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Dritter Theil
Neuntes Capitel.
Fra. Michele

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Am nächstfolgenden Tage, welcher ein Sonntag war, kleidete Michele Pezza seiner Gewohnheit gemäß sich an, um die Messe zu hören, welcher Pflicht er, seitdem er in den weltlichen Stand zurückgetreten, nicht ein einziges Mal untreu geworden war.

In der Kirche traf er seine Eltern, begrüßte sie ehrerbietig, geleitete sie nach Beendung der Messe nach Hause, bat sie um ihre Zustimmung zu seiner Vermählung mit der Tochter Don Antonios, wenn dieser sie ihm nämlich gäbe, und seine Eltern erheilten diese Zustimmung.

Dann begab er, um sich nichts vorzuwerfen zu haben, sich zu Don Antonio, in der Absicht, um Francesca’s Hand anzuhalten.

Don Antonio befand sich in Gesellschaft seiner Tochter und seines künftigen Schwiegersohnes und sein Erstaunen war nicht gering, als auf einmal Michele Pezza ins Zimmer trat.

Giansimone hatte nicht gewagt ihm zu erzählen, was zwischen ihm und seinem Lehrling vorgegangen war. Er hatte ihn blos wie immer ersucht, sich zu gedulden, und ihm versprochen, seinen Wunsch, wenn es irgend möglich wäre, im Laufe der nächstfolgenden Woche zu befriedigen.

Bei Fra Micheles Eintritt stockte das Gespräch so plötzlich, daß der junge Mann nothwendig errieth, es sei von Familienangelegenheiten die Rede, die man ihm durchaus nicht mitzutheilen gedenke.

Pezza grüßte sehr höflich die drei Personen, die er beisammen antraf, und bat dann Don Antonio um die Gunst, einige Worte unter vier Augen an ihn richten zu dürfen.

Diese Gunst ward ihm nur widerstrebend gewährt. Der Nachkomme der spanischen Eroberer fragte sich, ob es nicht gefährlich für ihn sei, sich allein seinem jungen Nachbar gegenüber zu befinden, obschon er von dem entschlossenen Charakter desselben keine Ahnung hatte.

Er forderte Francesca und Peppino durch einen Wink auf, sich zu entfernen.

Peppino bot Francesca den Arm und ging mit ihr, Michele ins Gesicht lachend, hinaus.

Pezza sprach kein Wort und machte keine drohende Geberde, sondern verhielt sich vollkommen ruhig, obschon es ihm war, als würde er von mehr Nattern gestochen als Don Rodriguez in seiner Tonne.

»Meister, sagte er zu Don Antonio, sobald sich die Thür hinter dem glücklichen Paar geschlossen, welches wahrscheinlich nun draußen sich in Spöttereien über den armen Verliebten erging; »ich brauche Euch wohl nicht erst zu sagen, daß ich eure Tochter Francesca liebe.«

»Nun, wenn Du es mir nicht zu sagen braucht,« entgegnete Don Antonio höhnisch, »warum sagst Du es dann?«

»Für Euch, Meister, ist es allerdings nicht nöthig, wohl aber für mich, der ich komme, um Euch zu bitten, mir sie zur Frau zu geben.«

Don Antonio schlug ein lautes Gelächter auf.

»Darin sehe ich gar nichts zu lachen, Meister,« sagte Michele Pezza, ohne im mindesten in die Hitze zu gerathen, »und da ich ernst mit Euch gesprochen, so habe ich auch das Recht, ernst angehört zu werden.«

»In der That, was könnte man sich wohl Ernsthafteres denken!« fuhr der Stellmacher in immer noch spöttischem Tone fort. »Signor Michele Pezza erzeigt Don Antonio die Ehre, eine Tochter zum Weibe zu begehren!«

»Ich glaube nicht, Euch dadurch eine besondere Ehre zu erzeigen,« entgegnete Pezza, indem er immer noch dieselbe Kaltblütigkeit bewahrte. »Ich glaube, die Ehre ist auf der einen Seite wie auf der andern und Ihr werdet mir meine Bitte abschlagen, das weiß ich wohl.«

»Aber warum setzest Du Dich einer Zurückweisung aus?«

»Um mein Gewissen zu beruhigen.«

»Dein Gewissen, Michele Pezza!« rief Don Antonio und brach wieder in lautes Gelächter aus.

