Читать книгу Der Pastor von Ashbourn - Александр Дюма - Страница 3

Erster Band
III.
Erster Rath meines Wirthes, des Kupferschmieds

Оглавление

Ich habe Ihnen in meinem letzten Briefe gesagt, mein lieber Petrus, daß der Tod meiner Mutter für mich ein , unermeßlicher Schmerz, aber daß der meines Vaters zugleich ein unermeßlicher Schmerz und eine außerordentliche Verlegenheit gewesen war.

Ich habe Ihnen ferner gesagt, daß mein Vater nicht reich war; bei seinem Tode bemerkte ich, daß er nicht allein nicht reich war, sondern auch noch daß er arm, mehr als arm, – in dem Elende war!

Obgleich von einem strengen und frostigen Aeußern, hatte mein Vater doch ein nachsichtiges und gutes Herz. Die Armen, mit denen er bei der Ausübung seines Amtes zu thun hatte, wußten es wohl und liebten ihn nicht ohne Grund. Wenn er von der Höhe der evangelischen Kanzel gegen die selbstsüchtigen, geizigen, gefühllosen Herzen donnerte, so geschah es, weil sein Geldbeutel leer war; so geschah es, weil, da er überall um sich herum Unglück sah, das er nicht erleichtern konnte, sein Unwille gegen die überströmte, welche Gott reich gemacht hat, damit sie die zweite Vorsehung der Armen wären, und die, indem sie ihr Herz den Klagen der Unglücklichen verschließen, auf eine unwürdige Weise gegen die Sendung fehlen, die sie vom Himmel erhalten haben.

Mein Vater konnte in der That nicht zwei gefaltete Hände sehen, ohne sie durch ein Almosen zu öffnen, indem er nicht bedachte, daß er der erste Bedürftige seiner Gemeinde wäre. Seine Güte in dieser Beziehung war so sehr bekannt, daß ein armer Weber unseres Dorfes, der für sechszig Pfund Sterling Hanf, Flachs und Garn bei einem Handelsmanne in Nottingham gekauft hatte, und der durch das Abbrennen seines Hauses Alles verloren hatte und den Handelsmann nicht bezahlen konnte, der ihm die Waare geliefert, von diesem Handelsmanne verklagt und für diese Schuld verhaftet, sich, von den Gerichtsdienern begleitet, achtzehn Monate vor seinem Tode zu meinem Vater hatte führen lassen, – obgleich er wohl wußte, daß mein Vater diese Summe nicht zu seiner Verfügung hätte; – aber er rechnete auf das, was sich ereignete: nämlich daß mein Vater, von Mitleiden bewegt, mit ihm nach der Stadt aufbrach, damit anfing, zu versuchen, den Handelsmann zu erweichen, und als er sah, daß es ihm nicht gelang und der arme Weber in das Gefängniß geführt werden sollte, für ihn bürgte, indem er sich anheischig machte, jährlich vier Pfund Sterling zu bezahlen, ein Versprechen, das er so lange als er lebte, pünktlich hielt, so daß er bei seinem Tode bereits sechs Pfund von den sechszig bezahlt hatte.

Diese Armuth machte, daß der Geschäftsmann, an den ich mich wandte, nachdem er die Lage untersucht hatte, mir den Rath ertheilte, die Erbschaft nur unter der Begünstigung des Inventariums anzunehmen, was ich durchaus verweigerte, da es mir, wenn ich so handelte, geschienen hatte, dem Andenken meines Vaters einen Schimpf zuzufügen. Ich lud daher die Gläubiger, die mein Vater in dem Dorfe haben konnte, ein, ihre Rechtsansprüche vorzulegen, und da, als das Leichenbegängniß begangen und dem würdigen Manne die letzten Ehren erwiesen worden waren, nur noch elf Schilling in dem Pfarrhause übrigblieben, so ließ ich unser ganzes armseliges Mobiliar verkaufen, mit Ausnahme von dem Fernrohre meines Großvaters, des Bootsmannes, von dem mich niemals zu trennen meine Mutter mich hatte versprechen lassen, in welche Roth ich auch versinken möchte, indem sie dasselbe nicht allein als eine Familienreliquie, sondern auch noch als einen Talisman des Glückes betrachtete.

Als das ganze Mobiliar verkauft war, fand es sich, daß ich sechs Pfund Sterling vor mir hatte, aber daß ich dem Handelsmanne in Nottingham vierundfünfzig schuldig war.

