Читать книгу Der Pastor von Ashbourn - Александр Дюма - Страница 14
Erster Band
XIV.
Welchen Einfluß ein offenes oder verschlossenes Fenster auf das Leben eines armen Dorfpastors haben Kann
ОглавлениеIn dem Augenblicke, wo ich mein einsames Mittagessen beendigte, führte die Tochter des Schulmeisters einen Landmann zu mir ein.
Dieser Landmann war ein Bote meines Amtsbruders, des Pastors von Wirksworth, – dieses wackern und vortrefflichen Herrn Smith, über den ich Ihnen einige Worte in meinem vorletzten Briefe gesagt zu haben glaube, mein lieber Petrus, – desselben, welcher meiner guten Madame Snart die letzten Ehren erwiesen hatte. – Sie erinnern sich, nicht wahr?
Dieser Bote überbrachte mir einen Brief von ihm.
Hier ist das, auf welche Veranlassung er mir schrieb:
Der Pastor eines kleinen benachbarten Dorfes von Wirksworth war krank geworden, und seit länger als sechs Wochen war seine Gemeinde des Wortes Gottes beraubt. Sie hatten sich demzufolge an Herrn Smith gewandt, damit er, wäre es auch nur ein einziges Mal, die Stelle seines kranken Amtsbruders verträte. Nun hatte Herr Smith an mich gedacht und mich diesen wackeren Leuten vorgeschlagen, indem er mit Recht meinte, mir zugleich ein Vergnügen zu erzeigen und mir nützlich zu sein, indem er mir die Gelegenheit zu einem neuen Triumphe bot. Da nun aber mein Beifall großes Aufsehen in der Umgegend gemacht hatte, so hatten die Landleute es mit vieler Freude angenommen, so daß Herr Smith, da die Sache jetzt nur noch von mir abhing, mich fragen ließ, ob es mir genehm sei, in Wetton – das war der Name des kleinen Dorfes – am folgenden Donnerstage zu predigen. Er wählte den Donnerstag, weil, da mein Sonntag von Rechtswegen meiner Gemeinde angehörte, er den Sonntag nicht andeuten konnte.
Uebrigens war dieser Donnerstag ein Festtag, und das kam für mich auf dasselbe heraus, da dieser Festtag mir ein zahlreiches Auditorium versprach.
Wenn ich es annähme, so würde der Pastor mich erwarten, um mich nach dem kaum eine Viertelstunde weit von Wirksworth gelegenen Dorfe zu führen, dann würden wir zurückkehren, und in seinem Pfarrhause im Familienkreise frühstücken.
Er verlangte eine bestimmte Antwort von mir, damit seine Frau und seine Tochter, welche in zwei Stunden abreisten, um, – die Frau ihrer Schwester, die Tochter ihrer Tante, die in Chesterfield wohnte, einen Besuch abzustatten, am folgenden Donnerstag zurückgekehrt wären, wenn ich die Einladung annähme; wenn ich sie im Gegentheile ausschlüge, so würden sie zwei oder drei Tage länger in Chesterfield bleiben.
Die Einladung war so herzlich, daß es mir nicht einfiel , sie auszuschlagen oder sie auf einen anderen Tag zu verlegen. – Ich ließ mir von der Tochter des Schulmeisters eine Feder, Tinte und Papier bringen, und antwortete meinem Amtsbruder auf der Stelle, daß er für den angedeuteten Tag auf mich rechnen könnte.
Um ihn nicht warten zu lassen, würde ich um acht Uhr Morgens in Wirksworth sein.
Ich wollte dem Boten einen Schilling für seinen Gang geben, aber er war bezahlt.
Ich ließ ihn ein Glas Bier mit mir auf die Gesundheit des guten Herrn Smith trinken, und er brach entzückt auf.
Jetzt, mein lieber Petrus, warum hatte ich die Einladung mit so vielem Eifer, ich möchte fast sagen, mit so vieler Freude angenommen?
War es, um den Kreis meines Rufes auszudehnen, war es, um die Einladung des Herrn Smith anzunehmen, war es, um einem Amtsbruder einen Dienst zu erzeigen? Es waltete ein Wenig von alle Dem ob.
Aber es war vor Allem der Wunsch, mich dem jungen Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen, mit rosigem Gesicht, mit dem weißen Kleide, mit dem himmelblauen Bande zu nähern, – und zu wissen, wer sie wäre.
