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Erster Theil
VI.
Der Richter

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In dem Maße wie die Abenteurer sich der Spitze des Waldes näherten, die sich wie eine Lanzenspitze bis eine Viertelstunde von Hesdin vorschob und die unsern Lesern bereits bekannten Becken der Ebene trennte, folgte dem Hochwalde dichtes Unterholz, das, weil die Bäume da nahe neben einander standen und ihre Zweige in einander flochten, die Sicherheit derer mehrte, welche sich in seinem Schatten bargen. Die kleine Schaar gelangte also an den Waldsaum ohne von einem lebendigen Wesen gesehen worden zu seyn.

Etwa fünfzehn Schritte von dem Graben, welcher den Wald von der Ebene trennte und um den Weg herumging, auf welchen wir die Aufmerksamkeit der Leser schon im ersten Capitel dieses Buches gelenkt haben und der eine Verbindung zwischen dem Schloß Parcq, dem Lager des Kaisers und den benachbarten Dörfern bildete, blieben unsere Abenteurer stehen.

Der Ort war dazu auch gut gewählt; eine riesige Eiche, die mit einigen ähnlichen Bäumen geblieben war, um anzudeuten, welche Riesen sonst da gestanden hatten, breitete ihren buschigen Wipfel über ihre Köpfe aus, während sie, sobald sie einige Schritte thaten, über die Ebene hinblicken konnten, ohne gesehen zu werden.

Alle erhoben sich gleichzeitig zu dem mächtigen hundertjährigen Baume. Yvonnet errieth, was man noch von ihm erwartete, er nickte deshalb zustimmend, ließ sich die Schreibtafel Fracasso’s geben, in welcher sich ein einziges reines Papierblatt befand, das ihm der Dichter mit der Empfehlung zeigte, die andern zu schonen, da auf ihnen seine dichterischen Ereignisse ruhten. Er lehnte einen der beiden Scharfenstein an den Baumstamm, den er mit seinen Armen nicht umfassen konnte, stieg in die zusammengehaltenen Hände des Riesen, von den Händen ihm auf die Achseln, von diesen zu den ersten Zweigen des Baumes und im nächsten Augenblicke ritt er auf einem der gewaltigen Aeste so sicher und bequem wie ein Matrose auf der Rat eines Mastes.

Gertrude hatte ihm bei diesem Kletterwerke ängstlich nachgesehen, aber auch, bereits gelernt ihre Besorgnisse bei sich zu behalten und ihr lautes Schreien zu unterdrücken. Als sie überdies die Gewandtheit bemerkte, mit welcher sich Yvonnet auf den Ast geschwungen hatte, und die Leichtigkeit, mit welcher er nach rechts und links blickte, überredete sie sich, daß er gar nicht in Gefahr sey.

Yvonnet, welcher die Hand als Schirm über die Augen hielt und so bald nach Norden bald nach Süden sah, schien übrigens auf beiden Seiten gleich Beachtenswürdiges zu bemerken.

Sein öfteres Hinüber- und Herüberblicken erregte die Neugierde der Abenteurer sehr, welche unten in dem dichten Gebüsche nichts von dem erblicken konnten, was Yvonnet von seinem hohen Sitzpunkte sah. Auch begriff Yvonnet ihre Ungeduld, da sie ihn so fragend ansahen, ja leise zu fragen wagten: »Aber was gibt es denn?«

Zu den Ungeduldigsten, das läßt sich nicht läugnen, gehörte Jungfer Gertrude.

Yvonnet, gab endlich seinen Gefährten zu verstehen, daß sie nach wenigen Minuten so viel wissen sollten als er. Er öffnete die Schreibtafel Fracasso’s, riß das letzte weiße Blatt heraus, schrieb darauf mit Bleistift einige Zeilen, rollte dann das Papier zusammen, damit es nicht hinwegfliege, und ließ es hinunterfallen.

Alle Hände streckten sich darnach aus, auch die weißen, kleinen Hände Gertrudens, aber es gelangte in die tüchtigen Fäuste des Franz Scharfenstein.

