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Erstes bis drittes Bändchen
XVII.
Das Horoskop

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»Der Kranke wird leben, Frau Aloyse. Die Gefahr war groß, und die Wiederherstellung wird lange dauern. Alle diese Aderlässe haben den armen jungen Mann geschwächt, doch er wird leben, zweifelt durchaus nicht daran, und dankt Gott, daß die Vernichtung des Körpers den Schlag geschwächt hat, den seine Seele empfing; denn solche Wunden heilen wir nicht, und die seinige hätte können tödtlich sein, und kann es vielleicht noch sein.«

Der Doktor, welcher so sprach, war ein Mann von hoher Gestalt, mit großer gewölbter Stirne und durchdringendem tiefen Augen. Das Volk nannte ihn Meister Nostredame; er unterzeichnete für die Gelehrten Nostradamus. Er schien nicht über vierzig Jahre alt zu sein.

»Aber, Jesus! seht ihn doch an, mein Herr,« erwiderte Frau Aloyse, »so liegt er hier seit dem siebenten Juni Abends, wir haben heute den zweiten Juli und während dieser ganzen Zeit sprach er kein Wort, schien er mich weder zu sehen, noch zu kennen. Ach! er ist schon wie todt. Ihr berührt seine Hand, und er bemerkt es nicht einmal!«

»Desto besser, ich wiederhole es, Frau Aloyse, möchte er so spät als möglich zum Gefühle seiner Leiden zurückkehren; kann er, wie ich hoffe, noch einen ganzen Monat in dieser Lähmung ohne Bewußtsein und ohne Gedanken verharren, so ist er gänzlich gerettet.«

»Gerettet!« sprach Aloyse, indem sie die Augen zum Himmel aufschlug, als wollte sie Gott danken.

»Er ist es jetzt schon, wenn nicht ein Rückfall eintritt, und Ihr könnt es der hübschen Zofe sagen, welche sich zweimal täglich nach ihm erkundigt; unter dem Allem steckt eine Leidenschaft einer vornehmen Dame, nicht wahr? Das ist zuweilen reizend, zuweilen unselig.«

»Oh! hier ist es unselig, Ihr habt Recht, Meister Nostredame,« sprach seufzend Aloyse.

»Gott wolle, daß er sich aus der Leidenschaft wie aus der Krankheit herausreiße, Frau Aloyse, wenn nicht Krankheit und Leidenschaft dieselben Wirkungen und dieselben Ursachen haben. Ich würde für die eine stehen und nicht für die andere.«

Nostradamus öffnete die weiche, träge Hand, die er in der seinigen hielt, und betrachtete mit einer träumerischen Aufmerksamkeit die innere Fläche dieser Hand. Er spannte sogar die Haut über dem Zeigefinger und dem Mittelfinger aus; er schien nicht ohne eine gewisse Anstrengung in seinem Gedächtnis eine Erinnerung zu suchen.

»Das ist sonderbar,« sagte er halblaut und wie zu sich selbst, »ich studire wiederholt diese Hand, und es ist mir, als hätte ich sie schon zu einer andern Zeit untersucht. Doch welche Zeichen waren mir damals aufgefallen? Die Mensallinie ist günstig, die mittlere ist zweifelhaft, doch die Lebenslinie ist vollkommen. Im Uebrigen nichts als Gewöhnliches. Die vorherrschende Eigenschaft dieses jungen Mannes muß ein fester, strenger Wille sein, ein Wille, so unversöhnlich als der von einer sichern Hand abgeschossene Pfeil. Das ist es nicht, was mich einst in Erstaunen setzte. Und dann sind meine Erinnerungen zu verworren, um nicht einer älteren Zeit anzugehören, und Euer Herr, Frau Aloyse, ist wohl noch nicht fünfundzwanzig Jahre alt.«

»Er ist vierundzwanzig.«

»Also ist er im Jahr 1533 geboren; wißt Ihr an welchem Tage, Frau Aloyse?«

»Am 6. März.«

»Doch Ihr wißt nicht, ob am Morgen oder am Abend?«

»Verzeiht, ich war bei seiner Mutter, der ich bei ihren Geburtswehen beistand. Der gnädige Herr Gabriel ist auf den Schlag halb sieben Uhr Morgens geboren.«

Nostradamus schrieb sich das auf und sagte dann:

»Ich werde sehen, wie an diesem Tag und zu dieser Stunde der Stand des Himmels war. Doch wenn der Vicomte d’Ermès zwanzig Jahre älter wäre, so würde ich schwören, daß ich seine Hand schon in der meinigen gehalten. Uebrigens ist wenig daran gelegen! nicht der Zauberer wie mich das Volk zuweilen nennt, hat hier zu thun, sondern der Arzt, und ich wiederhole Euch, Frau Aloyse, der Arzt steht nun für den Kranken.«

»Verzeiht, Meister,« sprach Aloyse traurig, »Ihr habt gesagt, Ihr stündet für die Krankheit, doch Ihr stündet nicht für die Leidenschaft.«

»Die Leidenschaft!« murmelte Nostradamus lächelnd, »ei! mir däucht, der Umstand, daß die kleine Zofe täglich zweimal hier erscheint, beweist, daß sie keine verzweifelte ist.«

»Im Gegentheil, Meister, im Gegentheil,« rief Aloyse voll Schrecken.

»Geht doch, Dame Aloyse! reich, brav, jung und schön wie der Vicomte d’Ermès, wird man nicht lange von den Damen in einer Zeit, wie die unsrige ist, zurückgestoßen; man wird höchstens zuweilen vertagt.«

»Nehmt jedoch an, es sei dem nicht so, Meister. Nehmt an, wenn der gnädige Herr wieder zum Leben und zur Vernunft zurückkehrt, sei der erste, der einzige Gedanke, der diese wiedererweckte Vernunft berührt, der: »Die Frau welche ich liebe, ist unwiderruflich für mich verloren.« Was wird dann geschehen?«

»Oh! hoffen wir, daß Eure Voraussetzung nicht gegründet ist, Dame Aloyse, das wäre schrecklich. Dieser mächtige Schmerz in dem so schwachen Gehirn wäre gräßlich! So weit man einen Menschen nach den Zügen seines Gesichtes und dem Blicke seiner Augen beurtheilen kann, ist Euer Herr, Aloyse, kein oberflächlicher Mensch und hier wäre sein energischer, mächtiger Wille nur eine Gefahr mehr und es könnte an dem Unmöglichen gebrochen, das Leben mit ihm brechen.«

»Jesus! mein Kind würde sterben!« rief Aloyse.

»Es wäre wenigstens Gefahr vorhanden, daß wieder eine Hirnentzündung einträte,« sprach Nostradamus. »Doch es gibt immer Mittel, vor seinen Augen einen Schimmer der Hoffnung glänzen zu lassen. Er würde nach der entferntesten, nach der flüchtigsten Möglichkeit greifen und wäre gerettet.«

»Dann wird er gerettet,« sprach Aloyse mit düsterer Miene, »ich werde meineidig, doch er wird gerettet sein. Herr Nostradamus, ich danke Euch.«

Es verging eine Woche und Gabriel schien seinen Geist, wenn nicht zu finden, doch wenigstens zu suchen. Seine noch irren und ausdruckslosen Augen befragten die Gesichter und die Gegenstände; dann fing er an die Bewegungen zu unterstützen, die zu denen man ihm helfen wollte, sich allein aufzurichten, und den Trank zu nehmen, den ihm Nostradamus reichte.

Aloyse stand unermüdlich zu seinen Häupten und wartete.

Nach Verlauf einer weiteren Woche konnte Gabriel sprechen. Es war noch nicht völlig Licht in dem Chaos seines Verstandes; er sprach nur unzusammenhängende Worte ohne Folge, welche jedoch Bezug auf Thatsachen seines vergangenen Lebens hatten. Mehr noch, Aloyse zitterte, wenn der Arzt da war, er könnte eines von seinen Geheimnissen erraten.

Sie täuschte sich nicht gänzlich in ihren Befürchtungen, und eines Tags rief Gabriel in seinem fieberhaften Schlafe in Gegenwart von Nostradamus:

»Sie glauben, ich heiße Vicomte d’Ermès. Nein, nein, nehmt Euch in Acht! Ich bin der Graf von Montgommery.«

»Der Graf von Montgommery!« sprach Nostradamus von einer Erinnerung berührt.

»Stille!« sagte Aloyse, indem sie einen Finger an ihre Lippen legte.

Doch Nostradamus ging weg, ohne daß Gabriel ein Wort beigefügt hatte, und da am andern Tag und an den folgenden Tagen der Arzt nicht mehr von den dem Kranken entschlüpften Worten sprach, so befürchtete Aloyse, darauf zurückkehrend, seine Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was Gabriel zu verbergen ein Interesse haben konnte. Dieser Vorfall schien daher für Beide vergessen.

