Читать книгу Der Page des Herzogs von Savoyen - Александр Дюма - Страница 8

Erster Theil
VIII.
Der Knappe und der Page

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Unsere Absicht ist es gar nicht – denn Andere haben es viel besser gethan, als wir es thun könnten – die Geschichte der großen Rivalität zu erzählen, welche im Anfang des sechzehnten Jahrhunderts so viel Unglück und Elend erzeugte. Gott hat uns eine bescheidene, aber zugleich doch auch angenehmere und für unsere Leser unterhaltendere Aufgabe gestellt. Wir werden also in der nachfolgenden Erzählung nur, die Gipfel der großen Ereignisse sehen, die gleich den hohen Gipfeln der Alpen sich über die Wolken in schneebedeckten Zacken erheben.

Franz I. zog durch Savoyen, durch Piemont und verbreitete sich über Italien.

Drei Jahre lang donnerten die Kanonen des Reiches und Frankreichs bald in der Provence, bald im Mailändischen.

Nur der Engel des Todes weiß, wie viele Leichen dazu gehörten, um euch, ihr schönen Ebenen der Lombardei und Piemonts, die unerschöpfliche Fruchtbarkeit zu geben!

Unterdeß wuchsen die Kinder unter dem Auge der Herzogin Beatrice und unter dem Auge Gottes unter dem schönen Himmel Nizzas auf, der am Tage reines Blau und in der Nacht voll Flammen ist und unter dem selbst die Insecten fliegende Funken sind.

Leone war ein unentbehrliches Mitglied des lustigen Kleeblattes geworden; er theilte alle Spiele, aber nicht alle Leibesübungen; die zu gewaltsamen Studien der Kriegskunst paßten nicht für seine kleinen Hände, und seine Arme schienen den Meistern jener Kunst zu schwach zu seyn, als daß sie jemals Schild und Lanze in kriegerischer Weise würden führen können. Allerdings war Leone drei Jahre jünger als seine Gefährten, aber es schien ein Unterschied von zehn Jahren zwischen ihnen zu seyn, besonders seit Emanuel, ohne Zweifel durch die Gnade Gottes, der ihn zu großen Dingen ausersehen hatte, an Kraft und Gesundheit rüstig zunahm, als wolle er nachholen, was sein Milchbruder Scianca-Ferro ihm voraus war.

So theilten sich denn auch die Rollen ganz naturgemäß den beiden Gefährten des jungen Herzogs zu: Scianca-Ferro wurde der Knappe, der minder ehrgeizige Leon begnügte sich der Page zu seyn.

Unterdeß erfuhr man, daß der älteste Sohn des Herzogs der Prinz Ludwig, in Madrid gestorben sey.

Es war ein großer Schmerz für den Herzog Carl und die Herzogin Beatrice; indeß gab ihnen Gott nach dem Schmerze einen Trost, wenn es für einen Vater, besonders aber für eine Mutter, einen Trost über den Tod ihres Kindes gibt.

Der Prinz Ludwig war seit langer Zeit von seinen Eltern entfernt, während Emanuel Philibert, der jeden Tag die Prophezeiung des Astrologen glaubhafter machen zu wollen schien, wie eine Lilie blühte und wie eine Eiche wuchs unter den Augen des Vaters und der Mutter.

Gott, der die Vertriebenen wohl nur hatte prüfen wollen, suchte sie alle darauf mit weit schmerzlicherem Schlage heim. Die Herzogin Beatrice erkrankte und trotz der Kunst der Aerzte, der Pflege des Gemahls, des Sohnes und ihrer Damen und Dienerinen starb sie am 8. Jänner 1538.

Der Schmerz des Herzogs war tief, aber voll Ergebung; die Trauer Emanuels grenzte an Verzweiflung. Zum Glück hatte der junge Prinz auch eine Waise bei sich, welche die Thränen schon kannte. Was wäre aus ihm geworden ohne den sanften Gefährten, der nicht zu trösten versuchte, sondern mit ihm weinte?

Scianca-Ferro fühlte bei diesem Verluste gewiß auch Schmerz; hätte er der Herzogin das Leben wieder geben können, wenn er irgend einen schrecklichen Riesen in dessen Thurme herausgefordert oder einen Drachen in der Höhle ausgesucht, der Ritter von elf Jahren würde augenblicklich und ohne, Zögern aufgebrochen seyn, um die That zu verrichten, welche, wenn auch, mit Verlust seines eigenen Lebens, seinen Freunden Glück und Freude wieder geben sollte; darauf aber beschränkte sich der Trost, den er bieten konnte; seine mächtige Natur eignete sich nicht für erweichende Thränen; eine Wunde konnte Blut aus seinen Adern ziehen, kein Schmerz vermochte Thränen in seine Augen zu locken.

