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Viertes bis siebentes Bändchen
IV.
Das heroische Lösegeld

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Doch am andern Tag, am 12. August, ging Gabriel festen Schrittes und mit ruhigem Antlitz nach dem Louvre, um beim König Audienz zu verlangen.

Er hatte lange mit Aloyse und mit sich selbst erwogen, was er thun und was er sagen sollte. Ueberzeugt, daß die Heftigkeit gegen einen königlichen Gegner nur dazu dienen würde, ihm das Schicksal seines Vaters zuziehen beschloß Gabriel, entschieden und würdig, aber mäßig und ehrfurchtsvoll zu Werke zu gehen; er wollte bitten, und nichts fordern. War es nicht immer noch Zeit, laut zu sprechen, und mußte er nicht zuvor sehen, ob achtzehn Jahre nicht den Haß von Heinrich II. abgestumpft hatten?

Indem Gabriel einen solchen Entschluß faßte zeigte er eben so viel Weisheit und Klugheit, als das kühne Vorhaben zuließ, für das er sich entschieden hatte.

Die Umstände sollten ihm übrigens einen unerwarteten Beistand gewähren.

Als er gefolgt von Martin-Guerre, diesmal gefolgt vom wahren Martin-Guerre, in den Hof des Louvre kam, bemerkte Gabriel eine ungewöhnliche Bewegung; doch er hatte zu starr seinen eigenen Gedanken im Auge, um aufmerksam die geschäftigen Gruppen und die betrübten Gesichter zu betrachten, welche sich seinen ganzen Weg entlang wahrnehmen ließen.

Nichtsdestoweniger mußte er eine Sänfte mit dem Wappen der Guisen erkennen und den Cardinal von Lothringen grüßen, welcher in großer Aufregung aus dieser Sänfte ausstieg.

»Ei! Ihr seid hier, Herr Vicomte d’Ermès?« sprach Carl von Lothringen, »Ihr seid also gänzlich wiederhergestellt? desto besser! desto besser! Mein Herr Bruder erkundigte sich erst in seinem letzten Briefe mit großer Theilnahme nach Euch.«

»Monseigneur, so viel Güte! . . .« erwiderte Gabriel.

»Ihr verdient sie für so viel Tapferkeit!« sprach der Cardinal. »Doch wohin geht Ihr so rasch?«

»Zum König, Monseigneur.«

»Hm! der König hat ganz andere Geschäfte, als Euch zu empfangen, mein junger Freund. Hört, ich begebe mich auch zu Seiner Majestät, welche so eben nach mir verlangt hat. Gehen wir mit einander hinauf, ich führe Euch ein, und Ihr leiht mir Euren jungen Arm. Hilfe für Hilfe. Das ist es, was ich sogleich Seiner Majestät sagen werde, denn Ihr habt wohl die traurige Kunde vernommen?«

»Wahrhaftig, nein!« antwortete Gabriel, »ich komme so eben von Hause und habe in der That nur eine gewisse Bewegung bemerkt.«

»Ich glaube es wohl!« versetzte der Cardinal.

»Herr von Montmorency hat dort beim Heere wieder einen von seinen gewöhnlichen Streichen gemacht. Er wollte dem belagerten Saint-Quentin zu Hilfe eilen, der muthige Connétable! Steigt nicht so schnell hinauf, Herr d’Ermès, ich bitte Euch, ich habe nicht mehr Eure zwanzigjährigen Beine. Ich sagte also, er habe dem Feinde eine Schlacht angeboten, der unerschütterliche General! Das geschah vorgestern, am 10. August, am Saint-Laurent-Tage. Er hatte ungefähr eben so viele Truppen, als die Spanier, eine bewundernswürdige Reiterei und die Elite des französischen Adels. Nun wohl! er richtete die Dinge so gut ein, der erfahrene Feldherr, daß er in den Ebenen von Gibercourt und Lizerolles eine furchtbare Niederlage erlitt, und daß er selbst gefangen genommen und verwundet wurde, und mit ihm alle diejenigen Anführer und Generale, welche nicht auf dem Schlachtfeld geblieben sind. Herr von Enghien gehört zu den Letztern, und von der ganzen Infanterie sind nicht hundert Mann zurückgekommen. Deshalb, Herr d’Ermès, seht Ihr alle Welt so bewegt, und deshalb läßt mich Seine Majestät ohne Zweifel rufen.«