Der Riese lachte über sein Glück, gab aber das Papier seinem Nachbar und sagte:

»Du, Procop, lesen kann ich wenig, französisch gar nicht.«

Procop, der so neugierig war wie die Andern, rollte das Blättchen auseinander, und las unter allgemeiner Aufmerksamkeit:

»Das Schloß Parcq steht in Feuer.

»Der Graf Waldeck, seine beiden Söhne und vierzig Reiter sind wieder aufgebrochen und kommen auf dem Wege her, der von Parcq nach dem Lager führt.

»Sie sind etwa zweihundert Schritte von unserer Waldspitze fern.

»Das zur Rechten.

»Eine andere kleine Schaar kommt dagegen auf dem Wege vom Lager nach dem Schlosse zu.

»Sie besteht aus sieben Mann, einem Vornehmen, einem Knappen, einem Pagen und vier Soldaten.

»So viel ich von hier aus erkennen kann, ist der Vornehme der Herzog Emmanuel Philibert.

»Seine Schaar ist ungefähr eben so weit auf unserer Linken entfernt als die des Grafen Waldeck auf der Rechten.

»Wenn Beide in gleichem Schritte sich bewegen, müssen sie gerade an der Waldecke einander begegnen.

»Wenn der Herzog Emanuel, wie es wahrscheinlich ist, durch Philipp Nachricht von dem erhalten hat, was im Schlosse geschehen ist, so können wir etwas Merkwürdiges zu sehen bekommen.

»Achtung, Cameraden, – es ist der Herzog!«

Damit endete das Billet Yvonnet’s, aber es ließ sich schwerlich mehr in so wenigen Worten sagen und einfacher ein Schauspiel versprechen, das in der That sehr sehenswürdig seyn mußte, wenn der Abenteurer sich in den Personen und deren Absichten nicht täuschte.

Alle schlichen sich denn auch vorsichtig an den Waldsaum, um unter so wenig Gefahr und so bequem als möglich das Schauspiel mit anzusehen, das ihnen Yvonnet versprochen hatte.

Wenn der Leser dem Beispiele unserer Abenteurer folgen will, so kümmern wir uns nicht um den Grafen von Waldeck und dessen Söhne, die wir bereits aus der Beschreibung Gertrudens kennen, sondern schlüpfen ebenfalls an den linken Waldsaum und achten auf die neue Person, die uns Yvonnet angekündigt hat und die keine geringere ist als der Held unserer Geschichte.

Yvonnet hatte sich nicht geirrt. Der Herr, welcher zwischen seinem Pagen und Knappen herankam und vor dem, als gelte es eine einfache Patrouille, nur vier Bewaffnete ritten, war in der That der Herzog Emanuel Philibert, Oberbefehlshaber des Kaisers Carl  V. in den Niederlanden.

Er war um so leichter zu erkennen, als er seiner Gewohnheit gemäß seinen Helm nicht auf dem Kopfe trug, sondern an der linken Seite seines Sattels hängen hatte, wie er es fast immer that, im Sonnenschein und Regen, ja bisweilen sogar in der Schlacht, weshalb denn auch die Soldaten ihn seiner Unempfindlichkeit gegen die Witterung wegen Eisenkopf genannt hatten.

In der Zeit, in welcher wir uns befinden, war er ein schöner junger Mann von siebenundzwanzig Jahren, von mittlerer aber kräftiger Gestalt, mit sehr kurz geschnittenen Haar, hoher und freier Stirn, braunen schön geformten Augenbrauen, lebhaften blauen Augen, gerader Nase, vollem Schnurrbart, spitz geschnittenem Kinnbart und einem Halse, der etwas tief zwischen den Achseln saß, wie es fast bei allen Nachkommen kriegerischer Geschlechter der Fall ist, deren Vorfahren seit mehren Generationen den Helm getragen haben.

