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Erster Theil
IV.
Der Gesellschaftsvertrag

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Yvonnet sah sich um und da er erkannte, daß wenigstens die Schwerter in die Scheide zurückgekehrt wären, wenn auch der Zorn noch nicht ganz aus den Herzen geschwunden, so wendete er sich bald an Pille-Trousse, bald an Procop, welche bekanntlich beide die Frage an ihn gerichtet hatten.

»Woher ich komme?« wiederholte er. »Wahrhaftig eine schöne Frage! Von dem Farnkrauthaufen komme ich, wo ich mich versteckte, als ich zuerst Pille-Trousse, Lactantius, Malemort und Fracasso angekommen sah und den ich auch nicht verließ, als dann Procop, Maldent und die beiden Scharfenstein erschienen.«

»Aber was thatest Du zu solcher Zeit in dieser Höhle? Wir kamen ja au als es noch nicht Tag geworden war.«

»Das ist mein Geheimniß,« antwortete Yvonnet, »aber ich werde es Euch sagen; wenn Ihr vernünftig seyd. Zuerst von dem Dringendsten!«

Gegen Pille-Trousse gewendet fuhr er fort: »Ihr waret also in der Absicht gekommen, einen Besuch in Parcq, in dem Gütchen oder Schlößchen, wie man es nennen will, zu machen?«

»Ja,« antwortete Pille-Trousse.

»Und Ihr auch?« fragte Yvonnet Procop.

»Wir auch,« antwortete Procop.

»Und Ihr wolltet einander in die Haare fahren, um herauszubringen, wer zuerst den klugen Gedanken gehabt?«

»Das sollte geschehen,« sagten Procop und Pille-Trousse.

»Pfui!« entgegnete Yvonnet, »Cameraden, Franzosen oder doch wenigstens Leute, die Frankreich dienen!«

»Wir konnten nicht anders, da die Herren da von ihrer Behauptung nicht abgehen wollten,« sagte Procop.

»Wir konnten nicht anders, weil die Herren da uns den Vortritt nicht lassen wollten.«

»Ihr konntet nicht anders?« wiederholte Yvonnet, welcher es den beiden Sprechern nachmachte. »Ihr mußtet Euch untereinander massacriren, nicht wahr? Ihr konntet nichts anders als Euch die Hälse brechen? Und Ihr waret da, Lactantius, habt die Vorbereitungen zu dem Blutvergießen mit angesehen und euer christliches Gemüth wehklagte nicht?«

»Es hat gejammert, laut gejammert,« sagte Lactantius.

»Und zu weiterem hat es Euer frommer Glaube nicht gebracht?«

»Nach dem Kampfe,« antwortete Lactantius, durch die Vorwürfe von Yvonnets etwas beschämt, »würde ich für die Todten gebetet haben.«

»Sieh! Sieh!«

»Was hätte ich sonst thun sollen, Yvonnet?«

»Was ich thue, und ich bin kein Frommer, kein Augenverdreher, kein Betbruder. Ihr hättet Euch zwischen die Schwerter und Degen stürzen sollen, inter gladios et enses, um mit unserem Advocaten Procop zu reden; Ihr hättet mit der salbungsvollen Miene, die Euch so wohl ansteht, zu euern verirrten Brüdern sagen sollen, wie ich sage: »Cameraden, wenn es etwas für Vier ist, so ist’s auch für Acht; wenn das Erste, was wir unternehmen wollen, nicht genug einbringt, so versuchen wir es anderswo. Die Menschen sind dazu da, daß sie einander auf den rauhen Pfaden des Lebens unterstützen, nicht aber um ihnen Steine und Knüppel vor die Beine zu werfen auf Wegen, die so schon so beschwerlich sind. Wir wollen uns nicht trennen, sondern zusammen treten; was Vier nur unter großen Wagnissen ausführen können, hat für Acht gar keine Gefahr. Behalten wir unsern Haß, unsere Dolche, unsere Degen für unsere Feinde, während wir für einander nur freundliche Worte und Dienste haben. Gott, der Frankreich schützt, wenn er nichts Nöthigeres zu thun hat, wird zu unserem Bunde lachen und ihm seinen Segen geben!« So hättet Ihr reden sollen, Lactantius, Ihr habt es aber nicht gethan.«

»Allerdings,« antwortete Lactantius, indem er an seine Brust schlug: »mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa!«

Er löschte seine Fackel aus, da man sie nicht gerade brauchte, kniete nieder und betete andächtig.

