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Erster Theil
III.
Der Leser macht weitere Bekanntschaft mit den Helden, die wir ihm vorgestellt haben

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Am Morgen desselben Tages, 5. Mai 1555, hatte eine Gesellschaft von vier Männern – welche zu der Besatzung von Doulens zu gehören schienen – die Stadt verlassen, indem sie sich durch das Thor schlichen, sobald dasselbe nur halb aufgemacht war.

Diese vier Männer, welche in große Mäntel gehüllt waren, die eben so wohl dazu dienen konnten ihre Waffen zu verbergen, als sie gegen die Morgenkühle zu schützen, waren unter jeder möglichen Vorsicht am Ufer des kleinen Flusses hin nach der Quelle desselben hingegangen. Von da hatten sie die Hügelkette erreicht, von der wir bereits mehrmals gesprochen haben, und waren, immer gleich vorsichtig, an dem westlichen Abhange hingegangen. Nach zweistündigem Marsche betten sie endlich den Saum des Waldes von Saint-Pol-sur-Ternoise erreicht. Hier hatte der Eine, welcher in der Gegend am bekanntesten zu seyn schien, die Leitung der kleinen Schaar übernommen und war ohne langes Zögern an den Eingang der Höhle gelangt, in die wir selbst unsere Leser im Anfange des vorigen Kapitels geführt haben.

Hier hatte er den Andern gewinkt, einen Augenblick zu warten, mit einiger Besorgniß auf das Gras gesehen, das erst kürzlich niedergetreten zu seyn schien, sich platt auf den Bauch gelegt und war wie eine Schlange in, die Höhle hineingekrochen. Bald hatten seine außen zurückgebliebenen Cameraden seine Stimme gehört, aber diese Stimme klang nicht beunruhigend. Er hatte die Höhle durchsucht und darin gerufen und da er nichts Verdächtiges darin vernommen, so erschien er bald wieder am Eingange, um den Cameraden zu sagen, daß sie ihm folgen könnten.

Sie folgten ihm und befanden sich nach Ueberwindung einiger unbedeutender Schwierigkeiten mitten darin.

»Ah,« sagte der, welcher sie so gut geführt hatte, freudig aufathmend, »tandem ad terminum eamus.«

»Was heißt das?« fragte Einer der drei Andern.

»Das heißt, lieber Maldent, daß mir dem Ziele unserer Wanderung nahe oder vielmehr eben bei ihm sind.«

»Wie war das?« fragte ein Anderer. »Hast Du’s verstanden, Heinrich?«

»Ich habe gar nichts verstanden.«

»Warum wollet Ihr deutlicher es verstehen,« – die beiden Scharfenstein hatten zuletzt gesprochen – »wenn Maldent und ich uns nur verstehen, ist das nicht genug?«

»Unsertwegen!« antworteten die beiden Scharfenstein. »Es mag gehen wie’s will, wenn’s nur gut geht.«

»Also,« sagte Procop, »setzen wir uns, essen wir einen Bissen und trinken wir einen Schluck um die Zeit zu vertreiben; beim Essen und Trinken will ich Euch meinen Plan erklären.

»Ja, ein paar Bissen wollen wir essen und ein paar tüchtige Schluck wollen wir nehmen,« meinte Franz Scharfenstein.

Die Abenteurer sahen sich um und da ihre Augen allmälig sich an das Dunkel gewöhnten, das übrigens in der Nähe des Eingangs der Höhle nicht so bedeutend war als in der Tiefe, so erblickten sie drei Steine, die sie aneinander rückten, um traulicher plaudern zu können.

Da ein vierter fehlte, so bot Scharfenstein den seinigen höflich Procop an, der keinen hatte, Procop dankte aber ebenso höflich, legte seinen Mantel an den Boden und streckte sich darauf aus.

Dann nahm man aus den Säcken, welche die beiden Riesen getragen hatten, Brot, kaltes Fleisch und Wein und legte alles in die Mitte des Halbkreises, dessen Bogen die da sitzenden Abenteurer bildeten, Procop aber die Sehne, und dann machte sich ein Jeder mit einem Eifer an das Frühstück, welcher bewies, daß der Morgenspazirgang trefflich auf den Appetit gewirkt hatte.

Etwa zehn Minuten lang hätte man nichts als das Knirschen der Kinnladen, die mit Maschinenregelmäßigkeit das Brot, das Fleisch und selbst die Knochen der Hühner zermalmten, welche man von den benachbarten Landgütern »mitgenommen« hatte.

Maldent fand zuerst das Wort wieder.