Mit ein wenig Gewandtheit würde ich zuverlässig zu meinem Zwecke gelangen, ohne im Geringsten vor der Welt das Gefühl merken zu lassen, dem ich nachgab.
Als das Mittagessen beendigt, schickte ich mit Dank die Tochter des Magisters fort, und ging wieder in mein Zimmer hinauf.
Warum ging ich mit so viel Eifer wieder in mein Zimmer hinauf? Sie errathen es, mein lieber Petrus, nicht wahr? Es geschah, um das Fernrohr meines Großvaters zu nehmen, es wieder nach meinem Auge zu stellen und es auf Wirksworth zu richten; es geschah, um zu sehen, ob sich nicht etwa zufällig die Persienne des kleinen rothen und weißen Hauses unter ihrem Efeukleide erhoben hätte.
Sie war nicht allein immer noch herabgelassen, sondern es war auch noch vergeblich, daß ich von drei bis fünf Uhr Nachmittags dablieb, um zu erwarten, daß sie aufgezogen würde.
In alle dem lag nichts als etwas sehr Einfaches. An einem heißen Junitage verschließt Jedermann seine Fenster, um sich ein wenig Dunkelheit und Kühlung zu verschaffen: meine unbekannte Schöne hatte es wie Jedermann gemacht.
Mit der Dämmerung würde die Persienne sich erheben, um das kleine Zimmer durch diesen auf das Feld geöffneten Mund die ersten so frischen und nach einem gewitterhaften Sommertage so angenehmen Lüfte der Nacht einathmen zu lassen.
Das Ganze war also, noch zwei Stunden zu warten. Nur war das sehr lange . . . zwei Stunden.
Sehr lange, zwei Stunden! um eine Frau wiederzusehen! Begreifen Sie, mein lieber Petrus, ich, der ich drei und zwanzig Jahre gewartet hatte, ohne das Drückende der Zeit zu bemerken und ohne zu wünschen, irgend eine der Frauen wiederzusehen, die ich gesehen hatte, ich fand, daß zwei Stunden sehr lang wären!
Uebrigens gab es für mich ein Mittel, die Zeit abzukürzen, das bestand darin, nach der Seite des Dorfes Wirksworth spazieren zu gehen.
Es war sehr natürlich, daß ich, der Pastor von Ashbourn, ein Wenig Bekanntschaft mit der Umgegend dieses Dorfes machte.
Da nun aber Wirksworth zu der Umgegend gehörte, so fing ich mit Wirksworth an.
Warum nicht? es war eben so gut mit Wirksworth, als mit den anderen Dörfern anzufangen.
Ich ging aus; es war um jene Stunde des Tages, zu welcher die Landleute nach beendigter Arbeit in das Dorf zurückkehren; die Frauen erwarteten sie auf der Schwelle der Thür, die Kinder liefen ihnen entgegen, Alles lächelte sich zu, Alle umarmten sich in der großen menschlichen Familie.
Nun dachte ich an unseren sanften und zärtlichen Virgil, mein lieber Petrus, den fast christlichen Dichter, der so schön die großen weißen Ochsen mit langen Hörnern, wie sie die bleichen Kräuter im Schatten der Eichen wiederkauen, die sich drängenden Hammel, mit gesenktem Kopfe, unter der Huth des Hirten und der Hunde, wenn das Gewitter sich am Himmel zusammenzieht, und die an dem Felsen hängende und den bitteren Geisklee abrupfende Ziege schildert, und ich rief aus:
O fortunatos nimium, sua si bona norint Agricolas!
Aber ich dachte fast sogleich, daß die Anführung ungerecht wäre, und daß meine Landleute, – die des Dorfes Ashbourn, – ihr Glück kennten, und da sie vor Denen, von welchen Virgil spricht, das Glück voraus hatten, Christen zu sein, sie dem Himmel dafür dankten.
Aber was machte auch alle diese Männer so glücklich? Das waren die Frauen, welche sie auf der Schwelle der Thür erwarteten, das waren die Kinder, die ihnen entgegen liefen, das war das aus der Ferne ausgewechselte Lächeln, das war der in der Nähe gegebene Kuß.
Jeder dieser Männer hatte seinen Schutzengel, welcher das Haus lebendig in seiner Abwesenheit, liebend bei seiner Rückkehr machte.
Welchen Unterschied giebt es zwischen einem leeren Hause und einem vollen Grabe?