»Nun,« entgegnete der junge Mann mit derselben Kaltblütigkeit, »warum sollte Michele Pezza nicht so gut ein Gewissen haben wie Don Antonio? Eben so wie Don Antonio hat er zwei Arme, um zu arbeiten, zwei Beine, um zu gehen, zwei Augen, um zu sehen, eine Zunge, um zu sprechen, ein Herz, um zu lieben und zu hassen. Warum sollte er nicht auch wie Don Antonio ein Gewissen haben, welches ihm sagt: Das ist gut und das ist bös?«

Diese Kaltblütigkeit, auf welche er von Seiten eines so jungen Mannes nicht gefaßt war, brachte den Stellmacher in nicht geringe Verlegenheit. Dennoch hielt er sich an den eigentlichen Sinn der von Michele Pezza gesprochenen Worte und sagte:

»Du willst dein Gewissen beruhigen? Das soll wohl so viel heißen, als daß, wenn ich Dir meine Tochter verweigere, ein Unglück passieren wird?

»Wahrscheinlich,« antwortete Michele Pezza mit dem Lakonismus eines Spartaners.

»Und was für ein Unglück würde dann passieren?« fragte der Stellmacher.

»Das ist blos Gott und der Wahrsagerin Nanno bekannt,« sagte Pezza. »Ein Unglück aber wird geschehen, denn so lange ich lebe, wird Francesca nimmermehr das Weib eines Andern.«

»Geh, mach, daß Du fortkommst! Du bist ein Narr!«

»Ein Narr bin ich nicht, aber ich gehe.«

»Das ist mir sehr lieb,« murmelte Don Antonio.

Michele Pezza that einige Schritte in der Richtung nach der Thür, blieb aber auf der Hälfte des Weges wieder stehen.

»Ihr sehet mich so ruhig fortgehen, sagte er, »weil Ihr glaubt, euer Gevatter Giansimone werde mir über kurz oder lang ebenso die Thür weisen, wie Ihr mir jetzt die eurige weist.«

»Wie?« rief Don Antonio erstaunt.

»Macht Euch keine vergebliche Hoffnung. Wir haben uns gegen einander erklärt und ich werde bei ihm bleiben, so lange es mir beliebt.«

»Ha, der Unglückliche!« rief Don Antonio. »Er hatte mir doch versprochen –«

»Was er nicht halten konnte. Ihr habt das Recht, mich aus eurem Hause zu weisen, und ich es nehme es Euch durchaus nicht übel, denn ich bin hier ein Fremdling; er aber hatte nicht dieses Recht, denn ich bin ein Lehrling.«

»Nun und was ist da weiter dabei?«, sagte Don Antonio sich aufrichtend. »Ob Du bei meinem Gevatter bleibt oder nicht, darauf kommt nichts an. Wir sind jeder für sich in seinem Hause. Nur sage ich Dir meinerseits nach den Drohungen, welche Du gegen mich ausgestoßen, im Voraus: Wenn ich Dich künftighin in meinem Hause treffe oder Dich bei Tage oder Nacht auf meinem Grund und Boden herumschleichen sehe, so schlage ich, da Du mir deine schlimmen Absichten selbst erklärt hat, Dich todt wie bei einen tollen Hund.«

»Das ist euer Recht, aber ich werde mich dieser Gefahr nicht aussetzen. Jetzt überlegt Euch die Sache.«

»O, ich habe schon Alles überlegt.«

»Ihr verweigert mir also Francesca’s Hand?«

»Zweimal für einmal.«

»Selbst für den Fall, daß Peppino darauf verzichtete?«

»Selbst für den Fall, daß Peppino darauf verzichtete.«

»Auch für den Fall, daß Francesca einwilligte, mich zum Manne zu nehmen?«

»Selbst für den Fall, daß Francesca einwilligte, Dich zum Manne zu nehmen.«

»Und Ihr schickt mich fort, ohne einiges Mitleid zu haben? ohne mir auch nur die mindeste Hoffnung zu lassen?