Bei Gabriel ging es immer besser; er erkannte Aloyse und Martin-Guerre; er verlangte nach dem, was er brauchte, er sprach mit einer traurigen Weichheit, welche glauben ließ, er habe seine Vernunft endlich wieder erlangt.

Eines Morgens, an dem Tag, wo er zum ersten Male aufstand, sprach er zu Aloyse:

»Amme, der Krieg?«

»Welcher Krieg?«

»Der Krieg gegen Spanien und England?«

»Oh! gnädiger Herr, man hört nur klägliche Erzählungen davon. Durch zwölftausend Mann Engländer verstärkt sind die Spanier, wie man sagt, in der Picardie eingefallen. Man schlägt sich auf der ganzen Grenze.«

»Desto besser,« versetzte Gabriel.

Aloyse schrieb diese Antwort einem Rest vom Delirium zu. Am andern Tag aber sprach Gabriel mit vollkommener Geistesgegenwart:

»Ich habe Dich gestern nicht gefragt, ob Herr von Guise aus Italien zurückgekommen ist?«

»Er ist unter Weges, gnädiger Herr,« antworte Aloyse erstaunt.

»Das ist gut. Welchen Tag des Monats haben wir heute?«

»Dienstag den vierten August, gnädiger Herr.«

»Am siebenten ist es also zwei Monate, daß ich mich auf mein Schmerzensbette niedergelegt habe.«

»Oh! wie erinnert sich der gnädige Herr dessen?« rief Aloyse zitternd.

»Ja, ich erinnere mich, Aloyse, ich erinnere mich; aber,« fügte er traurig bei, »wenn ich nichts vergessen habe, so scheint es mir dagegen, daß man mich vergessen hat; Niemand ist gekommen, um sich nach mir zu erkundigen, Aloyse?«

»Doch, gnädiger Herr,« erwiderte mit zitternder Stimme Aloyse, welche ängstlich auf dem Gesichte ihres jungen Gebieters die Wirkung ihrer Worte verfolgte, »eine Zofe Namens Jacinthe kam zweimal jeden Tag, um sich nach Eurem Befinden zu erkundigen. Aber seit vierzehn Tagen, seitdem sich eine merkliche Besserung erklärt hat, kommt sie nicht mehr.«

»Sie kommt nicht mehr! . . . und weißt Du warum, Amme?«

»Ja, gnädiger Herr. Ihre Gebieterin hat, wie mir Jacinthe das letzte Mal sagte, vom König die Erlaubniß erhalten, sich wenigstens bis zum Ende des Krieges in ein Kloster zurückzuziehen.«

»Wahrhaftig!« sagte Gabriel mit einem sanften, schwermüthigen Lächeln.

Und während eine Thräne, die erste, die er seit zwei Monaten vergoß, langsam über seine Wange floß, fügte er bei:

»Theure Diana!«

»Oh! gnädiger Herr,« rief Aloyse außer sich vor Freude, »Ihr habt diesen Namen ausgesprochen, ohne eine Erschütterung, ohne darüber ohnmächtig zu werden. Meister Nostradmus hat sich getäuscht. Der gnädige Herr ist gerettet, der gnädige Herr wird leben, und ich brauche meinen Schwur nicht zu brechen.«

Man sieht, daß die arme Amme vor Freude verrückt war, aber Gabriel verstand zum Glück nur ihre letzten Worte. Mit einem bittern Lächeln erwiderte er:

»Ja, ich bin gerettet, und dennoch, meine gute Aloyse, werde ich nicht leben.«

»Wie so, gnädiger Herr?« fragte Aloyse, an allen Gliedern zitternd.