Wenn er sprach, war seine Stimme zu gleicher Zeit unendlich sanft und auffallend fest. Seltsam! Sie konnte sich zur heftigsten Drohung erheben, ohne um einen Ton höher zu werden.

Die Folge davon war, daß nur die Personen, die ihn ganz genau kannten, die Gefahr errathen konnten, welcher die Unvorsichtigen sich aussetzten, welche seinen Zorn weckten und die ihm trotzten, jenen Zorn, den er so fest in sich niederhielt, daß man die Stärke dessen nur dann erkennen und seinen Umfang ermessen konnte, wenn er, nach einem Blitze in seinen Augen, wie der Blitz losbrach, donnerte und zermalmte. Wie aber auch, nachdem der Blitz gefallen ist, das Gewitter sich verzieht und das Wetter sich wieder aufklärt, so erhielt nach dem Losbruche des Zornes das Gesicht des Herzogs seine gewöhnliche Ruhe wieder, sein Auge den festen wilden Blick und sein Mund das wohlwollende königliche Lächeln.

Der Knappe der zu seiner Rechten ritt und das Visir aufgeschlagen hatte, war ein blonder junger Mann etwa von demselben Alter und genau von derselben Größe wie der Herzog. Alles an ihm zeugte von ungewöhnlicher Körperkraft: seine hellblauen stolzen Augen, sein voller Bart von röthlicher Farbe, seine Nase mit den weiten Löchern, seine Lippen, deren Fülle und Röthe der Bart nicht bergen konnte, die rothbraune Farbe des Gesichts, eine Folge des Wetters und der Gesundheit. Nicht an der Seite, sondern auf dem Rücken trug er eines jener fürchterlichen Schwerter, die mit beiden Händen gefaßt werden mußten, deren Franz I. drei in der Schlacht von Marignan zerhieb und die man ihrer Länge wegen über die Achsel hing, während sich am Sattelbogen eines der Schlachtbeile oder eine der Streitäxte befand, welche an der einen Seite eine Schneide, an der andern eine Keule und an der Spitze ein scharfes, dreieckiges Eisen hatten, so daß man mit dieser Maße allein, je nach Gelegenheit spalten konnte wie mit einem Beile, daraufschlagen wie mit einem Hammer und durchbohren wie mit einem Dolche.

Links von dem Herzoge ritt sein Page, ein schöner Jüngling von kaum sechzehn oder achtzehn Jahren mit blauschwarzem Haar, das deutsch geschnitten war, so wie es die Ritter Holbeins und die Engel Raphaels tragen. Seine Augen, die von langen Sammtwimpern beschattet wurden, hatten jene unbeschreibliche und unbenennbare Farbe zwischen Braun und Violett, welche man nur an arabischen und an sicilianischen Augen findet. Seine mattweiße Gesichtsfarbe – jenes eigenthümliche schöne Mattweiß in den nördlichen Theilen der italienischen Halbinsel – glich der Farbe des carrarischen Marmors, der lange und liebreich von der römischen Sonne geküßt worden ist. Seine kleinen schmalen weißen Hände lenkten mit bemerkenswerther Geschicklichkeit ein kleines tunesisches Pferd, das keinen Sattel, sondern nur einen Sitz von Leopardenfell mit Glasaugen und Zähnen wie Klauen von Gold und statt des Zügels eine leichte seidene Schnur hatte. Die einfache aber zierliche Kleidung des Pagen bestand in einem Wamms von schwarzem Sammt, das sich über einem kirschrothen Koller öffnete, mit weißen Atlaspuffen, um den Leib durch eine goldene Schnur zusammengehalten, welche einen Dolch trug, dessen Griff aus einem einzigen Achatstück geschnitzt war. Sein zierlich geformter Fuß befand sich in einem Stiefel von Maroquin, in dessen oberem Theile, in der Gegend der Knie, eine Hose von schwarzem Summt gleich dem des Wammses sich verlor. Auf dem Kopfe endlich trug er ein Baret von demselben Stoffe und derselben Farbe wie die Kleidung und um das sich, über der Stirn durch eine Diamantagraffe festgehalten, eine kirschrothe Feder legte, deren in jedem Windhauche sich bewegende Spitze anmuthig zwischen den beiden Schultern niederfiel.