»Du sagtest also, mein lieber Procop, daß Du beim Essen uns deinen Plan mittheilen wolltest. Der erste Appetit könnte nun wohl gestillt seyn, fange also mit deiner Mittheilung an.

»Wir essen,« sagte Franz Scharfenstein; »aber hören können wir doch dabei.«

»Die Sache ist die… ecce res judicanda, wie man vor Gericht sagt.«

»Die Scharfensteins sollen still seyn, man hört kein Wort!« sagte Maldent.

»Ich habe ja kein Sterbenswörtchen gesagt,« entgegnete Franz verlegen.

»Ich, mein Seel, auch nicht,« betheuerte Heinrich.

»Mir war’s, als räsonnirtet Ihr inwendig…« sagte Maldent.

»Das bin ich, mein Seel’, nicht gewesen. Vielleicht raschelt was.«

»Die Sache ist also die,« wiederholte Procop. »Eine Viertelstunde von hier liegt ein hübsches Gütchen.«

»Ein Schloß hattest Du uns versprochen,« fiel Maldent ein.

»Mein Gott, Maldent, wenn Du nur das Sylbenstechen lassen wolltest!« entgegnete Procop. »Meinetwegen als ein hübsches Schlößchen…«

»Mein Seel’,« fiel Heinrich Scharfenstein ein, »mir ist’s einerlei, ob Gütchen oder Schlößchen, wenn nur brav daraus zu holen ist!«

»Das ist einmal vernünftig gesprochen, so gefällst Du mir, Scharfenstein; der Maldent hat immer Einwendungen,« sagte Procop.

»Nur weiter!«

»Also ein Viertelstündchen von hier liegt ein hübsches Landhäuschen, das nur von dem Besitzer, einem Diener und einer Magd bewohnt wird. Im Dorfe freilich wohnt der Pächter mit seinen Leuten.«

»Wie viel sind’s zusammengerechnet?« fragte Heinrich Scharfenstein.

»Etwa Zehn,« antwortete Procop.

»Zehn nur? Ein Dutzend übernehmen wir, Franz und ich, nicht wahr?«

»Ein Dutzend,« bestätigte Franz lakonisch.

»Die Sache ist also – so,« fuhr Procop fort. »Wir essen hier, trinken, erzählen Geschichten und warten so die Nacht ab.«

»Wenn wir essen und trinken, vergeht schon die Zeit,« sagte Heinrich Scharfenstein.

»Ist’s Nacht,« sprach Procop weiter, »so schleichen wir still fort von hier, wie wir hergekommen sind, bis an den Waldsaum, von da in einem Hohlwege, den ich kenne, bis an die Mauer. An der Mauer steigt Franz auf die Achsel seines Onkels oder der Onkel auf die Achseln des Neffen, das bleibt sich gleich, der Scharfenstein aber, der auf den Achseln des Andern steht, klettert über die, Mauer und macht uns die Thür auf. Ist die Thür auf – verstehst Du, Maldent? – ist die Thür auf – Ihr begreift mich doch alle? – ist also die Thür auf, so – gehen wir hinein.«

»Hoffentlich nicht ohne uns,« sagte etwa zwei Schritte hinter den Abenteurern eine Stimme in so entschiedenem Tone, daß nicht blos Procop, nicht blos Maldent erschrak, sondern selbst die beiden deutschen Riesen.

»Verrath!« rief Procop, indem er aufsprang und einen Schritt zurücktrat.

»Verrath!« rief Maldent, indem er durch das Dunkel zu blicken suchte, aber auf seinem Platze blieb.

»Verflucht!« riefen die beiden Scharfenstein, indem sie die Degen zogen und einen Schritt vortraten.

»Kampf wollt Ihr?« sprach die Stimme wieder. »Ihr sollt ihn haben! Drauf, Lactantius! Drauf, Fracasso! Drauf, Malemort!«

Die drei Aufgerufenen antworteten in der Tiefe der Höhle kampfbereit.

»Einen Augenblick, Pille-Trousse!« sagte Procop, der nun die Stimme erkannte. »Wir sind ja keine Türken und Heiden, daß wir einander im Finstern die Hälse brechen sollten, ehe wir versuchten uns unter einander zu verständigen.«

»Erst Licht auf beiden Seiten und sehen wir einander ins Auge, damit wir wissen, wen wir vor uns haben.« Können wir uns vergleichen, gut; können wir’s nicht, dann drauf!«

»Erst drauf!« rief eine schauerliche Stimme aus dem Dunkel hervor wie aus der Hölle herauf.