Vielleicht hätte ich diese Schuld, die meinen Vater nicht persönlich anging, streitig machen können; aber, wie ich gesagt habe, ich wollte nicht, daß nur der Schatten eines Fleckens auf seinem Andenken bliebe. Ich übernahm seine Schuld unter denselben Bedingungen, und ich verpflichtete mich an seiner Stelle, – obgleich es von mir, der ich durchaus Nichts besaß, nicht sehr klug war, mich zu verpflichten, jährlich vier Pfund Sterling zu bezahlen, besonders wo die Urkunde über diese Schuld die Bedingung enthielt, daß bei dem Ausbleiben der Zahlung zwei Jahre hinter einander die ganze Summe acht Tage nach dem Ausbleiben der Zahlung dieses zweiten Jahres auf einen einfachen Befehl eingefordert werden könnte.

Aber trotz meiner getauschten Hoffnungen in der epischen und in der dramatischen Poesie, hoffte ich immer noch zur Berühmtheit und zum Vermögen dadurch zu gelangen, daß ich einen der tausend Zweige der Literatur wählte, die ich noch nicht versucht hatte, und die immer zu meiner Verfügung bleiben würden, sobald mein Genie geruhte, sich bis zu ihnen herabzulassen.

Ich glaubte daher diese Verbindlichkeit übernehmen zu können und übernahm sie ohne Furcht; dann, da ich am Ende, – bis daß ich das große Werk schriebe, das meinen Namen berühmt machen und mein Vermögen begründen sollte, – irgend einen Stand annehmen mußte, so wählte ich den, den mein Vater auf eine so würdige Weise ausgefüllt hatte; ich nahm die Weihe, was nur eine einfache Förmlichkeit war, da alle meine klassischen und theologischen Studien unter der Leitung des tugendhaften Mannes gemacht worden waren, den ich beweinte, und der, nachdem er für alle meine Bedürfnisse während seines Lebens gesorgt, noch meine Zukunft nach seinem Tode sicherte.

Aber es war nicht Alles, die Weihe erhalten zu haben, ich mußte auch noch, damit diese Weihe mir zu etwas diente, zu irgend einer Pfarrstelle gelangen, so klein und so schlecht bezahlt sie auch sein möchte. Ich war dermaßen gewöhnt, mit Wenigem zu leben, daß, ich war überzeugt davon, diese Pfarrstelle für meine Bedürfnisse hinreichend sein und mir noch das Mittel gewähren würde, dem Handelsmanne in Nottingham die Schuld abzutragen, die mein Vater gegen ihn eingegangen, um den armen Weber von Beeston aus der Verlegenheit zu ziehen, auf den ich außerdem nicht rechnen durfte, um mir zu helfen, da der würdige Mann gerade einen Monat nach meinem Vater gestorben war.

Uebrigens zweifelte ich nicht, daß, sobald man wissen würde, daß ein Mann, der Hoffnungen wie die meinigen bot, einwilligte, Dorfpastor zu sein, der Rector von Nottingham, von dem alle Pfarrstellen der Umgegend abhingen, sich beeilen würde, mir die Wahl unter denen zu lassen, welche offen ständen.

Man muß gestehen, daß mein Ehrgeiz nicht übertrieben war: ich war durch das Lesen der griechischen und lateinischen Schriftsteller aus dem Jahrhunderte des Perikles und dem Jahrhunderte des Augustus gebildet, und ich las sie mit mehr Leichtigkeit, als die englischen Schriftsteller des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts; ich sprach französisch und deutsch wie meine Muttersprache; ich hatte einen gewissen natürlichen Verstand, verbunden mit einer hochmüthigen Treuherzigkeit, die mich offen meine Hoffnungen aussprechen ließ, so lächerlich sie auch sein mochten; endlich hatte ich in Ermangelung praktischer Studien so viel gelesen, so viel behalten, so sehr die Jahrhunderte mit, den Jahrhunderten und die Menschen mit den Menschen verglichen, daß ich glaubte, zu einer gründlichen Kenntniß der Menschheit gelangt zu sein, einer Kenntniß, welche mir erlaubte, auf der Tiefe der Herzen den wirklichen und wahren Grund aller Handlungen dieser Welt zu erforschen, wären sie auch in die dichtesten Schleier der Selbstsucht, in die dunkelsten Falten der Heuchelei gehüllt.

