Читать книгу Der Pastor von Ashbourn - Александр Дюма - Страница 12

Erster Band
XII.
Huf welche Weise sich das leere Hans möblirte

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Wie war jetzt diese würdige Frau gestorben? Das ist es, wonach mich zu erkundigen ich vorher nicht gedacht hatte: ich hatte ihre Leiche vor Augen, ich konnte nicht an diesem Unglücke zweifeln, ich hatte nicht nöthig, mehr darüber zu wissen.

Aber als man mich von ihr zu trennen kam, – als ich sie verließ, um sie nicht mehr wiederzusehen, erkundigte ich mich.

Am Tage vorher, bei der Rückkehr von dem Kirchhofe, wo sie ihr tägliches Gebet auf dem Grabe ihrer Töchter verrichtet, hatte sie auf der Schwelle ihrer Thür einen Anfall von Schlagfluß gehabt, der sie auf der Stelle getöhtet. Das Gerücht von diesem Tode hatte sich verbreitet, und sogleich waren die Verwandten herbeigeeilt, und, während die Leiche noch da war, vor ihrem aufgedeckten Gesichte, hatten sie sich in diese schöne Wäsche, dieses schöne kupferne Küchengeschirr und dieses schöne Silberzeug getheilt, das mein Eigenthum werden sollte.

Die Karren waren schon vor der Thür, bereit, das Erbe zu den verschiedenen Erben zu bringen.

Uebrigens, mein lieber Petrus, glauben Sie das, was ich Ihnen sagen werde; ich habe mich bis jetzt offenherzig genug vor Ihren Augen geschildert, so daß Sie hoffentlich nicht an meinem Worte zweifeln. Wenn ich in den verächtlichen Theilen des Herzens einiges Bedauern über alle diese schönen Sachen empfand, die mir entgingen, so wurde es schnell unter dem edlen und wirklichen Schmerze erstickt, den mir dieser Tod einflößte.

Das Begräbnis, sollte um fünf Uhr Abends stattfinden. Da man meine Ankunft nicht wußte, so hatte man den Pastor von Wirksworth für das Leichenbegängniß entbieten lassen: alle Erben hatten Eile, Ashbourn zu verlassen; jeder wollte noch am selben Abende mit der Todesbeute nach Haus zurückgekehrt sein.

Dieser Pastor war ein Mann von sechszig bis fünfundsechzig Jahren, mit sanftem und freundlichem Gesicht; er begrüßte mich als seinen Amtsbruder, indem er mir sagte, daß er von den Leuten des Dorfes so viel Gutes über mein Talent und über meine Person hätte sagen hören, daß er deshalb ein großes Verlangen getragen mich zu sehen.

Er lud mich demzufolge ein, ihn in seinem kleinen Hause in Wirksworth zu besuchen, das er seit seiner Geburt bewohnte.

Er war verheirathet und hatte eine ’Frau und eine Tochter.

Ich war durch diese Complimente und diese Einladung weniger geschmeichelt, als ich es unter einem andern Umstande gewesen wäre; alle meine Geisteskräfte waren durch den unermeßlichen Schmerz in Anspruch genommen, den ich über den Verlust dieser würdigen Madame Snart empfand.

Ich drückte daher einfach und allein Herrn Smith die Hand, indem ich einige Worte des Dankes stammelte; hierauf wandte ich mich wieder um, um zu weinen: die Thränen erstickten mich.

Ich hörte ihn murmeln:

– Guter junger Mann! . . . man hatte mich nicht getäuscht.

Es schlug fünf Uhr; die Träger nahmen die Leiche; Herr Smith und ich gingen ihr voraus, die Erben und die Leute des Dorfes folgten ihr.

Das Auffallende dabei war, daß die wahrhaft Betrübten die aller Verwandtschaft und jedem Interesse fremden wackeren Leute des Dorfes waren.

Die Erben gingen, indem sie sich mit einer fast Aergerniß erregenden Gleichgültigkeit mit einander unterhielten.

Man weiß, wie einfach unsere Leichenbegängnisse sind: kein Priestergepränge, keine, frommen Gesänge; – nur Gebete.

