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Dritter Theil
Elftes Capitel.
Fra Diavolo

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Die beiden alten Prinzessinnen, mit deren Schutz der Brigadier Martin beauftragt war, und zu welchen der Graf von Chatillon, der ganz entsetzt war, nicht blos einen Königsmörder, sondern auch den gesehen zu haben, welcher Ludwig dem Sechzehnten ein Todesurtheil vorgelesen, zurückkehrte die beiden alten Prinzessinnen, sagen wir, sind für diejenigen unserer Leser, welche sich ein wenig mit unseren Werken vertraut gemacht haben, keine ganz neuen Bekanntschaften.

Sie haben dieselben dreißig Jahre jünger in unserem Buche: Josef Balsamo nicht blos unter dem Namen, mit welchem wir sie soeben bezeichnet, sondern auch unter dem etwas weniger poetischen Spitznamen »Loque« und »Chiffe« auftreten sehen, welche der König Ludwig der Fünfzehnte in seiner väterlichen Vertraulichkeit ihnen gegeben hatte.

Wir haben ferner gesehen, daß die dritte, die Prinzessin Sophie, welche ihr königlicher Erzeuger, um die Trilogie seiner Töchter vollständig zu machen, mit dem harmonischen Namen Graille13 getauft hatte, in Rom gestorben war und durch ihre Krankheit die Abreise ihrer beiden Schwestern verzögert hatte, so daß sie in Folge dieser Verzögerung in Itri mit dem von Neapel kommenden französischen Gesandten zusammentrafen.

Die Chronique scandaleuse hatte Madame Victoire stets respectirt und man versicherte, daß diese ihr ganzes Leben lang einen untadelhaften Wandel geführt habe. Da die bösen Zungen aber stets ein Sühnopfer haben müssen, so waren sie mit umso größerer Wuth über Madame Adelaide hergefallen.

Diese galt in der That für die Heldin eines ziemlich scandalösen Abenteuers, dessen Held ihr eigener Vater war.

Obschon Ludwig der Fünfzehnte kein Patriarch war und ich, wenn Gott das moderne Sodom vom Feuer hätte verzehren lassen, bezweifle, daß er ihn wie Loth durch einen seiner Engel aufgefordert hätte, die dem Untergange geweihte Stadt bei Zeiten zu verlassen, so behauptete man doch, daß dieses Abenteuer, allerdings nicht in seinen Einzelheiten, wohl aber in der Hauptsache, sein Vorbild in der Familie des Canaaniters Loth gehabt habe, welcher, wie man sich erinnert, durch ein beklagenswerthes Vergessen der Familienbande der Vater Moab's und Amons ward.

Die Vergeßlichkeit des Königs Ludwigs des Fünfzehnten und seiner Tochter, Madame Adelaide, war um die Hälfte weniger fruchtbar gewesen und es war blos ein Kind männlichen Geschlechtes daraus hervorgegangen, welches in Colorno, im Großherzogthume Parma geboren, unter dem Namen des Grafen Louis von Narbonne, einer der elegantesten Cavaliere, gleichzeitig aber auch einer der leersten Köpfe am Hofe Ludwigs des Sechzehnten ward.

Frau von Staël, welche nach dem Rücktritte ihres Vaters, des Herrn von Necker, den Vorsitz im Cabinetsrathe verloren, aber immer noch einen gewissen Einfluß behalten hatte, ließ ihn im Jahre 1793 zum Kriegsminister ernennen und suchte, sich in dem moralischen und intellectuellen Werthe dieses schönen Cavaliers täuschend, ihm ein wenig von ihrem Genie in den Kopf und ein wenig von ihrem Herzen in die Brust zu pflanzen.

Ihre Bemühungen scheiterten. Es hätte ein Riese dazu gehört, um die Situation zu beherrschen, und Herr von Narbonne war ein Zwerg oder, wenn man lieber, ein gewöhnlicher Mensch. Die Situation zermalmte ihn.

Am 10. August in Anklagestand versetzt, passierte er die Meerenge und begab sich nach London zu den emigrierten Prinzen, aber ohne jemals den Degen gegen Frankreich zu ziehen. Obschon nicht im Stande, es zu retten, hatte er wenigstens das Verdienst, daß er es nicht mit ins Verderben zu stürzen suchte.