In der Berechnung und in der Theorie, mein lieber Petrus, waren meine Schlüsse in der That vollkommen; aber sobald ich von der Theorie zu der Praxis übergehen mußte, verwirrte mich der Anblick der Leute, mit denen ich zu thun hatte, gänzlich. Die Einsamkeit meiner Jugend, in welcher ich alle die erhabenen Ideen geschöpft hatte, mit deren Hilfe ich in der Stille und der Sammlung der Arbeit meinen Namen zu verherrlichen und mein Glück zu machen gedachte, war unvermögend gewesen, mich zu dem Umgange mit den Menschen zu bilden; meine in der Ruhe der Ueberlegung gefaßten Entschlüsse verschwanden, die Logik meines Unheiles verlor sich unter dem Erbeben meiner Lippen und dem Stammeln meiner Stimme, und, der Gefahr gegenüber, der ich aus der Ferne Trotz geboten, sie bekämpft, durch meine siegreiche Logik überwunden hatte, fand ich nur Redensarten ohne Kraft, Worte ohne Werth, kurz eine gänzliche Machtlosigkeit, unfähig anzugreifen, noch mich zu vertheidigen.

Und was es wirklich Unglückseliges für mich bei dieser bedauernswerthen Beschaffenheit meines Temperamentes gab, ist, daß ich, da ich trotz alledem das Gefühl meines eigenen Werthes, und demzufolge das Bewußtsein meiner geistigen Ueberlegenheit gerade über die hatte, welche mich so niederbeugten, meine Niederlage nicht ihrem wahren Grunde, das heißt einer unüberwindlichen Schüchternheit zuschreiben konnte, oder vielmehr nicht wollte; sondern ich suchte im Gegentheile eine fremde, meiner Eigenliebe schmeichelnde Ursache, die vor dem Lächerlichen dieses Ich schützte, auf dessen Würde ich um so eifersüchtiger war, als ich in Mitte der Leute, die es nach meiner Meinung nicht recht schätzten, ihm, gleichfalls nach meiner Meinung, allein seinen wirklichen Werth bewilligte; – einen Werth, der eines Tages glänzend und unbestritten aus dem großen Werke hervorgehen würde, das ich der Bewunderung meiner Mitbürger zu überliefern gedachte, wie die Sonne majestätisch und strahlend aus den Dünsten der Nacht oder den Wolken des Gewitters hervorgeht!

Aber um zu der Abfassung dieses großen Werkes zu gelangen, bedurfte ich jener Ruhe des Geistes, welche mir allein, so bescheiden es auch sein mochte, ein festes und sicheres Einkommen gewähren konnte, das der Seele die beständige Sorge für die Bedürfnisse des Körpers nahm.

Zu diesem Zwecke, und in der Erwartung der Pfarrstelle, die nicht ermangeln konnte mir irgend eines Tages bewilligt zu werden, verließ ich Beeston, wo ich keine Aussichten hatte, und miethete mir, indem ich als einziges Möbel nur das Fernrohr meines Großvaters, des Bootsmannes, mitnahm, in Nottingham ein kleines Zimmer, das mir ein wackerer Kupferschmied von Devonshire gegen fünf Schilling monatlich im dritten Stockwerke seines, in der Nähe der Sanct-Marienkirche gelegenen Hauses abtrat, dem, so ungebildet er auch in Bezug auf Erziehung war, nicht ein gewisser natürlicher Verstand fehlte.

Sobald ich mich einmal in Nottingham niedergelassen, war es meine Absicht, mich in der Welt vorzustellen, und, indem ich überall auf meinen Wegen jenes Aufsehen zurückließ, welches meine geistige Ueberlegenheit natürlicher Weise hervorbringen mußte, die Bewunderung zu benutzen, welche diese Ueberlegenheit erwecken würde, um mir von dem Rector die Pfarre geben zu lassen, nach der ich strebte.