Nach einer Station in der Kirche, trug man die Leiche daher auf den Friedhof.

Wenn es mir nicht durch das gegrabene Grab angedeutet gewesen wäre, so hätte ich dennoch den Ort erkannt, wo die würdige Frau während der Ewigkeit ruhen sollte.

Es war der Mittelpunkt dreier Gräber, welche alle drei weit eher das Ansehen eines freundlichen Gartens, als das eines Leichenbettes hatten. Das eine, – das der Aeltesten, – war ganz duftend von Rosen; das zweite, – das der Jüngeren, – verschwand unter Immergrün; – das dritte,– und es war das der Jüngsten, eines armen Kindes von sieben Jahren, welches das Almosen in die Hand der Bettlerin gedrückt hatte, und die, zuerst befallen, zuerst ihre Engelsflügel geöffnet hatte, um gen Himmel zu fliegen, – das dritte war mit Veilchen bedeckt.

Seit dem Tode ihrer drei Töchter brachte Madame Snart täglich dort eine Stunde zu, indem sie die Blumen, die sie auf ihre Gräber gepflanzt hatte, pflegte und begoß, und ihre letzte Wohnung in diesem geheiligten Triangel vorbereitete.

Der mit so vieler Ungeduld von ihr erwartete Tag war endlich gekommen: ein Grab war gegraben worden und erwartete sie.

Herr Smith und ich verrichteten ein Gebet über diesem bescheidenen Sarge, welcher, als das Gebet beendigt, auf den Stricken gleitend und die engen Wände der Gruft schlagend, hinunter sank. Bald meldeten die knarrend wieder heraufkommenden Stricke, daß der Sarg den Grund berührt hätte; ein letztes Gebet wurde durch diese Todtengruft der Leiche zugesendet, die bereits in dem Schatten der Ewigkeit schwebte; dann rollte unter dem Spaten des Todtengräbers die erste Schaufel voll Erde, die auf den Sarg mit jenem so dumpfen Klange fiel, daß der, der ihn ein Mal gehört hat, ihn niemals vergißt; dann kamen die anderen weniger geräuschvollen Schaufeln; dann endlich erhob das gefüllte Grab über dem Grase jenen grauen Hügel, der außerhalb der Erde an die Form des Sarges erinnert, den man in seinen Eingeweiden begraben hat.

Ich hatte Lust, auf diesem Grabe einige Worte des Abschiedes auszusprechen, aber in dem Augenblicke, wo ich den Mund öffnete, erstickte Schluchzen meine Stimme.

Dieses Schluchzen sagte mehr, als die beredteste Leichenrede gesagt hätte.

Wenn ich hätte sprechen können, so ist hier das, was ich ohngefähr gesagt hätte:

– Fromme Frau! edles Herz! glückselige Seele! der Tod, den Du ohne Ungeduld, wie ohne Schrecken erwartetest, hat Dich endlich heimgesucht, um Deine Schmerzen zu beruhigen, Deine Leiden und Deine Besorgnisse zu beendigen . . . In diesem Augenblicke, gute Mutter, hast Du Deine drei Kinder wiedergefunden; der Anblick ihrer Leichenkränze läßt Deine Thränen nicht mehr fließen, denn diese Kränze leuchten frisch, duftend, unsterblich auf ihrer Engelsstirn. Der, welcher weint, bin ich, der Dich überlebt hat. Der noch nicht weiß, was das Leben ihm für Wonnen und für Schmerzen vorbehält, und der ich mich, glückselige Frau, auf Deine Gebete verlasse, um von mir die Bangigkeiten abzuwenden, die Du erlitten hast, oder, wenn Du sie nicht abwenden kannst, mir wenigstens die Kraft zu verleihen, sie zu ertragen, wie Du sie selbst ertragen hast! . . .

Das ist es, was ich laut gesagt hätte; das ist es, was ich leise stammelte.

Schweigend, ohne ein einziges Wort auszusprechen, kehrte ich auf den Arm des würdigen Herrn Smith gestützt zurück.

An dem Thore des Friedhofes zerstreute sich das Gefolge; die Erben allein blieben in einer Gruppe, und erreichten das Haus wieder, indem sie den Schritt beschleunigten.