Was that er also, während Emanuel Philibert mit und bei Leone weinte? Er sattelte sein Pferd, schnallte sein Schwert um, hing die Streitaxt an den Sattelbogen und ritt an den Hügeln hin, welche am Mittelmeere stehen, stellte sich vor, er habe mit den Ketzern Deutschlands oder den Saracenen in Afrika zu kämpfen, sah in leblosen Gegenständen Feinde aller Art, hieb mit der Streitaxt auf Steine statt auf Eisenhelme und mit dem Degen nach Fichtenzweigen und suchte seinen Schmerz durch körperliche Anstrengung zu überwinden.

Die Stunden, die Tage, die Monate vergingen, die Thränen versiegten, der Schmerz, der noch als Sehnen und Erinnerungen in dem Herzen lag, verschwand allmälig von den Gesichtern und die Augen, die vergebens nach der Gemahlin, der Mutter und Freundin blickten, richteten sich empor, um den Engel zu suchen.

Das Herz, das sich Gott zuwendet, findet bald Trost.

Die Ereignisse gingen übrigens ihren Gang und setzten dem Schmerze ihre Zerstreuungskraft entgegen.

Ein Congreß war zwischen dem Papste Paul III. (Alexander Farnese), Franz I. und Carl  V. beschlossen worden. Es handelte sich darum, die Türken aus Europa zu vertreiben, dem Ludwig Farnese ein Herzogthum zu schaffen und dem Herzoge von Savoyen seine Staaten zurückzugeben.

Der Congreß sollte in Nizza gehalten werden.

Nizza war durch den Papst und Carl  V. gewählt worden, weil sie hofften, der König Franz I. werde aus Dankbarkeit für die gastliche Aufnahme bei seinem Oheime gegen denselben nachgiebiger seyn.

Dann war auch eine Art Aussöhnung zwischen dem Papste Paul III. und Kaiser Carl V. zu bewerkstelligen. Alexander Farnese hatte seinem ältesten Sohne Ludwig die Städte Parma und Piacenza zum Tausche für die Fürstenthümer Camerino und Nepi gegeben, die er ihm genommen, um sie seinem zweiten Sohne Octavio zu übertragen. Dies hatte Carl  V. mißfallen, der eben nach dem Tode Franz Maria Sforza’s 1535 dem Papste, welche Summe dieser ihm auch dafür bot, das Herzogthum Mailand versagt hatte, die Ursache oder doch wenigstens der Vorwand des endlosen Krieges zwischen Frankreich und dem Reiche.

Carl  V. hatte übrigens vollkommen Recht, denn der neue Herzog von Parma war jener schändliche Ludwig Farnese, welcher sagte, es sey ihm sehr gleichgültig, ob er geliebt werde, wenn man ihn nur fürchte, und der die Adeligen entwaffnete, den Frauen Gewalt anthat und die Bischöfe peitschte.

Der Congreß von Nizza hatte also den Zweck, nicht blos den Herzog von Savoyen mit dem Könige von Frankreich, sondern auch den Papst mit dem Kaiser wieder zu versöhnen.

Carl III. aber, den das Unglück klug gemacht hatte, sah seinen Neffen, seinen Schwager und deren heiligen Schiedsrichter nicht ohne Besorgniß in seinen letzten befestigten Ort kommen.

Wer gab ihm die Bürgschaft, daß man ihm die letzte Stadt, die man ihm gelassen, nicht auch nehme, statt ihm das Land zurückzugeben, das man ihm genommen?

Er brachte deshalb für jeden Fall und um größerer Sicherheit willen Emanuel Philibert, seinen letzten Erben, in das Castell, welches die Stadt beherrschte, und empfahl dem Commandanten, das Castell durchaus keinen Truppen zu öffnen, sie möchten vom Kaiser, von dem Könige Franz oder von dem Papste kommen.

Dann reiste er selbst dem Papste Paul III. entgegen, welcher nach der getroffenen Bestimmung einige Tage vor dem Kaiser und dem Könige ankommen sollte.

Der Papst war nur noch eine Stunde von Nizza entfernt, als der Herzog einen Brief an den Commandanten absandte und diesem befahl, die Wohnung des Papstes in dem Schlosse bereit zu machen.

Diesen Brief brachte der Capitän der Leibwache Seiner Heiligkeit, welcher an der Spitze von zweihundert Mann ankam und Einlaß verlangte, damit er Dienst bei seinem Souverain thun könne.

Der Herzog sprach in seinem Briefe von dem Papste, aber weder von dem Capitän der Leibwache noch von den zweihundert Mann.

Es war jedenfalls eine Verlegenheit: der Papst verlangte ausdrücklich, was der Herzog ausdrücklich verboten hatte.

Der Commandant berief einen Rath.

