angewurzelt wären, welches den Fußboden des Zimmers bildete. Sein Gesicht veränderte sich, und ein Ausdruck von Zorn trat an die Stelle der spöttischen Gutmüthigkeit, die bis jetzt darauf geschrieben stand.

»Ha,« rief er, »entweder haben diese Menschen den Verstand verloren, oder sie haben sich verschworen, mich um den meinigen zu bringen. Jetzt haben wir nicht Zeit, den Hirsch oder den Eber zu jagen, wir jagen den Republikaner!«

Dann eilte er zum zweiten Male an das Fenster, welches er mit noch größerer Heftigkeit als das erste Mal aufriß.

»Wirst Du endlich schweigen, Dummkopf!« rief er. »Ich weiß wirklich nicht, was mich abhält, hinunter zu kommen und Dir mit eigener Hand den Hals umzudrehen.«

»O, Sire,« sagte Mack, »das wäre zu viel Ehre für diesen gemeinen Kerl.«

»Glauben Sie, Baron?«, sagte der König, eine gute Laune wieder gewinnend. »Nun, lassen wir ihn dann leben, und beschäftigen wir uns nur mit Ausrottung der Franzosen. Laffen Sie Ihren Plan sehen, General, lassen Sie sehen.«

Und er schloß das Fenster mit größerer Ruhe, als man nach dem Zustande von Erbitterung hätte hoffen können, worein ihn der Schall des Horns versetzt, und welchem er glücklicherweise durch die abgedroschene Schmeichelei des Generals Mack wie durch ein Wunder wieder entrissen worden.

»Sehen Sie, meine Herren,« sagte Mack im Tone eines Professors, welcher seine Zöglinge unterrichtet, »unsere sechzigtausend Mann sind längs dieser Linie, welche sich von Gaëta bis Aquila erstreckt, auf vier bis fünf Punkte verheilt.«

»Sie wissen, daß wir deren fünfundsechzigtausend haben,« sagte der König; »seien Sie daher nicht allzu sparsam.«

»Ich bedarf deren nur sechzigtausend, Sire, sagte Mack; »meine Berechnungen gründen sich auf diese Ziffer, und selbst wenn Ew. Majestät hunderttausend Mann hätten, so würde ich Ihnen nicht einen Tambour mehr abnehmen. Uebrigens bin ich über die Stärke der Franzosen ganz genau unterrichtet. Sie haben kaum zehntausend Mann.«

»Dann, sagte der König, »sind wir also sechs gegen einen. Dies beruhigt mich vollständig. Im Feldzuge von 96 und 97 waren die Soldaten meines Neffen nur zwei gegen einen, als sie von dem Bürger Buonaparte geschlagen wurden.«

»Ich war nicht dabei, Sire,« antwortete Mack mit selbstgenügsamem Lächeln.

»Das ist wahr,« antwortete der König mit gut erheuchelter Einfalt. »Es war weiter Niemand dabei als Beaulieu, Wurmser, Alvinzi und der Prinz Carl.«

»Sire, Sire,« murmelte die Königin, indem sie Ferdinand am Schooße seines Jagdrockes zupfte.

»O, fürchten Sie nichts, sagte der König, »ich weiß, mit wem ich zu thun habe, und übrigens werde ich ihn blos so weit kratzen, als er mir den Kopf herreckt.«

»Ich sagte also,« hob Mack wieder an, »daß das Gros unserer Truppen, ungefähr zwanzigtausend Mann, in San Germano steht und daß die vierzigtausend andern am Tronto, in Sessa, in Tagliacozzo und in Aquila campiren. Zehntausend Mann gehen über den Tronto und verjagen die französische Besatzung aus Ascoli, dessen sie sich bemächtigen, und rücken gegen Fermo vor. Viertausend Mann rücken von Aquila aus, besetzen Rieti und marschieren auf Terni; fünf- oder sechstausend rücken von Tagliacozzo nach Tivoli, um Streifzüge nach der Sabina zu machen; achttausend verlassen das Lager von Seffa und rücken auf der appischen Straße in die römischen Staaten ein, sechstausend Mann endlich schiffen sich nach Livorno ein, um den Franzosen, welche sich über Perugia zurückziehen, den weiteren Rückzug abzuschneiden.«

»Der General Mack, bemerkte der König, »sagt uns nicht, wie der Bürger Bonaparte ganz genau, wo er den Feind schlagen wird, aber er sagt uns wenigstens, wohin sich derselbe zurückzieht.«

»O,« rief Mack triumphierend, »ich werde Ihnen auch sagen, wo ich den Feind schlage.«

»Ah, lassen Sie sehen, sagte der König, welcher plötzlich an dem Kriege beinahe eben so viel Vergnügen zu finden schien, als er an der Jagd gefunden haben würde.

