Читать книгу Die beiden Dianen - Александр Дюма - Страница 10

Erstes bis drittes Bändchen
X.
Elegie während der Komödie

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Es war ein Herkommen aus der Zeit der Regierung von Franz I. Wenigstens dreimal in der Woche versammelten sich der König, die Herren und alle Damen des Hofes am Abend im Gemach der Königin. Hier unterhielt man sich über die Ereignisse des Tages mit aller Freiheit, zuweilen auch mit aller Ausschweifung. Während des allgemeinen Gespräches bildeten sich Privatunterredungen und, »da sich hier eine Truppe menschlicher Göttinnen fand,« sagt Brantôme, »so unterhielt jeder der hohen Herren und jeder Edelmann diejenige, welche er am meisten liebte.« Oft gab es auch Ball oder Schauspiel.

Bei einer Versammlung dieser Art sollte an demselben Abend sich unser Freund Gabriel einfinden, und gegen seine Gewohnheit putzte und parfümierte er sich, um nicht zu unvortheilhaft in den Augen derjenigen zu erscheinen, welche er, um immer mit Brantôme zu sprechen, am meisten liebte.

Die Freude von Gabriel war indessen nicht frei von einer Mischung von Unruhe, und gewisse unbestimmte, übel klingende Worte, die man um ihn her über die nahe bevorstehende Heirath von Diana geflüstert hatte, versetzten ihn in eine nicht zu beschwichtigende innere Bewegung. Ganz dem Glücke sich hingebend, das er empfunden, als er Diana wiedersah und in ihren Blicken die Zärtlichkeit einer früheren Zeit wiederzufinden glaubte, hatte er Anfangs beinahe den Brief des Cardinals von Lothringen vergessen, der ihn doch zu einem so schnellen Aufbruch veranlaßt; doch die in der Luft kreisenden Gerüchte, die vereinigten Namen von Diana von Castro und von Franz von Montmorency, die er nur zu deutlich gehört hatte, gaben seiner Leidenschaft das Gedächtnis wieder. Würde Diana sich zu dieser verhaßten Heirath herbeilassen? Würde sie diesen Franz lieben? Martervolle Zweifel, welche die Zusammenkunft am Abend vielleicht nicht gänzlich zu zerstreuen vermöchte.

Gabriel beschloß, hierüber Martin-Guerre zu befragen, der schon mehr als eine Bekanntschaft gemacht hatte, und in seiner Eigenschaft als Stallmeister viel tiefer unterrichtet sein mußte, als die Herren. Denn es ist eine allgemeine akustische Beobachtung, daß die Geräusche aller Art viel stärker unten halten und daß es kaum anderswo als in den Thälern Echos gibt. Der Vicomte d’Ermès hatte um so mehr seinen Entschluß zu rechter Zeit gefaßt, als es ebenfalls Vorsatz bei Martin-Guerre war, seinen Herrn zu befragen, dessen Unruhe ihm nicht entging, während er doch, streng genommen, nicht das Recht hatte, etwas von seinen Handlungen oder seinen Gefühlen einem fünfjährigen treuen Diener und einem Retter, was noch mehr ist, zu verbergen.

Aus diesem gegenseitigen Entschluß und aus dem Gespräch, das darauf folgte, ging für Gabriel hervor, daß Diana von Castro Franz von Montmorency nicht liebte, und für Martin-Guerre, daß Gabriel Diana von Castro liebte.

Dieser doppelte Schluß erfreute den Einen und den Andern so sehr, daß Gabriel eine Stunde vor der Eröffnung der Pforten in den Louvre kam, und daß Martin-Guerre, um der königlichen Geliebten des Vicomte Ehre zu machen, auf der Stelle zum Hofschneider ging und sich einen Leibrock von braunem Tuch und Strumpfhosen von gelbem Tricot kaufte. Er bezahlte Alles bar, und zog sogleich seine neue Kleidung an, um sie schon am Abend in den Vorzimmern des Louvre zu zeigen, wo er seinen Herrn erwarten sollte.«