»Der Körper hat muthig Widerstand geleistet,« antwortete Gabriel, »doch die Seele, Aloyse, glaubst Du, die Seele sei nicht tödtlich verletzt? Es ist wahr, ich werde mich von dieser langen Krankheit erholen, und ich lasse mich heilen, wie Du siehst. Doch zum Glück schlägt man sich auf der Grenze, ich bin Kapitän der Garden, und mein Platz ist da, wo man sich schlägt. Sobald ich zu Pferde steigen kann gehe ich dahin, wo mein Platz ist . . . Und in der ersten Schlacht, die ich mitmache, Aloyse, werde ich es so einrichten, daß ich nicht mehr zurückzukommen brauche.«

»Heilige Jungfrau! Ihr werdet Euch tödten lassen! Und warum dies, gnädiger Herr, warum dies?«

»Warum? weil Frau von Poitiers geschwiegen hat, Aloyse, weil Diana vielleicht meine Schwester ist, und weil ich Diana liebe; weil der König vielleicht meinen Vater hat ermorden lassen, und weil ich den König nicht ohne eine Gewißheit bestrafen kann. Da ich nun weder meinen Vater rächen, noch meine Schwester heirathen kann, so weiß ich nicht, was ich auf der Welt zu thun hätte. Deshalb will ich sie verlassen.«

»Nein, Ihr werdet sie nicht verlassen,« sprach Aloyse mit dumpfem Tone und düsterer Miene. »Ihr werdet sie nicht verlassen, gerade weil Ihr viel zu thun habt, weil Euch ein schreckliches Geschäft obliegt, dafür stehe ich Euch. Doch hiervon werde ich mit Euch erst an dem Tag sprechen, wo Ihr völlig wiederhergestellt seid, und wo mir Meister Nostradamus die Versicherung gibt, daß Ihr mich hören könnt, und daß Ihr Kraft dazu habt.«

Dieser Tag kam am Dienstag der darauf folgenden Woche. Gabriel ging seit drei Tagen aus, um sein Feldgeräth in Ordnung bringen zu lassen und Vorbereitungen zu seiner Abreise zu treffen, und Nostradamus hatte gesagt, er würde noch einmal am Tage seinen Wiedergenesenden besuchen, doch dies wäre das letzte Mal.

In einem Augenblick, wo Aloyse sich mit Gabriel allein fand, sprach sie:

»Habt Ihr über den äußersten Entschluß, den Ihr gefaßt, nachgedacht, und beharrt Ihr bei diesem Entschluß?«

»Ich beharre dabei.«

»Ihr wollt Euch also tödten?«

»Ich will mich tödten lassen.«

»Weil Ihr kein Mittel mehr habt, um zu erfahren, ob Frau von Castro Eure Schwester ist oder nicht ist, sterbt Ihr?«

»Aus diesem Grunde.«

»Was sagte ich Euch, um Euch auf die Spur dieses furchtbaren Geheimnisses zubringen? Erinnert Ihr Euch?«

»Gewiß! Gott in der andern Welt und zwei Personen in dieser wären allein in dieses Geheimniß eingeweiht gewesen. Die zwei menschlichen Geschöpfe wären Diana von Poitiers und der Graf von Montgommery mein Vater. Ich habe Frau von Valentinois gebeten, beschworen, bedroht, doch ich bin unsicherer und trostloser als je von ihr weggegangen.«

»Aber Ihr fügtet bei, gnädiger Herr: müßtet Ihr in das Grab Eures Vaters hinabsteigen, um ihm das Geheimniß zu entreißen, Ihr würdet hinabsteigen, ohne zu erbleichen.«

»Oh! ich weiß nicht einmal, wo dieses Grab ist.«

»Ich auch nicht, doch man sucht es, gnädiger Herr.«

»Und wenn ich es auch gefunden hättet« rief Gabriel, »würde Gott für mich ein Wunder thun? Die Todten sprechen nicht, Aloyse.«

»Die Todten, nein; die Lebenden, ja.«

»Großer Gott! was willst Du damit sagen?« rief Gabriel erbleichend.

»Daß Ihr nicht, wie Ihr in Eurem Delirium wiederholtet, der Graf von Montgommery sondern nur der Vicomte von Montgommery seid, weil Euer Vater, der Graf von Montgommery noch leben muß.«

»Himmel und Erde! Du weißt, daß er, daß mein Vater noch lebt?«

»Ich weiß es nicht, gnädiger Herr, doch ich vermuthe und hoffe es, denn es war eine starke, muthige Natur, wie die Eurige, die sich mächtig gegen das Leiden und das Unglück anstemmte. Wenn er noch lebt, wird er nicht, wie Frau Diana, den Aufschluß über das Geheimniß verweigern, von dem Euer Glück abhängt!«

»Doch wo ihn finden? von wem ihn verlangen? Aloyse, im Namen des Himmels, sprich!«