»Nun,« fuhr Yvonnet fort, »so will ich es an eurer Stelle sagen, und setze hinzu, den göttlichen Segen, den Euch Lactantius verheißen haben würde, bringe ich gleich mit.«

»Du, Yvonnet?« fragte Procop zweifelnd.

»Ja, ich… ich habe denselben Gedanken gehabt, und früher.«

»Wie, Du hättest auch den Gedanken gehabt, in das Schloß zu dringen, das wir im Auge haben?«

»Ich habe nicht blos den Gedanken gehabt,« antwortete Yvonnet, »sondern ihn sogar ausgeführt.«

»Ah!« riefen alle Anwesenden und sie horchten mit neuer Aufmerksamkeit auf Yvonnet.

»Ja,« ich habe gute Freunde in dem Hause,« fuhr dieser fort, »ein allerliebstes Kammerkätzchen, Gertrude,« sagte er, den Schnurrbart drehend, »die bereit ist, um meinetwillen Vater und Mutter, Gebieter und Gebieterin zu verläugnen, – eine Seele, die ich dem Teufel zuführe.«

Lactantius seufzte tief.

»Und Du bist in dem Schlosse gewesen?«

»In voriger Nacht kam ich heraus, aber Ihr wisset, wie zuwider mir Gänge im Dunkel sind, besonders allein. Ehe ich drei Stunden bis Doulens, oder sechs bis Abbeville ging, wanderte ich eine Viertelstunde bis hierher in die Grotte, die mir bekannt und lieb ist, weil ich mit meiner Schönen darin zuerst zusammen gekommen bin. Ich fand tappend dies Lager, das ich eben auch schon kannte, und schlief mit dem Gedanken ein, dem ersten besten unter Euch, den ich sehen würde, das Unternehmen anzutragen, als Pille-Trousse mit den Seinen und dann Procop mit den Seinen kam. Beide Theile kamen um einer und derselben Sache willen; das Streben nach einer und derselben Sache führte den Zank herbei, und dieser hätte ohne Zweifel einen tragischen Ausgang genommen, als ich es für Zeit hielt einzuschreiten und wirklich einschritt. – Jetzt sage ich Euch: Wollen wir zusammentreten, statt einander die Hälse zu brechen? Wollt Ihr durch List in das Haus kommen, statt mit Gewalt? Wollt Ihr, daß man Euch die Thüren öffne, statt daß Ihr sie mit Gewalt öffnen müßt? Wollt Ihr nicht erst lange nach dem Golde, den Juwelen, dem Silberzeuge suchen, sondern geradenwegs dahin geführt werden? Schlagt ein, dazu bin ich der Mann, und um mit dem guten Beispiele der Uneigennützigkeit voranzugehen, verlange ich nur denselben Theil wie die Andern trotz dem wichtigen Dienste, den ich dabei leiste. Wer nun etwas Besseres zu sagen weiß, der komme und rede, – ich trete ihm das Wort ab und höre.«

Ein Murmeln der Bewunderung verbreitete sich in der Versammlung Lactantius unterbrach sein Gebet, trat zu Yvonnet und küßte ihm demüthig den Saum des Mantels. Procop, Pille-Trousse, Maldent und Fracasso drückten ihm die Hand und die beiden Scharfenstein erdrückten ihn beinahe in ihren Armen. Nur Malemort brummte in einem Winkel:

»Ihr werdet sehen, daß es nicht den kleinsten Hieb oder Stich giebt; es ist eine Erbärmlichkeit.«

»Nun also,« sagte Yvonnet, der schon lange an eine solche Verbrüderung gedacht hatte und da das Glück so nahe an ihn heran kam, die Gelegenheit nicht vorüber lassen wollte, dasselbe zu fassen, »nun also, keinen Augenblick verloren! Wir sind hier neun Kerls beisammen, die weder Gott noch den Teufel fürchten.«

»Ei, ei,« fiel Lactantius sich bekreuzend ein, »Gott fürchten wir wohl.«

»Nun ja, freilich, Lactantius, es ist so eine Redensart. Ich sagte also, der Zufall habe hier neun Männer zusammengeführt.«

»Die Vorsehung, Yvonnet, die Vorsehung!« fiel Lactantius wiederum ein.