»Ruhig, Malemort!« sagte Pille-Trousse; »Procop scheint mir einen ganz annehmlichen Vorschlag gemacht zu haben. Was meinst Du, Lactantius und Du, Fracasso?«

»Wenn der Vorschlag einem unserer Brüder das Leben retten kann, so nehme ich ihn an,« antwortete Lactantius.

»Es wäre aber doch poetisch gewesen, in einer Höhle zu kämpfen, die dann gleich das Grab der Erschlagenen geblieben, da man aber die materiellen Interessen der Poesie nicht aufopfern soll,« fuhr Fracasso schwermüthig fort, »so trete ich der Meinung Pille-Trousse’s und Lactantius bei.«

»Und ich will mich schlagen!« schrie Malemort.

»Verbinde dann deinen Arm, und laß uns in Ruhe,« sagte Pille-Trousse.

»Wir sind Drei gegen Dich, und Procop, der’s versteht, wird Dir sagen, daß Drei gegen Einen immer Recht haben.«

Malemort seufzte laut bedauernd, daß ihm eine so schöne Gelegenheit entging eine neue Wunde zu erhalten, aber er gab nach.

Unterdeß hatten Lactantius auf der einen und Maldent auf der andern Seite Feuer angeschlagen und da beide sich Parteien sich für den Fall, daß sie Licht brauchen würden, in Voraus mit Kienfackeln versehen hatten, so leuchteten bald zwei derselben und ließen ihr grelles Licht auf die Personen in der Höhle fallen.

Wir kennen bereits die Höhle und die Personen, die darin waren; nur die gegenseitige Stellung der Letzteren haben wir zu beschreiben.

Am Ende der Höhle befanden sich Pille-Trousse, Malemort, Lactantius und Fracasso, mehr nach dem Eingange zu die beiden Scharfenstein, Maldent und Procop.

Pille-Trousse stand von der hintern Gruppe am weitesten vor; hinter ihm kaute Malemort vor Wuth an den Nägeln, neben ihm stand Lactantius mit der Fackel und suchte seine kampflustigen Cameraden zu beruhigen; Fracasso kniete und befestigte etwas an seiner Fußbekleidung.

Auf der entgegengesetzten Seite bildeten, wie erwähnt, die beiden Scharfenstein die Avantgarde, einen Schritt hinter ihnen stand Maldent und hinter diesem Procop.

Die beiden Fackeln beleuchteten die ganze runde Höhle, nur eine Vertiefung in der Nähe des Einganges, in welchem ein Haufen dürren Farnkrautes lag, blieb im Halbschatten.

Das Ganze sah wild und schauerlich genug aus.

Die Abenteurer kannten einander bereits meist und hatten sich gegenseitig auf dem Schlachtfelde thätig gegen den gemeinschaftlichen Feind gesehen.

Procop trat setzt einen Schritt vor, aber nicht über die beiden Scharfenstein hinaus.

»Meine Herren,« sagte er, »wir hatten gegenseitig den Wunsch einander zu sehen und nun sehen wir einander, das ist schon etwas. Wir sind Vier gegen Vier, wir auf unserer Seite haben aber die Beiden da (und er zeigte auf die Scharfenstein), was mich fast berechtiget zu sagen, wir sind Acht gegen Vier.

Auf diese unkluge Prahlerei flogen nicht blos trotzige Worte über die Lippen Pille-Trousse’s, Malemort’s, Lactantius und Fracasso’s, sondern auch deren Schwerter aus den Scheiden.

Procop bemerkte, daß er gegen seine gewöhnliche Klugheit gesündigt hatte und sich auf falschem Wege befinde. Er versuchte also umzukehren.

»Meine Herren,« sagte er, »ich behaupte damit nicht, daß uns der Sieg nun auch gewiß wäre, da die vier Gegner Pille-Trousse, Malemort, Lactantius und Fracasso heißen.«

Dieser Nachsatz schien die Gemüther wieder etwas zu beruhigen, nur Malemort brummte noch.

»Zur Sache!« rief Pille-Trousse.