»Ich schicke Dich fort und sage: Nein, nein, nein!«

»Bedenkt, Don Antonio! Gott straft nicht die Verzweifelten, sondern Die, durch welche sie zur Verzweiflung getrieben werden.«

»Das behaupten die Geistlichen «

»Und die Leute von Ehre bestätigen es. Lebt wohl, Don Antonio. Gott gebe Euch Frieden.«

Mit diesen Worten entfernte sich Michele Pezza.

An der Hausthür des Stellmachers begegnete er zwei oder drei jungen Leuten von Itri, welchen er zulächelte wie gewöhnlich.

Dann kehrte er zu Giansimone zurück.

Wenn man ein so ruhiges Gesicht sah, konnte man unmöglich glauben oder auch nur vermuthen, daß er einer jener Verzweifelten sei, von welchen er einen Augenblick vorher gesprochen.

Er ging in seine Kammer hinauf und schloß sich ein.

Diesmal aber näherte er sich nicht dem Fenster. Er setzte sich auf sein Bett, stützte beide Hände auf die Knie, ließ den Kopf auf die Brust herabsinken und große stumme Thränen rannen aus seinen Augen über die Wangen herab.

So hatte er zwei Stunden stumm, unbeweglich und weinend dagesessen, als an seiner Thür gepocht ward.

Er richtete den Kopf empor, trocknete sich rasch die Augen und horchte.

Man pochte zum zweiten Mal.

»Wer pocht?«, fragte er.

»Ich, Gaëtano.«

Es war dies die Stimme und der Name eines seiner Cameraden. Freunde hatte Pezza nicht.

Er trocknete sich die Augen zum zweiten Male und ging die Thür zu öffnen.

»Was willst Du von mir, Gaëtano?« fragte er.

»Ich wollte Dich fragen, ob Du nicht Lust hättest, mit einigen Freunden eine Partie Kegel zu schieben. Ich weiß wohl, daß dies sonst nicht deine Gewohnheit ist, ich glaube aber, heute –«

»Und warum sollte ich heute eher mitkegeln als an einem andern Tage?«

»Weil Du heute Verdruß gehabt hat und daher der Zerstreuung mehr bedarfst als zu einer andern Zeit.

»Ich hätte heute Verdruß gehabt?«

»Ich denke es. Wenn man wahrhaft liebt und das Mädchen, welches man liebt, nicht bekommt, so hat man allemal Verdruß und Kummer.«

»Du weißt also, daß ich liebe?«

»O, was das betrifft, so weiß es die ganze Stadt.«

»Und Du weißt auch, daß man mir das Mädchen, welches ich liebe, verweigert?«

»Ja wohl und zwar aus guter Quelle. Peppino hat es uns gesagt.«

»Wie sagte er denn?«

»Er sagte, Fra Michele war bei Don Antonio, um Francesca zum Weibe zu verlangen, aber er hat einen Korb gekriegt.«

»Weiter sagte er nichts?«

»O doch! Er setzte hinzu, wenn Du an dem Korbe nicht genug hättest, so wolle er Dir auch noch den Ranzen geben, damit Du volle Ladung hättest.«

»Das sind seine eigenen Worte?«

»Ich habe keine Sylbe verändert.«

»Du hast Recht, sagte Michele Pezza, nachdem einen Augenblick geschwiegen und sich überzeugt, daß er sein Messer in der Tasche hatte. »Ich bedarf der Zerstreuung. Machen wir eine Partie Kegel.«

Und er ging mit Gaëtano fort.

Sie wanderten mit raschem, aber ruhigem Schritt, der übrigens mehr durch Gaëtano als durch Michele geregelt ward, die große Straße hinab, welche nach Fondi führt.

Dann bogen sie links ab, das heißt nach der Seite des Meeres, und lenkten ihre Schritte nach einer doppelt Platanenallee, welche den vernünftigen Leuten von Itri zur Promenade, den Kindern und jungen Leuten zu Spielplatz diente.

