Читать книгу Der Pastor von Ashbourn - Александр Дюма - Страница 15
Erster Band
XV.
Welches nur die Fortsetzung des Vorhergehenden ist
ОглавлениеVergebens hielt ich mich beinahe beständig in meinem Zimmer auf; vergebens hielt ich von zehn zu zehn Minuten das Fernrohr vor meine Augen, das Fenster öffnete sich nicht.
Was wollte das sagen?
Wenn meine Unbekannte mich hätte sehen – oder ahnen können, daß ich sie sähe, – so hätte ich ganz natürlich gedacht, daß meine Beharrlichkeit sie zu betrachten, sie verletze. – Aber wahrscheinlich wußte sie nicht einmal um mein Dasein, oder wohl, wenn sie wußte, daß es einen Pastor in Ashbourn gäbe, was nach dem Beifalle, den meine Predigt erlangt hatte, wahrscheinlich war, so wußte sie zuverlässig nicht, daß dieser Pastor sich in diesem Grade mit ihr beschäftige und besonders ein Fernrohr besäße, mit welchem man in der Entfernung von mehr als zwei Meilen ebenso deutlich sieht, als man mit seinen Augen in der von hundert Schritten sieht.
Wäre ihr irgend ein Unglück zugestoßen?
O! wenn dem so wäre, warum ließ sie nicht den Pastor von Ashbourn holen? Welche Freude er empfinden würde, sie zu trösten; welche freundliche, zärtliche und religiöse Worte er für sie finden würde; wie er ihr den Himmel nach der Erde, Gott bei dem Anfange und bei dem Ende von Allem zeigen würde!
Welches Glück er empfinden würde, diese schönen, mit Thränen benetzten blauen Augen, diese erbleichten Wangen unter seinen Ermahnungen, die Einen ihre Ruhe und ihre Heiterkeit, die Anderen ihre Frische und rosige Farbe wieder annehmen zu sehen.
Aber war diese Erscheinung, welche mit der Schnelligkeit eines Gesichts vor meinen Augen vorübergezogen war, nicht viel mehr ein Traum, den ich gehabt hatte? Konnte ein so reizendes Wesen, ein so vollkommenes Geschöpf als die, welche ich flüchtig gesehen hatte, auf Erden bestehen? War das Fernrohr meines Großvaters nicht ein bezaubertes Instrument, das an gewissen Tagen und unter gewissen Bedingungen das Recht hatte, seinem Eigentümer phantastische Bilder zu schaffen, die bestimmt waren, ihn die wirkliche Welt verachten zu lassen?
Ach! das war noch das, was es am wahrscheinlichsten gab: daher rührte die so dringende Anempfehlung meiner Mutter, welche ohne Zweifel die Eigenschaft dieses Talismans kannte, und die mit mir nicht darüber hatte sprechen wollen, indem sie meinte, daß sie irgend eines Tages sich mir von selbst offenbaren würde.
Nur befand ich mich weder an dem Tage, noch unter der vorgeschriebenen Bedingung: daher kam es, daß das Fernrohr unfruchtbar und das Fenster geschlossen blieb.
Der Abend kam herbei. Es waren die letzten Stunden, die mir am längsten dauerten. Endlich verließ ich Schlag acht Uhr das Dorf Ashbourn, und schlug den Weg nach dem Dorfe Wirksworth ein.
Da es später war, als am Tage vorher, so hoffte ich die Straße einsam zu finden. In diesem Falle würde ich bis nach dem kleinen Hause gehen, dann, wenn sich dieses Mal die Gelegenheit böte, zu fragen, so würde ich sie ergreifen.
Bei jedem Schritte, den ich that, hoffte ich ein Licht hinter den Leisten der Perfienne leuchten zu sehen; aber bei jedem Schritte war diese Hoffnung getäuscht.
In dem Augenblicke, wo ich das Dorf betrat, ging ich querfeldein; als ich mich aber dem Hause näherte, wurde ich Plötzlich durch eine sechs Fuß hohe Mauer aufgehalten, die ich nicht bemerkt hatte, da sie sich in den Baumgruppen verlor.
Diese Mauer deutete die Grenzen des Gartens an. Ich ging um sie herum.