»Nun ja, die Vorsehung, meinetwegen. Zum Glück haben wir da Procop unter uns, einen Gesetzkundigen; zum Glücke trägt dieser Gesetzkundige Dinte und Feder am Gürtel und in der Tasche hat er, ich wollte wetten, Papier mit dem Stempel unseres guten Königs Heinrichs II.«

»So ist’s« antwortete Procop, »ich habe das bei mir, und es ist ein Glück, wie Yvonnet mit Recht sagt.«

»Demnach rasch ans Werk! Einen Tisch zurecht gemacht und unsern Gesellschaftsvertrag entworfen, während Einer von uns im Walde draußen, in der Nähe der Höhle Wache hält, damit wir nicht gestört werden.«

»Ich,« fiel Malemort ein, »werde mich als Schildwache hinausstellen und so viel Spanier, Engländer und Deutsche sich in dem Walde zeigen, so viele Todte gibt es.«

»Nein, nein, lieber Malemort, das darf gar nicht seyn,« antwortete Yvonnet. »In unserer Lage, das heißt kaum zweihundert Schritte von dem Lager Sr. Majestät Carls V. und unter einem Manne, der ein so feines Gehör und ein so geübtes Auge hat wie der Herr Emanuel Philibert von Savoyen, dürfen wir Niemanden ums Leben, bringen, außer wo es gar nicht zu umgehen ist, weil man nicht immer den Tod gibt, wie sicher man auch seines Stoßes ist… Auf das Hilfegeschrei der Verwundeten würde man aber herbeikommen, und wenn einmal der Wald besetzt ist, dann weiß Gott, was aus uns werden könnte. Nein, mein lieber Malemort, Du bleibst hier und Einer der beiden Scharfenstein bezieht die Wache; sie sind beide Deutsche; wenn der Wachehaltende entdeckt wird, kann er sich für einen Lanzknecht des Herzogs von Aremberg oder für einen Reiter des Grafen von Waldeck ausgeben.

»Ich will lieber der Graf von Waldeck seyn,« sagte Heinrich Scharfenstein.

»Dieser Riese ist außerordentlich geschickt,« entgegnete Yvonnet.

»Ja, Du sollst der Graf Waldeck seyn, weil der Graf Waldeck auch gern mitnimmt. Das meintest Du doch auch, Scharfenstein?«

»Ganz eben dasselbige.«

»Und weil man sich nicht wundern würde, Einen von den Leuten dieses Grafen im Walde versteckt zu finden.«

»Das wollte ich sagen.«

»Nur möge der wachhaltende Scharfenstein sich versehen, als Beutelustiger von dem Grafen Waldeck nicht in die Hände des Herzogs von Savoyen zu fallen. Er versteht in solchen Dingen keinen Spaß.«

»Leider Gottes,« antwortete Heinrich Scharfenstein; »gestern hat er zwei Soldaten aufknüpfen lassen.«

»Drei!« sagte Franz.

»Nun, welcher von Euch übernimmt die Wache??«

»Ich,« antworteten Onkel und Neffe Scharfenstein zusammen.

»Lieben Freunde, diese Aufopferung wird von uns nach Verdienst gewürdigt,« sagte Yvonnet, »aber eine Schildwache ist vollkommen genug. Loset Ihr! Für den, welcher hier bleibt, findet sich ein Ehrenposten.«

Die beiden Scharfenstein beriethen sich einen Augenblick mit einander.

»Franz,« sagte Heinrich, »hat gute Augen und tüchtige Ohren; er wird Schildwache stehen.«

»Gut,« sagte Yvonnet, »so gehe Franz auf seinen Posten.«

Franz ging mit seiner gewöhnlichen Ruhe nach dem Ausgange der Höhle zu.