Als die drei alten Prinzessinnen sich entschlossen, Versailles zu verlassen, war es Herr von Narbonne, welcher mit allen Vorbereitungen zu ihrer Flucht beauftragt ward. Dieselbe fand am 21. Januar 1791 statt und eine der letzten Reden Mirabeaus, eine seiner schönsten, galt diesem Vorfall und dem Thema: »Ueber die Freiheit der Auswanderung.«

Aus der Meldung des Brigadier Martin haben wir ersehen, daß die Prinzessinnen nach einander in Wien und Rom gewohnt und vor der Revolution, die, nachdem sie in den Norden Italiens eingedrungen, nun auch in den Süden eindrang, zurückweichend, beschlossen hatten, die sich in »guten Umständen befindenden Verwandten aufzusuchen, welche sie in dem Königreich Neapel hatten.

Diese sich in guten Umständen befindenden Verwandten, die sich aber sehr bald in sehr schlechten Umständen befinden sollten, waren der König Ferdinand und die Königin Caroline.

Ganz wie der Brigadier Martin vermuthet, versetzte die Mittheilung, welche der Graf von Chatillon ihnen zurückbrachte, die beiden Prinzessinnen in große Unruhe. Der Gedanke, ihre Reise ohne andere Escorte als die ihres Ehrencavaliers fortzusetzen, der übrigens, um die Nerven der beiden armen alten Damen zu schonen, ihnen die Nähe des furchtbaren Conventmitglieds verschwiegen hatte, fortzusetzen, hatte allerdings nichts sonderlich Beruhigendes.

Sie waren deshalb in der größten Verzweiflung, als ein Diener des Gasthauses ehrerbietig an die Thür pochte und dem Herrn Grafen von Chatillon meldete, daß ein junger Mann, der seit gestern Abend angelangt sei, um die Gunst bitten ließe, ihm einige Worte sagen zu dürfen.

Der Graf von Chatillon ging hinaus und kam beinahe sofort wieder, indem er den Prinzessinnen meldete, der fragliche junge Mann sei ein Soldat von der Armee Condés und Ueberbringer eines Briefes von dem Herrn Grafen Louis von Narbonne, welcher Brief an Ihre königlichen Hoheiten, speziell aber an Madame Adelaide adressiert sei.

Die beiden Dinge klangen gut in den Ohren der bei den Prinzessinnen, erstens das Prädicat eines Soldaten der Armee Condés, dann die Empfehlung des Grafen von Narbonne.

Man ließ den Ueberbringer des Briefes eintreten.

Es war ein junger Mann von vier- bis fünfundzwanzig Jahren, blond von Bart und Haar, angenehm von Gesicht, frisch und rosig wie ein Mädchen. Er war sauber, wenn auch nicht elegant gekleidet.

Seine Art, sich zu präsentieren, verrieth, obschon sie von einer gewissen unter der Uniform angenommenen Steifheit nicht ganz frei war, eine gute Geburt und eine gewisse Routine im gesellschaftlichen Umgange.

Er verneigte sich ehrerbietig und an der Thür stehen bleibend. Der Graf von Chatillon zeigte mit der Hand auf Madame Adelaide.

Der junge Mann näherte sich drei Schritte, ließ sich auf ein Knie nieder und überreichte der alten Prinzessin den Brief.

»Lesen Sie, Chatillon, lesen Sie,« sagte Madame Adelaide. »Ich weiß nicht, wo ich meine Brille habe.«

Dann gab sie mit huldvollem Lächeln dem jungen Mann einen Wink, daß er aufstehen solle.

Der Graf von Chatillon las den Brief, drehte sich dann zu den Prinzessinnen herum und sagte:

»Meine Damen, dieser Brief ist in der That von dem Herrn Grafen Louis von Narbonne, welcher Ihren königlichen Hoheiten den Ueberbringer Giovani Battista de Cesare, einen geborenen Corsen, empfiehlt, welcher mit seinen Cameraden in der Armee Condés gedient hat und ihm selbst durch den Chevalier Vermègues empfohlen worden ist. Er fügt, indem er Ihren königlichen Hoheiten seine treu ergebenen Huldigungen zu Füßen legt, hinzu, daß Sie das, was Sie für diesen würdigen jungen Mann thun, niemals zu bereuen haben würden.«

Madame Victoire ließ ihrer Schwester das Wort und begnügte sich durch Kopfnicken ihren Beifall zu erkennen zu geben.