Mein lieber Petrus, Sie, der Sie ein so großer Philosoph, oder vielmehr ein so großer Kenner in der Philosophie sind, – sagen Sie mir, warum mein Herz so gewaltig klopfte und warum meine Beine so heftig zitterten, – da unsere heilige protestantische Religion, statt uns von der Gesellschaft zu trennen, uns von der Familie abzusondern – uns erlaubt, Mensch, Gatte, Vater zu sein – welche Schande lag dann für mich darin, zu der zu kommen, die ich gesehen hatte und deren liebliches Gesicht mich anzog? – Das kommt daher, weil bei den ersten Schritten, welche der Mensch in dem Leben des Mannes thut, dasselbe Zögern, dieselbe Schüchternheit herrscht, wie bei den ersten Schritten, welche das Kind in dem Leben des Kindes thut – der eine wie das andere treten in eine unbekannte Welt ein, und alle beide straucheln auf der Schwelle.
Ich machte die Runde um die Mauer: alle Fenster des Hauses waren nicht allein verschlossen, sondern auch noch mit ihren hermetisch verschlossenen Läden bedeckt.
Endlich kehrte ich zu der vorderen Seite zurück; die Mauer machte einem Gitter Platz. Ich senkte meinen Blick durch das Gitter: ein einziges Licht drang durch die Fenster des Ladens eines Zimmers im Erdgeschosse.
Das ganze Leben dieses Hauses hatte sich also in dieses Zimmer im Erdgeschosse geflüchtet, das Uebrige schien ausgestorben.
Es war unmöglich, daß meine Unbekannte in dem Hause wäre; ihre alleinige Anwesenheit hätte es beseelt, belebt, erleuchtet.
Sie war nicht mehr darin; sie hatte es verlassen; sie war abgereist. Oh! das war es wirklich! Wie hatte ich es nicht errathen?
Würde jetzt ihre Abwesenheit lange dauern? – Würde sie eines Tages zurückkehren? – Würde sie niemals zurückkehren?
War dieses in dem Zimmer des Erdgeschosses wachende Licht die Hoffnung, die selbst über den Gräbern wacht?
Daran war ich mit den Fragen, die ich an mich selbst stellte, als ich Schritte sich nähern hörte. Zuverlässig hatte ich keine schlimme Absicht, indem ich um das Haus herum streifte, und es war ein bei weitem religiöseres und zärtlicheres Gefühl, als die Neugierde, das mich antrieb, meinen Kopf durch dieses Gitter zu strecken; aber dennoch wurde mein Herz bei diesem Geräusche von Schrecken befallen.
Was würde man sagen, wenn man den Pastor von Ashbourn erkannte, wie er sein Gesicht an da« Gitterthor eines Hauses im Dorfe Wirksworth zwischen acht und neun Uhr Abends heftete.
Ich entfernte mich daher rasch, um so rascher, als ich, indem ich den Kopf umwandte, drei Männer sah, die nach meiner Seite zukamen.
Ich glaubte außerdem, in der Ferne das Rollen eines Wagens zu hören.
Ich verdoppelte den Schritt, ohne weiter hinter mich zu blicken; ich hatte eine Gemüthsbewegung gleich der, welche man empfinden muß, wenn man eine schlechte That begangen hat; Gott weiß indessen, ob das Herz, das so heftig klopfte, rein war.
Was trug sich den, in meinem Innern zu? – War ich verliebt? Verliebt! – Welche Thorheit! – Verliebt in eine Frau, die ich gesehen, oder vielmehr flüchtig mit einem Fernrohre und in der Entfernung von zwei Meilen gesehen hatte!
Uebrigens konnte ich nicht darüber urtheilen, da ich nicht wußte, was die Liebe war.
Ich kehrte rasch nach dem Pfarrhause zurück, – und tappend, ohne weder eine Lampe, noch ein Talglicht anzuzünden, – ging ich, um mich von meiner Gemüthsbewegung wieder zu erholen, in mein Arbeitszimmer hinauf, und ließ mich auf meinen Sessel sinken.
Das Fenster war offen geblieben, mein Blick senkte sich auf den Horizont. Ich stieß einen Schrei aus.
Ein Licht leuchtete an dem Orte, wo das Fenster meiner Unbekannten sein mußte, gerade an dem Orte, der am vorigen Abend in die dichteste Dunkelheit gehüllt war.
Die Nacht war so dunkel, daß es unmöglich war, selbst mit dem Fernrohre irgend etwas Anderes zu unterscheiden, als dieses Licht.
Das war eine Wahrscheinlichkeit, aber ich mußte den folgenden Morgen abwarten, um eine Gewißheit zu haben.