»Hörst Du, Franz,« sagte Yvonnet, »wenn Du die Andern fangen lässest, so hat das nicht gerade viel zu bedeuten, wenn Du aber von dem Herzoge von Savoyen gefangen wirst, mußt Du baumeln.«

»Ah, unbesorgt! Ich lasse mich von Niemanden fangen,« antwortete Franz.

Er verließ die Höhle, um sich aus seinen Posten zu begeben.

»Und mein Ehrenposten?« fragte nun Heinrich Scharfenstein.

Yvonnet nahm die Fackel aus der Hand Maldent’s, reichte sie dem Scharfenstein und sagte:

»So, stelle Dich hierher… leuchte unserem gelehrten Freunde Procop und rühre Dich nicht.«

»Ich werde stehen wie ein Stock!« sagte Heinrich.

Procop setzte sich und nahm ein Papier aus der Tasche, sein Tintenfaß von dem Gürtel und auch die Feder.

Wir haben ihn schreiben sehen, als wir in die Höhle von Saint-Pol-sur-Ternoise traten, in der sich zufällig so viele Personen befanden.

Wir haben angedeutet, daß es keine leichte Aufgabe war, die Arbeit, welche Procop übernommen hatte, zu Aller Zufriedenheit zwischen elf Uhr Vormittags und drei Uhr Nachmittags am 5. Mai 1555 zu Ende zu führen.

Als handle es sich um einen Gesetzentwurf, der in einer modernen Kammer discutirt werden sollte, so hatte ein Jeder nach seinem Interesse oder seinen Fähigkeiten »Amendements« und »Unteramendements« gestellt.

Die genannten Amendements und Unteramendements waren einer Abstimmung unterworfen worden und zur Ehre unserer Abenteurer müssen wir sagen, daß sie im Ganzen ziemlich richtig, dabei ruhig und unparteiisch abgestimmt hatten.

Es gibt Dummköpfe und kecke Verleumder der Gesetzgeber, der Richter und der Justiz, welche behaupten, ein Gesetzbuch, welches von Spitzbuben entworfen wäre, würde vollständiger und namentlich billiger seyn als ein von rechtlichen Männern abgefaßtes.

Wir beklagen die Verblendung dieser Unglücklichen, wie wir die Irrthümer der Calvinisten und Lutheraner beklagen, und bitten Gott, er möge beiden verzeihen.

In dem Augenblicke endlich als die Uhr Yvonnet’s ein Viertel auf Vier zeigte – so selten in jener Zeit eine Uhr war, müssen wir doch bestätigen, daß der cokette Abenteurer sich eine verschafft hatte – ein Viertel auf Vier also sah Procop auf legte die Feder hin, faßte sein Papier mit beiden Händen, sah es mit Befriedigung an und sagte: »Nun ich glaube das wäre gethan und nicht übel, – exigi monumentum

Bei dieser Meldung machte Heinrich Scharfenstein, welcher die Fackel seit beinahe vierthalb Stunden hielt, eine Bewegung, um den Arm zu strecken, der müde zu werden anfing. Yvonnet unterbrach sein Trällern, strich und drehte aber noch immer den Bart. Malemort war fertig mit dem Verbinden des Armes und steckte den Verband mit einer Nadel fest; Lactantius sprach sein letztes Ave: Maldent, welcher beide Hände auf den Tisch gestützt hatte, richtete sich empor; Pille-Trousse steckte den nun spitz genug gewordenen Dolch in die Scheide und Fracasso erwachte aus dem poetischen Träumen und Sinnen, sehr befriedigt von dem Sonett, an das er die letzte Hand gelegt, nachdem er sich einen Monat lang damit getragen hatte.

Alle traten an den Tisch, mit Ausnahme von Franz, welcher sich wegen der gemeinschaftlichen Interessen auf seinen Oheim verließ und sich, wie gesagt, etwa zwanzig Schritte von dem Eingange der Höhle Wache haltend auf den Bauch gelegt hatte, fest entschlossen nicht nur für seine Cameraden gut zu wachen, sondern auch sich selbst von Niemanden überrumpeln zu lassen, namentlich nicht von Emanuel Philibert von Savoyen, der so geschwind hängen ließ.