Wie ich gesagt, hatten sie Eile, das Dorf zu verlassen, indem Jeder das mitnahm, was ihm zukam.

Als ich gleichfalls ankam, konnte ich daher auch die letzten, mit Möbeln beladenen Karren um die Ecke der Straße fahren sehen.

– Werde ich mit Ihnen eintreten, oder Sie hier verlassen, mein Amtsbruder? fragte Herr Smith.

– Ich danke für Ihr Anerbieten, antwortete ich ihm, aber ich habe das Bedürfniß, allein zu sein . . .

–Dann umarmen Sie mich, sagte er, und erinnern Sie sich, daß Sie eine Meile weit von hier, in dem Dorfe Wirksworth, einen Freund haben.

Wir umarmten uns; hierauf entfernte er sich, nachdem er mir die Hand gedrückt.

Ich wartete auf der Schwelle, bis daß ich auch ihn hatte verschwinden sehen, und nun betrat ich das einsame, leere und auf seine vier Wände beschränkt? Haus.

– Nein, mein lieber Petrus, in meinem Leben hatte ich nicht, noch werde ich wahrscheinlicher Weise jemals ein solches Gefühl der Traurigkeit, der Verlassenheit, der Einsamkeit empfinden. Alle Thüren und alle Fenster standen offen; man fühlte, daß der Tod hier durchgekommen war, und daß sich vor diesem unumschränkten Gebieter, wie vor einer geheiligten Majestät, Thüren und Fenster geöffnet hatten.

Stumm, und selbst gleich einem Schatten, irrte ich überall herum.

Ein einziger Schemel, von zu geringem Werthe gehalten, um mitgenommen zu werden, war in einer Ecke geblieben, und lehnte sich wackelnd an die Wand. – Dieser Schemel und das Fernrohr meines Großvaters, des Bootsmannes, war der Anfang meines zukünftigen Mobiliars, und mit einer Guinee und einigen in meiner Tasche verlorenen Schillingen war das Alles, was ich auf der Welt besaß.

Ich verschloß die Thüren und die Fenster; ich trug meinen Schemel in das Zimmer der Wittwe, lehnte ihn an die Wand, an dieselbe Stelle, wo ihr Bett stand und setzte mich darauf, indem ich flüsterte:

– O! wie Du Recht hattest, junges Mädchen, als Du von Deinen sterbenden Lippen jene letzten Worte fallen ließest: » Der Mensch ist nur ein Fremdling auf Erden!«

Die Dunkelheit senkte sich vom Himmel herab; sie erfüllte das Innere des Hauses, und bald befand ich mich nicht allein in der Einsamkeit, sondern auch noch in der Finsterniß.

Es lag mir wenig daran! denn so dunkel und so einsam dieses Haus auch war, mein Herz war sicher, immer noch weit leerer und weit dunkler als dasselbe zu bleiben!. . .

Am folgenden Morgen klopfte man mit Tagesanbruche an die Hausthür.

Ich erhob mich von meinem Schemel, auf welchem ich am Ende gegen ein Uhr Morgens eingeschlafen war, und machte die Thür auf.

Der, welcher anklopfte, war der Schulmeister.

Ich gab ihm einen Wink einzutreten und blieb in dem Eßzimmer stehen, indem ich erwartete, daß er mir den Grund seines frühen Besuches erklärte.

Der wackere Mann schien sehr verlegen; er drehte seinen Hut in seinen Händen und stammelte unverständliche Worte.

Ich ermuthigte ihn, indem ich lächelte und mich entschuldigte, ihm keinen Stuhl anzubieten, weil die Erben als einziges Möbel nur den Schemel zurückgelassen hätten, auf dem ich die Nacht zugebracht.

– Und das ist gerade die Ursache meines Besuches, Herr Pastor, sagte er. Die Leute des Dorfes wissen, daß Madame Snart, die Sie als Mutter angenommen hatten, Sie als ihren Sohn betrachtete und Sie zu ihrem Erben machen wollte. . . Der Tod hat sie unvorbereitet überrascht, ohne daß die würdige Frau die Zeit gehabt hätte, weder eine Schenkung, noch ein Testament zu schreiben, so daß Sie jetzt hier ohne einen Vorhang, ohne einen Stuhl, ohne eine Matratze sind.