»Großer Gott!« rief Gabriel selbst bei seinem persönlichen Schmerz von diesem Unglück des Staats tief ergriffen, »großer Gott! können die Tage von Poitiers und Azincourt wirklich für Frankreich wiederkehren? Aber Saint-Quentin, Monseigneur?«

»Saint-Quentin hielt sich noch beim Abgang des Boten, und der Neffe des Connétable, der Herr Admiral Gaspard von Coligny, der die Stadt vertheidigte, hatte geschworen, die Mißgriffe seines Oheims dadurch zu mildern, daß er sich eher unter den Trümmern des Platzes begraben lassen, als ihn übergeben würde. Doch ich befürchte sehr, daß er zu dieser Stunde schon begraben, und der letzte Damm der den Feind aushält, genommen ist.«

»Dann wäre das Königreich verloren.«

»Gott beschütze Frankreich,« sprach der Cardinal, »doch wir sind nun beim König, und wir werden sehen, was er thun will, um sich selbst zu beschützen.«

Die Wachen verbeugten sich vor dem Cardinal und ließen ihn natürlich vorüber, ihn den nothwendigen Mann nach der Lage der Dinge und denjenigen, dessen Bruder allein noch das Land retten konnte. Carl von Lothringen trat, gefolgt von Gabriel, ohne Widerstand beim König ein, den er allein mit Frau von Poitiers und ganz in Bestürzung fand. Als Heinrich den Cardinal sah, ging er ihm voll Eifer entgegen und sprach:

»Eure Eminenz sei willkommen! Nun! Herr von Lothringen, welch eine gräßliche Katastrophe! Ich frage Euch, wer hätte das geglaubt?«

»Ich, Sire,« antwortete der Cardinal, »wenn mich Eure Majestät vor einem Monat, zur Zeit des Abgangs von Herrn von Montmorency gefragt hätte . . .«

»Keine leere Anschuldigung, mein Vetter,« erwiderte der König, »es handelt sich nicht um die Vergangenheit, sondern um die so bedrohliche Zukunft, um die so gefahrvolle Gegenwart. Der Herr Herzog von Guise ist auf der Rückkehr aus Italien begriffen, nicht war?«

»Ja, Sire, und er muß nun in Lyon sein.«

»Gott sei gelobt!« rief der König. »Herr von Lothringen, in die Hände Eures erhabenen Bruders lege, ich das Heil des Staates. Habet, Ihr und er, für dieses glorreiche Ziel Vollmacht und souveräne Gewalt. Seid Könige wie ich und mehr als ich. Ich habe selbst an Herrn von Guise geschrieben, um seine Rückkunft zu beschleunigen. Hier ist der Brief. Eure Eminenz wolle die Güte haben, auch zu schreiben, ihrem Bruder unsere Lage zu schildern und ihm zu bemerken, wie nothwendig es ist, keine Minute zu verlieren, wenn man Frankreich noch bewahren will. Sagt Herrn von Guise, daß ich mich ganz auf ihn verlasse. Schreibt, Herr Cardinal, schreibt schnell, ich bitte Euch. Ihr braucht nicht von hier wegzugehen. Dort in jenem Cabinet findet Ihr Alles, was Ihr nöthig habt. Gestiefelt und gespornt, wartet der Eilbote schon unten im Sattel. Habt die Gnade, geht. Geht, eine halbe Stunde mehr oder weniger kann Alles retten oder Alles verderben.«

»Ich gehorche Eurer Majestät,« antwortete der Cardinal, indem er sich nach dem Cabinet wandte, »und mein ruhmwürdiger Bruder wird mir gehorchen, denn sein Leben gehört dem König und dem Königreich. Doch, mag es ihm gelingen, mag er scheitern, Seine Majestät wird die Gnade haben, sich später zu erinnern, daß sie ihm die Gewalt in einer verzweiflungsvollen Lage anvertraut hat.«

»Sagt gefahrvoll, sagt nicht verzweifelt,« entgegnete der König. »Meine gute Stadt Saint-Quentin und ihr braver Vertheidiger, Herr von Coligny, halten sich noch.«