Nachdem wir so die neu auftretenden Personen geschildert haben, können wir zu der Handlung zurückkehren, die wir unterdeß aus den Augen verloren haben.

Während unserer Beschreibung setzten der Herzog Emanuel Philibert, dessen zwei Begleiter und vier Soldaten den Weg fort, ohne den Schritt ihrer Pferde zu beschleunigen noch anzuhalten. Je mehr sie sich aber der Waldecke näherten, um so mehr verdüsterte sich das Gesicht des Herzogs, als habe er im voraus das Schauspiel der Verwüstung erwartet, das sich seinen Augen darbieten sollte, sobald sie über die Waldecke hinausgekommen seyn würden. Mit einem Male befanden sich, wie Yvonnet es vorausgesehen hatte, an der äußersten Ecke die beiden Trupps einander gegenüber und merkwürdiger Weise hielt der zahlreichste an, übermannt von Ueberraschung, in welche sich sichtlich auch einige Furcht mischte.

Emanuel Philibert dagegen verrieth das, was in ihm vorgehen mochte, weder durch ein Zucken seines Körpers, noch durch eine Geberde seiner Hand, noch durch eine Bewegung in seinem Gesichte, sondern ritt gerade auf den Grafen von Waldeck zu, der ihn zwischen seinen beiden Söhnen erwartete.

Zehn Schritte von dem Grafen winkte Emanuel seinem Knappem seinem Pagen und seinen Reitern, die mit militärischer Regelmäßigkeit hielten und ihn allein den Weg fortsetzen ließen.

Als er so weit herangekommen war, daß er den jungen Grafen von Waldeck mit der Hand erreichen konnte, der wie eine Mauer zwischen ihm und seinem Vater hielt, machte der Herzog ebenfalls Halt.

Die drei Herren legten zum Zeichen des Grußes die Hand an den Helm, der Bastard von Waldeck aber ließ dabei zugleich das Visir herab, um auf jedes Ereigniß gefaßt zu seyn.

Der Herzog antwortete auf den dreifachen Gruß nur durch ein leichtes Nicken seines bloßen Kopfes.

Dann wendete er sich an den jungen Grafen und sagte mit dem herzgewinnenden Tone, der seine Stimme so wohlgefällig machte:

»Herr Graf, Ihr seyd ein tapferer und würdiger Edelmann, wie sie mein hoher Herr, der Kaiser Carl  V. liebt. Lange schon gedachte ich etwas für Euch zu thun; vor einer Viertelstunde bot sich eine Gelegenheit dazu, und ich benützte sie. Ich empfing soeben die Nachricht, daß ein Fähnlein von hundert Lanzen, das auf Befehl des Kaisers am linken Rheinufer zusammengebracht worden ist, in Speier steht; ich ernenne Euch zum Capitän desselben.«

»Gnädigster Herr,« stammelte der junge Mann erstaunt und freudig erröthend.

»Hier ist das Patent, von mir unterzeichnet und mit dem Reichssiegel bedruckt,« fuhr der Herzog fort, indem er von der Brust ein Pergament nahm, das er dem jungen Grafen reichte, »nehmt es und brecht augenblicklich ohne allen Verzug auf. Wir ziehen wahrscheinlich bald wieder in das Feld; ich werde Euch und eure Leute brauchen. Herr Graf, zeigt Euch der Gunst würdig, die Euch geschehen ist, und Gott behüte Euch!«

Die Gunst war in der That groß, auch gehorchte der junge Mann, ohne ein Wort einzuwenden, dem Befehle, den er erhalten hatte, verabschiedete sich von seinem Vater und seinem Bruder und sagte dann zu Emanuel:

»Gnädigster Herr, Ihr seyd in der That ein Richter, wie man Euch nennt, ein Richter für das Gute und das Schlechte. Ihr vertrauet mir, und euer Vertrauen wird gerechtfertigt werden. Gehabt Euch wohl!«

Der junge Graf setzte sein Pferd in Galopp und verschwand hinter der Waldecke.