»Das ist eine schreckliche Geschichte, gnädiger Herr, und ich hatte, auf den Befehl Eures Vaters, meinem Mann geschworen, sie Euch nie zu enthüllen; denn sobald Ihr sie wißt, werdet Ihr Euch in furchtbare Gefahren stürzen, gnädiger Herr, Ihr werdet Feinden, welche hundertmal stärker sind, als Ihr, den Krieg erklären. Doch die verzweifeltste Gefahr ist immer noch besser, als ein gewisser Tod. Ihr waret entschlossen zu sterben, und ich weiß, daß Ihr in Eurem Entschluß nicht gewankt hättet. Ich will Euch lieber den Wechselfällen des verwegenen Kampfes preisgeben, den Euer Vater für Euch fürchtete. Euer Tod ist so minder sicher und wird immerhin etwas verzögert werden. Ich will Euch also Alles sagen, gnädiger Herr, und Gott wird mir vielleicht meinen Eidbruch vergeben.«

»Ja, gewiß, meine gute Aloyse . . . Mein Vater! mein Vater lebt! . . . sprich geschwinde!«

Doch in diesem Augenblick klopfte Jemand bescheiden an die Thüre und Nostradamus erschien.

»Ah, ah! Herr d’Ermès,« sagte er zu Gabriel, »Wie munter und belebt finde ich Euch! Das gefällt mir, Ihr waret nicht so vor einem Monat. Mir scheint, Ihr seid nun völlig bereit, zu Feld zu ziehen!«

»Wirklich zu Feld zu ziehen!« sprach Gabriel, indem er mit funkelndem Auge Aloyse anschaute.

»Ich sehe also, daß der Arzt nichts mehr hier zu thun hat,« versetzte Nostradamus.

»Nichts mehr, als meinen Dank, Meister, und den Preis für Eure Dienste, wenn ich dies sagen darf, zu empfangen, denn in gewissen Fällen bezahlt man das Leben nicht.«

Und er drückte dem Doctor die Hand und legte in diese Hand eine Rolle Gold.

»Ich danke, Herr Vicomte d’Ermès,« sprach Nostradamus. »Doch erlaubt mir, Euch ebenfalls ein Geschenk zu machen, von dem ich glaube, daß es für Euch von Werth ist.«

»Was ist das, Meister?«

»Ihr wißt, gnädiger Herr, daß ich mich nicht allein damit beschäftigt habe, die Krankheiten der Menschen kennen zu lernen. Ich wollte weiter und höher sehen, ich wollte ihre Geschicke ergründen, eine Aufgabe voll von Zweifeln und Schatten; doch in Ermangelung von Licht habe ich, wie mir scheint, zuweilen den Schimmer gesehen. Gott hat, davon bin ich fest überzeugt, zweimal den breiten, mächtigen Plan des Schicksals von jedem Menschen geschrieben: einmal in die Gestirne des Himmels, in sein Vaterland, zu dem er so oft die Augen erhebt, und dann in die Linien seiner Hand, ein verworrenes Zauberbuch, das er beständig bei sich trägt, welches er jedoch ohne zahllose Studien nicht einmal zu buchstabieren vermag. Viele Tage und viele Nächte; hindurch habe ich in diese zwei Wissenschaften, welche bodenlos sind, wie das Faß der Daumen, in die Chiromantie und die Astrologie einzudringen gesucht. Ich habe alle Jahre der Zukunft vor mich heraufbeschworen, und in tausend Jahren werden die Menschen, die dann leben, vielleicht manchmal über meine Prophezeiungen staunen. Aber ich weiß nichtsdestoweniger, daß die Wahrheit nur durch Blitze leuchtet; denn wenn ich zuweilen sehe, so zweifle ich leider viel öfter. Dessen ungeachtet weiß ich, daß ich in Zwischenräumen Stunden der Hellsichtigkeit habe, die mich sogar erschrecken, gnädiger Herr. In einer von diesen Stunden sah ich vor fünfundzwanzig Jahren das Geschick eines Edelmannes am Hofe von König Franz klar in den Gestirnen, welche bei seiner Geburt herrschten, und in den verwickelten Linien seiner Hand geschrieben. Dieses seltsame gefahrvolle Geschick fiel mir ungemein auf. Beurtheilt mein Erstaunen, als ich in Eurer Hand und in den Gestirnen Eurer Geburt ein Horoskop dem ähnlich, welches mich einst so sehr in Erstaunen gesetzt hatte, herauszufinden glaubte. Doch ich konnte es nicht so klar unterscheiden wie einst, und ein Zwischenraum von fünfundzwanzig Jahren verwirrte meine Erinnerungen. Im vorigen Monat, gnädiger Herr, sprachet Ihr endlich in Eurem Fieber einen Namen aus; ich hörte nur diesen Namen, doch er ergriff mich. Es war der Name des Grafen von Montgommery!«

»Des Grafen von Montgommery?« rief Gabriel erschrocken.