Emanuel Philibert wohnte diesem Rathe bei, obgleich er erst elf Jahre alt war; wahrscheinlich war er mit beschieden worden, um den Muth der Vertheidiger noch mehr zu steigern.

Während man berathschlagte, bemerkte der Knabe an der Wand das hölzerne Modell der Veste, welche der Gegenstand der Uneinigkeit zwischen dem Papste und Carl III. war.

»Ihr Herren,« sagte er zu den versammelten Räthen, die seit einigen Stunden deliberirten, ohne zu etwas zu gelangen, »Ihr seyd wegen sehr wenig in Verlegenheit; da wir eine Veste von Holz und eine von Stein haben, so wollen wir die hölzerne dem Papste geben und die steinerne für uns behalten.«

»Meine Herren,« fiel der Commandant ein, »unsere Pflicht ist durch das Wort eines Kindes dictirt. Seine Heiligkeit soll, wenn man darauf besteht, die hölzerne Veste haben, so lange ich aber lebe die steinerne nicht, das schwöre ich bei Gott.«

Die Antwort des Knaben und des Commandanten wurde dem Papst überbracht, der sich damit begnügte und im Franciscanerkloster abstieg.

Der Kaiser kam an, dann der König von Frankreich.

Ein jeder nahm seinen Aufenthalt unter einem Zelte, der an der einen, jener an der andern Seite der Stadt, so daß sich der Papst in ihrer Mitte befand.

Der Congreß begann, er gab aber leider bei Weitem die Resultate nicht, welche man davon erwartete.

Der Kaiser verlangte Savoyen und Piemont für seinen Schwager zurück; Franz I. wollte das Herzogthum Mailands für seinen zweiten Sohn, den Herzog von Orléans, haben, und der Papst, der auch seinen Sohn unterzubringen wünschte, verlangte, daß ein Prinz, der weder zu der Familie Franz I. noch zu der Carls V. gehörte, zum Herzoge von Mailand erwählt werde und zwar unter der Bedingung, daß er sein Herzogthum von dem Kaiser zum Lehen nehme und dem König von Frankreich Tribut zahle.

Ein jeder wollte also das Unmögliche, weil er eben gerade das Gegentheil von dem wollte, was die Andern verlangten.

So kam man denn zu einem Waffenstillstand, den Alle wünschten.

Franz I. um seinen Soldaten Ruhe zu gönnen, die halb erschöpft waren, und um seine Finanzen, die es ganz waren, sich erholen zu lassen.

Carl  V. um die Einfälle zurückzutreiben, welche die Türken in seine Reiche Neapel und Sicilien machten.

Paul III., um seinen Sohn Ludwig Farnese wenigstens in den Fürstenthümern Parma und Piacenza festsetzen zu lassen, da er ihm Mailand nicht verschaffen konnte.

Es wurde ein Waffenstillstand von zehn Jahren beschlossen. Franz selbst bestimmte diese Dauer, »zehn Jahre oder nichts,« sagte er.

Die zehn Jahre wurden bewilligt, und Franz war es, welcher den Waffenstillstand nach vier Jahren brach.

Carl III., welcher fürchtete, die Unterhandlungen würden mit der Beschlagnahme des geringen Gebietes endigen, das ihm geblieben war, sah seine erlauchten Gäste freudiger abreisen, als er sie hatte kommen sehen.

Sie verließen ihn, wie sie ihn gefunden hatten, nur ärmer um die Kosten, welche ihm ihr Aufenthalt verursacht hatte und die sie nicht bezahlten.

Nur der Papst hatte etwas von der Sache gehabt, nemlich zwei Heirathen zu Stande gebracht: die seines zweiten Sohnes Octavian Farnese mit Margarethe von Oesterreich, der Witwe Julians von Medici, welcher in der Kirche St. Maria der Blumen in Florenz ermordet worden war, und die seiner Nichte Viktoria mit Anton, dem ältesten Sohn Carls von Vendôme.

Da Carl  V. sich nun nicht mehr wegen Franz I. zu beunruhigen hatte, begann er in Genua Rüstungen gegen die Türken, die so ungeheuer waren, daß sie zwei Jahre in Anspruch nahmen.

Nach diesen zwei Jahren, als die Flotte auf dem Punkte stand unter Segel zu gehen, entschloß sich Carl III. seinem Schwager einen Besuch zu machen und ihm seinen Sohn Emanuel Philibert vorzustellen, der sein dreizehntes Jahr erreicht hatte.

Es versteht sich von selbst, daß Scianca-Ferro und Leone ihn begleiteten.

Seit einiger Zeit beschäftigte den jungen Prinzen fast ausschließlich eine Rede, die er seinen Lehrern nicht zeigen wollte und die er nur seinem Knappen und seinem Pagen mittheilte.