Das Grab ist unter der Erde gegraben, das Haus ist auf ihr erbaut. Das Haus ist das Gefängniß der Zeit, das Grab das der Ewigkeit.
O! wie würde mein Haus, das mir ein Grab schien, schön für mich sein, – wenn ich bei der Rückkehr von meinen kirchlichen Gängen aus der Ferne auf seiner Schwelle, mit ausgestreckten Armen und auf mich geheftetem Auge – eine weiße Gestalt sähe, von der ich allmälich und in dem Maße, als ich mich näherte, unter ihrem großen Strohhute das frische Gesicht, die blauen Augen und die blonden Haare unterscheiden würde!
Und während ich mir das sagte, hatte ich das Dorf Ashbourn verlassen, und näherte mich mit großen Schritten dem Dorfe Wirksworth, freilich wurde in dem Maße, als ich mich dem kleinen grünen, weißen und rothen, wie einen Vorposten an der Straße aufgestellten Hause näherte, mein Schritt langsamer; ich fing an, es durch die einbrechende Dämmerung mit unbewaffnetem Auge fast eben so gut zu unterscheiden, als ich es von dem Fenster meines Zimmers aus mit dem Fernrohre meines Großvaters unterschied. Aber trotz der Rückkehr der Dunkelheit, trotz der Abwesenheit der Sonne, trotz der eingetretenen Kühle, war das Fenster immer noch geschlossen.
Unglücklicher Weise aßen hundert Schritte weit von mir zwei oder drei Familien von Dorfbewohnern in der Kühle unter einem Baume zu Nacht, während fünf bis sechs Kinder auf dem Wege in der Runde tanzten.
Bereits mehrere Male hatten sie nach meiner Seite geblickt. – Wieder umzukehren hieß das Ansehen zu haben sie zu fliehen, ich ging bis zu ihnen mit der Absicht, sie gleichgültiger Weise über verschiedene Oertlichkeiten des Dorfes, und unter andern über das kleine Haus zu befragen, das nur noch drei bis vier Hundert Schritte weit von mir entfernt war.
Bei meinem Herannahen standen sie auf. Ich grüßte sie. Zwei unter ihnen hatten mich predigen hören und erkannten mich wieder, sie luden mich sogleich ein, mich zu ihnen zu setzen und ihr Mahl zu theilen, aber ich dankte ihnen. Die Kinder hatten ihren Tanz eingestellt und umringten mich, die Eltern baten mich, sie zu segnen.
– Ich bin zu jung, um zu segnen, antwortete ich, aber gleichviel, ich segne sie, Euch, Eure Früchte, Eure Ernten und Eure Häuser von Herzen.
Sie fragten mich nun, ob es wahr wäre, daß ich übermorgen in Wetten an der Stelle des kranken Pastors predigen sollte. Ich antwortete ihnen mit ja, da Herr Smith mich eingeladen, diese kleine Reise zu machen und mir die Gastfreundschaft in seinem Hause angeboten hätte.
Nun rühmten mir die Landleute die Biederkeit, die Rechtschaffenheit, die Weisheit des würdigen Herrn Smith. Seine Frau galt für die beste Haushälterin der Umgegend, und obgleich die Pfarre eben nicht mehr als sechzig Pfund Sterling eintrüge, so war die würdige Frau doch dazu gelangt, das am besten eingerichtete Haus des Dorfes zu haben. Es war bei ihr wie auf dem Schlosse des Grafen von Alton, das man auf dem Hügel erblickte, und zuverlässig hatte Herr Stiff, der Verwalter des Grafen, der im Begriffe stand, sich mit einer reichen Erbin von Chesterfield zu verheirathen, keine weißere und feinere Wäsche, kein schwereres und glänzenderes Silberzeug, kein dickeres und besser verzinntes kupfernes Küchengeschirr, als es die Wäsche, das Silberzeug und das kupferne Küchengeschirr der Madame Smith war.
Was die Tochter des Pastors anbetrifft, so gab es nichts Anderes über sie zu sagen, als daß sie ein Engel an Sittsamkeit, Religion und Wohlthätigkeit wäre.
Alles das hatte mich sehr weit von dem kleinen grünen, rothen und weißen Hause geführt. Wie darauf zurückkommen, nachdem man über das Schloß des Grafen von Alton, über die Wohnung, welche der Verwalter, Herr Stiff, für seine Frau einrichtete, über die Wäsche, das Silberzeug, das kupferne Küchengeschirr der guten Madame Smith, und über die Sittsamkeit, die Religion und die Wohlthätigkeit der Mademoiselle Smith gesprochen hatte?