Der Schneider war sehr erstaunt, als er nach einer halben Stunde Martin-Guerre wieder erscheinen sah, und zwar in andern Kleidern. Er machte ihm hierüber eine Bemerkung. Martin-Guerre erwiderte, der Abend sei ihm etwas frisch vorgekommen, und er habe es für geeignet erachtet, sich wärmer zu kleiden. Uebrigens sei er immer noch so sehr mit dem Leibrock und mit den Strumpfhosen zufrieden, daß er komme, um den Schneider zu bitten, ihm einen Leibrock von demselben Tuch und demselben Schnitt zu kaufen oder zu machen. Vergebens bemerkte der Kleiderhändler Martin-Guerre, er würde das Aussehen haben, als trüge er beständig denselben Anzug, und es wäre besser für ihn, wenn er ein anderes Costume bestellte, einen gelben Leibrock und braune Strumpfhosen zum Beispiel, da er diese Farben zu lieben scheine; Martin-Guerre wollte nicht von seinem Gedanken abgehen, und der Schneider mußte ihm versprechen, nicht einmal die Nuance der Kleider zu verändern, die er ihm schleunigst machen sollte, da er keine fertige hatte. Nur verlangte er für diese zweite Bestellung ein wenig Credit. Er hatte den ersten Einkauf hübsch bezahlt, er war Stallmeister beim Vicomte d’Ermès, dem Kapitän der Leibwachen des Königs; der Schneider besaß jenes heldenmüthige Vertrauen, das zu jeder Zeit die geschichtliche Apanage der Leute seines Standes gewesen ist; er willigte daher auch ein und versprach am nächsten Tag das zweite Costume vollständig zu liefern.

Die Stunde, welche Gabriel vor den Pforten seines Paradieses hatte umhergehen müssen, war indessen abgelaufen, und er konnte mit vielen anderen Herren und Damen in die Gemächer der Königin dringen.

Mit dem ersten Blick gewahrte Gabriel Diana; sie saß bei der Dauphine Königin, wie man von da an Maria Stuart nannte.

Sie auf der Stelle anzureden, wäre für einen Neuangekommenen sehr kühn und ohne Zweifel ein wenig unklug gewesen. Gabriel entschloß sich also, einen günstigen Augenblick abzuwarten, den Augenblick, wo das Gespräch sich beleben und die Geister zerstreuen würde. Er plauderte mittlerweile mit einem bleichen jungen Herrn von zartem Aussehen, den der Zufall in seine Nähe führte. Doch nachdem er sich eine Zeit lang über Gegenstände unterhalten hatte, welche so unbedeutend waren, als seine Person zu sein schien, fragte der junge Cavalier Gabriel:

»Mit wem habe ich zu sprechen die Ehre?«

»Ich bin der Vicomte d’Ermès,« antwortete Gabriel. »Darf ich es wagen, mein Herr, dieselbe Frage an Euch zu richten?« fügte er bei.

Der junge Mann schaute ihn mit erstaunter Miene an und erwiderte:

»Ich bin Franz von Montmorency.«

Hätte er gesagt: »Ich bin der Teufel!« Gabriel konnte sich nicht mehr Schrecken und Hast von ihm entfernt haben. Franz, der keinen sehr lebhaften Geist besaß, war ganz verwundert, da er aber die Kopfarbeit nicht liebte, so ließ er dieses Räthsel bald liegen, und suchte anderswo etwas minder scheue Zuhörer.

Gabriel war besorgt gewesen, seine Flucht gegen die Seite von Diana von Castro zu lenken; doch er wurde durch eine große Bewegung aufgehalten, welche um den König her entstand. Heinrich II. verkündete nämlich, da er diesen Tag durch eine Ueberraschung für die Damen zu beendigen gedacht, so habe er in der Gallerie ein Theater errichten lassen, und man werde eine Komödie in fünf Acten und in Versen von Jean Antoine de Baïf, genannt der Brave, aufführen; diese Neuigkeit würde natürlich mit den Dankbezeugungen und dem Beifallsrufe Aller aufgenommen. Die Edelleute boten ihre Hand den Damen, um sie in den nahen Saal zu führen, wo die Scene improvisiert war; doch Gabriel kam zu spät zu Diana und konnte sich nur unfern von ihr hinter die Königin stellen.

Catharina von Medicis erblickte und rief ihn; er mußte vor sie treten.

»Herr d’Ermès,« sagte sie zu ihm, »warum hat man Euch nicht bei dem heutigen Turnier gesehen?«

»Madame,« antwortete Gabriel, »die Pflichten des Amtes, mit welchem mich zu betrauen Seine Majestät mir die Ehre erwiesen, haben mich abgehalten.«

»Das ist schade,« versetzte Catharina mit einem reizenden Lächeln, »denn Ihr seid sicherlich einer unserer kühnsten und gewandtesten Cavaliere. Ihr habt gestern den König wanken gemacht, was ein seltener Streich ist, und es würde mir Vergnügen gewährt haben, abermals Zeuge Eures Heldenmuthes zu sein.«

Gabriel verbeugte sich ganz verlegen über diese Complimente, auf die er nichts zu erwidern wußte.