Unglücklicher Weise kannte ich in Nottingham, um mich in die Welt einzuführen, durchaus Niemand als jenen Handelsmann, dem ich vier und fünfzig Pfund Sterling schuldete, die jährlich zu vier Pfund zahlbar waren. Die Logik sagte mir, daß dieser Mann alles Interesse dabei hätte, mich mein Vorhaben gelingen zu lassen, da er, wenn er mich auf den Weg des Glückes führte, nicht allein seine Forderung sicherte, sondern auch noch die Bezahlung derselben beschleunigte, weil es leicht zu begreifen war, daß ich von dem Tage an, wo ich mein Glück gemacht, nicht eine so armselige Schuld zurücklassen würde. Ich beschloß daher, obgleich ich ihm in der Wirklichkeit die vier Pfund erst am Ende des Jahres schuldig war, ihm dennoch, da das erste Quartal dieses Jahres abgelaufen, ein Pfund zu überbringen, das ich von den drei oder vier Guineen nahm, die mir übrig blieben. Das war ein Opfer, aber ohne allen Zweifel würde diese Vorausbezahlung meinen Gläubiger günstig für mich stimmen, und mir durch eine geschickte Spekulation bei weitem mehr eintragen, als eine Guinee, wäre sie auch auf die höchsten gesetzmäßigen oder wucherischen Zinsen angelegt, gewöhnlich in einem Jahre einträgt.

Geben Sie mir zu, mein lieber Petrus, daß ich, indem ich dabei in den Regeln der strengsten Rechtschaffenheit blieb, oder vielmehr mich zu dem Erhabenen des Zartgefühles erhob, da ich in der Wirklichkeit neun Monate vorausbezahlte, – geben Sie zu, daß ich da eine Berechnung gefunden hatte, die ein Meisterstück der Logik und zugleich der Speculation war.

Noch heute zweifle ich daher auch nicht, daß diese Berechnung vollkommen ohne die Dazwischenkunft meiner bedauernswerthen Schüchternheit gelungen wäre, doch diese verdarb Alles, und vernichtete meine weder zur Blüthe noch zur Frucht gereiften Hoffnungen in der Wurzel.

In der That, sobald ich einmal bei dem Handelsmanne, ihm und seiner Frau, einer mageren, unfreundlichen und zänkischen Person, gegenüber war, kurz, sobald ich einmal die Guinee aus meiner Tasche gezogen hatte und sie in die meines Gläubigers übergegangen war, der, – ich muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, – mir auf der Stelle einen Empfangsschein anbot, konnte ich kein einziges Wort mehr finden, um auf die Hauptfrage einzugehen, das heißt meiner Vorstellung in die Welt, so linkisch und kleinstädtisch fand ich mich, als ich mich in einem ungeheuren Spiegel betrachtete, dem gegenüber mich ein Unglückseliger Zufall gestellt hatte.

Dann wollte das Unglück, daß ich, um dem Empfangsscheine entgegen zu gehen, den mir der Handelsmann brachte, nachdem er sich erhoben, um ihn an seinem Pulte zu schreiben, selbst aufgestanden war, so daß ich mich mitten in dem Zimmer stehend und mit meinem Hute in der Hand wie Jemand befand, der bereit ist, Abschied zu nehmen.

Nun aber verlangte die Bitte, die ich an meinen Handelsmann zu stellen hatte, eine gewisse Entwickelung: ich mußte ihn nicht allein bitten, mich in der Welt vorzustellen, sondern ihm auch noch auseinandersetzen, zu welchem Zwecke ich diese Bitte an ihn stellte; mich wieder zu setzen, wo ich ausgestanden war, schien mir linkisch; meine lange Auseinandersetzung stehend zu machen, schien mir unmöglich. Außerdem war es augenscheinlich, daß der Handelsmann meinte, daß wir uns nichts mehr zu sagen hätten, ich hatte mich verneigt, um ihm den Empfangsschein aus der Hand zu nehmen; er, in der Meinung, daß ich mich so verneigte um ihn zu grüßen, hatte sich gleichfalls verneigt; da er sah, daß ich mich nicht wieder aufrichtete, richtete er sich auch nicht wieder auf, und da weder der Eine noch der Andere von uns sich weder rührte, noch sprach, so hatten wir das Ansehen von zwei Parenthesen, die den Satz erwarteten, .der ihnen zur Verbindung dienen sollte; indem sie sich verlängerte, – und sie verlängerte sich! – wurde die Lage dermaßen wunderlich, daß ich diese so magere, so unfreundliche und so zänkische Frau sich umwenden sah um zu lachen; nun gerieth ich in Verlegenheit; meine Verlegenheit steigerte ihre Lustigkeit; diese Lustigkeit, welche der Handelsmann zu theilen begann, ließ mich gänzlich den Kopf verlieren. Ich dachte an nichts Anderes mehr als eine Redensart zu suchen, nach welcher ich auf eine ehrenvolle Weise meinen Rückzug bewerkstelligen könnte; endlich glaubte ich sie gefunden zu haben, und indem ich mich wieder aufrichtete, sagte ich zu ihm.