»Also, mein Herr,« sagte Madame Adelaide, »Sie sind von adeliger Abkunft?«

»Madame,« antwortete der junge Mann, »wir Corsen machen alle Anspruch darauf, von adeliger Abkunft zu sein, da ich mich aber Eurer königlichen Hoheit zunächst durch meine Aufrichtigkeit bekannt machen möchte, so antworte ich, daß ich ganz einfach von einer alten Familie Caporali abstamme. Einer unserer Ahnen befehligte, unter die Titel Caporale, einen District Corsicas während eines jener langen Kriege, welche wir gegen die Genuesen führten. Von meinen Cameraden ist nur ein einziger, Herr von Bocchechiampe, in dem Sinne von Adel, wie Eure königliche Hoheit es versteht. Die fünf andern haben, obschon einer davon den vornehmen Namen Colonna führt, eben so ich kein Recht auf das goldene Buch.«

»Herr Graf, sagte Madame Victoire, »ich finde daß dieser junge Mann sich sehr gut ausdrückt. Mein Sie nicht auch?«

»Dies nimmt mich durchaus nicht Wunder, merkte Madame Adelaide. »Es versteht sich von selbst, daß Herr von Narbonne ihn sonst nicht an uns empfohlen haben würde.«

Dann wendete sie sich zu Cesare und sagte:

»Erzählen Sie weiter, junger Mann, Sie sagen also daß Sie in der Armee des Prinzen von Condé gedient haben?«

»Ich und drei meiner Cameraden, Madame, Bocchechiampe, Colonna und Guidone, wir waren mit Seiner königlichen Hoheit bei Weißenburg, bei Hagenau, Bentheim, wo Bocchechiampe und ich verwundet wurden. Unglücklicherweise kam der Frieden von Campoformio dazwischen. Der Prinz sah sich genöthigt, seine Armee verabschieden und wir sahen uns ohne Mittel und ohne Stellung in England. Hier erinnerte sich der Herr Chevalier von Vermègues, daß er uns im Feuer gesehen, und versicherte dem Herrn Grafen von Narbonne, daß wir der Sache, für die wir gekämpft, keine Schande machten. Da wir nicht wußten, was wir beginnen sollten, so baten wir den Herrn Grafen um einen Rath. Er rieth uns nach Neapel zu gehen, wo, wie er sagte, der König sich zum Krieg rüstete und wo wir bei der Erfahrung, die wir bereits erlangt und auf Grund unserer Zeugnisse nicht ermangeln könnten Verwendung zu finden. Unglücklicherweise kannten wir Niemand in Neapel, der Herr Graf von Narbonne beseitigte jedoch diese Schwierigkeit, indem er uns sagte, daß wir, wenn auch nicht in Neapel, doch wenigstens in Rom Ihren königlichen Hoheiten begegnen würden. Hierauf erzeigte er mir die Ehre, mir den Brief zu geben, den ich soeben dem Herrn Grafen von Chatillon überreicht habe.«

»Aber, mein Herr,« fragte die alte Prinzessin, »wie kommt es, daß Sie uns gerade hier treffen und daß Sie uns diesen Brief nicht schon früher überbracht haben?«

»Allerdings, Madame, hätten wir die Ehre haben können, ihn in Rom zu überreichen. Aber erstens weilten Sie am Sterbebett Ihrer Hoheit der Prinzessin Sophie und Sie würden in Ihrem Schmerz nicht Muße gehabt haben, sich mit uns zu beschäftigen. Zweitens wurden wir von der republikanischen Polizei überwacht und mußten fürchten, Eure königlichen Hoheiten zu compromittieren. Wir besaßen noch einige Mittel und lebten von diesen, indem wir einen günstigeren Augenblick erwarteten, wo wir Sie um Ihren Schutz bitten könnten. Vor acht Tagen hatten Sie den Schmerz, Ihre königliche Hoheit die Prinzessin Sophie zu verlieren, und entschlossen sich nach Neapel abzureisen. Wir hatten Sorge getragen, uns fortwährend von Ihren Absichten unterrichtet zu halten, und gingen am Tage Ihrer Abreise Sie hier zu erwarten, wo wir gestern Nacht gelangt sind. Einen Augenblick lang glaubten wir, als die Escorte sahen, welche die Carrosse Euer königlichen Hoheiten begleiteten, es sei Alles für uns verloren. Die Vorsehung hat aber im Gegentheil gewollt, daß gerade hier Ihrer Escorte der Befehl zur Rückkehr nach Rom ertheilt ward. Wir kommen daher, um uns als Ersatz dieser Escorte anzubieten. Es handelt sich um weiter nichts, als in Ihrem Dienste das Leben zu opfern. So viel Werth wie Andere besitzen wir auch und bitten Sie, uns den Vorzug zu geben.«