Hier spielten zwanzig verschiedene Gruppen zwanzig verschiedene Spiele, ganz besonders aber das, welches da in besteht, daß man sich mit großen Kugeln einer klein so viel als möglich zu nähern sucht.

Michele und Gaëtano gingen um fünf oder sechs dieser Gruppen herum, ehe sie die erkannten, bei welcher Peppino mit betheiligt war.

Endlich gewahrten sie den Stellmachergesellen mitten unter der Gruppe, welche von der Promenade am weiteste entfernt war.

Michele ging gerade auf ihn zu.

Peppino, welcher zur Erde niedergebückt, sich über einen Wurf stritt, erblickte, indem er sich wieder aufrichtete, Pezza.

»Ah!« sagte er, unwillkürlich vor dem Blick erschreckend, den ein Nebenbuhler auf ihn heftete, »da bist Du ja, Michele!«

»Wie Du siehst, Peppino. Wundert Dich das?«

»Ich glaubte, Du kegeltest niemals.«

»Das ist wahr; ich kegele nicht.«

»Nun, was willst Du dann hier?«

»Ich will den Ranzen holen, den Du mir versprochen hast.«

Peppino hielt in seiner rechten Hand die kleine Kugel, welche den Spielern zum Ziel dient und die von der Größe einer vierpfündigen Kanonenkugel war. Er errieth, in welcher feindseligen Absicht Michele ihn aufsuchte, nahm einen Anlauf und schleuderte mit der ganzen Kraft seines Armes die Kugel nach ihm.

Michele, der keine der Bewegungen Peppino's aus den Augen verloren und an der Veränderung seines Gesichts seine Absicht errathen hatte, begnügte sich, den Kopf zu neigen.

Die mit der Kraft eines Mauerbrechers geschleuderte Kugel pfiff zwei Finger breit an seiner Schläfe vorbei und zerschellte an der Mauer.

Pezza hob einen Kiesel auf.

»Ich könnte, sagte er, »wie der junge David, Dir mit einem Kiesel den Kopf zerschmettern und ich würde dann blos zurückgeben, was Du mir hast thun wollen. Anstatt aber Dich mitten auf die Stirn zu treffen, wie David mit dem Philister Goliath that, werde ich mich begnügen, Dich mitten in deinen Hut zu treffen.«

Der Kiesel flog pfeifend durch die Luft und riß Peppino den Hut vom Kopfe, indem er den Hut zugleich auf beiden Seiten durchlöcherte, als ob eine Flintenkugel hindurchgegangen wäre.

»Und nun,« fuhr Pezza fort, indem er die Augenbrauen runzelte und die Zähne zusammenbiß, »nun muß ich Dir sagen, daß tapfere, muthige Leute sich nicht vom Weiten mit Holz und Steinen werfen.«

Er zog ein Messer aus der Tasche.

»Sie schlagen sich vielmehr in der Nähe und mit dem Eisen in der Hand.«

Dann wendete er sich zu den jungen Leuten, welche diesem für sie so interessanten Auftritte zusahen, der in den Sitten des Landes lag, aber selten unter so feindseligen Symptomen stattfand.

»Schaut her, Ihr Andern!« sagte er, »Ihr seid Zeugen, daß Peppino mich zuerst angegriffen hat. Seid nun auch Richter über das, was geschehen wird.«

Und er ging auf Peppino zu, von welchem er bis jetzt durch eine Entfernung von etwa zwanzig Schritten getrennt gewesen und der ihn ebenfalls mit dem Eisen in der Hand erwartete.

»Auf wie viel Zoll Eisen12 wollen wir uns schlagen?« fragte Peppino.

»Auf die ganze Klinge,« antwortete Pezza. »Es ist dann weniger Gelegenheit zum Betrügen.«

»Auf das erste oder aufs zweite Blut?« fragte Peppino wieder.

»Auf den Tod!« antwortete Pezza.

Diese Worte kreuzten sich gleich unheimlichen Blitzen, während ringsum Grabesstille herrschte.