Emanuel Philibert sah ihm nach, bis er ihn ganz aus den Augen verloren hattet dann richtete er einen strengen Blick auf den Grafen von Waldeck und sagte:

»Nun zu Euch, Herr Graf.«

»Gnädiger Herr,« unterbrach ihn der Graf, »erlaubt mir zuerst meinen Dank für die Gunst auszusprechen, die Ihr meinem Sohne erwiesen habt.«

»Sie verdient keinen Dank,« antwortete Emanuel kalt, »weil er derselben vollkommen würdig ist; Ihr habt aber gehört, daß er mich einen Richter im Guten und Bösen nannte; übergeht mir euren Degen, Herr Graf.«

»Meinen Degen? Und warum?«

»Ihr wißt, daß ich den Soldaten bei Ruthenstrafe oder Galgen, den Führern bei Gefängniß Rauben und Plündern verboten habe. Ihr habt gegen mein Verbot gehandelt, indem Ihr trotz den Vorstellungen eures ältesten Sohnes mit Gewalt in das Schloß Parcq eingedrungen seyd und das Gold, die Juwelen und das Silbergeschirr der Dame darin geraubt habt. Ihr seyd ein Dieb und Räuber, – übergeht mir euern Degen, Graf von Waldeck!«

Der Herzog hatte diese Worte gesprochen, ohne daß der Ton seiner Stimme erkenntlich sich veränderte; nur der Knappe und der Page sahen einander besorgt an, denn sie erriethen, was geschehen werde.

Der Graf von Waldeck erbleichte, aber, wie gesagt, es war für einen Fremden schwer, am Tone der Stimme Emanuel Philiberts genau zu erkennen, zu welchem Grade der Drohung sein Zorn gestiegen.

»Meinen Degen?« wiederholte Waldeck. »Wahrscheinlich habe ich etwas Anderes noch begangen, denn um so wenig wird einem Edelmanne der Degen nicht abgefordert.«

Und er versuchte verächtlich zu lachen.

»Ja,« antwortete Emanuel, »Ihr habt noch etwas Anderes begangen, aber ich schwieg darüber zur Ehre des deutschen Adels. Ihr wollet, daß ich rede, wohl, so hört: als Ihr das Gold, die Juwelen, das Silbergeschirr geraubt hattet, genügte das Euch nicht; Ihr ließet die Frau vom Hause am Fuße ihres Bettes anbinden und sagtet zu ihr: wenn Ihr mir nicht binnen zwei Stunden zweihundert Rosenobels übergeben habt, lasse ich das Schloß anzünden. Da Euch die arme Frau Alles gegeben hatte, was sie besaß, so war es ihr völlig unmöglich Euch die verlangten zweihundert Rosenobels zu geben; und Ihr ließet, trotz den Bitten eures ältesten Sohnes, das Pachthaus in Brand stecken, damit das unglückliche Opfer Zeit zum Nachdenken habe, ehe die Flammen das Schloß selbst ergriffen. Und Ihr werdet, das nicht läugnen, – man sieht von hier die Flammen und den Rauch. Ihr seyd Brandstifter, – übergebt mir euren Degen, Graf Waldeck.«

Der Graf knirschte mit den Zähnen, denn er begann zu errathen, welche feste Entschlossenheit in den so ruhigen, gemessenen Worten des Herzogs lag.

»Da Ihr über den Anfang so genau unterrichtet seyd,« sagte er, »werdet Ihr ohne Zweifel auch das Ende kennen.«

»Ihr habt Recht, ich weiß alles und ich sagte nicht alles, weil ich Euch – den Strick ersparen wollte.«

»Durchlaucht!« rief Waldeck in drohendem Tone.

