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Die Stuhlalm

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Raus aus dem Auge des Orkans. Raus aus den verrücktesten Tagen in Marcels Karriere. Entschleunigung. Wir landen im Jahr 1984 im Salzburger Land, wo die damals 28-jährige Niederländerin Sylvia während ihres Winterurlaubs, den sie mit Schwester und Schwager in Annaberg verbringt, unfreiwillig zur Entschleunigung gezwungen wird. Eine Autopanne. Skilehrer Ferdinand eilt zu Hilfe und erledigt wie ein echter Gentleman das Anlegen der Schneeketten. Es ist, wenn man so will, die Geburtsstunde dieses Ski-Märchens. Nach zwei Jahren Fernbeziehung gibt Sylvia ihren Job in einem Krankenhaus in Den Haag auf und zieht nach Annaberg, wo sie als Kellnerin arbeitet und freundlich aufgenommen wird. Im März 1989 kommt das erste Kind zur Welt: Marcel. Zwei Monate später ziehen die Hirschers für den Sommer auf den Berg, genauer gesagt auf die Stuhlalm, die oberhalb von Annaberg auf 1500 Meter Seehöhe liegt. Ferdl erfüllt sich dort den Traum vom Leben als Hüttenwirt. 15 Saisonen lang betreiben die Hirschers dann von Mitte Mai bis November die Hütte. „Eigentlich dachte ich mir, dass ich als Hüttenwirt in den Bergen mehr zum Klettern komme. Aber ich hab die Arbeit massiv unterschätzt. Das waren sechs Monate Arbeit, Tag und Nacht.“

Für den kleinen Marcel wird die Stuhlalm zu seiner zweiten Heimat. Auch heute kehrt er noch immer wieder dorthin zurück. „Das gehört jeden Sommer zu meinem Pflichtprogramm. Dann gibt’s Kaiserschmarrn. Und sofort kommen die Erinnerungen wieder, so schmeckt Kindheit.“

Wahrscheinlich würden heute viele gestresste Menschen eine Menge Geld bezahlen, um so wie Marcel, fernab des Trubels, für ein paar Tage oder Wochen auf einer solchen Hütte zu leben. Klingt doch irgendwie romantisch. „Ja, klingt vielleicht romantisch“, sagt Marcel. „Aber jede Romantik, jede Schönheit verblasst, wenn die Familie vor lauter Arbeit fast erschlagen wird. Das war schon auch eine harte Probe für uns alle.“ In den ersten paar Jahren haben die Hirschers nicht einmal warmes Wasser. Die Sommer sind sehr intensiv, die Gäste oft bis spät in der Nacht wach und feierwütig. Nicht selten kommt es vor, dass ein Gast ein Bier zu viel tankt, sich zu später Stunde in der Tür irrt und nicht in der Toilette, sondern im Zimmer der Kinder Marcel und Leon steht.

Dass die Kids angesichts der Fülle an Arbeit ein wenig zu kurz kommen, liegt auf der Hand. „Aber das ist in vielen, vielen anderen Gastronomiefamilien nicht anders“, weiß Marcel. Fußballspielen war natürlich möglich. „Aber wenn ich einmal zu fest geschossen hab, hat’s einen 15-minütigen Fußmarsch gebraucht, um den Ball wieder zu holen.“ Deshalb fährt Marcel oft mit dem Rad hinunter ins Dorf auf den Sportplatz oder ins Schwimmbad. Danach geht’s eine Stunde lang bergauf wieder zurück nach Hause! „Ich sehe die Phase auf der Stuhlalm als eine sehr lehrreiche Phase“, erzählt Marcel. „Ich schäme mich keinesfalls, wie ich aufgewachsen bin, ganz im Gegenteil. Aber man muss schon sagen, dass ich die Sommer in wahnsinnig ungewöhnlichen Verhältnissen verbracht habe.“ Sicher ist das einer der Hauptgründe, warum Marcel auch mit derart viel Ruhm im Gepäck immer geerdet und bodenständig geblieben ist. „Das müssen andere beurteilen, ob ich geerdet geblieben bin oder nicht. Ich denke aber schon. Ich weiß, was es bedeutet, für jeden Cent hart arbeiten zu müssen. Und ich weiß sehr gut zu schätzen, was ich erreichen durfte und was wir jetzt erleben dürfen.“ Gibt’s eines Tages eine Rückkehr auf die Stuhlalm als zweite Heimat? „Um kein Geld der Welt!“

Marcel Hirscher

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