– In der That, mein Freund, sagte ich, wenn ich Ihnen meine Armuth auch verbergen wollte, so vermöchte ich es nicht.

– Nun denn! Herr Pastor, begann der Schulmeister wieder, indem er immer dreister wurde, hier ist mit Ihrer Erlaubniß das, was sie beschlossen haben . . .

– Wer das?

– Ihre Pfarrkinder . . . Gestern Abend haben sie sich also versammelt und beschlossen, daß jeder je nach seinen Mitteln Ihnen einen Theil seiner kleinen Haushaltung anbieten sollte: dieser die Bettstatt, jener den Pfühl, der Eine die Matratze, ein Anderer die Betttücher, ein Anderer die Vorhänge; der Tischler wird Ihnen einen Tisch liefern; der Drechsler wird Ihnen Stühle geben, und so fort, Herr Pastor.

– Wie! rief ich aus, diese wackeren Leute haben das beschlossen?

– Ja, Herr Pastor, immer vorbehältlich Ihrer Erlaubniß, und heute Morgen haben sie mich an Sie abgesandt, indem sie zu mir sagten: »Benachrichtige den Herrn Pastor von unserer Absicht, und mache ihm wohl bemerklich, daß das, was wir ihm anbieten, von keinem großen Werthe ist, wir wissen es, aber daß es mit gutem Herzen angeboten ist.«

– Vortreffliche Leute! rief ich aus; wo sind sie denn, damit ich ihnen danke?

– Ah! sie sind zu Haus, indem sie ein Wort der Erlaubnis, erwarten, um Alle herbeizueilen, Ihnen ihre kleine Gabe anzubieten . . . Nur zwei oder drei befinden sich auf dem Marktplatze, wo sie das Ansehen haben, sich zu unterhalten . . . Ich will ihnen einen Wink geben, daß Sie es annehmen, nicht wahr, Herr Pastor?

– Nicht doch!

– Wie! Sie schlagen es aus?

– Im Gegentheile, ich will ihnen selbst sagen, wie sehr ich dankbar bin.

Indem ich hierauf nach der Thür eilte und die Arme öffnete, rief ich ihnen mit Thränen in den Augen zu:

– Kommt, kommt! Ich nehme es an! ich nehme es von ganzem Herzen und mit großer Freude an, und ich lege ein öffentliches Zeugniß der Armuth ab, damit Ihr wißt, daß Euer demüthiger Pastor nichts Eigenes hat, und daß Alles, was er besitzt, Euch gehört.

Ich hatte noch nicht ausgesprochen, als die drei Männer des Marktplatzes unter Freudengeschrei in drei verschiedenen Richtungen davon eilten.

Fünf Minuten nachher kam aus jeder Thür ein Mann, eine Frau oder ein Kind heraus. Keiner hatte leere Hände, Alle gingen nach dem Pfarrhause.

Mein Herz war mit Freude und mit Stolz erfüllt, und ich sagte mir im Stillen, – ich bitte Gott und Sie darüber um Verzeihung, mein lieber Petrus:

– Ich habe also einigen Werth, daß man mich so liebt? . . .

Ich schloß die ersten, welche erschienen, in meine Arme; ich umarmte sie, Männer, Frauen, Kinder, wie ich meine Brüder, meine Frau und meine eigenen Kinder umarmt hätte.

– Jetzt, Herr Pastor, sagte der Schulmeister zu mir, müssen Sie sie handeln lassen, ihnen das Pfarrhaus überlassen, und mit mir zum Frühstück kommen. Leider bin ich einer der ärmsten, und ich habe Ihnen nur das Frühstück geben können: aber meine Frau und meine Tochter haben sich alle beide daran gemacht, und sie zu zwei werden Ihnen vielleicht am Ende irgend etwas zubereiten, das nicht zu unwürdig ist, Ihnen angeboten zu werden.