»Schweigt!« gebot Emanuel Philibert, »achtet euern Ankläger und zittert vor eurem Richter. Auch das Ende will ich Euch nun vorhalten. Bei dem Anblicke der Flammen, die emporstiegen, trat euer Bastard, der den Schlüssel hatte, in das Gemach, in welchem die Gefangene gebunden lag. Die Unglückliche hatte nicht geschrien, als sie die Flammen gesehen, da ihr diese doch nur den Tod bringen konnten, sie schrie aber, als sie euern Bastard eintreten sah und er sie in die Arme nahm, denn ihr drohte Entehrung. Auf ihr Hilfegeschrei kam euer ältester Sohn herbei; er forderte seinen Bruder auf die Frau loszulassen, er hörte aber auf den Ruf der Ehre nicht, sondern warf die Frau gebunden auf das Bett und zog seinen Degen. Euer ältester Sohn zog den seinigen ebenfalls, da er entschlossen war, die Frau mit Gefahr seines eigenen Lebens zu retten. Die beiden Brüder griffen einander mit Ungestüm an, denn sie haßten einander schon lange. Da tratet Ihr selbst ein und da Ihr wähntet, eure Söhne kämpften um den Besitz der Frau, sagtet Ihr: » Das schönste Weib auf Erden ist nicht einen Tropfen Blutes aus den Adern eines Kriegers werth; legt die Waffen nieder, Jungen, ich werde Euch vereinigen.« Die Sühne senkten die Waffen; Ihr ginget an ihnen vorbei und beide sahen Euch nach, denn sie wußten nicht, was Ihr thun wolltet. Ihr tratet zu der Frau, die gefesselt auf dem Bette lag, und ehe einer von euren Söhnen Zeit hatte die schmachvolle Handlung zu verhindern, stießet Ihr ihr den Dolch in die Brust. Sagt nicht, es sey nicht also gewesen, denn euer Dolch ist noch feucht und eure Hände sind noch vom Blute geröthet; Ihr seyd ein Mörder, – übergeht euren Degen, Graf Waldeck!«

»Das ist leicht gesagt, Durchlaucht,« antwortete der Graf, »aber ein Graf von Waldeck würde Euch, Ihr mögts eine Krone tragen oder nicht, seinen Degen nicht übergeben, wäre er auch allein gegen Sieben; ich werde es also um so weniger thun, da ich meinen Sohn neben mir und vierzig Reiter hinter mir habe.«

»Wenn Ihr mir den Degen nicht gutwillig geben wollet, antwortete Emanuel mit geringer Veränderung im Tone, »so werde ich ihn mit Gewalt nehmen müssen.«

Er ließ sein Pferd einen Satz thun und befand sich nun dicht neben dem Grafen.

Dieser wurde von dem Pferde des Herzogs zu sehr beengt, als daß er hätte den Degen ziehen können, und er griff deshalb nach den Holftern, aber ehe er den Knopf aufgemacht hatte, der sie schloß, hatte Emanuel in die seinige gegriffen und ein Pistol hervorgezogen.

Die Bewegung erfolgte so blitzschnell, daß sie weder von dem Bastard des Grafen von Waldeck, noch von dem Knappen oder Pagen des Herzogs gehindert werden konnte. Emanuel Philibert drückte mit ruhiger und sicherer Hand das Pistol so nahe an dem Grafen ab, daß das brennende Pulver diesem das Gesicht verbrannte, während ihm die Kugel den Kopf zertrümmerte.

Der Graf konnte kaum einen Schrei ausstoßen; er breitete nur die Arme aus, sank langsam rücklings auf das Pferd, verlor den linken, dann den rechten Steigbügel und fiel dann schwer herunter.

Der Richter hatte gerichtet; der Graf war auf der Stelle todt.