Ich ging ohne Licht hinab und legte mich zu Bett. Ich hatte Eile einzuschlafen, und mit Hilfe des Schlafes rasch diese Nacht zurückzulegen, diese Nacht, welche mich noch von der Wirklichkeit trennte.
Aber man schläft nicht wie man will. Dieser so sehr von mir beschworene Schlaf schien weit flüchtiger als sein Gefolge von Träumen, und erst, spät in der Nacht kam er, nicht meine Augen zu berühren, sondern sich auf meine Brust zu setzen.
Ich will nicht versuchen, Ihnen die Träume dieser zweiten Nacht zu erzählen, mein lieber Petrus, es war etwas den Abenteuern Lucius’ in der Erzählung des Apulejus Aehnliches. Ein ganzer, mit Hexen, Harpyen, Gespenstern besäeter Weg, den ich zurücklegen mußte, blutende Wunden, die ich schließen mußte und die beständig wieder aufbrachen, und an der Stelle des lieblichen Gesanges der Nachtigall alles nächtliche Geschrei von Thieren von schlimmer Vorbedeutung.
Wie führte mich dieser schwere und mühselige Schlummer bis um sechs Uhr Morgens? Ich weiß es nicht, aber so viel weiß ich, daß es heller Tag war, als ich erwachte.
O! welche Nacht! mein lieber Petrus; als ich die Augen aufschlug, schien ich aus der Hölle in den Himmel überzugehen.
Der erste Gedanke, den ich hatte, war der an dieses Licht, das ich am Abende vorher gesehen hatte, aber meine Nacht war so fieberhaft und so aufgeregt gewesen, daß ich in Wahrheit die Wirklichkeit nicht mehr von dem Traume zu unterscheiden wußte.
Ich sagte mir, daß ich mich geirrt hätte, daß ich mir keine voreilige Freude machen müßte, welche verschwinden würde, wenn ich sie berühren wollte, und um meine Gewalt über mich selbst zu versuchen, beschloß ich, mich langsam anzukleiden, indem ich keinen Umstand meiner Morgentoilette unterließ.
Hierauf verließ ich mein Schlafgemach, schritt durch das Eßzimmer, ging langsam die Treppe nach dem Arbeitszimmer hinauf, und statt an das Fenster zu treten, setzte ich mich auf den Sessel meines Schreibtisches.
Nun erst erlaubte ich meinem Blicke, sich nach der Seite des Fensters zu wenden.
Kaum unterschied ich mit unbewaffnetem Auge die Gegenstände in einer solchen Entfernung. Indessen durch eine Oeffnung des Vorhanges, die mir ausdrücklich angebracht schien, um den Gesichtsstrahl, durchdringen zu lassen, glaubte ich, ein dunkles Loch an der Stelle dieser grünen Persienne zu sehen.
Ich ergriff das Fernrohr, das ich am Tage vorher gestellt gelassen hatte, ohne es wieder zusammenzuschieben, machte das Fenster auf und hielt das Fernrohr an mein Auge.
O welches Glück! Die Persienne war aufgezogen, der Käfig an seinem Platze, der kleine Vogel in dem Käfig.
Nur schien es mir, daß das Zimmer leer wäre.
Aber was lag mir daran, daß das Zimmer leer wäre? Konnte die, welche es bewohnte, nicht aufgestanden und hinunter gegangen sein?
Nicht Jedermann erwachte wie ich um sechs Uhr Morgens, – nicht Jedermann verwandte eine Stunde darauf, um seine Toilette zu machen.
O! wie ich alle diese verlorene Zeit bedauerte. . .
Ich stieß einen Freudenschrei aus; – ich bedauerte nichts mehr.
Das junge Mädchen war in ihr Zimmer zurückgekehrt; ich hatte sie in dem Hintergrunde dieses Zimmers vorüberkommen sehen, indem sie wahrscheinlich von der Thür nach dem Kamine ging, und ich hatte sie erkannt.
Bald hatte ich keinen Zweifel mehr. Sie näherte sich dem Fenster, und ihre Züge wurden in dem Maße immer sichtbarer, als sie in den Kreis des äußeren Lichtes trat.
Sie war wie gewöhnlich weiß gekleidet; ihr Kleid war wie gewöhnlich mit einem blauen Bande zugeschürzt. Ihr Gesicht allein war vielleicht noch weit frischer und weit rosiger als gewöhnlich, und ihre blonden Haare weit schneeiger und weit wallender in der Morgenluft.