Der junge Mann sprach die letzten Worte mit vieler Würde und die Verbeugung, womit er sie begleitete, eine den Anforderungen der Courtoisie so entspreche, daß die alte Prinzessin, indem sie sich nach dem Grafen Chatillon herumdrehte, sagte:

»Gestehen Sie, Chatillon, daß Sie wenig Edelleute sich auf noblere Weise haben ausdrücken hören, als dieser junge Corse thut, der doch nur Corporal gewesen ist.«

»Ich bitte um Verzeihung, königliche Hoheit,« entgegnete Cesare mit verächtlichem Lächeln. »Einer meiner Ahnherren, Madame, war Caporale, das heißt Commandant einer Provinz. Ich dagegen hatte eben so wie Herr von Bocchechiampe, die Ehre, in der Armee des Prinzen von Condé Lieutenant von der Artillerie zu sein.«

»Hoffen wir, daß Sie nicht dieselbe Carrière machen, welche der kleine Buonaparte, Ihr Landmann, bei der Artillerie gemacht hat.«

Dann drehte sich die Prinzessin wieder nach dem Grafen herum und sagte:

»Wohlan, Chatillon, Sie sehen, daß die Sache sich wunderschön trifft. In dem Augenblick, wo unsere Escorte uns verläßt, schickt die Vorsehung, wie Herr von – Herr von – wie sagten Sie, daß Sie heißen, lieber Freund?«

»Von Cesare, königliche Hoheit.«

»Schickt die Vorsehung, wie Herr von Cesare sehr richtig sagte, uns eine andere. Meine Ansicht geht dahin, daß wir dieselbe annehmen. Was sagen Sie dazu, liebe Schwester?«

»Was ich sage? Ich sage, daß ich Gott danke, daß er uns von diesen Jakobinern erlöst hat, deren dreifarbige Federbüsche mir Nervenzufälle verursachten.«

»Und ich bin froh, daß ich den Anführer dieser Escorte, den Bürger Brigadier Martin, los bin, welcher wie versessen darauf war, sich fortwährend an mich zu wenden, um sich nach den Befehlen meiner königlichen Hoheit zu erkundigen. Wenn ich bedenke, daß ich mich genöthigt sah, ihm freundlich zuzulächeln, während ich doch eher Lust gehabt hätte, ihm den Hals umzudrehen!«

Dann wendete sie sich wieder zu Cesare und sagte:

»Mein Herr, Sie können mir Ihre Cameraden vorstellen. Ich wünsche, dieselben so bald als möglich kennen zu lernen.«

»Vielleicht wäre es besser, wenn Ihre königlichen Hoheiten warteten, bis der Brigadier Martin und seine Leute fort sind,« machte Herr von Chatillon bemerklich.

»Und warum dies, Graf?«

»Nun, damit er nicht diesen Herren bei Ihren königlichen Hoheiten begegne, wenn er kommt, um Abschied von Ihnen zu nehmen.«

»Wenn er kommt, um Abschied von uns zu nehmen? Was mich betrifft, so hoffe ich, daß der Wicht nicht die Unverschämtheit besitzen wird, mir noch einmal vor die Augen zu kommen. Nehmen Sie zehn Louisdor, Chatillon, und geben sie dieselben dem Brigadier Martin für ihn und seine Leute. Ich will nicht, daß diese widerwärtigen Jakobiner sagen können, sie hätten uns einen Dienst geleistet, ohne dafür bezahlt worden zu sein.«

»Ich werde thun, was Ew. königliche Hoheit mir befiehlt, aber ich zweifle, daß der Brigadier etwas annimmt.«

»Daß er was annimmt?«

»Die zehn Louisdor, welche Ew. königliche Hoheit ihm anbietet.«

»Er würde sich dieselben lieber selbst nehmen, nicht wahr? Diesmal wird er sich aber wohl begnügen müssen, sie zu empfangen. Aber was ist das für eine Musik? Sollte man uns erkannt haben und uns eine Serenade bringen?«