»Meine Herren,« sagte Procop, indem er sich, selbstzufrieden, in dem Kreise umsah, der sich um ihn her gebildet hatte und zwar so regelmäßig wie um einen Offizier, der seinen Soldaten einen Befehl ertheilt, »meine Herren, sind Alle da?«

»Ja, antworteten die Abenteurer im Chor.

»Sind auch Alle bereit, die achtzehn Artikel vorlesen zu hören, aus welchen die Urkunde besteht, die wir im Verein entworfen haben und die der Gesellschaftsvertrag heißen konnte? Eine Art Gesellschaft wollen wir doch gründen, stiften und ordnen.«

Die Antwort lautete allgemein zustimmend, wobei Heinrich Scharfenstein selbst verständlich mit für seinen Neffen sprach.

»Also hört,« fuhr Procop fort.

Er hustete, spuckte aus und sing an:

»Zwischen den Unterzeichneten… «

»Mit Verlaub,« unterbrach ihn Lactantius, »ich kann nicht unterzeichnen.«

»Das will nichts sagen,« antwortete Procop; »Du machst ein Kreuz darunter.«

»Ah,« murmelte Lactantius, »um so heiliger wird meine Verpflichtung seyn. Fahre also fort, Bruder.

Procop begann von neuem:

»Zwischen den Unterzeichneten,

»Johann Chrysostomus Procop .…«

»Nun, gar bescheiden bist Du nicht,« sagte Yvonnet; »Du setzest Dich gleich oben an…«

»Einer mußte doch anfangen,« antwortete Procop unbefangen.

»Weiter! Weiter!« drängte Maldent.

»Johann Chrysostomus Procop, ehemaliger Procurator zu Caën, auch zu Nauen, Cherbourg, Valognes…«

»Na,« fiel Pille-Trousse ein, »nun wundere ich mich nicht mehr, daß Du mit dem Schreiben drei und eine halbe Stunde zugebracht hast, wenn Du Jedem wie Dir vollständige Titel und Würden anhängtest; im Gegentheil, ich wundere mich, daß Du schon fertig bist.«

»Nein,« antworete Procop, »ich habe Euch Allen einen Titel gegeben, glaubte aber, daß bei mir, dem Concipienten der Urkunde, die Aufzählung meiner Titel nicht nur geeignet, sondern sogar durchaus nothwendig sey.«

»Das ist etwas Anderes,« sagte Pille-Trousse.

»So hört doch endlich einmal auf,« schrie Malemort; »wir werden ja nicht fertig, wenn Ihr bei jedem Worte unterbrecht.«

»Ich werde unterbrochen,« entgegnete Procop. Dann fuhr er fort:

»Zwischen den Unterzeichneten,

»Johann Chrysostomus Procop und so weiter, Honorius Joseph Maldent, Victor Felix Yvonnet, Chrillus Nepomuk Lacantius, Cäsar Hannibal Malemort, Martin Pille-Trousse, Vittorio Albani Fracasso, Heinrich und Franz Scharfenstein, sämmtlich Capitänen in Diensten des Königs Heinrich II.…«

Ein schmeichelhaftes Gemurmel unterbrach Procop und Niemand dachte mehr daran, ihm die Titel streitig zu machen, welche er sich beigelegt hatte, da ein Jeder damit beschäftigt war, durch Schärpe, Schnupftuch oder einen Lumpen den Titel »Capitän« im Dienste Frankreichs zu rechtfertigen, den er empfangen hatte.

Procop ließ dem Beifallsgemurmel Zeit, sich zu beruhigen, und fuhr fort:

»Ist beschlossen und festgesetzt worden wie folgt…«

»Halt!« rief Maldent. »Die Urkunde gilt nicht.«

»Warum gilt sie nicht?« fragte Procop.