Sie machte den Käfig auf und gab dem Vogel die Freiheit.
Aber er flog dankbar zuerst auf ihre Schulter, spielte einen Augenblick lang mit den Locken ihrer Haare, und indem er hierauf ein zweites Mal fortflog, setzte er sich auf die äußerste Spitze eines Weißdorns, wo er schaukelnd blieb.
Das junge Mädchen warf ihm eine Rose zu, welche sie in der Hand hielt, kehrte in das Zimmer zurück und verschwand.
Die Glocke rief mich zur Kirche. Ich brachte dem Herrn ein freudiges und dankbares Herz mit, und bat ihn, mich für den folgenden Tag zu begeistern.
Ich suchte einen Text, ich fand ihn.
War es Gott, der mir ihn sandte, oder traf ich ihn ganz natürlich in dem Ideenkreise, in welchem ich mich seit zwei bis drei Tagen bewegte?
»Und der Herr sagte zu Rachel: Du sollst Deinen Vater und Deine Mutter verlassen, um Deinem Gatten zu folgen.«
Ich kehrte nach Hause zurück. Mein erster Besuch war für mein Arbeitszimmer, mein erster Blick für das Fenster.
Es stand immer noch offen, aber das Zimmer war leer.
Zwei oder drei Male sah ich indessen meine Unbekannte – aber flüchtig und wie geschäftig; – man hätte sagen können, daß sich ein wichtiges Ereigniß zutrüge, oder sich am Abend oder am folgenden Tage zutragen würde.
Das wichtige Ereignis, für mich – war die Rückkehr meiner Unbekannten. – Ich warf einen Blick auf meine arme kleine Haushälterin, die Tochter des Schulmeisters, und fragte mich, wie ich nur einen einzigen Augenblick lang das arme Mädchen hätte betrachten können.
Am Abend schien meine Unbekannte weit ruhiger zu sein; sie blieb während der ganzen Zeit, in welcher der Tag sich zur Dämmerung neigte, und die Nacht sich niedersenkte, auf ihr Fenster gelehnt; die Sonne ging in einem Bette von Wolken glänzend, in Purpur und Gold unter; – sie verlor sie keinen Augenblick lang aus dem Gesichte, bis sie in, diesem strahlenden Oceane begraben war.
Nun zog sie sich zurück, gleichsam als ob nach einem solchen Schauspiele nichts mehr in der Schöpfung verdient hätte, gesehen zu werden, und ließ die Persienne wieder herabfallen.
Und da, sobald sie verschwunden, nichts mehr einen Blick meiner Augen verdiente, so machte auch ich mein Fenster wieder zu.
O! diese Nacht war gut und angenehm,. statt des abscheulichen Alpdrückens der vorhergehenden Nacht hatte ich reizende Erscheinungen, und es war die Nachtigall und nicht die Nachteule und der Rabe, welche bis zur Morgendämmerung meinem Ohre sang.
Mit der Morgendämmerung erwachte ich daher auch. – Ich hatte versprochen, um acht Uhr bei Herrn Smith zu sein. – Ich kleidete mich so gut, als ich vermochte, und frisirte mich so gefällig, als es mir möglich war; unglücklicher Weise war meine Garderobe gering, und statt der eleganten Perrücken, welche die jungen Leute jener Zeit trugen, war ich genöthigt, mich mit meinen eigenen Haaren zu frisiren.
Ich fand nicht, daß das häßlicher wäre; aber vielleicht würde meine Unbekannte nicht derselben Meinung sein.
Was mich für den Fall, wo ich ihr begegnen sollte, – am Ende etwas sehr Mögliches, – beruhigte, ist, daß sie sich selbst, statt mit zurückgeschlagenen und gepuderten Haaren, wie man sich zu jener Zeit frisirte, einfach mit Flechten und wallenden Locken ohne Puder frisirte.
Zum ersten Male war ich aufmerksam auf mein Gesicht, mein lieber Petrus; bis dahin hatte ich mich niemals darum bekümmert, und es wäre mir in Wahrheit schwer gewesen, zusagen, ob ich schön oder häßlich wäre. Ich bemerkte nun mit einer mit einem gewissen Stolze gemischten Freude, daß ich weit eher schön, als häßlich wäre. In der That, diese Haare, die ich ganz beschämt war zu zeigen, waren von dem schönsten Schwarz, ausgezeichnet fein und von Natur aus gekräuselt; mein Auge war dunkelblau, groß, und es fehlte ihm nicht an Ausdruck unter einer schwarzen, ziemlich gut gewölbten Augenbraue; meine Nase war gerade, mein Mund groß und mit ein wenig starken Zähnen besetzt, die ab« wundervoll weiß waren; meine Gestalt war gut gebaut; ich war weit eher groß, als klein . . . Indem ich endlich den Trauring meiner Mutter, den ich immer trug, von meinem Finger zog, bemerkte ich, daß ich eine ziemlich schöne Hand hätte, und beim Anziehen meiner Schuhe, daß mein Fuß lang, aber schmal sei.