Er wollte nemlich den Kaiser Carl  V. um die Erlaubniß bitten, ihn auf dem Kriegszuge zu begleiten.

Scianca-Ferro lehnte die Mitwirkung ab, und zwar weil er nichts von der Abfassung einer Rede verstehe; Leone that dasselbe, weil er nicht zwei Worte werde zusammenbringen können, wenn er an die Gefahren denke, welchen Emanuel sich aussetze.

Der junge Prinz war also auf sich selbst angewiesen und er verfaßte mit Hilfe von Livius, Quintus Curtius, Plutarch u.s.w. die Rede, welche er an den Kaiser halten wollte.

Der Kaiser wohnte bei seinem Freunde Andreas Doria, in jenem schönen Palaste, welcher der König des Hafens von Genua zu seyn scheint, beaufsichtigte die Arbeiten auf der Flotte und ging auf den herrlichen Terrassen umher, von welchen der Admiral sein Silbergeschirr in das Meer werfen ließ, nachdem er die Gesandten von Venedig bewirthet.

Der Herzog und sein Gefolge wurden zu dem Kaisergeführt, sobald sie angemeldet waren.

Der Kaiser umarmte seinen Schwager und wollte auch seinen Neffen umarmen.

Emanuel Philibert aber machte sich ehrerbietig aus den kaiserlichen Armen los, ließ sich auf ein Knie nieder zwischen seinem Knappen und seinem Pagen, so daß selbst sein Vater nicht wußte, was er beginnen wollte, und sprach im größten Ernst:

»Da ich mich der Unterstützung Eurer Würde und Eurer Sache weihe, welche jene Gottes und der heiligen Religion sind, so komme ich freiwillig und mit Freuden, Euch zu bitten, hoher Kaiser, mich als Freiwilligen unter die Krieger aufzunehmen, welche von allen Seiten sich unter Eure Fahnen stellen, denn ich würde mich glücklich preisen, unter dem Größten der Fürsten, unter einem unbesieglichen Kaiser die Kriegskunst zu erlernen.«

Der Kaiser sah ihn lächelnd an und antwortete, während Scianca-Ferro laut seine Bewunderung über die Rede des Prinzen aussprach, Leone aber zu Gott betete, er möge dem Kaiser den guten Gedanken eingehen, das Anerbieten zurückzuweisen:

»Ich danke, Prinz, für diesen Beweis von Zuneigung; verharre in diesen Gesinnungen und wir werden beide nützlich seyn; Du bist nur noch zu jung, mir in den Krieg zu folgen, wenn Du aber diesen Willen und Eifer behältst, wird es nach einigen Jahren an Gelegenheiten nicht fehlen.«

Er hob den jungen Prinzen auf, küßte ihn, nahm, um ihn zu trösten, sein eigenes goldenes Vließ ab und hing es ihm um den Hals.

»Ach, bei Gott!« rief Scianca-Ferro, »das ist besser als der Cardinalshut!«

»Du hast da einen kecken Begleiter, Neffe,« sagte Carl V., »und wir wollen ihm vorläufig eine Kette geben, bis wir ihm später ein Kreuz anhängen können.«

Er nahm eine goldene Kette von dem Halse eines der Herren, die da standen, warf sie Scianca-Ferro zu und sagte:

»Da, junger Knappe!«

So schnell auch, die Bewegung Carls V. gewesen war, Scianca-Ferro hatte Zeit sich auf ein Knie niederzulassen, so daß er in dieser ehrerbietigen Stellung das Geschenk des Kaisers empfing.

»Nun,« sagte der Sieger von Pavia, der in guter Laune war, »Jeder soll seinen Theil bekommen, selbst der Page.«

Er nahm einen Diamantring vom Finger und sagte :

»Dies für Dich, schöner Page!«

Zum großen Erstaunen Emanuel Philiberts, Scianca-Ferro’s und aller Anwesenden schien Leone nicht gehört zu haben und blieb unbeweglich stehen.

»Da scheinen wir einen tauben Pagen zu haben,« fuhr Carl V. fort und er sprach lauter: »Komm zu mir, schöner Page!«

Leone gehorchte nicht, sondern trat einen Schritt zurück.

»Leone,« sagte Emanuel, indem er die Hand des Freundes erfaßte, um ihn zu dem Kaiser zu führen.

Seltsam! Leone machte sich von der Hand Emanuels los, stieß einen Schrei aus und eilte aus dem Gemache hinaus.

»Da haben wir einen Pagen, der nicht eigennützig ist,« sagte Carl V. »Du mußt mir sagen, Neffe, wo Du dergleichen findest; sie sind sehr selten. Der Diamant, den ich ihm geben wollte, ist tausend Pistolen werth.«

Er wendete sich zu den Höflingen und sagte:

»Ihr Herren, Ihr seht da ein nachahmungswerthes Beispiel!«

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