»Kennt Ihr das Stück, das man uns geben wird?« fuhr Catharina fort, welche offenbar sehr günstig für den schönen, schüchternen jungen Mann gestimmt war.

Ich kenne es nur in lateinischer Sprache,« antworte Gabriel, »denn es ist wie man mir sagt, eine einfache Nachahmung eines Stückes von Terentius.«

»Ich sehe,« sprach die Königin, »daß Ihr eben so gelehrt, als muthig, ebenso in den Wissenschaften bewandert, als geschickt in den Lanzenstößen seid.«

Dies Alles wurde mit halber Stimme gesprochen, und war von Blicken begleitet, welche man nicht gerade grausam nennen konnte. Sicherlich war das Herz von Catharina für den Augenblick leer. Doch scheu wie der Hyppolit des Euripides, nahm Gabriel diese Zuvorkommenheiten der Italienerin nur mit einer erzwungenen Miene und mit gefalteter Stirne auf. Der Undankbare! er sollte doch diesem Wohlwollen, über das er Anfangs pfui machte, nicht nur den Platz, nach dem er seit so langer Zeit bei Diana strebte, sondern auch das reizende Schmollen, worin sich die Liebe einer Eifersüchtigen verraten konnte, zu verdanken haben.

Als der Prolog herkömmlicher Weise die Zuhörer um Nachsicht ersuchte, sagte Catharina zu Gabriel:

»Setzt Euch hinter mich, unter diese Damen, Herr Gelehrter, damit ich im Falle der Noth meine Zuflucht zu Eurer Erleuchtung nehmen kann.«

Frau von Castro hatte ihren Platz am Ende einer Reihe gewählt, so daß nach ihr nur noch der Gang kam. Nachdem sich Gabriel vor der Königin verbeugt hatte, nahm er bescheiden ein Tabouret und setzte sich in diesen Gang neben Diana, um Niemand zu stören.

Die Komödie begann.

Es war, wie Gabriel zu der Königin gesagt hatte, eine Nachahmung des Eunuchen von Terenz, componirt in achtsylbigen Versen und mit der ganzen pedantischen Naivität jener Zeit wiedergegeben. Wir enthalten uns jeder Auseinandersetzung des Stückes. Dies wäre übrigens ein Anachronismus, denn die Kritik und die Rechenschaftsberichte waren in jener barbarischen Epoche noch nicht erfunden. Es genüge uns, daran zu erinnern, daß die Hauptperson des Stückes ein falscher Braver, ein prahlerischer Soldat ist, der sich von einem Schmarotzer bethören und übel zurichten läßt.

Schon am Anfang des Stückes sahen die zahlreichen Parteigänger der Guisen, welche im Saal saßen, in dem lächerlichen Großsprecher den Connetable von Montmorency, und die Parteigänger von Montmorency wollten in den Rodomontaden des prahlerischen Soldaten die ehrgeizigen Bestrebungen des Herzogs von Guise erkennen. Von da an wurde jede Scene eine Satyre und jeder Witz eine Anspielung. Man lachte bei beiden Parteien aus vollem Hals; man bezeichnete sich gegenseitig mit dem Finger, und wahrlich die Komödie, welche im Saal gespielt wurde, war nicht weniger belustigend, als diejenige, welche die Schauspieler ans den Brettern darstellten.

Unsere Verliebten benützten den Antheil, den an der Vorstellung die zwei rivalen Lager des Hofes nahmen, um harmonische Liebe mitten unter dem Gezische und Gelächter reden zu lassen. Sie sprachen zuerst ihre zwei Namen mit leiser Stimme aus. Dies ist die geheiligte Anrufung.