»Es wäre dies allerdings Pflicht der Einwohner, Madame,« antwortete der junge Corse lächelnd, »wenn sie wüßten, wen sie die Ehre haben in ihren Mauern zu besitzen. Sie wissen dies aber nicht, wenigstens setze ich dies voraus, und diese Musik ist einfach die einer Hochzeit, welche aus der Kirche kommt. Die Tochter des Stellmachers, welcher diesem Gasthause gegenüber wohnt, vermählt sich, und da ein Nebenbuhler vorhanden ist, so vermuthet man, dieser Tag werde nicht ohne ein tragisches Ereigniß vorübergehen. Wir, die wir seit gestern Abend hier sind, haben Zeit gehabt, uns von den Ortsneuigkeiten zu unterrichten.«

»Schon gut, schon gut, sagte Madame Adelaide; » mit diesen Leuten haben wir nichts zu thun. Stellen Sie uns Ihre Cameraden vor, Herr von Cesare, stellen Sie sie uns vor. Wenn sie Ihnen gleichen, so können sie unseres Wohlwollens im Voraus versichert sein. Und Sie, Chatillon, tragen Sie diese zehn Louisdor zu dem Bürger Brigadier Martin und wenn er sich dafür bei uns zu bedanken wünscht, so sagen Sie ihm, daß wir, meine Schwester und ich, uns unwohl fühlten.«

Der Graf von Chatillon und der Lieutenant Cesare entfernten sich, um die soeben empfangenen Befehle auszuführen.

Cesare war der Erste, der mit seinen Cameraden zurückkam, und dies war sehr einfach. Die jungen Leute hatten in ihrer Begier zu wissen, was die königlichen Prinzessinnen beschließen würden, im Vorzimmer gewartet.

Sie brauchten daher blos durch die Thür einzutreten, welche Cesare ihnen öffnete.

Madame Victoire, welche stets einen gewissen Hang zur Frömmigkeit gehabt, hatte ihr Gebetbuch ergriffen und las ihre Messe, welche sie nicht hatte hören können. Sie begnügte sich, einen flüchtigen Blick auf die jungen Männer zu werfen und eine beifällige Geberde zu machen.

Nicht so aber war es mit Madame Adelaide. Diese hielt eine förmliche Musterung.

Cesare stellte ihr eine Cameraden vor.

Es waren sämmtlich Corsen. Die Namen des Vorstellers und dreier von ihnen kennen wir schon: Francesco Bocchechiampe, Ugo Colonna und Antonio Guione. Die drei andern hießen: Raimondo Cortara, Lorenzo Durazzo und Stefano Pittaluga.

Wir bitten unsere Leser, uns diese Umständlichkeit zu verzeihen. Da jedoch die unerbittliche Geschichte uns zwingt, eine große Anzahl Leute von allen Nationen und aus allen Classen in unsere Erzählung einzuführen, so müssen wir bei denen, welche eine gewisse Bedeutung darin erlangen, etwas ausführlicher verweilen.

Wir sagen es noch einmal: es ist eine unermeßliche Epopöe, die wir hier schreiben und gleich dem Homer, dem König der epischen Dichter, sind wir genöthigt, unsere Soldaten aufzuzählen.

Eben so wie wir im Großen, folgte Cesare dem Beispiele des Verfassers der Iliade im Kleinen. Er nannte seine sechs Cameraden einen nach dem andern der Prinzessin Madame Adelaide her, diese aber hatte sich besonders gemerkt, was der junge Corse ihr von Bocchechiampe's adeliger Abkunft gesagt, und deshalb war es speciell dieser, an welchen sie sich wendete.

»Herr von Cesare hat mir gesagt, daß Sie ein Edelmann seien,« sagte sie zu ihm.

»Dann hat er mir zu viel Ehre erwiesen,« königliche Hoheit. Ich bin höchstens adelig.«

»Ah, dann machen Sie also einen Unterschied zwischen adelig und Edelmann, mein Herr?«

»Allerdings, Madame, und ich habe die Ehre, einer Kaste anzugehören, die auf ihre Rechte eben deshalb, weil dieselben verkannt werden, zu eifersüchtig ist, als daß ich mir deren anmaßen sollte, die mir nicht zukommen. Ich könnte meinen zweihundertjährigen Adel und meine Eigenschaft als Malteserritter beweisen, wenn es noch einen Malteserorden gäbe, aber ich würde in große Verlegenheit kommen, wenn ich meinen Adel bis auf 1399 zurückführen sollte, um dann in die Carrossen des Königs steigen zu dürfen.«

»Dennoch aber werden Sie in die unsere steigen, mein Herr,« sagte die alte Prinzessin, sich aufrichtend.