»Mit Ew. Majestät und zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Mann rücke ich von San Germano aus.

»Sie rücken mit mir von San Germano aus?«

»Ich marschiere auf Rom.«

»Abermals mit mir?«

»Ich debouchire durch die Landstraßen von Ceparano und Frosinone.«

»Das sind sehr schlechte Straßen, General! Ich kenne sie; ich ward einmal dort umgeworfen.«

»Der Feind verläßt Rom.«

»Wissen Sie das gewiß?«

»Rom ist kein Platz, welcher vertheidigt werden könnte.«

»Und wenn der Feind Rom verlassen hat, was macht er dann?«

»Er zieht sich auf Civita-Catellana zurück, was eine furchtbar feste Position ist.«

»Aha, und in dieser lassen Sie ihn, nicht wahr?«

»Nein; ich greife ihn an, und schlage ihn.«

»Sehr schön. Wenn Sie ihn nun aber nicht schlügen?«

»Sire, sagte Mack, indem er die Hand auf die Brust legte und sich vor dem König verneigte, »wenn ich die Ehre habe, Ew. Majestät zu sagen, daß ich ihn schlagen werde, so ist es so gut, als wäre er schon geschlagen.«

»Nun, dann geht Alles gut,« sagte der König.

»Haben Ew. Majestät gegen den Plan, welchen ich Ihnen vorgelegt, irgend welche Einwendungen zu erheben?«

»Nein, es gibt nur einen einzigen Punkt, über welchen wir uns zu verständigen haben würden.«

»Und welcher wäre das, Sire?«

»In Ihrem Feldzugsplane sagen Sie, daß Sie von San Germano mit mir ausrücken.«

»Ganz recht, Sire.«

»Dann werde ich also den Krieg mitmachen?«

»Ohne Zweifel.«

»Dies ist die erste Mittheilung, die ich darüber höre. Und welchen Grad bieten Sie mir in meiner Armee an? Ich begehe doch keine Indiscretion, wenn ich mich bei Ihnen darnach erkundige?«

»Das Obercommando, Sire. Ich würde mich glücklich und stolz fühlen. Ihren Befehlen zu gehorchen.«

»Das Obercommando? Hm, hm!«

»Würden Sie dieses zurückweisen, Majestät? Man hatte mir dennoch Hoffnung gemacht –«

»Wer hatte Ihnen Hoffnung gemacht –«

»Ihre Majestät, die Königin.«

»Ihre Majestät die Königin ist sehr gütig. Ihre Majestät die Königin vergißt aber in der allzu hohen Meinung, die sie von jeher von mir gehabt und die sie auch bei dieser Gelegenheit von mir kundgibt, daß ich nicht ein Kriegsmann bin. Ich sollte das Obercommando übernehmen?« fuhr der König fort. »Hat San Nicandro mich vielleicht zu einem Alexander oder einem Hannibal erzogen? Bin ich vielleicht auf der Kriegsschule zu Brienne gewesen wie der Bürger Buonaparte? Habe ich vielleicht den Polybius, Cäsar’s Commentarien, den Chevalier Folard, Montecuculi und den Marschall von Sachsen gelesen, wie der Prinz Carl? Habe ich überhaupt etwas gelesen, was mich fähig machte, schulgerecht geschlagen zu werden? Habe ich vielleicht andere Truppen commandiert, als meine Liparioten?«

»Sire, antwortete Mack, »ein Nachkomme Heinrichs des Vierten und ein Enkel Ludwigs des Vierzehnten weiß dies Alles, ohne es jemals gelernt zu haben.«

»Mein lieber General,« sagte der König, »so etwas müssen Sie Jemanden sagen, der noch dümmer ist als ich.«

»Sire,« rief Mack ganz erstaunt, einen König so freimüthig eine Meinung über sich selbst aussprechen zu hören.

Mack wartete; Ferdinand kratzte sich hinter dem Ohr.

»Und dann?« fragte Mack, als er sah, daß das, was der König noch zu sagen hatte, nicht allein zum Vorschein kommen würde.

Ferdinand schien noch zu überlegen. Nach einer Weile hob er an:

»Eines der ersten Erfordernisse eines Generals ist der Muth, nicht wahr?«

»Das ist allerdings unbestreitbar.«

»Dann besitzen Sie also wohl Muth?«

»Sire –«

»Sie wissen ganz bestimmt, daß Sie Muth besitzen, nicht wahr?«

»O!«

»Wohlan, ich weiß es von mir nicht ganz bestimmt.«

Die Königin erröthete bis an die Ohren. Mack sah den König mit Erstaunen an. Die Minister und Räthe, welche den Cynismus des Königs kannten, lächelten. Nichts was von dieser seltsamen Persönlichkeit, die man König Ferdinand nannte, ausging, konnte sie in Erstaunen setzen.