»Diana!«

»Gabriel!«

»Ihr werdet also Franz von Montmorency heirathen?«

»Ihr seid also in der Gunst der Königin sehr weit vorgerückt.«

»Ihr habt gehört, daß sie mich gerufen.«

»Ihr wißt, daß der König diese Heirath will.«

»Doch Ihr willigt ein, Diana?«

»Doch Ihr hört auf Catharina, Gabriel.«

»Ein Wort, ein einziges,« versetzte Gabriel, »Ihr interessiert Euch also noch für das, was eine Andere mich kann fühlen lassen? Was in meinem Herzen vorgeht, macht Euch also etwas.«

»Es macht mir,« sprach Frau von Castro, »es macht mir, was Euch das macht, was in dem meinigen vorgeht.«

»Oh! Diana, erlaubt mir, es Euch zu sagen, Ihr seid eifersüchtig, wenn Ihr seid wie ich; wenn Ihr seid wie ich, liebt Ihr mich wahnsinnig.«

»Herr d’Ermès,« versetzte Diana, welche einen Augenblick streng sein wollte, das arme Kind! »Herr d’Ermès, ich heiße Frau von Castro.«

»Seid Ihr nicht Witwe, Madame? Seid Ihr nicht frei?«

»Frei, ach!«

»Oh, Diana! Ihr seufzt. Diana, gesteht, daß jenes Gefühl des Kindes, das unsere ersten Jahre durchduftete, eine Spur in dem Herzen der Jungfrau zurückgelassen hat. Gesteht, Diana, daß Ihr mich immer noch ein wenig liebt. Oh! befürchtet nicht, man könnte Euch hören: Alle um uns her haben sich ganz den Späßen dieses Parasiten hingegeben; sie haben nichts Süßes zu hören und lachen. Ihr, Diana, lächelt mir zu, antwortet mir, Diana, liebt Ihr mich.«

»Stille! seht Ihr nicht, daß der Akt endigt?« sprach das boshafte Kind. »Wartet wenigstens, bis das Stück wieder anfängt.«

Der Zwischenakt dauerte zehn Minuten, zehn Jahrhunderte! Zum Glück war Catharina durch Maria Stuart beschäftigt und rief Gabriel nicht. Er wäre im Stande gewesen, nicht zu gehen, und das hätte ihn in’s Verderben gestürzt.

Als die Komödie unter schallendem Gelächter und Beifallsgeklatsche wieder begann, fragte Gabriel:

»Nun?«

»Was denn,« versetzte Diana, eine Zerstreuung heuchelnd, welche ihrem Herzen sehr fern war. »Ah! Ihr fragtet mich, glaube ich, ob ich Euch liebe. Habe ich Euch denn nicht so eben geantwortet: ich liebe Euch, wie Ihr mich liebt.«

»Ah!« rief Gabriel, »wißt Ihr auch Diana, was Ihr sagt? Wißt Ihr, wie weit meine Liebe geht, der Ihr die Eurige gleich nennt?«

»Wenn ich es wissen soll,« sprach die kleine Heuchlerin, »so müßt Ihr es mich wenigstens lehren.«