»Ja,« antwortete Procop, »ad eventum festina. Ich sagte also, daß wir den innern zufälligen und ungewissen Eingang eines Kampfes bei Seite lassen und uns zu verständigen suchen müßten. Es schwebt gewissermaßen ein Prozeß zwischen uns, jacens sub judice lis est; wie werden wir den Prozeß beendigen? Zuerst durch eine klare und einfache Auseinandersetzung der Lage, aus welcher unser Recht hervorgehen wird. Wer hat gestern den Gedanken gehabt, in nächster Nacht das Gütchen oder Schlößchen Parcq zu überfallen? Ich und die Herren da. Wer ist heute Früh von Doulens fortgegangen, um den Plan auszuführen? Ich und die Herren da. Wer hat sich in diese Höhle begeben, um da Position für die Nacht zu nehmen? Wiederum ich und die Herren da. Wer hat endlich den Plan zur Reife gebracht, vor Euch entwickelt und so den Wunsch in Euch erregt, Euch an der Sache zu betheiligen? Immer ich und die Herren da. Antworte darauf, Pille-Trousse, und sage selbst, ob nicht die Leitung eines Unternehmens ungehindert denen gehört, welche zuerst den Gedanken dazu gehabt und den Plan entworfen haben. Dixi

Pille-Trousse lachte; Fracasso zuckte die Achseln; Lactantius schüttelte die Fackel und Malemort brummte von »Dreinschlagen!«

»Worüber lachst Du, Pille-Trousse?« fragte Procop ernsthaft und würdevoll.

»Ich lache, lieber Procop,« antwortete der Abenteurer, an den die Frage gerichtet worden war, »über das gewaltige Vertrauen, mit dem Du dein Recht und deine Ansprüche auseinandergesetzt hast und darüber, daß Du gleich geschlagen bist, wenn wir gelten lassen, was Du sagst. Ja, die Leitung eines Unternehmens gehört denen, welche zuerst den Gedanken daran gehabt und den Plan entworfen haben.«

»Also!« fiel Procop triumphirend ein.

»Ja, aber ich fahre nun fort,« sagte Pille-Trousse; »gestern seyd Ihr aus den Gedanken gekommen, das Gütchen oder Schlößchen Parcq zu überfallen? Wir haben den Gedanken schon vorgestern gehabt. Ihr seyd heute Früh von Doulens aufgebrochen, um den Plan auszuführen? Wir sind in derselben Absicht schon gestern Abend von Montreuil hergekommen. Ihr seyd seit einer Stunde in der Höhle? Wir waren schon da, als Ihr kamt. Ihr habt den Plan vor uns entwickelt? Wir hatten ihn schon vorher zur Reife gebracht und entwickelt. Ihr gedachtet das Schlößchen in der Nacht anzugreifen? Wir wollten es gegen Abend thun. Wir haben also den Gedanken und den Plan vor Euch gehabt und so kommt uns die Leitung des Unternehmens zu. Dixi!« setzte er in der Art Procops hinzu.

»Aber,« fragte Procop, den diese Beweisführung einigermaßen in Verlegenheit brachte, »wer bürgt mir dafür, daß Du die Wahrheit sagst?«

»Mein Wort, mein Ehrenwort!« sagte Pille-Trousse.

»Eine andere Bürgschaft wäre mir lieber.«

»Hm!« machte Procop unvorsichtig.

Die Gemüther waren gereizt, der Zweifel an Pille-Trousse’s Wort erbitterte, und Fracasso und Lactantius riefen gleichzeitig :

»Kampf!«

»Ja dreinschlagen, dreinschlagen!«

»Kampf denn, wenn Ihr nicht anders wollt,« sagte Procop.

»Kampf, da es kein anderes Mittel zur Verständigung gibt.«

»Kommt nur heran!« riefen die Scharfenstein, die schon hauen wollten.

Jeder zog Schwert oder Dolch, suchte sich einen Gegner und schickte sich an auf denselben sich zu stürzen.

Mit einem Male bewegte es sich aus dem Farnkrauthaufen in der Vertiefung der Höhle; ein zierlich gekleideter junger Mann erhob sich, trat aus dem Dunkel heraus und in das Licht, breitete die Arme aus und rief :

»Die Waffen nieder, Cameraden! Ich übernehme es, die Sache auszugleichen.«

Aller Augen wendeten sich aus den, welcher so unerwartet erschien und Alle riefen:

»Yvonnet!«

»Wo, zum Teufel! kommst Du her?« fragte Pille-Trousse und Procop.

»Das sollt Ihr hören,« antwortete Yvonnet, »zuerst die Degen und Dolche eingesteckt! Der Anblick solcher bloßer Dinger greift meine Nerven an.«

Alle gehorchten bis aus Malemort.

»Nun, Camerad,« sagte Yvonnet zu ihm, »was soll’s?«

»Ach!« jammerte Malemort mit tiefem Seufzer, »soll man denn niemals in Ruhe einen Stich geben oder nehmen können?«

Er stieß mit höchst ärgerlicher und verdrießlicher Geberde den Degen in die Scheide.

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