Ich gehörte mir nicht mehr an, ich gehörte diesen wackeren Leuten; ich ließ daher mit mir schalten. Da ich nicht mehr sprechen konnte, so sehr erstickten mich die Thränen, so dankte ich ihnen durch Zeichen und folgte dem Schulmeister.

Wie der wackere Mann gesagt, sein Haus war eines der ärmsten des Dorfes; wir frühstückten aus irdenem Geschirr und mit zinnernen Löffeln, aber ich zweifle, daß ich selbst an der Tafel des Königs von England ein eben so gutes Mahl gehalten hätte.

Während des Frühstücks stand mein Wirth zwei oder drei Mal auf, um Berathungen mit dem einen oder anderen meiner wackeren Pfarrkinder zu halten. Er hatte mich gebeten, nicht eher nach Haus zurückzukehren, als bis er mir sagen würde, daß es Zeit dazu sei. Ich erwartete daher seine Meldung, indem ich mich mit seiner Tochter und seiner Frau unterhielt.

Gegen elf Uhr öffnete sich die Thür der armen Hütte. Die beiden ältesten Greise der Gemeinde erschienen in ihren Sonntagskleidern auf der Schwelle.

– Wenn der Herr Pastor jetzt kommen will, sagten sie, wir erwarten ihn.

Ich ging hinaus. Das ganze Dorf war längs der Straße in zwei Reihen aufgestellt; der Boden war mit grünen Blättern und mit Blumen bestreut, wie man es an den Tagen großer Kirchenfeierlichkeiten macht; meine Thür selbst war ganz mit Zweigen und geflochtenen Blumenkränzen beschattet.

Das war der Triumph des Bescheidenen.

Ich blieb auf der Schwelle stehen, indem ich sie Alle einlud einzutreten; aber mit einem außerordentlichen Zartgefühl schlugen sie es aus.

– Wir danken, Herr Pastor, sagten sie; wir haben mit großem Vergnügen den dritten Theil des Tages für Sie verloren; aber Jeder muß an seine Arbeit zurückkehren, die Einen auf die Felder, die Anderen in die Werkstatt. Kehren Sie nach Haus zurück, und verzeihen Sie uns, wenn wir es nicht besser gemacht haben.

Ich umarmte die beiden Greise, und indem ich mich an alle diese wackeren Leute wandte, sagte ich zu ihnen:

– Freunde, Ihr habt für mich Etwas gethan, das ich niemals vergessen, und wofür ich Euch eine ewige Dankbarkeit erhalten werde . . . Geht in dem Frieden Eures Bewußtseins und unter der Obhut des Herrn!

Alle dankten mir einstimmig und entfernten sich weit zufriedener und weit glücklicher, als ich es vielleicht selbst war; denn ich hatte empfangen, wahrend sie gegeben hatten.

Ich trat in das Haus; zwei Stunden hatten hingereicht, um es gänzlich zu verändern. Ich hatte es traurig und leer verlassen, ich fand es heiter und möblirt wieder.

Ich fing mit dem Speisezimmer an. In der Mitte stand ein runder, mit einer feinen Matte bedeckter Tisch; um den Tisch herum standen sechs Strohstühle, an der Wand ein Schrank von Nußbaumholz; in diesem Schranke befanden sich Gläser, Krüge von Steingut, Fayencen mit Blumen und Vögeln; – alles das ohne Zweifel nicht kostbar, aber sauber, freundlich und glänzend.

In den Schubladen befanden sich zwölf Couverte von Zinn, welche wie Silber glänzten.

Vor den Fenstern hingen schneeweiße Vorhänge, die von baumwollenen Schnüren zurückgehalten waren.

Ich ging, indem ich die Hände faltete und zugleich Gott und diesen wackeren Leuten dankte, in das Schlafzimmer.

Ein gutes Bett erwartete mich dort; zwei große Sessel öffneten mir ihre Arme; eine Kommode mit einem kleinen Spiegel darüber stand dem Bette gegenüber, und sechs große Vorhänge von Baumwollenzeug machten das Amöblement vollständig, indem zwei von dem Himmel des Bettes und vier von den Fensterstangen herabfielen.