»So hört mich denn, Diana, und Ihr werdet sehen, daß in den sechs Jahren, seitdem ich Euch verlassen habe, alle Stunden und alle Handlungen meines Lebens dahin strebten, daß ich mich Euch nähern konnte. Erst als ich einen Monat nach Eurer Abreise von Vimoutiers nach Paris kam, erfuhr ich, wer Ihr waret: die Tochter des Königs und von Frau von Valentinois. Doch es war nicht Euer Titel als Tochter von Frankreich, was mich erschreckt, sondern Euer Titel als Frau des Herzogs von Castro, und dennoch sagte mir etwas: »Gleichviel, nähere Dich ihr, erwirb Dir Ruf, damit sie eines Tags wenigstens Deinen Namen aussprechen hört und Dich bewundert, wie Andere Dich fürchten werden.« Dies dachte ich Diana, und ich übergab mich dem Herzog von Guise, der mir am meisten geeignet schien, mich rasch und gut das Ziel des Ruhmes, nach dem ich strebte, erreichen zu lassen. Im folgenden Jahr war ich in der That mit ihm in den Mauern von Metz eingeschlossen, und ich strengte alle meine Kräfte an, um meines Theils den beinahe unerwarteten Erfolg der Aufhebung der Belagerung herbeizuführen. In Metz, wo ich geblieben war, um die Festungswerke wiederherstellen und alle Unfälle, welche durch fünfundsechzig Tage des Angriffs veranlaßt worden wieder gut machen zu lassen, erfuhr ich die Einnahme von Hesdin durch die Kaiserlichen und den Tod des Herzogs von Castro Eures Gemahls. Er hatte Euch nicht einmal wiedergesehen Diana! Oh! ich beklagte ihn; doch wie schlug ich mich bei Renty! Ihr werdet den Herzog von Guise darüber fragen. Ich war auch bei Abbeville, bei Dinan, bei Bavay, bei Cateau-Cambresis. Ich war überall, wo das Musketenfeuer schallte, und ich kann wohl sagen, daß nichts Glorreiches unter dieser Regierung geschehen ist, woran ich nicht meinen kleinen Antheil hatte. Beim Waffenstillstand von Vaucelles kam ich nach Paris; Ihr waret immer noch im Kloster, Diana, und meine gezwungene Ruhe ermüdete mich ungemein, als zum Glück der Waffenstillstand gebrochen wurde. Der Herzog von Guise, der mir schon einige Achtung zu bewilligen die Gnade hatte, fragte mich, ob ich ihm nach Italien folgen wollte. Ob ich es wollte? Nachdem wir mitten im Winter die Alpen überstiegen hatten, marschierten wir durch das Mailändische, Valenza wird im Sturm genommen, der Piacenzer und der Parmesane gewähren uns den Durchzug und nach einem Triumphmarsch durch Toscana und die Kirchenstaaten kommen wir zu den Abruzzen; doch nun fehlt es dem Herzog an Geld und an Truppen, dennoch nimmt er Pampli und belagert er Civitella; aber das Heer ist demoralisiert, das Unternehmen gefährdet. In Civitella, Diana, erfahre ich durch einen Brief des Cardinals von Lothringen an seinen Bruder Eure bevorstehende Heirath mit Franz von Montmorency. Es war nichts Gutes mehr jenseits der Alpen zu thun. Herr von Guise gestand es selbst zu, und seine Güte erlaubte mir, nach Frankreich, unterstützt von seiner mächtigen Empfehlung zurückzukehren und dem König die eroberten Fahnen zu überbringen. Doch mein einziges Streben, Diana, war, Euch zu sehen, Euch zusprechen, von Euch zu erfahren, ob Ihr willig diese neue Heirath einginget, und nachdem ich Euch wie ich es gethan, meine sechsjährigen Kämpfe und Bestrebungen erzählt, Euch zu fragen, was ich Euch nun frage. Diana, sprecht, liebt Ihr mich, wie ich Euch liebe?«

»Freund,« erwiderte Frau von Castro mit sanftem Tone, »ich werde Euch ebenfalls mit meinem Leben antworten. Als ich, ein Kind von zwölf Jahren, an diesen Hof kam, erfaßte mich nach den ersten Augenblicken, welche das Erstaunen und die Neugierde ausfüllten, die Langeweile, die goldenen Fesseln dieses Daseins drückten mich und ich beklagte bitterlich die Trennung von unseren Wäldern und unseren Ebenen in Vimoutiers und Montgommery, Gabriel! Jeden Abend entschlummerte ich weinend. Der König, mein Vater, war doch gut gegen mich, und ich suchte seine Zuneigung durch meine Liebe zu erwidern. Aber wo war meine Freiheit? wo war Aloyse? wo waret Ihr, Gabriel? Ich sah den König nicht jeden Tag. Frau von Valentinois war kalt und gezwungen gegen mich und schien mich beinahe zu vermeiden, während es für mich, Gabriel, wie Ihr Euch erinnert, Bedürfniß ist, geliebt zu werden!«

»Arme, theure Diana!« sagte Gabriel bewegt.

»Indeß Ihr kämpftet, schmachtete ich also,« fuhr Diana fort. »Der Mann handelt und die Frau wartet, das ist Beider Loos. Doch es ist zuweilen viel härter zu warten, als zu handeln. Schon im ersten Jahre meiner Einsamkeit machte mich der Tod des Herzogs von Castro zur Witwe, und der König schickte mich in das Kloster der Töchter Gottes, wo ich meine Trauerzeit hinbringen sollte. Doch das fromme, ruhige Leben, das man im Kloster führte, sagte meiner Natur viel mehr zu, als die fortwährenden Intriguen und Aufregungen des Hofes. Nachdem die Trauerzeit beendigt war, verlangte und erhielt ich von dem König die Erlaubniß, noch im Kloster zu bleiben. Man liebte mich dort wenigstens! Die gute Schwester Monica besonders, welche mich an Aloyse erinnerte. Ich sage Euch ihren Namen, Gabriel, damit Ihr sie liebt. Und dann waren mir nicht nur alle Schwestern zugethan, sondern ich konnte auch träumen, Gabriel, ich hatte die Zeit und das Recht dazu. Ich war frei, und was meine Träume erfüllte, welche aus der Vergangenheit und der Zukunft bestanden, Ihr erratet es, Freund, nicht wahr?«