»Ich wiederhole Euch, gnädiger Herr, daß ich nur diesen Namen gehört habe; am Uebrigen war mir wenig gelegen. Denn dieser Name war der des Mannes, dessen Schicksal mir leuchtend wie der helle Mittag erschienen war. Ich lief nach Hause, durchwühlte meine alten Papiere und fand das Horoskop des Grafen von Montgommery wieder. Doch es ist seltsam und mir in den dreißig Jahren, seitdem ich studiere, noch nicht vorgekommen. Ihr müßt mit dem Grafen von Montgommery in geheimnißvollen Beziehungen, in seltsamer Verwandtschaft stehen, und Gott, der nie zwei Menschen zwei gleiche Geschicke gegeben hat, hatte Euch Beide ohne Zweifel zu denselben Ereignissen vorbehalten. Denn ich hatte mich nicht getäuscht: die Linien der Hand und die Gestirne des Himmels waren für Euch Beide dieselben. Ich will übrigens nicht sagen, es finde keine Verschiedenheit in den einzelnen Umständen von Eurer Beider Leben statt, die vorherrschende Thatsache aber, welche es charakterisiert, ist dieselbe. Ich habe den Grafen von Montgommery einst aus dem Auge verloren, dennoch aber weiß ich, daß eine von meinen Weissagungen sich für ihn verwirklicht hat. Er hat den König mit einem Feuerbrand an der Stirne verwundet. Ob sein übriges Geschick in Erfüllung gegangen ist, weiß ich nicht. Ich kann nur behaupten, daß das Unglück und der Tod, wodurch er bedroht war, auch Euch bedrohen!«

»Ist es möglich?« sagte Gabriel.

»Hier, gnädiger Herr,« sprach Nostradamus, indem er dem Vicomte d’Ermès ein zusammengerolltes Papier überreichte, »hier ist das Horoskop, das ich zur Zeit für den Grafen von Montgommery geschrieben hatte. Ich würde es heute nicht anders für Euch schreiben.«

»Gebt, Meister, gebt, dieses Geschenk ist in der That unschätzbar, und Ihr könnt nicht glauben, in welchem Maße es für mich kostbar wird.«

»Ein letztes Wort, damit Ihr auf Eurer Hut seid, obgleich Gott der Gebieter ist und man nicht wohl seinen Rathschlüssen entgehen kann. Die Nativität von Heinrich II. weissagt, er werde in einem Duell oder in einem Einzelkampfe seinen Tod finden.«

»Ja welchem Zusammenhang? . . .«

»Wenn Ihr dieses Pergament gelesen habt, werdet Ihr mich verstehen, gnädiger Herr. Nun habe ich nur noch von Euch Abschied zu nehmen und Euch zu wünschen, daß die Katastrophe, welche Gott in Euer Leben gelegt hat, wenigstens unwillkührlich sein möge.«

Hiernach verbeugte sich Nostradamus vor Gabriel, der ihm die Hand drückte und ihn bis zur Thüre geleitete, und ging hinaus.

Sobald er zu Aloyse zurückkam, entfaltete Gabriel das Pergament, und nachdem er sich versichert hatte, daß ihn Niemand stören oder belauern konnte, las er mit lauter Stimme; wie folgt:

»Bei Spiel, bei Liebe wird er berühren

Des Königs Stirne

Mit Wunden schlagen oder Hörner setzen

Des Königs Stirne;

Er wolle oder nicht, er wird verletzen

Des Königs Stirne;

Ihn wird lieben, dann – o weh! – tödten

Des Königs Dame.«


»Es ist gut!« rief Gabriel, die Stirne strahlend und den Blick triumphierend. »Nun kannst Du mir erzählen, liebe Aloyse, wie Heinrich II. den Grafen von Montgommery meinen Vater, lebendig begraben hat.«

»Der König Heinrich II.!« rief Aloyse, »woher wißt Ihr, gnädiger Herr.«

»Ich errate es! Doch Du kannst mir das Verbrechen enthüllen, da Gott mir schon die Rache hat verkündigen lassen.«

Die beiden Dianen

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