Dieses Ganze und eine Pfarre, welche jährlich neunzig Pfund Sterling eintrug, machten aus mir einen Mann, der durchaus nicht von Eltern zu verschmähen und sehr annehmbar für ein junges Mädchen war.
Ich ging in mein Arbeitszimmer hinauf, Um einen Blick auf das Fenster meiner Unbekannten zu werfen.
Das Fenster stand offen, aber das Zimmer schien verlassen.
Es schlug sieben Uhr.
Ich hatte keine Stunde nöthig, um die zwei Meilen zurückzulegen, die Ashbourn von Wirksworth trennten; aber bei der Wahl, eine Viertelstunde zu früh oder eine Viertelstunde zu spät anzukommen, war es besser, eine Viertelstunde zu früh anzukommen.
In dem Maße, als ich auf dem Wege weiter kam, wurde das kleine Haus weit sichtbarer, und mit jedem Augenblicke glaubte ich, daß meine Unbekannte erscheinen würde. Aber ohne Zweifel war sie in irgend einem andern Theile des Hauses beschäftigt; denn ich erblickte sie nicht.
Dieses Mal hatte ich das Fernrohr nicht nöthig, um Alles zu sehen. Der leere Käfig, die weißen Vorhänge, die von dem Bette herabfielen, die Blumen-Tapete, welche die Wand bedeckte, boten sich nach der Reihe meinen Augen.
In dem Augenblicke, wo ich auf der Straße in der Höhe der Mauer vorüberkam, welche den Garten verschloß, und die mich vor zwei Tagen auf meiner nächtlichen Auskunftschaft aufgehalten hatte, setzte sich der kleine Vogel, der ein Distelfink war, indem er über einen Baum des Gartens flog, auf den Baum des Weges, der mir am nächsten stand, und dort fing er seinen Gesang an, gleichsam als ob er mich im Namen seiner Gebieterin hätte willkommen heißen wollen.
Endlich ging ich vor dem Hause vorüber; ich wagte kaum durch das Gitter zu blicken, ich that es indessen . . . aber die Vorhänge waren zugezogen.
Vielleicht konnte man durch die inneren Oeffnungen nach Außen sehen, aber von Außen konnte man zuverlässig nicht in das Innere blicken.
Ich wußte nicht, wo die Wohnung des Herrn Smith lag, aber da das Pfarrhaus gewöhnlich an die Kirche angebaut ist, so erreichte ich die Kirche und erkundigte mich nach dem, was ich suchte, bei einem Manne, der mir der Küster zu sein schien.
Er war es in der That; er fragte mich, ob ich nicht der Pastor von Ashbourn wäre, und auf meine bejahende Antwort sagte et zu mir:
– Herr Smith hatte mich hierher gestellt, um Sie zu erwarten; er hat vergessen, Ihnen zu sagen, daß er nicht neben der Kirche, sondern im Gegentheile ziemlich weit entfernt davon wohnt.
– In diesem Falle, mein Freund, sagte ich zu ihm, werden Sie die Güte haben, mir sein Haus anzudeuten.
– Ich werde mehr thun, Herr Pastor, antwortete er mir: mit Ihrer Erlaubniß werde ich Sie dorthin führen. Herr Smith hatte mir aufgetragen, mich auf der Straße aufzuhalten, um Ihnen einen unnöthigen Weg zu ersparen, und ich wollte mich so eben dorthin begeben; denn man erwartete Sie erst um acht Uhr.
Es schlug in diesem Augenblicke drei Viertel auf acht.
– Sie haben Recht, mein Freund, sagte ich zu ihm, es ist nicht Ihre Schuld, Sie haben sich nicht verspätet, sondern ich bin zu früh gekommen. Gehen Sie daher voraus, ich folge Ihnen.
Mein Führer schlug den Weg wieder ein, den ich so eben zurückgelegt hatte, und ich folgte ihm.