»Oder hielten sich wenigstens noch vor zwei Tagen,« entgegnete Carl von Lothringen. »Aber die Festungswerke waren in einem erbärmlichen Zustand, die ausgehungerten Einwohner sprachen von Uebergabe, und ist Saint-Quentin heute in der Gewalt des Spaniers, so gehört ihm Paris in acht Tagen. Gleichviel, Sire, ich werde an meinen Bruder schreiben, und Ihr wißt, was einem Menschen möglich ist, wird Herr von Guise thun.«

Gabriel war ganz nachdenkend im Hintergrund geblieben, ohne bemerkt zu werden. Sein junges, edles Herz war tief bewegt von der furchtbaren Bedrängniß, welche Frankreich gefährdete, er vergaß, daß es Herr von Montmorency, sein grausamster Feind, war, den man besiegt, verwundet und gefangen genommen hatte. Er sah für den Augenblick in ihm nur den General der französischen Truppen, und dachte beinahe eben so sehr an die Gefahren des Vaterlands, als an die Schmerzen seines Vaters. Das edle Kind hatte Liebe für alle Gefühle und Mitleid für jedes Unglück, und als der König, nachdem der Cardinal hinausgegangen, trostlos in seinen Lehnstuhl zurückfiel und, die Stirne in seinen Händen, ausrief:

»O Saint-Quentin, auf dir beruht nun das Schicksal Frankreichs. Saint-Quentin, meine gute Stadt, wenn du nur noch acht Tage Widerstand zu leisten vermöchtest! Herr von Guise hätte Zeit zurückzukehren die Vertheidigung ließe sich hinter deinen treuen Mauern organisieren! Während, wenn sie fallen, der Feind gegen Paris marschiert und Alles verloren ist. Saint-Quentin, ich gäbe dir für jede deiner Stunden des Widerstands ein Privilegium, und für jeden deiner eingestürzten Steine einen Diamant, wenn du nur noch acht Tage widerstehen könntest!«

»Sire, es wird widerstehen, und zwar mehr als acht Tage,« sprach Gabriel vorschreitend.

Er hatte seinen Entschluß gefaßt, einen erhabenen Entschluß!

»Herr d’Ermès!« riefen gleichzeitig Heinrich und Diana, der König mit Erstaunen, Diana mit Verachtung.

»Wie kommt Ihr hierher, mein Herr?« fragte der König mit strengem Tone.

»Sire, ich bin mit Seiner Eminenz eingetreten.«

»Das ist etwas Anderes,« versetzte Heinrich. »Doch was sagtet Ihr, Herr d’Ermès? Ich glaube, Saint-Quentin könnte widerstehen?!«

»Ja, Sire, und Ihr sagtet, wenn es widerstände so würdet Ihr ihm Freiheiten und Reichthümer geben.«

»Ich wiederhole es,« sprach der König.

»Wohl, Sire, würdet Ihr das, was Ihr der Stadt, die sich vertheidigte, zu bewilligen geneigt seid, dem Mann verweigern, der sie zur Vertheidigung bewegen, der der ganzen Stadt seinen energischen Willen einflößen und sie nicht eher übergeben würde, als bis der letzte Mauerflügel unter der feindlichen Kanone gefallen wäre? Würdet Ihr den Mann, der Euch diese acht Tage des Widerstandes und folglich Euer Königreich gegeben hätte, auf die Gnade, die er von Euch forderte, warten lassen? würdet Ihr um eine Gnade mit demjenigen feilschen, welcher Euch ein Reich zurückgegeben hätte?«

»Nein, gewiß nicht!« rief der König, »Alles, was ein König vermag, würde dieser Mann bekommen.«

»Der Handel ist abgeschlossen, Sire, denn ein König kann nicht nur, er muß verzeihen, und dieser Mann verlangt von Euch eine Verzeihung, und keine Titel, kein Geld.«

»Aber wo ist er? Wer ist dieser Retter?« fragte der König.