Beruhigt und entzückt antwortete Gabriel nur durch einen leidenschaftlichen Blick. Zum Glück war die Scene der Komödie höchst interessant. Der Prahler wurde auf das Schmählichste behandelt und die Guisen und die Montmorency blähten sich auf vor Freude. Die zwei Liebenden wären in einer Wüste nicht mehr allein gewesen.

»So vergingen fünf Jahre des Friedens und der Hoffnung,« fuhr Diana fort. »Es traf mich nur ein Unglück, das, meinen Nährvater Enguerrand zu verlieren. Ein anderes Unglück ließ nicht auf sich warten. Der König rief mich zu sich zurück und eröffnete mir, ich wäre bestimmt, die Frau von Franz von Montmorency zu werden. Ich widerstand, Gabriel, ich war kein Kind mehr, das nicht weiß, was es thut. Doch mein Vater bat und flehte, und zeigte mir, wie wichtig diese Heirath für die Wohlfahrt des Reiches wäre. Ihr hattet mich ohne Zweifel vergessen, Gabriel, der König sagte dies! Und dann, wo waret Ihr? Wer waret Ihr? Kurz, der König drang so sehr in mich, bestürmte mich so sehr mit Bitten! Gestern, ja es war gestern! versprach ich, was er wollte, Gabriel, doch unter der Bedingung, daß meine Hinrichtung um drei Monaten verschoben werde, und daß ich zuvor erfahren müsse, was aus Euch geworden wäre.«

»Ihr habt also versprochen? . . .« sagte Gabriel erbleichend.

»Ja, doch ich hatte Euch nicht wiedergesehen, Freund, ich wußte nicht, welche köstliche und schmerzliche Eindrücke Euer Anblick an demselben Tag in mir erregen sollte, als ich Euch wiedererkannte, Gabriel, schöner, stolzer denn einst, doch immer noch derselbe! Oh! ich fühlte sogleich, mein Versprechen gegen den König wäre nichtig und diese Heirath unmöglich; dieses Leben gehörte Euch, und wenn Ihr mich noch liebtet, würde ich Euch immer lieben. Gesteht nun, daß ich nicht hinter Euch zurück bin, und daß Euer Leben dem meinigen nichts vorzuwerfen hat.«

»Oh! Ihr seid ein Engel, Diana, und Alles was ich gethan habe, um Euch zu verdienen, ist nichts.«

»Gabriel, da uns das Schicksal ein wenig genähert hat, so laßt uns die Hindernisse ermessen, die uns noch trennen. Der König ist ehrgeizig für seine Tochter, und die Castro und die Montmorency haben ihn leider schwierig gemacht.«

»Seid unbesorgt über diesen Punkt, Diana; das Haus, zu dem ich gehöre, braucht die ihrigen nicht zu beneiden, und es wäre nicht das erste Mal, daß es sich mit dem Hause Frankreich verbinden würde.«

»Ah! wahrhaftig! Gabriel, Ihr erfüllt mich mit Freude, indem Ihr mir das sagt. Ich bin, wie Ihr Euch wohl denken könnt, sehr unwissend in der Wappenkunde und kannte die d’Ermès nicht. Dort in Vimoutiers nannte ich Euch Gabriel, und mein Herz bedurfte keines süßeren Namens. Dieser Name ist es, den ich liebe, und wenn Ihr glaubt, der andere werde den König befriedigen, so geht Alles gut und ich bin glücklich. Möget Ihr d’Ermès, oder Guise, oder Montmorency heißen . . . sobald Ihr Euch nicht Montgommery nennt, geht Alles gut.«

»Und warum soll ich kein Montgommery sein?« versetzte Gabriel erschrocken.

»Oh! die Montgommery, unsere Nachbarn dort, haben, wie es scheint, dem König Böses gethan, denn er grollt ihnen sehr.«

»Ah! wahrhaftig?« sagte Gabriel, dessen Brust sich zusammenschnürte, »doch sind es die Montgommery, die dem König Böses gethan, oder ist es vielmehr der König, der schlimm gegen die Montgommery verfahren?