Während des Vorgehenden hatte der Bastard von Waldeck in voller Rüstung unbeweglich da gehalten wie eine Reiterstatue, als er aber den Schuß hörte, als er seinen Vater fallen sah, stieß er einen Wuthschrei aus; dann rief er den erschrockenen Reitern zu:

»Cameraden zu mir! der Mann ist kein Deutscher. Nieder mit dem Herzog Emanuel!«

Die Reiter aber hielten ruhig und schüttelten nur den Kopf.

»Ah,« schrie da der Bastard, dessen Zorn höher und höher stieg, »Ihr weigert Euch den zu rächen, der Euch wie seine Kinder liebte und Euch mit Beute belud! Wohl, da Ihr feige Memmen und undankbar seyd, werde ich ihn rächen.«

Er zog sein Schwert, um sich auf den Herzog zu stürzen, zwei Reiter aber jagten zu ihm und faßten zu beiden Seiten den Zügel, während ein Dritter ihn selbst festhielt.

Er sträubte sich und überschüttete seine Gegner mit Schimpfworten.

Der Herzog sah mit Bedauern zu; er begriff die Verzweiflung des Sohnes, der seinen Vater zu seinen Füßen hatte fallen sehen.

»Durchlaucht,« fragten die Reiter, »was soll mit dem Mann geschehen?«

»Lasset ihn frei,« antwortete der Herzog, »wenn ich ihn verhaften ließe, da er mich bedroht hat, könnte er glauben, ich fürchte mich.«

Die Reiter entwanden dem Bastard das Schwert und ließen ihn los.

Er spornte sein Pferd heftig, daß es in einem gewaltigen Satze bis dicht an Emanuel Philibert flog.

Dieser hatte die Hand an dem zweiten Pistol und erwartete ihn so.

»Emanuel Philibert, Herzog von Savoyen, Fürst von Piemont,« rief der Bastard von Waldeck indem er drohend die Hand nach ihm ausstreckte, »Du verstehst wohl, daß von heute an Todfeindschaft zwischen Dir und mir besteht? Emanuel Philibert, Du hast meinen Vater getödtet,« – er schlug das Visir seines Helmes auf – »betrachte mein Gesicht genau; so oft Du es sehen wirst, in der Nacht oder am Tage bei einem Feste oder im Kampfe… Wehe, Wehe Dir, Emanuel Philibert!«

Er riß darauf sein Pferd herum, jagte im Galopp davon, schüttelte seine Hand, als wolle er noch einen Fluch gegen den Herzog schleudern und rief zum legten Male:

»Wehe!«

»Elender!« brummte der Knappe Emanuels, indem er seinem Pferde die Sporen gab, um ihn zu verfolgen; der Herzog machte aber eine gebieterische Bewegung mit der Hand und sagte:

»Keinen Schritt weiter, Scianca-Ferro! Ich verbiete es!«

Er wendete sich dann zu dem Pagen, der todtenbleich auf dem Pferde saß, als müsse er herunter fallen.

»Was ist das, Leon?« fragte er, indem er ihm die Hand reichte, »wahrhaftig, ich könnte Dich für ein Mädchen halten, wenn ich Dich so bleich und zitternd neben mir sehe.«

»Ach, theurer Herzog,« antwortete der Page, »sagt mir, daß Ihr nicht verwundet seyd, oder ich sterbe.«

»Kind, « entgegnete der Herzog, »stehe ich nicht in Gottes Hand?«

Zu den Reitern sagte er, indem er auf den todten Grafen zeigte:

»Freunde, gebt dem Manne ein christliches Begräbniß und möge die Gerechtigkeit, die ich an ihm geübt habe, Euch als Beweis dienen, daß es in meinen Augen wie in den Augen Gottes weder Große noch Kleine gibt.«

Er winkte Scianca-Ferro und Leon und kehrte mit ihnen nach dem Lager zurück, ohne daß sich in seinem Gesichte eine andere Spur von dem schrecklichen Ereignisse, das geschehen war, zeigte, als die gewöhnliche Runzel auf seiner Stirn, die sich nur ein wenig tiefer gegraben zu haben schien.

Der Page des Herzogs von Savoyen

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