»Du hast etwas Wichtiges darin vergessen.«

»Was.«

»Das Datum.«

»Das Datum kommt zuletzt.«

»Das ist etwas Anderes,« entgegnete Maldent; »besser wäre es aber doch, wenn es am Anfange stände.«

»Am Anfange oder am Ende, das bleibt sich gleich,« sagte Procop. »Die Institutionen Justinian’s sagen ausdrücklich: »Omne actum quo tempore scriptum sit, indicato, seu initio, seu fine, ut paciscentibus libuerit,« das heißt, jede Urkunde muß ihr Datum an sich tragen, entweder am Anfange oder am Ende, wie es den Contrahirenden beliebt.«

»Eine abscheuliche Sprache, die Advocatensprache!« sagte Fracasso. »Was für ein Unterschied zwischen diesem Latein und dem Latein Virgil’s und Horazens!«

Und er scandirte wohlgefällig die Verse aus der dritten Ecloge Virgils:

Malo me Galatea petit, lasciva puella:

Et fugit ad salices, et se cupit ante videri…


»Ruhe, Fracasso!« sagte Procop.

»Gebiete Du Ruhe so lange Du willst,« antwortete Fracasso, »es ist und bleibt doch wahr, daß ich Justinian I., ein so großer Kaiser er meinetwegen auch gewesen ist, Homer den Zweiten vorziehe und lieber die Bucolica, die Eclogen und selbst die Aeneïs verfaßt haben möchte als die Institutionen, die Pandecten und das ganze corpus juris civilis

Ueber diesen wichtigen Punkt wäre es zwischen Fracasso und Procop sicherlich zum Streite gekommen – dessen Ende und Folgen nicht abzusehen waren – aber vor der Höhle ließ sich ein unterdrückter Ruf hören, welcher die Aufmerksamkeit der Abenteurer dahin richtete.

Bald zeigte sich auch ein dunkler Schatten an dem Eingange und endlich erschien ein Wesen, dessen Art nicht zu bestimmen war, so seltsame Formen hatte es in dem Halbdunkel, von dem aus es sich in den Kreis hereinbewegte, der sich vor ihm öffnete.

Da erst und in dem Lichte der Fackel, welche die Gruppe beleuchtete, erkannte man Franz Scharfenstein, der in seinen Armen ein Mädchen trug und demselben als Knebel die breite Hand auf den Mund gelegt hatte.

Jeder wartete auf die Lösung des neuen Vorfalles.

»Cameraden,« sagte der Riese, »das Weibsbildchen schlich um den Eingang der Höhle her; ich hab sie gehascht und bringe sie. Was machen wir mit ihr?«

»Zuerst,« antwortete Pille-Trousse, »laß sie los; sie wird doch nicht uns alle Neun beißen.«

»Ah, vor dem Beißen fürcht ich mich nicht,« antwortete Franz lachend; »sie sieht selber anbeißerlich aus.«

Mitten im Kreise, wie ihm Pille-Trousse angedeutet hatte, ließ er das Mädchen los und trat dann rasch zurück.

Das Mädchen war jung und hübsch und schien der Kleidung nach der achtungswerthen Classe der Köchinnen eines guten Hauses anzugehören, sah sich ängstlich rund im Kreise um, zu erkennen, unter welcher Gesellschaft sie sich befinde, die ihr auf den ersten Blick wohl etwas gemischt vorkommen mochte.

Sie kam indeß nicht einmal rund herum in dem Kreise, als ihr Blick aus dem jüngsten und zierlichsten der Abenteurer ruhte.

»Herr Yvonnet,« rief sie, »um Gottes Willen schützet mich! vertheidigt mich!«

Zitternd umschlang sie zugleich den jungen Mann.

»Sieh, sieh,« sagte Yvonnet, »die Jungfer Gertrude!«

Er drückte das Mädchen an seine Brust, um sie zu beruhigen, und sagte:

»Nun, Ihr Herren, da werden wir ganz frische Nachrichten aus dem Schlosse Parcq erhalten, denn das schöne Kind kommt daher.«

Da die Nachrichten, welche Yvonnet durch den Mund Gertrudens ankündigte, alle Anwesenden im höchsten Grade interessierten, so gaben die Abenteurer für den Augenblick wenigstens, die Vorlesung ihres Gesellschaftsvertrages auf, traten um das junge Paar herum und warteten mit Ungeduld, daß Jungfer Gertrude sich so weit beruhigt haben werde, um sprechen zu können.

Der Page des Herzogs von Savoyen

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