»Mein Vater ist zu gut, um je ungerecht gewesen zu sein, Gabriel.«

»Gut für seine Tochter, ja, doch gegen seine Feinde . . .«

»Furchtbar vielleicht,« versetzte Diana, »wie Ihr es gegen die von Frankreich und vom König seid. Doch was ist daran gelegen, und was gehen Euch die Montgommery an?«

»Wenn ich jedoch ein Montgommery wäre, Diana.«

»Oh! sagt das nicht, Freund.«

»Aber wenn es so wäre?«

»Wenn es so wäre,« sprach Diana, »wenn ich mich zwischen meinen Vater und Euch gestellt fände, so würde ich mich dem Beleidigten zu Füßen werfen, wer es auch sein möchte, und so lange weinen und flehen, bis mein Vater meinetwegen Euch vergäbe, oder bis Ihr meinem Vater meinetwegen vergäbet.«

»Und Eure Stimme ist so mächtig Diana, daß sich der Beleidigte sicherlich schmiegen würde, vorausgesetzt, daß kein Blut vergossen worden.«

»Oh! Ihr erschreckt mich, Gabriel, das heißt die Prüfung lange genug fortsetzen, doch nicht wahr, es war nur eine Prüfung?«

»Ja, Diana, eine einfache Prüfung Gott wird es gestatten, daß es nur eine Prüfung ist,« flüsterte er gleichsam sich selbst zu.

»Und es findet kein Haß zwischen meinem Vater und Euch statt, es kann keiner stattfinden?«

»Ich hoffe es, Diana. ich würde zu sehr leiden, wenn ich Euch leiden machte.«

»Das ist gut, Gabriel; nun wohl! wenn Ihr das hofft, mein Freund,« fügte sie mit ihrem anmuthreichen Lächeln bei. »So hoffe ich meinen Vater zu bewegen, daß er auf die Heirath verzichtet, welche mein Tod wäre. Ein mächtiger König wie er muß diesen Montmorency Entschädigungen zu bieten haben.«

»Nein, Diana, alle seine Schätze und seine ganze Gewalt vermöchten nicht für Euren Verlust zu entschädigen.«

»Ah! so versteht Ihr das, gut, gut! Ihr habt mir bange gemacht, Gabriel. Doch seid unbesorgt, Freund: Franz von Montmorency denkt hierüber, Gott sei Dank nicht wie Ihr, und er wird Eurer armen Diana einen hölzernen Stab vorziehen, der ihn zum Marschall macht. Ist dieser ruhmwürdige Tausch angenommen, so werde ich den König ganz sachte vorbereiten. Ich werde ihn an die königlichen Verwandtschaften des Hauses d’Ermès, ich werde ihn an Eure Thaten erinnern, Gabriel . . .«

Sie unterbrach sich.

»Ah! mein Gott! das Stück geht zu Ende, wie mir scheint.«

»Fünf Akte! was das kurz ist!« sagte Gabriel, »doch Ihr habt Recht. Diana, der Epilog setzt die Moral der Fabel auseinander.«

»Zum Glück,« erwiderte Diana, »zum Glück haben wir uns beinahe Alles gesagt, was wir uns zu sagen hatten.«

»Ich habe Euch nicht den tausendsten Theil gesagt,« entgegnete Gabriel.

»Ich auch nicht,« sprach Diana, »und die Zuvorkommenheit der Königin . . .«

»Oh! Boshafte!«

»Die Boshafte ist diejenige, welche Euch zulächelt, und nicht die, welche Euch schmäht, versteht Ihr? Sprecht nicht mehr mit ihr diesen Abend, Freund, ich will es.«

»Ihr wollt es! wie gut Ihr seid! . . . Nein, ich werde nicht mehr mit ihr sprechen. Doch hört, der Epilog ist leider auch zu Ende! Gott befohlen, und auf baldiges Wiedersehen, nicht wahr, Diana? Sagt mir ein letztes Wort, das mich aufrecht hält und mich tröstet, Diana.«

»Auf baldiges Wiedersehen, auf immer, Gabriel, mein Männchen,« flüsterte das freudige Kind dem entzückten Gabriel ins Ohr.