»Er steht vor Euch, Sire. Ich bin es, Euer einfacher Kapitän der Leibwachen; doch ich fühle in meiner Seele und in meinem Arm eine übermenschliche Kraft und werde Euch beweisen, daß ich nicht prahle, wenn ich mich anheischig mache, zugleich mein Vaterland und meinen Vater zu retten.«

»Euren Vater, Herr d’Ermès?«

»Ich heiße nicht d’Ermès,« sprach Gabriel, »ich bin Gabriel von Montgommery, der Sohn des Grafen Jacques von Montgommery, dessen Ihr Euch erinnert, Sire.«

»Der Sohn des Grafen von Montgommery!« rief der König indem er sich erbleichend erhob.

Frau Diana rückte auf ihrem Stuhl mit einer Bewegung des Schreckens zurück.

»Ja, Sire,« sprach Gabriel ruhig, »ich bin der Vicomte von Montgommery, der für den Dienst, den er Euch dadurch leisten wird, daß er Saint-Quentin acht Tage lang behauptet, nur die Freiheit seines Vaters von Euch verlangt.«

»Euer Vater, mein Herr,« sagte der König, »ist todt, verschwunden, was weiß ich? Ich weiß nicht, wo Euer Vater ist.«

»Doch ich, Sire, ich weiß es,« versetzte Gabriel eine furchtbare Angst überwindend. »Mein Vater ist seit achtzehn Jahren im Châtelet und erwartet dort den göttlichen Tod oder das menschliche Mitleid. Mein Vater lebt, dessen bin ich sicher. Sein Verbrechen ist mir nicht bekannt.«

»Es ist Euch nicht bekannt?« fragte der König düster und die Stirne faltend.

»Es ist mir nicht bekannt, Sire, sein Vergehen muß schwer sein, daß es eine so lange Gefangenschaft verdient hat, doch es ist nicht unverzeihlich, da es nicht den Tod verdiente. Sire, hört mich. In achtzehn Jahren hat die Gerechtigkeit Zeit gehabt, zu entschlummern, und die Milde, zu erwachen. Die menschlichen Leidenschaften, die uns böse oder gut machen, widerstehen einer so langen Dauer nicht. Mein Vater, der als Mann in den Kerker gekommen ist, wird ihn als Greis verlassen. Hat er nicht gesühnt, so schuldig er auch sein mag? Und wenn die Strafe zufällig zu hart war, ist er nicht zu schwach, um sich zu erinnern? Sire, gebt einen armen Gefangenen, der fortan ohne Gewicht ist, dem Leben zurück. Christlicher König, erinnert Euch der Worte des christlichen Symbols und verzeiht die Schuld Anderer, damit Euch die Eurige verziehen werde.«

Diese letzten Worte wurden mit einem so bezeichnenden Ton gesprochen, daß der König und Frau von Valentinois sich anschauten, als wollten sie voll Schrecken eine Frage an einander richten.

Doch Gabriel wollte nur auf eine zarte Weise den schmerzlichen Punkt ihres Gewissens berühren, und er fügte eiligst bei:

»Bemerkt, Sire, daß ich als treuer und gehorsamer Unterthan zu Euch spreche. Ich sage nicht zu Euch: »Mein Vater ist nicht gerichtet worden, man hat meinen Vater insgeheim verurtheilt, ohne ihn zu hören, und diese Ungerechtigkeit gleicht sehr der Rache . . . Ich, sein Sohn, appelliere also laut vor dem Adel Frankreichs gegen den geheimen Spruch, der ihn getroffen; ich werde öffentlich Allem, was ein Schwert hat, die Verletzung kundthun, welche uns Allen in der Person eines Edelmanns zugefügt worden ist.«

Heinrich machte eine Bewegung.

»Ich sage Euch das nicht, Sire,« fuhr Gabriel fort. »Ich weiß, daß es äußerste Nothwendigkeiten gibt, welche stärker sind als das Gesetz und das Recht. Ich ehre, wie sie ohne Zweifel mein Vater ehren würde, die Geheimnisse einer schon fern von uns liegenden Vergangenheit. Ich bitte Euch nur, mir zu erlauben, durch eine glorreiche und befreiende Handlung den Rest der Strafe meines Vaters abzukaufen. Als Lösegeld biete ich Euch an, Saint-Quentin eine Woche lang von dem Feinde frei zu halten, und wenn das nicht genügt, den Verlust von Saint-Quentin dadurch auszugleichen, daß ich den Engländern oder auch den Spaniern eine andere Stadt abnehme! Das ist im Ganzen wohl die Freiheit eines Greises werth. Nun! ich werde das thun, Sire, und noch mehr, denn die Sache, welche meinen Arm bewaffnet, ist rein und heilig, mein Wille ist stark und kühn, und ich fühle, daß Gott mit mir sein wird.«