Jeder der Kämpfer zog seine Jacke aus und wickelte dieselbe um den linken Arm, um sich ihrer wie eines Schildes zu bedienen. Dann gingen Peppino und Michele aufeinander los.

Die Zuschauer bildeten einen Kreis, in dessen Mitte die beiden Gegner isoliert standen. Das Schweigen dauerte fort, denn man begriff, daß etwas Furchtbares geschehen würde.

Wenn jemals zwei Naturen einander entgegengesetzt waren, so waren es die der beiden Nebenbuhler.

Der eine war ganz Muskel, der andere ganz Nerv. Der eine mußte nach Art des Stieres kämpfen, der andere nach Art der Schlange.

Peppino erwartete Michele, indem er den Kopf zwischen die Schultern eingezogen hielt, beide Arme vorstreckte, mit dunkelrothem Gesicht und seinen Gegner mit Schmähungen überhäufend.

Michele näherte sich langsam, schweigend und todtenbleich. Seine blaugrünlichen Augen schienen die bestrickende Kraft der Augen der Riesenschlange zu besitzen.

In dem ersten Gegner fühlte man den rohen Muth in Verbindung mit der Muskelkraft, in dem zweiten errieth man eine unüberwindliche Willenskraft.

Michele war augenscheinlich der Schwächste und scheinlich auch der am wenigsten Gewandte; seltsame würden, wenn das Wetten hier Mode gewesen wäre Viertheile der Zuschauer auf ihn gewettet haben.

Die ersten Stöße verloren sich in der Luft oder Falten der Jacken. Die beiden Klingen kreuzten wie spielende Natternzungen.

Plötzlich bedeckte Peppinos rechte Hand sich mit Blut.

Michele hatte ihm einen Schnitt über vier Finger weg beigebracht.

Michele that einen Sprung zurück, um seinem Gegner Zeit zu lassen, sein Messer in die andere Hand zu nehmen, wenn er sich der rechten nicht mehr bedienen könnte.

Jede Gnade für sich ablehnend hatte Michele seinem Gegner verboten, deren für sich zu verlangen.

Peppino nahm ein Messer zwischen die Zähne, band die verwundete rechte Hand mit dem Taschentuch, wickelte die Jacke um den rechten Arm und nahm das Messer in die linke Hand.

Pezza wollte ohne Zweifel nicht vor seinem Gegner einen Vortheil voraus haben, den dieser verloren.

Er nahm daher ein Messer ebenfalls in die linke Hand.

Nach Verlauf einer halben Minute hatte Peppino eine zweite Wunde am linken Arm erhalten.

Er stieß ein Gebrüll, nicht des Schmerzes, sondern der Wuth aus. Er begann die Absicht seines Feindes errathen.

Pezza wollte ihn entwaffnen, aber nicht tödten.

In der That faßte Pezza mit seiner freigewordenen rechten Hand, die von ihrer Kraft nichts verloren hatte, Peppino's linkes Handgelenk und umschloß es mit seinen langen, dünnen aber kräftigen Fingern wie mit einer vielgliederigen Zange.

Peppino suchte sein Handgelenk von dem Griffe freizumachen, welcher die Waffe in seiner Faust lähmte und seinem Feinde es vollkommen frei stellte, ihm, wenn er sonst gewollt hatte, sein Messer zehnmal in die Brust zu stoßen.

Alles aber war vergebens. Die Liane triumphierte über die Eiche.

Peppinos Arm ward steif, das Messer seines Gegners hatte eine Ader geöffnet und durch diese Oeffnung verlor der Verwundete gleichzeitig seine Kraft und sein Blut.

Nach Verlauf von einigen Secunden erschlafften eine durch den Druck entnervten Finger und ließen das Messer fallen.

»Ha!« rief Pezza und gab durch diesen freudigen Ausruf kund, daß er endlich den Zweck erreicht hatte, welchen er verfolgte.

Und er setzte den Fuß auf das Messer.

Der entwaffnete Peppino sah ein, daß ihm nur noch ein Ausweg blieb.

Er stürzte sich auf seinen Gegner und umschlang ihn mit seinen starken, aber verwundeten und blutenden Armen.