– In drei Monaten, mein Herr, werde ich Ihnen eine weitere Guinee bringen.

Ohne Zweifel machte mich dieses Versprechen in den Augen meines Handelsmannes weniger lächerlich, denn indem er von dem Lachen zu dem einfachen Lächeln überging, sagte er

– Bringen Sie, mein Herr, und Sie werden willkommen sein.

Hierauf reichte er mir artiger Weise seine Hand, die ich linkisch mit einer kalten, feuchten und zitternden Hand ergriff. ,

Das kam daher, weil ich vollkommen fühlte, daß ich eine Albernheit dadurch begangen hätte, daß ich das sagte, was ich so eben gesagt hatte, weil ich gegen diesen Mann eine unnöthige Verpflichtung einging, welche einzugehen mich nichts nöthigte. Noch mehr: dieses Versprechen war nicht allein unnöthig, sondern es war auch noch gefährlich: wenn ich, nachdem ich dieses Versprechen gegeben, in drei. Monaten kam, um ihm die Guinee zu überbringen, so wußte er es mir keinen Dank, da er im Voraus davon benachrichtigt war; wenn ich dagegen nicht kam, so brach ich, obgleich ich diese Guinee erst in sechs Monaten schuldig war, mein Wort und machte ihn unwillig gegen mich. Der Fehler war so groß, daß ich, wie immer, außerhalb mir eine Ursache für das Unglück suchte, das mir begegnete endlich glaubte ich diese Ursache entdeckt zu haben: ich sagte mir, daß wenn die Frau des Handelsmannes nicht anwesend gewesen wäre, ich mich mit ihrem Gatten vollkommen Mann gegen Mann erklärt hätte; das, was mir begegnet, war also die Schuld dieser Frau: ich entfernte mich daher, indem ich sie verwünschte, wo in der Wirklichkeit ich allein es war, den ich verwünschen mußte.

Ich kehrte zu meinem Kupferschmied zurück, dem ich meinen Unfall erzählte, wobei ich demselben ein für meine Eigenliebe ganz befriedigendes Ansehen gab, und da ich von diesem Manne durchaus nicht eingeschüchtert war, so sagte er zu mir:

– Meiner Treue, Herr Bemrode, an Ihrer Stelle würde ich keine langen Umstände machen und geraden Weges zu dem Rector gehen. Sie stellen sich so gut vor, und Sie sprechen mit so vieler Beredtsamkeit, daß ich keinen Augenblick daran zweifle, daß Sie von ihm alles das erlangen, um was Sie ihn bitten werden.

Dieser Gedanke überraschte mich wie ein Lichtstrahl, und ich verwunderte mich, daß ich ihn noch nicht gehabt hätte. Der Rector war nicht verheirathet: demzufolge würde ich aller Wahrscheinlichkeit nach bei ihm keine Frau finden, die mich einschüchterte. – Ich drückte die Hand meines Kupferschmieds mit bei weitem mehr Freimüthigkeit, als ich die Hand meines Handelsmannes gedrückt hatte.

– Sie haben Recht, rief ich aus, ich werde zu dem Rector gehen. Er ist es, der die Kandidaten ernennt; ich werde mich ihm mit jener edlen Dreistigkeit vorstellen, die zu Gunsten dessen einnimmt, der sich bewirbt, und welche macht, daß man seine Bitte nicht zurückzuweisen wagt. Ich kenne die Menschen, mein lieber Wirth, und nach den ersten Worten, die er an mich richtet, werde ich seinen Charakter beurtheilen, und da man sich am Ende ein wenig helfen muß, wenn man seinen Zweck erreichen will, so werde ich mir mit dieser gründlichen Kenntniß helfen, die mir die Natur verliehen und welche die Erziehung vervollkommnet hat. Wenn er hochmütig ist, so werde ich ihm auf eine feine Weise und in den Grenzen schmeicheln, wo die Schmeichelei einem Christen erlaubt ist; wenn er gefühlvoll ist, so werde ich ihn bei dem Herzen angreifen und ihn rühren; wenn er gelehrt ist, so werde ich mich mit ihm über Wissenschaften unterhalten und ihm zeigen, daß auch mir die Wissenschaften nicht fremd sind; wenn er endlich unwissend ist, so werde ich ihn durch den Umfang meiner Kenntnisse in Erstaunen setzen, und, wie Sie sehen, mein lieber Wirth, wird er mir wohl in dem einen oder andern Falle das bewilligen müssen, um was ich ihn bitten werde.