Das war besonders für mich schwer, mein lieber Petrus, der ich, ich gestehe es Ihnen, kein Mann der Uebergange bin.
Außerdem war ich fast übler Laune, daß man mir so einstimmig das Haus des Herrn Smith, der Madame Smith und der Mademoiselle Smith rühmte, und daß man mir kein Wort über das kleine grüne, rothe und weiße Haus sagte, das drei Hundert Schritte weit von uns entfernt war, und von diesem reizenden Wesen mit blonden Haaren, blauen Augen und rosigen Wangen, neben welchem Mademoiselle Smith zuverlässig nur ein gewöhnliches Frauenzimmer sein mußte.
Diese üble Laune machte, daß ich Abschied von den Landleuten nahm und ganz verdrießlich nach Ashbourn zurückkehrte.
Ach! von Weitem sah ich das dunkle Pfarrhaus in der Nacht: Niemand erwartete mich auf der einsamen Schwelle. Ich hatte den Schlüssel in meiner Tasche, ich machte die Thür auf und ging tappend in der Dunkelheit, indem ich das Feuerzeug und die Schwefelhölzer suchte.
– Ach! armer Williams Bemrode! murmelte ich mit einem Seufzer, als der nach Schwefel riechende Schein längs der Wände des leeren Eßzimmers zitterte.
Die Reste des Mittagsessens befanden sich in dem Speiseschranke, aber ich hatte nicht den Muth, mich an den Tisch zu setzen; meine Lampe in der einen, und ein Stück Brod in der andern Hand, ging ich in das kleine Zimmer hinauf.
Ich machte mein Fenster auf, stellte einen Stuhl daran, und setzte mich.
Dieses Mal eilten meine Blicke über das Dorf weg und gingen geraden Weges nach den Lichtern, welche an dem Horizonte leuchteten. Unter allen diesen Lichtern suchte ich eines, welches in der Richtung des grünen, rothen und weißen Hauses war.
Ein ganz großer dunkler Raum erstreckte sich in. der Richtung, wo es gelegen war.
In diesem ganzen Raume fühlte man, daß die Nacht friedlich herrschte.
Ich konnte mich indessen nicht entschließen, dieses Fenster zu verlassen. Ich zerbrach mein Brod in kleine Stücken, und aß es betrübter Weise, ohne die Augen einen Augenblick lang von dem Punkte abzuwenden, auf den sie geheftet waren. Endlich schlug es Mitternacht, und, da ich keine Hoffnung mehr hatte, das kleine Fenster sich erleuchten zu sehen, so ging ich, nachdem ich einen nach dm andern die wie ein Nachtvogel mit Flügeln von Erz von dem Thurme davon fliegenden Schläge gezählt hatte, hinab und legte mich zu Bett.
Meine Nacht war noch viel aufgeregter, als der Tag gewesen war; das Fieber verzehrte mich: mit jenem Mangel an Zusammenhang der Träume sah ich weiß und verschleiert die drei Töchter der Wittwe mit ihren verwelkten Kränzen auf ihren Köpfen vor mir vorüberkommen; sie gingen durch die Gartenthür hinaus und entfernten sich auf der Straße von Wirksworth. Nun öffnete sich das Fenster; meine Unbekannte, mit einem goldenen Heiligenscheine, mit langen weißen Flügeln, neigte sich zu den drei Gestorbenen; sie entblätterte über ihren Häuptern den Kranz von Kornblumen, den ich sie auf ihren Kopf hatte setzen sehen. Dann entfernten sich die drei Phantome über das Feld, indem sie allmählig verschwanden, sich verdunsteten, auf der Oberfläche der Erde schwebten, dann stiegen sie still, langsam, wie drei durchsichtige Wolken gen Himmel auf. Nun kehrte mein Blick, der ihnen gefolgt war, bis daß sie unerkennbar in dem Aether verschmolzen, zurück, indem er das Fenster suchte, aber das Fenster, das Haus, Alles war verschwunden; ich sah an ihrer Stelle ein gestaltloses Monument, halb Kirche, halb Grab, halb in den Wolken verloren, über denen der schöne Engel mit blonden Haaren, blauen Augen, rosigen Wangen, mit weißem mit einem himmelblauen Bande befestigten Kleide schwebte, und während aller dieser Verwandlungen sang die Nachtigall auf dem höchsten Zweige der größten Weide, und ich sah sie durch die Mauern, wie als ob für mein geschlossenes Auge die materiellen Hindernisse nicht mehr beständen.