Frau Diana konnte sich eines ungläubigen Lächelns vor diesem heldenmüthigen Vertrauen eines jungen Mannes nicht erwehren, das sie nicht kannte und nicht zu begreifen vermochte.

»Ich verstehe Euer Lächeln, Madame,« sprach Gabriel mit einem schwermüthigen Blick. »Ihr glaubt, ich werde dieser großen Aufgabe unterliegen, nicht wahr? Mein Gott! das ist möglich. Es ist möglich, daß meine Ahnungen mich trügen. Doch dann werde ich sterben! Ja, Madame, ja, Sire, wenn die Feinde vor Ablauf von acht Tagen in Saint-Quentin eindringen, so lasse ich mich auf der Bresche der Stadt tödten, die ich nicht zu vertheidigen im Stande gewesen bin. Gott, mein Vater und Ihr könnt nicht mehr von mir verlangen. Mein Geschick wird dann in dem Sinne in Erfüllung gegangen sein, den der Herr gewollt hat: mein Vater wird im Kerker sterben, wie ich auf dem Schlachtfelde sterbe, und Ihr werdet natürlich zu gleicher Zeit von der Schuld und dem Gläubiger befreit sein.«

»Was er sagt, ist wenigstens richtig!« flüsterte Diana dem nachdenkenden König ins Ohr.

Dann sprach sie zu Gabriel, während Heinrich immer noch sein träumerisches Stillschweigen beobachtete:

»Ist es in dem Fall, daß Ihr unterliegen und Euer Werk unerfüllt lassen würdet, mein Herr, nicht schwer anzunehmen, es werde Euch kein Erbe, Eurer Schuldforderung, kein Vertrauter Eures Geheimnisses überleben?«

»Ich schwöre Euch bei dem Heile meines Vaters, daß, wenn ich sterbe, Alles mit mir sterben, und daß Niemand das Recht oder die Macht haben wird, Seine Majestät hierüber zu belästigen. Ich unterwerfe mich zum Voraus den Plänen Gottes, wie Ihr, Sire, seinen Dazwischentritt anerkennen müßt, wenn er mir die erforderliche Kraft verleiht, mein großes Vorhaben zu erfüllen. Sterbe ich, so spreche ich Euch von jeder Verbindlichkeit, sowie von jeder Verantwortung, wenigstens gegen die Menschen, frei; denn die Rechte des Allerhöchsten sind unverjährbar.«

Heinrich bebte; doch diese von Natur unentschlossene Seele wußte nicht, wozu sie sich entscheiden sollte, und der schwache Fürst wandte sich gegen Frau von Poitiers, als wollte er von ihr Rath und Beistand fordern.

Diese begriff seine Unentschlossenheit, an welche sie übrigens gewöhnt war, und sprach mit einem seltsamen Lächeln:

»Ist es nicht Eure Ansicht, Sire, daß wir an das Wort von Herrn d’Ermès, der, wie mir scheint, ein redlicher und ganz ritterlicher Edelmann ist, glauben müssen? Ob seine Bitte begründet ist oder nicht, weiß ich nicht, und das Stillschweigen Eurer Majestät in dieser Hinsicht erlaubt weder mir, noch irgend Jemand, etwas zu behaupten, und läßt alle Zweifel hierüber bestehen. Doch nach meiner unmaßgeblichen Ansicht, Sire, kann man ein so edles Anerbieten nicht zurückweisen, und wenn ich an Eurer Stelle wäre, so würde sich Herrn d’Ermès mein königliches Wort verpfänden, daß ich ihm, wenn er seine heldenmüthigen und abenteuerlichen Versprechungen verwirklicht, jede Gnade bewilligen werde, die er dagegen verlangen dürfte.«

»Ah! Madame, das ist Alles, was ich wünsche!t« sprach Gabriel.

