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Ein Fass Zaubertrank „Manchmal war ich mir selbst ein Rätsel“
ОглавлениеMaterialakribie bis zum Exzess – ja, okay. Körperliches Training bis zum Erbrechen – ja, das machen vielleicht „viele“ andere auch. Was Experten, Trainer, Fans und Konkurrenten aber am meisten an Marcel bewundern, ist seine mentale Stärke. Sie ist für viele der wahre Grund, warum Marcel auf der Ergebnisliste fast immer über allen anderen stand. Aber woher kommt diese mentale Stärke? „Sie ist ein Geschenk, das man sich nicht kaufen und auch nicht antrainieren kann. Man hat sie oder man hat sie eben nicht.“ Es ist sozusagen das goldene Geschenk, das Marcel vom lieben Gott mitbekommen hat. „Wir wissen ja: Es gibt Trainings-Weltmeister und es gibt Weltmeister. Es geht gar nicht darum, dass der eine oder andere besser Ski fährt. Da gibt es oft keinen großen Unterschied. Es geht darum, es im Rennen zu zeigen. Und ich hab das Glück, ein echtes Rennpferd zu sein. Das war ich schon als Kind.“ Es ist quasi Marcels Erfolgsmedizin, sein Zaubertrank. Und wie Obelix dürfte auch der kleine Marcel in diesen Zaubertrank hineingefallen sein und dabei genug für ein ganzes Leben davon getankt haben. „Da war ein Fass, das ich aufmachen konnte, wenn ich wollte und wenn ich es unbedingt brauchte.“ Ein Fass, in dem sich auch der Schalter für den „Rennmodus“ befand. „Wenn ich wollte, konnte ich diesen Schalter umlegen. Und der hat mir dann die paar zusätzlichen Prozente gebracht.“ Ein Fass, in dem sich auch eine gesunde Portion Zorn befand. „Alle sagen immer, dass die Freude das Wichtigste ist. Stimmt schon. Aber nicht in der einen Minute, in der es um alles geht. Da musste ich zornig sein. Da brauchte ich diesen Druck, den ich mir teilweise auch selbst bewusst gemacht habe.“ Das Fass kann Marcel aber nicht nur auf der Skipiste öffnen. Marcel erinnert sich auch an CrossFit-Einheiten. „In meiner Karriere waren beim Bankdrücken meist hundert Kilogramm das Maximum. Eines Tages haben da beim CrossFit ein paar Burschen 130 Kilo gedrückt. Mir war’s in dieser Situation wichtig, das auch zu schaffen. Die Stimmung hat gepasst und ich hab auf einmal 130 Kilo drücken können … Wenn ich’s wirklich wollte und gebraucht hab, war da etwas, auf das ich zurückgreifen konnte.“
Und was waren – neben dem Durchgehen des Kurses – meist die allerletzten Gedanken im Starthaus? – „Ich MUSS gewinnen. Ich MUSS alles auf die Ski bringen, was ich draufhabe.“ Schon wenige Wochen nach dem Rücktritt denkt sich Marcel beim Anschauen des einen oder anderen Husarenritts in seiner Karriere: „Mit welchem Einsatz und mit welcher Intensität ich Ski gefahren bin, ist wirklich unglaublich. Hätte ich keine Handschuhe angehabt, hätte ich mich mit den Fingernägeln am Berg festgekrallt, um ja nicht auszuscheiden und so schnell wie möglich im Ziel zu sein. Ganz ehrlich: Manchmal war ich mir selbst ein Rätsel, wie ich das alles geschafft habe … Und diese Intensität, mit der ich das Ganze betrieben habe, ist auch der Grund, warum ich jetzt nicht mehr dabei bin. Das war einfach nur eine begrenzte Zeitspanne durchführbar.“