Ich erwachte zehn Male; zehn Male, durch diesen Traum ermüdet, sammelte ich alle meine Sinne, um ihn zu brechen, ihn zu vernichten, aber kaum hatten sich meine Augen von Neuem geschlossen, kaum war die Dämmerung in meiner Denkkraft entstanden, als alle Bruchstücke des verstümmelten Traumes sich wie die abgebrochenen Stücke einer Schlange wieder mit einander vereinigten, und ich mich wiederfand, wie ich meine Rolle in dieser phantastischen Welt spielte, die für mich die lebendige und wirkliche Welt würde.
Ich erwachte mit dem Tage: es blieb von alledem nur noch der Gesang der Nachtigall übrig, welche die Morgenröthe begrüßte. Mit den ersten Strahlen der Sonne hörte der Gesang auf.
Man hätte sagen können, es sei der vor dem Lichte fliehende Geist der Nacht. Ich war vor Ermüdung erschöpft.
Ich stand auf, und ging in mein Arbeitszimmer hinauf; ich hatte das Fernrohr nicht nöthig, um zu sehen, daß Alles, wie am Tage vorher, geschlossen wäre. Dieses kleine Haus war mein ganzer Horizont, ich blickte nirgend anderswohin; ich machte mein Fenster wieder zu, und setzte mich vor meinen Schreibtisch.
Ich fand dort das Heft weißes Papier ganz für mein großes Werk vorbereitet, dessen Titel bereits geschrieben war, und nur noch die Hand und die Feder erwartete; aber wie anmaßend mir in diesem Augenblick der Titel, wie leer mir der Gegenstand schien!
Ich schob die Achseln zuckend das Heft zurück; die Philosophie und die Philosophen dauerten mich. Um acht Uhr begab ich mich in die Kirche, um das Morgengebet zu halten; es befanden sich fast nur Frauen darin. Die Männer begaben sich mit Tagesanbruche an ihre Arbeiten. Ich meldete, daß ich am folgenden Tage keinen Gottesdienst halten würde, da ich in Wetton predigte.
Ich hatte mit Aufmerksamkeit alle Frauen, oder vielmehr alle jungen Mädchen betrachtet, indem ich mich fragte, ob es nicht eine einzige unter diesen letzteren gäbe, aus der ich meine Lebensgefährtin machen möchte. Keine von ihnen entsprach meinem Ideal; einige waren hübsch, aber selbst die Hübschesten waren gemein und schienen mir von niedriger Erziehung. Viele, ich bin überzeugt davon, hätten vortreffliche Hausfrauen abgegeben; aber indem sie immer die materiellen Bedingungen der Frau erfüllten, bot doch keine die geistigen Bedingungen der Gefährtin, der Gattin, der Hälfte.
Unter allen diesen jungen Mädchen war die Tochter des Magisters noch die, welche am ausgezeichnetsten und hübschesten war.
Aber von der Tochter des Magisters zu der Unbekannten mit blonden Haaren, von der Haltung der einen zu der Anmuth der Anderen, von dem Gesichte dieser zu den Zügen jener fand der Unterschied statt, der zwischen einer Klatschrose und einer Rose, einer Glockenblume und einer Lilie besteht.
Indessen, als das junge Mädchen wie am vorigen Tage zu mir zurückkehrte, um mir mein Mittagsessen zuzubereiten, so, sei es nun aus langer Weile, dieses Fenster beständig geschlossen zu sehen, oder sei es, weil meine kleine Haushälterin in der That wirklich hübsch war und dabei gewann, in der Nähe gesehen und aufmerksam betrachtet zu werden, folgte ich ihr mehr als ein Mal mit den Augen bei den Gängen, die sie aus Einfalt oder aus Coketterie, Gott weiß es, um mich herum machte; ein Mal rief ich sie sogar und versuchte mit ihr zu plaudern; aber der Versuch war unglücklich und wandte sich zum Nachtheile des armen Mädchens.
Gott weiß, mein lieber Petrus, daß ich mit einer solchen Frau noch mehr allein, als allein sein würde!
Es ist das Unglück der erhabenen Geister, nur nach oben blicken zu können und immer nur das zu bemerken, was sich von dem Himmel ablöst.