»Indeß,« fuhr der König fort, »es ist möglich, daß ich mich irre und daß ich Muth besitze, ohne es selbst zu wissen. Wir werden ja sehen.«

Dann drehte er sich nach seinen Räthen, Ministern und Generalen herum und sagte:

»Meine Herren, Sie haben den Feldzugsplan des Barons gehört, nicht wahr?«

Alle gaben durch entsprechende Geberden zu verstehen, daß dies der Fall sei.

»Und Du billigt ihn, Ariola?«

»Ja, Sire,« antwortete der Kriegsminister.

»Du auch, Pignatelli?«

»Ja, Sire.«

»Du auch, Colli?«

»Ja, Sire.«

» Du auch, Parisi?«

»Ja, Sire.«

Zuletzt wendete er sich zu dem Cardinal, der, wie er schon während der ganzen Sitzung gethan, sich ein wenig beiseite hielt.

»Und Sie, Ruffo?« fragte er.

Der Cardinal schwieg.

Mack hatte jede der Beifallserklärungen mit einem Lächeln begrüßt. Er betrachtete daher mit Erstaunen den Mann der Kirche, welcher sich nicht beeilte wie die Andern, sich ebenfalls einverstanden zu erklären.

»Vielleicht, sagte die Königin, »hatte der Herr Cardinal einen bessern Plan ausgearbeitet.«

»Nein, Majestät, antwortete der Cardinal, ohne die Fassung zu verlieren. »Ich wußte ja nicht, daß der Krieg so nahe bevorstünde, und es hatte mir auch Niemand die Ehre erzeigt, mich um meine Meinung zu befragen.«

»Wenn Sie, Eminenz, sagte Mack in spöttischem Tone, »einige Bemerkungen zu machen haben, so bin ich bereit, dieselben zu hören.«

»Ohne Ihre Erlaubniß, Excellenz, würde ich nicht gewagt haben, meine Meinung auszusprechen, antwortete Ruffo mit außerordentlicher Courtoisie, »da Sie mich aber dazu ermächtigen –«

»O thun Sie es! thun Sie es, Eminenz,« sagte Mack lachend.

»Wenn ich Ihre Combinationen richtig verstanden habe, Excellenz,« sagte Ruffo, »so ist der Zweck des Feldzugsplanes, den Sie uns die Ehre erzeigt uns vorzulegen, dieser –«

»Ja, lassen Sie hören, sagte Mack, welcher nun seinerseits Jemanden gefunden zu haben glaubte, den er zum Besten halten könnte.

»Ja, lassen Sie hören,« sagte Ferdinand, welcher schon im voraus den Sieg dem Cardinal zuschrieb und zwar aus dem einzigen Grunde, weil die Königin ihn haßte.

Die Königin stampfte vor Ungeduld mit dem Fuße.

Der Cardinal sah diese Bewegung, kehrte sich aber weiter nicht daran. Er kannte die Abneigung der Königin gegen ihn und ließ sich dadurch nicht sonderlich beunruhigen. Mit vollkommener Fassung fuhr er daher fort:

»Durch Ausdehnung Ihrer Linie, Excellenz, hoffen Sie mit Hilfe Ihrer großen numerischen Ueberlegenheit die äußersten Spitzen der französischen Linie zu umgehen, die Corps eins auf das andere zu werfen und da ihnen der Rückzug durch Toscana abgeschnitten sein würde, sie zu vernichten oder gefangen zu nehmen.«

»Sie haben meine Idee vollkommen richtig aufgefaßt, Eminenz,« sagte Mack ganz vergnügt. »Ich werde den Feind gefangen nehmen vom ersten bis zum letzten Mann und nicht ein einziger Franzose soll nach Frankreich zurückkehren, um zu erzählen, wo seine Cameraden geblieben sind. Dies geschieht, so wahr ich Baron Carl Mack heiße. Haben Sie vielleicht etwas Besseres in Vorschlag zu bringen?«

»Wenn ich befragt worden wäre, entgegnete der Cardinal, »so würde ich wenigstens etwas Anderes vorgeschlagen haben.«

»Und was hätten Sie vorgeschlagen?«

»Ich hätte vorgeschlagen, die neapolitanische Armee blos in drei Corps zu theilen. Ich hätte fünfundzwanzig oder dreißigtausend Mann zwischen Rieti und Terni concentrirt; ich hätte zwölftausend Mann zum Angriff auf den linken Flügel der Franzosen bestimmt und zehntausend Mann in die pontinischen Sümpfe geschickt, um sie auf den rechten Flügel zu werfen. Endlich hätte ich achttausend Mann nach Toscana geschickt. Dann hätte ich mit Aufbietung aller Kräfte und mit der äußersten Energie, deren ich fähig gewesen wäre, versucht, das Centrum des Feindes zu durchbrechen, seine beiden Flügel in der Flanke zu fassen und sie zu hindern, sich wechselseitig Beistand zu leisten. Mittlerweile hätte die toscanische Legion, nachdem sie alle Verstärkungen, welche das Land selbst zu liefern vermocht, an sich gezogen, sich uns genähert, um uns je nach Umständen zu unterstützen. Dies hätte der jungen und unerfahrenen neapolitanischen Armee erlaubt, in Massen zu agieren, was ihr Vertrauen zu sich selbst gegeben haben würde. Dies,« sagte Ruffo, »ist es, was ich vorgeschlagen hätte. Ich bin aber weiter nichts als ein schlichter Mann der Kirche und beuge mich vor der Erfahrung und dem Genie des Generals Mack.«