»Erst wenn ich wieder herausgestiegen sein werde, Madame,« sagte der junge Mann sich verneigend, »werde ich mich rühmen, Edelmann zu sein.«

»Hörst Du, liebe Schwester, hörst Du?« rief Madame Adelaide. »Das ist sehr hübsch, was er da sagt. Nun sind wir doch endlich unter Leuten, wie sie für uns passen.«

Und die alte Prinzessin athmete freier auf.

In diesem Augenblick trat der Graf von Chatillon wieder ein.

»Nun, Chatillon, was sagte der Brigadier Martin?« fragte Madame Adelaide.

»Er sagte ganz einfach, wenn Eure königliche Hoheit ihm dieses Anerbieten durch einen Andern als mich hätte machen lassen, so würde er diesem die Ohren abgeschnitten haben.«

»Und Ihnen?«

»Nun, mir hat er gütigst Schonung angedeihen lassen. Er nahm sogar an, was ich ihm bot.«

»Und was boten Sie ihm denn?«

»Einen Händedruck.«

»Einen Händedruck, Chatillon? Sie haben einem Jakobiner einen Händedruck angeboten? Warum sind Sie, da Sie einmal so weit waren, nicht auch mit einer rothen Mütze auf dem Kopfe zurückgekommen? Es ist unglaublich! Ein Brigadier weist zehn Louis d'or zurück und ein Graf von Chatillon drückt einem Jakobiner die Hand! In der That, ich begreife nicht mehr diese Gesellschaft, die man geschaffen hat.«

»Oder vielmehr, die man vernichtet hat,« sagte Madame Victoire, immer noch in ihrem Gebetbuch lesend.

»Ja vernichtet, Du hast Recht, liebe Schwester; vernichtet, dies ist das richtige Wort. Werden wir es aber erleben, sie neu geschaffen zu sehen?«

»Dies bezweifle ich.«

»Mittlerweile, Chatillon, erheilen Sie Ihre Befehle. Um vier Uhr reisen wir weiter. Mit einer Escorte wie die dieser Herren können wir es wagen, des Nachts zu reisen. Herr von Bocchechiampe, Sie werden mit uns speisen.«

Und mit einer Geberde, in welcher mehr Herrschsucht als Würde lag, verabschiedete die alte Prinzessin ihre sieben Vertheidiger, ohne im mindesten zu fühlen, wie verletzend es für die jungen Männer sein mußte, den vornehmsten unter ihnen mit Ausschluß der übrigen zu ihrem und ihrer Schwester Diner eingeladen zu haben.

Bocchechiampe bat seine Cameraden durch einen Wink um Verzeihung für die ihm erwiesene Gunst. Sie antworteten ihm durch einen Druck der Hand.

Ganz wie Cesare gesagt, war die Musik, welche man gehört, die, welche dem Brautzuge Francescas und Peppino's voranschritt.

Der Zug war zahlreich, denn, wie Cesare ebenfalls gesagt, war man im Allgemeinen auf eine durch Michele Pezza herbeigeführte Katastrophe gefaßt.

Beim Betreten der Terrasse richteten sich daher die Blicke der Neuvermälten auch sofort auf die halbverfallene Mauer, auf welcher sich vom frühen Morgen an der Urheber ihrer Unruhe befunden.

Die Mauer war leer.

Uebrigens zeigte kein Gegenstand die düstere Färbung, welche in den Augen des vermeinten Königs der Schöpfung sein Verschwinden aus dieser Welt immer ankündigen zu müssen scheint.

Es war Mittag. Die in ihrem vollen Glanze am Himmel stehende Sonne ließ ihre Strahlen durch das Spalier fallen, welches über den Köpfen der Hochzeitsgäste einen grünen Baldachin bildete. Die Drosseln zwitscherten, die Amseln fangen, die Sperlinge piepten und die mit Wein gefüllten geschliffenen Caraffen spiegelten mitten aus ihren flüssigen Rubinen einen Goldglanz zurück.