»Doch noch ein letztes Wort,« sagte Diana, indem sie ihren durchdringenden Blick auf den jungen Mann heftete: »Wie und warum habt Ihr Euch entschlossen, von einem Geheimniß, das mir wichtig zu sein scheint, vor einer Frau zu sprechen, welche vielleicht ziemlich indiscret und, wie ich denke, diesem ganzen Geheimniß völlig fremd ist?«

»Ich hatte zwei Gründe, Madame,« antwortete Gabriel mit vollkommener Kaltblütigkeit »Einmal dachte ich, es könnte und müßte kein Geheimniß für Euch im Herzen Seiner Majestät bestehen. Ich theilte Euch also nur mit, was Ihr später erfahren hättet, oder schon wußtet. Sodann hoffte ich, was auch geschehen ist, Ihr würdet die Gnade haben, mich beim König zu unterstützen, Ihr würdet ihn antreiben, mich zu dieser Prüfung abzusenden, und Ihr, eine Frau, würdet abermals, wie Ihr es stets sein mußtet, auf der Partei der Milde sein.«

Es wäre dem aufmerksamsten Beobachter unmöglich gewesen, in dem Tone von Gabriel die geringste ironische Absicht, und in seinen unempfindlichen Zügen das mindeste Lächeln der Verachtung herauszufinden Der durchdringende Blick von Frau Diana verlor hier seine Mühe.

Sie erwiderte das, was im Ganzen ein Compliment sein konnte, durch eine leichte Verbeugung des Kopfes.

»Erlaubt mir nun eine Frage,« sprach sie sodann. »Es ist nur ein Umstand, der meine Neugierde reizt. Wie könnt Ihr, der Ihr noch so jung, im Besitze eines achtzehnjährigen Geheimnisses sein?«

»Ich werde Euch um so lieber antworten, »Madame, sprach Gabriel ernst und düster, »als meine Antwort dazu dienen soll, Euch von dem Dazwischentritt Gottes bei dem Allem zu überzeugen. Ein Stallmeister meines Vaters, Perrot Avrigny, der bei den Ereignissen, welche das Verschwinden des Grafen herbeiführten, getödtet wurde, ist mit der Erlaubniß Gottes aus seinem Grabe erstanden und hat mir das, was ich Euch gesagt habe, mitgetheilt.«

Bei dieser Antwort, welche mit feierlichem Tone gegeben wurde, richtete sich der König bleich und mit keuchender Brust hoch auf, und selbst Frau von Poitiers konnte sich, trotz ihrer stählernen Nerven, eines Schauers nicht erwehren. In jener abergläubischen Zeit, wo man gern an Erscheinungen und Gespenster glaubte, mußte das Wort von Gabriel, mit der Ueberzeugung der Wahrheit gesprochen, in der That furchtbar für zwei geängstigte Gewissen sein.

»Das genügt, mein Herr,« sprach der König hastig und mit bewegter Stimme, »ich bewillige Euch Alles, was Ihr von mir verlangt. Geht! geht!«

»Ich kann also auf der Stelle, dem Worte Eurer Majestät vertrauend, nach Saint-Quentin aufbrechen?« versetzte Gabriel.

»Ja, reist, mein Herr,« sprach der König, der trotz der ermahnenden Blicke von Diana große Mühe hatte, sich von seiner Unruhe zu erholen, »reist auf der Stelle ab, thut, was Ihr uns versprochen habt, und ich gebe Euch mein Ehrenwort als König und Edelmann, daß ich thun werde, was Ihr wollt.«

Gabriel verbeugte sich mit freudigem Herzen vor dem König und vor der Herzogin, und ging dann hinaus, ohne ein Wort zu sprechen, als hätte er, nachdem er erlangt, was er wünschte, keine Minute mehr zu verlieren.

»Endlich ist er fort!« sprach Heinrich, indem er, wie von einer ungeheuren Last befreit, athmete.

»Sire,« sagte Frau von Poitiers, »beruhigt und bewältigt Euch. Ihr hättet Euch beinahe vor diesem Menschen verraten.«

»Es ist nicht ein Mensch, Madame, es ist meine Reue, welche lebt, es ist mein Gewissen, welches spricht,« erwiderte der König.