Ich ging in die Küche hinab; nichts fehlte darin, und dennoch, indem ich einen Gedanken zurückwarf, bedauerte ich die drei oder vier Kasserole und die beiden Kessel, die mir mein Wirth angeboten und die ich ausgeschlagen hatte.

Aus der Küche ging ich in das kleine Zimmer hinauf, das ich während der beiden Reisen bewohnt hatte, die ich nach Ashbourn gemacht; es war von den wackeren Leuten in ein Arbeitszimmer verwandelt worden, an dessen Wand sich ein mit Federn, Tinte, Federmesser, Linealen, Bleistiften und Papier bedeckter Schreibtisch lehnte.

Das Papier war prachtvoll.

– O, rief ich aus, nicht später als morgen werde ich mein großes Werk ansangen! . . . Morgen, fügte ich hinzu, warum morgen, und nicht auf der Stelle? . . .

Demzufolge nahm ich einen Stuhl, stellte ihn vor den Schreibtisch, setzte mich, schnitt eine Feder, und schrieb auf die erste Seite:

»Abhandlung über die vergleichende Philosophie.«

Aber ich hatte zu sehr auf die Kraft meiner Seele und die Klarheit meines Kopfes gerechnet. Die Ereignisse, die sich zugetragen, hatten mich zu sehr aufgeregt; ich hatte in diesem Augenblicke offenbar nicht die Kraft, meine Ideen zu ordnen und ihnen eine Richtung zu geben; zerstreut und unschlüssig bei dem Anblicke des Todes, wie bei dem Erblicken des Wolfes erschreckte Schafe, mußte ich ihnen die Zeit lassen, sich zu sammeln und zu beruhigen. Einstweilen klammerte sich jeder meiner Gedanken an Etwas an: an die drei mit Rosen, Immergrün und Veilchen bedeckten Gräber, in deren Mitte sich ein viertes Grab geöffnet hatte; – an die abscheuliche Gleichgültigkeit dieser Erben, die einem Leichenzuge mit demselben Gesicht gefolgt waren, das sie bei einer Hochzeit gemacht hätten; – die meisten gruppirten sich, wie Bienen sich um blühende Zweige gruppiren, an die Güte dieser wackeren Leute, die mir in ihrer Mitte ein so gutes und freundliches Nest bereitet hatten. Ich ging in meinem Gedächtnisse alle meine Reichthümer durch; sie stellten sich meinen Augen wieder vor, dann erinnerte ich mich dessen, was mir meine gute Mutter bei meiner zweiten Reise von meiner Jugend, von dem Alleinsein meines Herzens, von dem Bedürfnisse gesagt hatte, das ich nach einer Gefährtin empfinden würde. Ich sagte mir, daß ich mich in der That, so heiter das Haus auch geworden war, so freundlich sein Mobiliar auch war, welche Liebe ich auch für meine Pfarrkinder hegen, welche Zuneigung sie mir auch erwiedern möchten, immer zu gewissen Stunden des Tages mit mir selbst allein befinden würde; ich fragte mich, was ich mit dieser Haushaltung anfangen sollte, die vielleicht ein wenig beschränkt für zwei Personen, aber zuverlässig zu beträchtlich für eine einzige war. Wer würde über die Ordnung des Hauses wachen? Wer würde sich um die Mahlzeiten bekümmern? Wer würde mich bei meiner Rückkehr von meinen Gängen, entweder in dem Dorfe oder in der Umgegend, mit jenem vergnügten Gesicht erwarten, welches mit weit rascherem Schritte den nach Hause zurückführt, der von ihm entfernt war? Sollte ich mit alle dem eine Fremde beauftragen? Ach, mit einer Fremden in dem Hause würde das Haus nur um so leerer und mein Herz um so einsamer sein!

Ich ließ die Feder meiner Hand entfallen; ich stieß einen Seufzer aus, und indem ich fühlte, daß das Blut mir in die Brust und in das Gesicht stieg, ging ich das Fenster aufzumachen, um freier zu athmen.

Am folgenden Tage würde mein Geist ruhig sein und Nichts sich dem widersetzen, daß ich mich an meine Abhandlung der vergleichenden Philosophie machte.

Der Pastor von Ashbourn

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