Peppino athmete auf. Er sah den Tod nirgends, sondern im Gegentheile das Leben überall. Es ist ja auch so schön, zu leben, wenn man mit der Geliebten soeben vermählt worden und endlich bei dem seit zwei Jahren erwarteten Tage angelangt ist.

Einen Augenblick lang vergaß er Michele Pezza und dessen letzte Drohung, von welcher er noch bleich war.

Was Don Antonio betraf, der weniger mit diesem Gedanken beschäftigt war als Peppino, so hatte er an der Thür den zerbrochenen Wagen und auf der Terrasse den Eigenthümer dieses Wagens gefunden. Sich hinter dem Ohr kratzend, ging er auf ihn zu.

Die Arbeit kam an einem solchen Tage sehr ungelegen.

»Also,« fragte er den Gesandten, den er immer noch blos für einen vornehmen Reisenden hielt, »Sie bestehen durchaus darauf, Excellenz, Ihre Reise heute noch weiter fortzusetzen?«

»Ja, darauf bestehe ich,« antwortete der Bürger Garat. »Man erwartet mich in Rom wegen einer Angelegenheit von der größten Bedeutung und ich habe durch den Unfall, der mir begegnet ist, ohnehin schon drei bis vier Stunden versäumt.«

»Wohlan, ein ehrlicher Mann hält sein Wort. Ich habe gesagt, wenn Sie uns die Ehre erzeigt haben würden, mit uns ein Glas Wein auf die glückliche Vermälung dieser Kinder zu trinken, so würde man dann arbeiten. Trinken wir und arbeiten wir dann.«

Man füllte sämmtliche auf dem Tische stehende Gläser und reichte dem Fremden das mit einem goldenen Rande verzierte Ehrenglas.

Der Gesandte trank, um sein Wort zu halten, auf die glückliche Vereinigung Francescas und Peppino's. Die jungen Mädchen riefen: »Es lebe Peppino!« Die jungen Bursche: »Es lebe Francesca!« und Trommeln und Guitarren stimmten die lustigste Tarantella an.

»Wohlan,« sagte Meister della Rota zu Peppino, »es handelt sich jetzt nicht darum, verliebte Blicke auszutauschen, sondern sich an die Arbeit zu machen. Alles hat seine Zeit. Umarme deine Frau, Junge, und dann an die Arbeit.«

Peppino ließ sich den ersten Theil dieser Aufforderung nicht zweimal sagen. Er faßte ein junges Weib in die Arme und drückte mit einem dankbaren Blick gen Himmel sie an sein Herz.

In dem Augenblick aber, wo er, indem er die Augen mit jenem unbeschreiblichen Ausdruck der Liebe, welche lange gewartet hat und endlich befriedigt zu werden im Begriff steht, auf Francesca herabsenkte und seine Lippen den ihrigen näherte, knallte ein Schuß, man hörte eine Kugel pfeifen und dann folgte ein dumpfes Geräusch.

»Oho!« sagte der Gesandte, »das war eine Kugel, die höchst wahrscheinlich mir gelten sollte.«

»Sie irren sich, stammelte Peppino, indem er zu Francescas Füßen niedersank; »diese Kugel gilt mir.«

Und ein heißer Blutstrom entquoll seinem Munde.

Francesca stieß einen lauten Schrei aus und stürzte vor dem Körper ihres Gatten auf die Knie nieder.

Aller Augen wendeten sich nach dem Punkte, von wo der Schuß hergekommen. Ein leichter weißlicher Rauch stieg in einer Entfernung von etwa hundert Schritten zwischen den Pappeln empor.

Gleich darauf sah man unter den Bäumen einen jungen Mann, welcher mit raschen Sprüngen und einer Flinte in der Hand den Berg erkletterte.

»Fra Michele!« riefen die Augenzeugen dieses Schauspiels, »Fra Michele!«

Auf einer Art Plattform blieb der Fliehende stehen und rief mit drohender Geberde:

»Ich heiße nicht mehr Fra Michele! Von diesem Augenblick an heiße ich Fra Diavolo.«

Und unter diesem Namen ward er wirklich später bekannt. Die Taufe des Mordes trug über die der Erlösung den Sieg davon.

Der Getroffene hatte mittlerweile seinen letzten Seufzer ausgehaucht.

13

Loque, ein Fetzen; Chiffe, ein Lumpen; Graille, die Krähe.

La San Felice

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