Mit diesen Worten that der Cardinal, welcher sich dem Tische genähert, um auf der Karte die Bewegungen anzudeuten, welche er ausgeführt haben würde, einen Schritt zurück, um dadurch zu erkennen zu geben, daß er auf eine weitere Discussion verzichte.

Die Generale sahen einander mit Ueberraschung an. Es war klar, daß Ruffo einen ganz vortrefflichen Rath gegeben hatte.

Mack setzte, indem er die neapolitanische Armee in zu viele kleine Corps theilte, dieselben der Gefahr aus, einzeln selbst von einem nicht sehr zahlreichen Feind geschlagen zu werden. Ruffo's Plan war dagegen von dieser Gefahr völlig frei.

Mack biß sich auf die Lippe. Er fühlte, wie sehr der eben entwickelte Plan den Vorzug vor dem einigen verdiente.

»Mein Herr,« sagte er, »es steht dem König noch frei, zwischen Ihnen und mir, zwischen Ihrem Plan und dem meinigen zu wählen. In der That, setzte er mit erzwungenem Gelächter hinzu, »taugt für einen Krieg, den man einen heiligen Krieg nennen kann, ein Peter von Amiens besser als ein Gottfried von Bouillon.«

Der König wußte nicht genau, wer Peter von Amiens und Gottfried von Bouillon gewesen seien, während er aber mit Mack für seine eigene Person seinen Scherz trieb, wollte er ihn jedoch nicht unzufrieden machen.

»Was sagen Sie da, mein lieber General!« rief er. »Ich finde für meinen Theil Ihren Plan ganz vortrefflich und Sie haben gesehen, daß dies auch die Meinung dieser Herren ist, denn es haben sich alle damit einverstanden erklärt. Ich billige denselben von Anfang bis Ende und möchte keine einzige Bestimmung desselben geändert sehen. Also die Armee haben wir. Gut. Wir haben nun auch den Obergeneral. Gut, sehr gut. Es fehlt uns nun weiter nichts mehr als das Geld. Wie steht es, Corradino?« fuhr der König fort, indem er sich zu dem Finanzminister wendete. »Ariola hat uns seine Mannschaften gezeigt, zeige Du uns deine Thaler.«

»Ach, Sire,« antwortete der Minister, welchem der König auf diese Weise so zu sagen die Pistole auf die Brust setzte, »Euer Majestät wissen recht wohl, daß die Ausgaben, welche die Ausrüstung und Bekleidung der Armee erforderlich gemacht, die Staatscassen vollständig geleert haben.«

»Das ist eine schlimme Mittheilung, Corradino, eine sehr schlimme Mittheilung. Ich habe immer gehört, das Geld sei der Nerv des Krieges. Haben Sie gehört, Madame? Es ist kein Geld da.«

»Sire,« antwortete die Königin, »das Geld wird Ihnen eben so wenig fehlen, als Ihnen die Armee und der Obergeneral gefehlt hat, und wir haben vorläufig eine Million Pfund Sterling zu Ihrer Verfügung.«

»Schön,« sagte der König, »und wer ist der Alchymit, der auf diese Weise die Kunst besessen, Gold zu machen? »Ich werde die Ehre haben, Ihnen den Mann vorzustellen, Sire,« sagte die Königin, indem sie wieder auf die Thür zuschritt, durch welche sie schon den General Mack eingeführt.

Sie öffnete diese Thür und sagte, zu einer noch unsichtbaren Person sprechend:

»Mylord, wollen Sie die Güte haben, dem König zu bestätigen, was ich so eben die Ehre gehabt ihm zu versichern, nämlich daß es ihm, um Krieg gegen die Jacobiner zu führen, nicht an dem nöthigen Geld fehlen werde?«

Aller Augen wendeten sich nach der Thür und Nelson erschien mit strahlendem Antlitz auf der Schwelle, während hinter ihm, gleich einem elysäischen Schatten, die leichte, ätherische Gestalt Emma Lyonnas verschwand, welche so eben durch einen ersten Kuß die Hingebung Nelson's und die Subsidien Englands erkauft hatte.

La San Felice

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