»Wohl, Sire,« versetzte Diana, die sich wieder erholte, »Ihr habt Recht gehabt, diesem Gabriel seine Bitte zu bewilligen und ihn dahin zu schicken, wohin er geht; denn wenn ich mich nicht sehr täusche, wird Eure Reue vor Saint-Quentin sterben und Ihr werdet von Eurem Gewissen frei sein.«

Der Cardinal von Lothringen kehrte in diesem Augenblick mit dem Briefe zurück, den er an seinen Bruder geschrieben hatte, und der König fand nicht Zeit, zu antworten.

Als Gabriel mit leichtem Herzen vom König wegging, hatte er nur einen Gedanken in der Welt, und nur einen Wunsch: voll Hoffnung diejenige wiederzusehen, welche er voll Angst verlassen hatte; Diana von Castro Alles zu sagen, was er nun von der Zukunft erwartete. und aus ihren Blicken den Muth zu schöpfen, dessen er so sehr bedürfen sollte.

Er wußte, daß sie in ein Kloster gegangen war, doch in welches Kloster? Ihre Frauen waren ihr vielleicht nicht gefolgt, und er wandte sich nach der Wohnung, die sie früher im Louvre inne gehabt hatte, um Jacinthe zu befragen.

Jacinthe hatte ihre Gebieterin begleitet; doch Denise, die zweite Kammerfrau, war geblieben, und sie empfing Gabriel.

»Ah! Herr d’Ermès,« rief sie, »seid willkommen! Bringt Ihr mir zufällig Nachricht von meiner guten Gebieterin?«

»Ich komme im Gegentheil, um bei Euch mich zu erkundigen, Denise,« erwiderte Gabriel.

»Ah! heilige Jungfrau! ich weiß ganz und gar nichts, und Ihr seht mich gerade sehr beunruhigt.«

»Und warum diese Unruhe, Denise?« fragte Gabriel, der selbst sehr unruhig zu werden anfing.

»Wie!« versetzte die Zofe, »Ihr wißt ohne Zweifel nicht, wo sich Frau von Castro befindet?«

»Ich weiß es durchaus nicht, Denise, und hoffte es von Euch zu erfahren.«

»Jesus! gnädiger Herr, hat sie sich nicht vor einem Monat entschlossen, den König um Erlaubniß zu bitten, sich ins Kloster zurückziehen zu dürfen?«

»Dies ist mir bekannt, hernach?«

»Hernach! das ist gerade das Furchtbare, denn wißt Ihr, welches Kloster sie gewählt hat? das der Benedictinerinnen, dessen Superiorin ihre alte Freundin, Schwester Monica, ist, in Saint-Quentin, gnädiger Herr! in Saint-Quentin, welches gegenwärtig belagert wird, oder gar schon von diesen heidnischen Spaniern und Engländern genommen worden ist. Sie war noch nicht vierzehn Tage dort angekommen, gnädiger Herr, als die Belagerung des Platzes begann.«

»Oh!« rief Gabriel, »in dem Allem ist der Finger Gottes, er belebt immer den Sohn durch den Liebenden und verdoppelt so meinen Muth und meine Kräfte. Ich danke, Denise, das ist für Deine gute Auskunft,« fügte er bei, indem er ihr eine Börse in die Hände legte. »Bete zu Gott für Deine Gebieterin und für mich.«

Eiligst ging er hierauf in den Hof des Louvre hinab, wo Martin-Guerre seiner harrte.

»Wohin gehen wir nun, gnädiger Herr?« fragte ihn der Stallmeister.

»Dahin, wo die Kanone donnert, Martin, nach Saint-Quentin! nach Saint-Quentin! wir müssen übermorgen dort sein und brechen in einer Stunde auf, mein Braver.«

»Ah! desto besser!« rief Martin. »O großer heiliger Martin, mein Patron,« fügte er bei, »ich will mich noch darein fügen, daß ich ein Täufer, Spieler und Unzüchter bin. Doch ich würde mich, das sage ich Euch zum Voraus, mitten durch die feindlichen Bataillons stürzen, wenn ich je feig wäre.«

Die beiden Dianen

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