Und sie verschwand in der gedrängten, geräuschvollen Menge. Gabriel schlich sich seinerseits weg, um es seinem Versprechen gemäß zu vermeiden, der Königin zu begegnen . . . eine rührende Treue gegen seine Schwüre . . . Er verließ den Louvre, indem er in seinem Innern Antoine de Baïf für einen großen Mann erklärte und sich sagte, er habe nie einer Vorstellung beigewohnt, die ihm so viel Vergnügen gemacht.

Im Vestibule nahm er Martin-Guerre mit, der ihn ganz funkelnd in seinen neuen Kleidern erwartete.

»Nun! hat der gnädige Herr Frau von Angoulême gesehen?« fragte der Stallmeister seinen Herrn, als sie auf der Straße waren.

»Ich habe sie gesehen,« antwortete Gabriel träumerisch.

»Und Frau von Angoulême liebt immer noch den Herrn Vicomte?« fuhr Martin-Guerre fort, als er Gabriel in guter Stimmung sah.

»Schurke!« rief Gabriel, »wer hat Dir das gesagt? Woher hast Du es genommen, daß Frau von Castro mich liebte, oder daß ich nur Frau von Castro liebte? Willst Du wohl schweigen, Bursche?«

»Gut!« murmelte Meister Martin, »der gnädige Herr wird geliebt, sonst hätte er geseufzt und mich nicht geschmäht, und der gnädige Herr ist verliebt, sonst hätte er meinen neuen Mantel und meine neuen Strumpfhosen bemerkt.«

»Was sprichst Du da von Strumpfhosen und Mantel? In der That, Du hattest diesen Rock heute Mittag noch nicht.«

»Nein, gnädiger Herr, ich habe ihn diesen Abend gekauft, um meinem Gebieter und seiner Geliebten Ehre zu machen, und ich habe ihn baar bezahlt, denn meine Frau Bertrande hat mich an Ordnung und Sparsamkeit, wie an Mäßigkeit und Keuschheit und alle Arten von Tugenden gewöhnt. Ich muß ihr diese Gerechtigkeit widerfahren lassen, und wenn ich sie hätte an die Sanftmuth gewöhnen können, so wären wir das glücklichste Paar gewesen.«

»Es ist gut, Schwätzer, man wird Dir Deine Auslagen wiedererstatten, da Du Dich meinetwegen in Kosten versetzt hast.«

»Oh! gnädiger Herr, welche Großmuth! doch wenn der gnädige Herr mir sein Geheimniß verschweigen will, so gebe er mir nicht diesen neuen Beweis, daß er geliebt wird, wie er verliebt ist. Man leert seine Börse nur so gern, wenn das Herz voll ist. Uebrigens kennt der Herr Vicomte Martin-Guerre und weiß, daß man sich ihm anvertrauen kann. Treu und stumm wie das Schwert, das er trägt.«

»Es mag sein, doch nun genug, Meister Martin.«

»Ich lasse den gnädigen Herrn träumen.«

Gabriel träumte in der That dergestalt, daß er, nach Hause zurückgekehrt, das Bedürfniß fühlte, seine Träume zu ergießen, weshalb er schon am Abend an Aloyse schrieb.

»Meine gute Amme, Diana liebt mich! doch nein, dies ist es nicht, was ich Dir zuerst sagen muß. Meine gute Aloyse, komm zu mir; seit sechs Jahren von Dir entfernt, sehne ich mich sehr darnach, Dich zu umarmen. Die Präliminarien meines Lebens sind nun festgestellt. Ich bin Kapitän der Leibwachen des Königs, einer von den am meisten beneideten militärischen Graden und der Name, den ich mir gemacht habe, wird mir den, welchen ich von meinen Ahnen erhalten, mit Ruhm und Ehre umgeben helfen. Ich bedarf Deiner auch für diese Aufgabe, Aloyse. Und dann brauche ich Dich, weil ich glücklich bin, weil, ich wiederhole es Dir, Diana mich liebt, ja, die Diana von einst, die meine gute Aloyse nie vergessen, obgleich sie den König ihren Vater nennt. Aloyse, die Tochter des Königs und von Frau von Valentinois, die Witwe des Herzogs von Castro, hat nie vergessen und liebt immer noch mit ihrer ganzen reizenden Seele ihren dunkeln Freund von Vimoutiers. Es ist noch keine Stunde, daß sie es mir gesagt hat, und ihre süße Stimme erklingt beständig in meinem Herzen. Komm also, Aloyse, denn ich bin wahrhaftig zu glücklich, um allein glücklich zu sein.«

Die beiden Dianen

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