Читать книгу Parabeln - Alex Bergstedt - Страница 4

Einleitung

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Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Das hat mir die Augen geöffnet! So ruft mancher aus, nachdem er plötzlich eine ganz neue Dimension, eine neue Wahrheit erkennt. Oft kommen Menschen zu solchen plötzlichen Erkenntnissen, wenn sie eine Begebenheit einmal von einem anderen Blickwinkel aus sehen. Nicht selten erkennen sie dabei dann auch eigenes Unrecht und schämen sich oder versuchen gar, das Unrecht wieder gutzumachen.

So geschah es dem König David, nachdem er einem seiner Untergebenen die Frau weggenommen hatte. In seiner Verliebtheit war ihm das Unrecht gar nicht bewusst. Ein Prophet erzählte ihm jedoch eine Geschichte, und diese stellte ein Gleichnis zu den wirklich erfolgten unrechten willkürlichen Handlungen des Königs dar, also eine sogenannte Parabel. Da das Gleichnis aber von Streitigkeiten über Vieh handelte, erkannte der König sich nicht gleich selbst in der Parabel, sondern empörte sich über den Täter. Erst als der Prophet auf die Frage nach dem Namen des „Schufts“ sagte, es sei der König selbst, fiel es diesem wie Schuppen von den Augen und er erkannte bitter sein Unrecht.

Die Geschichte des Propheten war so geschickt erfunden, dass der König sich zwar wegen der anderen Akteure zunächst gar nicht selbst angesprochen fühlte, es aber nur eines kleinen Hinweises oder einer kurzen Erklärung bedurfte, und schon „fiel der Groschen“ bei dem König.

Hätte der Prophet gleich mit erhobenem Zeigefinger begonnen und den König verbal angegriffen, hätte er wahrscheinlich kein Gehör gefunden. Derart angegriffene Politiker und auch fast alle anderen Menschen verteidigen sich und verhärten sich dabei noch in ihrer Position. Ein König hätte einen Propheten vielleicht sogar bedroht oder festnehmen lassen, bevor dieser überhaupt zu Ende gekommen wäre.

Daher stellt das Erzählen eines Gleichnisses ein oft unvergleichliches Mittel dar, um andere zum Einlenken und Umdenken zu bringen. Wichtig ist dabei, ein Gleichnis so zu konstruieren, dass die Geschichte den Zuhörer fesselt. Damit der Zuhörer die Sorgen der Personen oder auch Tiere in der Parabel ohne lange Erklärungen nachempfinden kann, muss die meistens frei erfundene Geschichte im Lebensumfeld der Hörer angesiedelt sein.

Eine Geschichte zu erzählen, die davon handelt, wie ein Kind eine vier in Geschichte schreibt und vor der Schule sitzt und weint, bis der Lehrer vorbeikommt und das Kind bemerkt, mit dem Kind redet und ihm erlaubt, die Arbeit zu wiederholen, wirkt für die meisten heutigen Kinder unverständlich. Sie wissen nicht, dass in anderen Ländern oder auch bei uns zu anderen Zeiten so ein Kind mit einer kräftigen Tracht Prügel rechnete und deshalb so untröstlich war. Diese Angst können sich heutige Kinder kaum vorstellen. Stattdessen könnte man für ein heutiges Kind eine Geschichte mit seinen Lieblingshelden aus einem Buch, einer Serie oder einem Spiel konstruieren und damit Zugang zu seiner Vorstellungswelt und seinem Inneren, zu finden.

Ein großer Meister in der Kunst, Menschen durch geschickt ausgewählte Themen für spontan erfundene Gleichnisse tief zu berühren und zu verändern, war Jesus. Von ihm sind viele Gleichnisse überliefert. Sicherlich war es aber nicht seine Absicht, dass diese Gleichnisse auch nach 2000 Jahren wörtlich nacherzählt werden sollen, denn die Vorstellungswelt der Hörer hat sich ja völlig verändert. Stattdessen möchte er sicherlich, dass wir seinem Beispiel folgen und spontan Gleichnisse erfinden, um unsere Mitmenschen zum Umdenken und Einlenken zu bringen und ihnen letztlich damit zu einem besseren Leben zu verhelfen.

Wenn wir alte Parabeln nacherzählen, statt spontan neue zu erfinden, können wir aus zweierlei Gründen bei weitem nicht mit demselben Erfolg rechnen. Denn erstens passt die Parabel meistens nicht genau auf die Situation und zweitens wird der Hörer sofort abblocken, sobald er die Parabel wiedererkennt.

Stellen wir uns etwa vor, dass ein idealistisch gesonnener Deutscher mit einem Politiker der extremen Rechten debattiert. Es dauert natürlich nicht lange, da kommen sie auf das Thema der Flüchtlinge, die illegal das Mittelmeer überqueren, zu sprechen. Da sagt der Erstere dem Rechtsextremen: „Ich möchte Ihnen mal ein Gleichnis von einem barmherzigen Samariter erzählen…“

Er würde nicht weit kommen, denn der andere würde das Gleichnis vermutlich bereits kennen, ihn daher unterbrechen und sagen, das Gleichnis habe doch gar nichts mit der Situation zu tun, usw.

Würde es sich um eine Fernsehdebatte handeln, hätte der Gemäßigte vielleicht immerhin die Genugtuung, seinen Gegner vorgeführt zu haben, denn wenn dieser so eine allseits als Autorität anerkannte Parabel einfach so abtut, spricht das in den Augen vieler Menschen gegen ihn. Aber Jesus geht es ja nie darum, einen anderen Menschen bloßzustellen oder in die Enge zu treiben, sondern er will dessen Herz erobern. Im Sinne Jesu wäre es, wenn der Rechtsradikale dem anderen am Schluss die Hand reicht und sagt „Ich danke Ihnen, jetzt sehe ich vieles viel klarer und entspannter und kann ohne Hass an die Migranten denken“, während der andere entgegnet: „Auch ich danke Ihnen. Zum ersten Mal ist mir klar geworden, dass auch Sie Ihre Ängste haben und im Grunde nur etwas verbessern wollen.“ Jesus hatte immer die Absicht, die Menschen zum Umdenken zu bringen und damit letztlich das Leben aller Beteiligten zu verbessern und fordert uns auf, es ihm nachzutun.

Das habe ich mit meinen sicherlich bescheidenen literarischen Fähigkeiten gemacht und möchte diese Sammlung gerne anderen Menschen zugänglich machen, um diese Gleichnisse in gegebenen Situationen anwenden zu können, aber vor allem, um Anregungen und Mut zu bekommen, selber jederzeit weitere Parabeln passend zu einer Situation zu erfinden.


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