Weit entfernt, diese neue Art des Kampfes, in welcher man hätte glauben können, er werde erwürgt werden, wie Antäus, abzulehnen, nahm Pezza, um anzudeuten, daß er nicht die Absicht hatte, sich die Situation zu Nutzen machen, sein Messer zwischen die Zähne und faßte seinen Gegner ebenfalls um den Leib.

Alle Anstrengungen, deren die Kraft fähig ist, alle Künste, welche die Gewandtheit an die Hand gibt, wurden nun von den beiden Kämpfern aufgeboten.

Zum großen Erstaunen der Zuschauer aber schien Peppino, der in dieser Leibesübung stets alle seine Cameraden überwunden, ausgenommen Pezza, mit welchem er niemals gerungen, bestimmt zu sein, in diesem Kampfe, ebenso wie in dem vorhergegangenen, den Kürzeren zu ziehen.

Plötzlich glitten beide Kämpfer mit den Füßen aus, schlugen wie zwei vom Blitz getroffene Eichen zur Erde nieder und wälzten sich auf dem Boden.

Pezza hatte alle seine noch durch nichts verminderten Kräfte zusammengerafft und durch einen furchtbaren Stoß welchen Peppino weit entfernt war, von einem so schwächlichen Feind zu erwarten, seinen Gegner entwurzelt und war auf ihn gestürzt.

Ehe noch die Zuschauer sich von ihrem Erstaunen erholt hatten, lag Peppino auf dem Rücken und Pezza setzte ihm das Messer an die Kehle und das Knie auf die Brust Pezza knirschte vor Freude mit den Zähnen.

»Ich frage Euch,« sagte er, »ist hier Alles ehrlich und offen zugegangen?«

»Ja wohl, ehrlich und offen,« sagten die Zuschauer einmüthig.

»Gehört Peppino's Leben mir?«

»Es gehört Dir.«

»Ist das auch deine Meinung, Peppino?« fragte Pezza indem er dem Besiegten die Spitze des Messers fühlen ließ.

»Tödte mich, Du hast das Recht dazu, murmelte oder vielmehr röchelte Peppino mit erstickter Stimme.

»Würdest Du mich tödten, wenn Du mich so unter der Faust hättest, wie ich Dich habe?«

»Ja, aber ich würde Dich nicht so lange martern.«

»Dann gibst Du also zu, daß dein Leben mir gehört?«

»Ja, ich gebe es zu.«

»Es gehört mir wirklich?«

»Ja.«

Pezza neigte sich zu dem Ohr seines Gegners herab und sagte leise: »Wohlan, ich gebe es Dir zurück, oder vielmehr ich leihe es Dir, denn an dem Tage, wo Du Francesca heiratest, nehme ich es Dir wieder, verstehst Du mich?«

»Ha, Elender!« rief Peppino. »Du bist der Teufel in Menschengestalt, und nicht Fra Michele sollte man Dich nennen, sondern Fra Diavolo.«

»Nenne mich, wie Du willst,« sagte Pezza, »vergiß aber nicht, daß dein Leben mir gehört und daß ich in dem erwähnten Falle Dich nicht erst um Erlaubniß fragen werde, wenn ich es mir wieder nehme.«

Und er erhob sich, wischte mit seinem Hemdärmel das Blut von seinem Messer und steckte dieses ruhig wieder in die Tasche.

»Jetzt,« fuhr er fort, »bist Du frei, Peppino, und es hindert Dich Niemand mehr, deine Kegelpartie weiter fortzusetzen.«

Und er entfernte sich langsam und grüßte mit dem Kopf und mit der Hand seine jungen Bekannten, welche ganz verblüfft dastanden und sich fragten, was er wohl Peppino gesagt haben könne, daß dieser so unbeweglich und halb von der Erde emporgerichtet in der Haltung des verwundeten Fechters sitzen blieb.

12

Oft kommt man bei den im südlichen Italien so gewöhnlichen Messerduellen überein, auf wie viel Zoll Eisen man sich schlagen will. Ein Stück Kork, durch welches man die Klinge steckt, ist in diesem Falle das Maß für die verschiedenen Längen.

La San Felice

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