Mein Wirth hatte mich aufmerksam angehört, aber es war augenscheinlich, daß er meine Begeisterung nicht theilte.

Nach Verlauf eines Augenblickes brach er das Schweigen.

– Sehen Sie, Herr Bemrode, was Sie da so eben gesagt haben, ist sehr schön gesagt . . .

– Nicht wahr? erwiderte ich ganz vergnügt über seinen Beifall.

– Ja . . . nur würde ich nicht so verfahren.

– Weil Sie nicht die Kenntniß der Menschen haben, mein lieber Wirth.

– Das ist möglich; ich habe nur Instinkt, den Instinkt eines Thieres vielleicht; aber dieser Instinkt hat mich niemals getäuscht.

Ich lächelte, und da ich wissen wollte, wie mein Wirth verfahren würde, so fragte ich ihn in einem Protectortone:

– Wohlan! mein lieber Freund, was würden Sie denn an meiner Stelle thun? Lassen Sie hören, sagen Sie, – ich bin ganz Ohr.

Und um ihn mit mehr Bequemlichkeit anzuhören, streckte ich mich gravitätisch in seinem großen Sessel von geschnitztem Holze aus.

– Nun denn! begann mein Wirth wieder, ich würde ihm ganz einfach sagen: »Herr Rector, Sie haben vielleicht von einem würdigen Manne sprechen hören, der dreißig Jahre Pastor der Gemeinde von Beeston gewesen ist; während dieser dreißig Jahre hatte er, was schwierig ist – sich die Achtung der Reichen und die Liebe der Armen zu erwerben und zu erhalten gewußt. Ich bin sein Sohn, Herr Rector, las heißt nichts, durchaus nichts durch mich selbst, und ich komme im Namen meines verstorbenen Vaters, Sie um eine kleine Dorfpfarre zu bitten, in welcher ich die Tugenden ausüben könnte, von denen er mir seit dem Tage meiner Geburt bis zu seinem Todestage das Beispiel gegeben hatte.« Das würde ich ihm sagen, Herr Bemrode, ich, der ich die Menschen nicht kenne, und ich bin überzeugt, daß diese wenigen Worte, so einfach und kunstlos sie auch sind, den Rector mehr rühren würden, als alle Ihre großen vorbereiteten Reden.

Ich lächelte mitleidig. – Mein Freund! sagte ich zu ihm, Ihre Rede, – denn es ist eine Rede, obgleich, wenn man die von Ciecro in seinem Buche von den Rednern vorgeschriebenen Lehren auf sie anwendet, es leicht zu sehen ist, daß sie in der Form fehlt, – mein Freund, Ihre Rede ist zu einfach; es fehlt ihr jene erhabene Kunst, die wir die Beredtsamkeit nennen. Nun ist aber die Beredtsamkeit die einzige Sache, welche rührt, welche erschüttert, welche fortreißt. Plinius sagt, daß die Alten die Beredtsamkeit mit goldenen Ketten vorstellten, die ihr aus dem Munde hervorhingen, um anzudeuten , daß sie unumschränkte Gebieterin auf dieser Welt sei, und daß alle Menschen ihre Sklaven wären. Ich werde daher beredt sein, und da ich meine Beredtsamkeit dem Verstande, dem Charakter und dem Temperamente Ihres Rectors anpassen werde, so wird es mir gelingen… Auch ich, rief ich in meiner Begeisterung aus, auch ich habe goldene Ketten, die an meinen Lippen hängen, und mit diesen Ketten werde ich die Welt unterwerfen!

– Dem sei so! murmelte mein Wirth mit einer Miene, welche sagen wollte: »Ich wünsche es Ihnen, mein lieber Freund, aber ich glaube es nicht . . .«

Der Pastor von Ashbourn

Подняться наверх